Am Mittwoch entscheidet der Mainzer Stadtrat über einen Bürgerentscheid zum Bibelturm am Gutenberg-Museum, dass die Befragung der Bürger kommt, steht außer Frage: Praktisch alle Fraktionen im Rat wollen einen solchen Bürgerentscheid – nachdem das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum mit 9.593 gültigen Unterschriften eine mehr als ausreichende Mehrheit gefunden hat. Trotzdem lehnt die Stadtverwaltung das Bürgerbegehren ab: Es sei nicht rechtzeitig eingereicht worden, weil der Stadtrat bereits im Februar die Planungen zum Bibelturm beschlossen habe. Das ist umstritten, einen Bürgerentscheid  zum Bibelturm soll es nun dennoch geben – mit welcher Frage ist allerdings unklar.

Am Ende waren es sogar mehr als 13.600 Unterschriften, die die BI Gutenberg-Museum der Stadt Mainz in Sachen Bibelturm übergab. – Foto: gik

13.605 Unterschriften gegen den Bau des Bibelturms und vor allem für einen Bürgerentscheid zu dem umstrittenen Gebäude hatte die Bürgerinitiative Mitte Oktober Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) übergeben. Nach intensiver Prüfung teilte die Stadtverwaltung am 10. November mit: Von den 13.605 Unterschriften seien 9.593 Unterschriften als „gültig“ – also von Mainzer geleistet worden, die in Mainz ihren Wohnsitz haben und das länger als drei Monate vor der Unterschrift. Das für die BI notwendige Quoren hätte bei 7.814 Signaturen gelegen, die Organisatoren lagen also rund 1.700 Stimmen über dem Soll.

Überhaupt brachte die schiere Menge der Mainzer, die es für nötig befanden, sich gegen den Bibelturm zu positionieren, im Mainzer Rathaus auf einmal einiges in Rollen. Wo es vorher als „unmöglich“ bezeichnet wurde, einen Bürgerentscheid durchzuführen, brachen jetzt alle Dämme: Erst beschloss die CDU-Opposition, einen Bürgerentscheid zu initiieren, drei Tage später fassten auch die regierenden Ampel-Fraktionen aus SPD, Grünen und FDP denselben Entschluss. „Ein Bürgerentscheid bietet die große Chance, dieses einmalige Projekt im Bewusstsein der Mainzer zu verankern und so eine solide Basis für die weitere Entwicklung dieses einmaligen Museums zu legen“, hieß es nun. Alle vier Fraktionen betonten, sie seien für den Bau des Bibelturms – die Mainzer sind hingegen bisher nicht überzeugt.

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So soll der geplante Bibelturm auf dem Liebfrauenplatz aussehen. – Grafik: DFZ Architekten

Mehr als 13.000 Mainzer oder Mainz-Besucher schlossen sich mit ihrer Unterschrift der Kritik der Bürgerinitiative an. Die BI kritisiert, der direkt neben dem Römischen Kaiser auf dem Liebfrauenplatz am Dom geplante 23 Meter hohe, bronzefarbene Turm sei mit seiner modernen Architektur für den Standort verfehlt und bringe zudem nicht den nötigen Flächengewinn für das Gutenberg-Museum. Das brauche dringend eine Verjüngungskur und mehr Platz, betont die BI, doch das Geld werde für „ein umbautes Treppenhaus“ verschwendet, anstatt erst einmal den dringend sanierungsbedürftigen Schell-Bau – das Haupthaus des Museums – zu sanieren. Die ganze ausführliche Argumentation der BI könnt Ihr hier nachlesen.

Die Stadt will hingegen mit dem Bibelturm ein architektonisches Ausrufezeichen setzen und dem Museum so zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, das Budget von fünf Millionen Euro wäre allerdings mit dem Bau des Turms erschöpft. Die Kritiker bemängeln zudem, der Turm würde den Liebfrauenplatz deutlich verkleinern und Bäume sowie Blumenbeet kosten – dringend notwendige Grünflächen in einer immer betonlastigeren Stadt. Die Stadt wiederum verspricht, die Grünflächen neu zu gestalten, die Aufenthaltsqualität werde nicht leiden.

Die Bürgerinitiative hatte deshalb in ihrer Unterschriftenliste die Frage gestellt: „Sollen im Rahmen der Erweiterung des Gutenberg-Museums Mainz der Bau des sog. Bibelturms sowie alle Baumfällarbeiten auf dem Liebfrauenplatz als Teil des 1. Bauabschnitts entfallen?“ Die Stadt Mainz lehnte nun trotz der gültigen Menge der Unterschriften eine Durchführung des Bürgerbegehrens ab – und argumentiert mit den Fristen. Das Bürgerbegehren sei nämlich ein sogenanntes „kassatorisches Bürgerbegehren“, das sich gegen einen Ratsbeschluss richte. Der fragliche Ratsbeschluss sei aber der vom 8. Februar 2017 – somit hätte der Antrag spätestens vier Monate danach eingereicht werden müssen. Das Bürgerbegehren komme also zu spät, denn es sei erst acht Monate nach der Stadtratssitzung eingereicht worden.

Pläne für das Innenleben des Bibelturms – im Keller soll ein Schrein für die Gutenberg-Bibel entstehen. – Grafik: DFZ Architekten

Die BI bestreitet dies: „Das war lediglich ein Vorbereitungsbeschluss zu den Planungen“,  betont der Organisator des Bürgerbegehrens von der BI, Nino Haase, „nach geltender Rechtslage löst ein solcher Beschluss keine Fristsetzung aus.“ Bei der Stadt selbst heißt es: „In der Sitzung des Stadtrats am 8. Februar 2017 wurde die Planung zum so genannten Bibelturm vorgestellt und die Verwaltung durch den Rat beauftragt, auf der Basis der vorgelegten Vorplanung weiterzuarbeiten“ – ist das nun die Beschlussfassung pro Bibelturm oder nicht?

