Der Bau des Bücherturms neben dem Gutenberg-Museum in Mainz scheint beschlossene Sache, die Stadtspitze handelt, als wäre der Turm nicht mehr aufzuhalten. Doch die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum sieht das ganz anders: Es gebe keinen Stadtratsbeschluss, in dem der Bücherturm formell beschlossen worden sei, sagt die BI – und sammelt seit Anfang August Unterschriften gegen das Projekt. Das Ziel: den Bibelturm verhindern und stattdessen den Neubau des Haupthauses des Museums vorziehen. 7.000 Unterschriften habe man bereits für ein Bürgerbegehren gesammelt, sagt die BI. Das brachte nun die Stadtspitze auf die Straße: Vergangenen Samstag informierten OB und Baudezernentin persönlich auf dem Liebfrauenplatz über das Projekt. Und dabei räumte man erstmals ein: Wirklich Platz schaffen wird der neue Bücherturm für das Museum nicht.

So soll nach neuesten Fotomontagen der Bibelturm künftig neben dem Dom wirken, daneben ein Modell der Fassade mit durchbrochenen Buchstaben. – Foto: gik

Es hatte einen Hauch von High Noon vor dem Gutenberg-Museum: Direkt vor dem Eingang zum Weltmuseum der Druckkunst standen Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) und allerlei Prominenz, um die Mainzer vom Bau des neuen Bücherturms neben dem Gutenberg-Museum – jetzt Bibelturm genannt – zu informieren. Auch die Initiative „Mainz für Gutenberg“, die für den Turm ist, war dabei. Wenige Meter weiter: Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die weiter gegen den Bau des Bibelturms kämpft – und für ein Bürgerbegehren Unterschriften sammelte.

BI sammelt Unterschriften: „Wollen echte Wahl der Mainzer“

Der Streit um den Erweiterungsbau, für den nun Anfang 2018 Spatenstich sein soll, ist also alles andere als vorbei. „Wir wollen weiter, dass die Mainzer über den Bau entscheiden“, sagte BI-Sprecher Thomas Mann zu Mainz&, „wir wollen, dass eine legitime Wahl stattfindet.“ In einem Bürgerbegehren fordert die BI, alle Mainzer sollten über den Erweiterungsbau abstimmen, betreffe dieser doch einen der zentralen Plätze der Stadt. „Wir sind nicht gegen das Gutenberg-Museum und nicht gegen eine Erweiterung“, betonte Mann, „nur: Mit dem Turm wird die notwendige Erweiterung ja gar nicht geschaffen.“

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Die BI fordert deshalb nun inzwischen, den zweiten geplanten Bauabschnitt, die Ertüchtigung des Schell-Baus des Museums vorzuziehen. „Fünf Millionen Euro sind für den Turm veranschlagt, aber der Schell-Bau muss in Sachen Brandschutz für vier Millionen ertüchtigt werden“, rechnete Mann vor. Woher wolle die Stadt denn das Geld für den Brandschutz nehmen? Die BI befürchtete schon früher, dem Haupthaus des Museums könne gar die Zwangsschließung drohen, so marode sei der Zustand. Dazu hält die BI weiter an ihrer Kritik fest, der Turm sei für den Platz neben dem Dom zu modern in der Architektur, füge sich nicht genug ins Stadtbild ein und koste zudem zu viel wertvolle Fläche auf dem bei den Mainzern sehr beliebten Liebfrauenplatz.

Erstmals zeigten Absperrband und rote Linien die ungefähren Dimensionen des künftigen Turmbaus neben dem Römischen Kaiser. – Foto: gik

Rote Linien zeigten erstmals Dimension des Bibelturms

Zumindest was die Dimensionen angeht, schaffte die Stadtspitze nun erstmals eine Orientierungshilfe: Mit Hilfe von roten Linien auf dem Boden und mit Hilfe von Absperrbändern waren erstmals die ungefähren Umrisse des künftigen Turmbaus abgesteckt worden. Die rote Linie reichte da etwa bis zur Hälfte des derzeitigen Blumenbeetes, die Stadt hat versprochen, eine neue Grünfläche mit Sitzmöglichkeiten zu schaffen. Die BI kritisiert dennoch die Pläne: „12 Bäume werden im Zuge der Bauarbeiten verschwinden“, klagte Mann, und auch wenn neue gepflanzt würden – „die sind dann erst einmal klein.“

Nebenan warben unterdessen Architekten, Dezernentin und OB für den Turm: Man habe den Menschen „viel erklären können“, sagte Baudezernentin Marianne Grosse, „es war eine gute Idee, Rede und Antwort zu stehen.“ Die Stadtspitze setze nun den Stadtratsbeschluss vom Februar zum Bau des Turms um, sagte die Dezernentin weiter. Grosse selbst hatte im Juli 2016 den Auftrag zu Planung und Bau an das Hamburger Architektenbüro DFZ vergeben – weit vor jedem Stadtratsbeschluss.

Ebling wirbt persönlich für Bibelturm: „Wird nicht alle Fläche und Freuden nehmen“

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) warb am Samstag persönlich für den Bibelturm am Gutenberg-Museum. – Foto: gik

„Wir wollen die Aufwertung des Museums und den Anspruch erfüllen, Weltmuseum der Druckkunst zu sein“, sagte Ebling im Mainz&-Gespräch. „Mit das Wichtigste“ sei dabei, „die Gutenberg-Bibel spektakulär zu präsentieren“. 12 mal 14 Meter groß soll der Bibelturm werden, das sei „nicht so groß, wie es von der BI gerne dargestellt wird“, sagte Ebling, der Turm werde „nicht alle Freuden und Flächen der Stadt nehmen.“ Allerdings räumte der OB zugleich auch ein, der Turm sei „nicht die einzige Antwort“ auf die Aufgabe, dem Museum mehr Fläche zu verschaffen. Der Schellbau werde aber noch deutlich