In der damaligen Vorlage sei „explizit von einem Vorplanungsbeschluss die Rede“ gewesen, betont die BI, zudem seien von der Opposition noch detaillierte Kostenplanungen gefordert worden. Außerdem entspreche der damals dem Stadtrat präsentierte Entwurf des Turms mit ebenerdigen Zugängen nicht mehr den aktuellen Planungen – für die BI alles Argumente, die gegen einen endgültigen Stadtratsbeschluss pro Bibelturm sprechen. „Dass Beschlüsse klar von Vorplanungsbeschlüssen abgegrenzt werden müssen, damit diese von der Öffentlichkeit als solche erkannt werden können, entschied bereits 2003 das OVG Koblenz so“, betont BI-Sprecher Thomas Mann. Und solche Vorplanungen lösten laut dieses Urteils nun mal keine Fristen für ein Bürgerbegehren aus.

Die Frage ist auch innerhalb der Fraktionen im Stadtrat umstritten, schließlich ist in der damaligen Beschlussvorlage lediglich die Rede davon, dass der Stadtrat die Vorlage „zur Kenntnis genommen“ habe. Die Bürgerinitiative reagierte aber erst einmal recht gelassen: Man werde genau beobachten, mit welchen Fragestellungen die Fraktionen ihre Anträge stellen würden, man lasse sich seine Frage „nicht verwässern“, betonte BI-Sprecher Thomas Mann. Die Anträge der Fraktionen für die Stadtratssitzung an diesem Mittwoch liegen nun vor, es sind gleich drei Anträge zum Thema. So beantragen ÖDP und Freie Wähler in einem gemeinsamen Antrag ein Bürgerbegehren mit der Frage: „Sollen im Rahmen der Erweiterung des Gutenberg-Museums Mainz der Bau des sogenannten Bibelturms sowie alle Baumfällarbeiten auf dem Liebfrauenplatz als Teil des 1. Bauabschnitts ausgeführt werden?“

Die Fläche auf dem Liebfrauenplatz, auf der der Bibelturm entstehen soll. Das Flatterband markiert laut Stadt Mainz den Bereich. – Foto: gik

Das greift die Frage der BI auf, verändert sie jedoch leicht – ein Beitrag zur klareren Formulierung der Frage. Anders die CDU: Sie reichte einen Antrag auf Bürgerbegehren mit der Fragestellung ein: „Sind Sie für die attraktivitätssteigernde Erweiterung des Gutenberg-Museums durch den Bibelturm?“ Diese Frage enthält allerdings eine Wertung – „attraktivitätssteigernd“ – zudem dürfte der Antrag keine Mehrheit finden – denn SPD, Grüne und FDP reichten einen eigenen Antrag pro Bürgerbegehren ein.

Die Ampel aber legt in ihrem Antrag gar keine Fragestellung an die Bürger vor, sondern fordert lediglich, die Verwaltung mit der Einleitung „aller nötigen Schritte für einen Bürgerentscheid“ zu beauftragen. „Die genaue Fragestellung sowie weitere Einzelheiten des Verfahrens sollen in einer Sitzung des Stadtrats am Anfang des Jahres 2018 geklärt werden“, heißt es weiter.

Die BI äußerte sich dazu skeptisch: „Wir sehen in dieser Vorgehensweise den Versuch der Ampel, eine abwehrende Fragestellung zum Bürgerbegehren der BI formulieren zu wollen“, argwöhnt Nino Haase. „Wir fragen uns, ob die Stadt damit eine mögliche Klage der BI vor dem OVG zu verhindern sucht, indem die Fragestellung so lange wie möglich nicht bekannt gegeben werden soll, bis unsere Einspruchsfrist abgelaufen ist?“ Man werde „diesen Versuch einer Verschleierungstaktik“ juristisch prüfen lassen und behalte sich die Einleitung entsprechender Schritte „auch weiterhin vor“, betonte Haase.

Aus der Fragestellung beim Bürgerbegehren müsse nämlich ganz klar hervorgehen, dass es sich nur um den 1. Bauabschnitt handele – also um den Bibelturm und nicht etwa um den kompletten Umbau und die Erweiterung des Gutenberg-.Museums, betont Haase: „Es darf nicht generell über die Erweiterung und Sanierung abgestimmt werden.“ Das nämlich würden die Mainzer wohl mit großer Mehrheit ablehnen – in der Stadt hat sich längst eine breite Mehrheit gebildet, die für eine Aufwertung des Gutenberg-Museums ist.

Auf Anfrage der ÖDP teilte die Stadt zudem mit, man rechne bis Ende November 2017 mit der Fertigstellung der Genehmigungsplanung und der Einreichung des Bauantrags. Oberbürgermeister Ebling und  Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD) hatten allerdings betont, die Stadt werde keine Fakten schaffen, solange der Bürgerentscheid nicht stattgefunden habe.

Info& auf Mainz&: Die einzelnen Anträge der Fraktionen im Mainzer Stadtrat findet Ihr im Ratsinformationssystem der Stadt Mainz unter dem Zugang für Bürger – hier sind alle derzeit schon vorhandenen Unterlagen für den Mainzer Stadtrat als pdf-Dokumente eingestellt. Der Stadtrat wird über die Anträge einzeln abstimmen, auch über die Ablehnung des Bürgerentscheids wegen Verfristung. Die BI hat allerdings im Stadtrat zu ihrem Antrag ein Rederecht, das sie auch wahrnehmen will. Der Mainzer Stadtrat beginnt am Mittwoch, den 29. November 2017, um 15.00 Uhr.

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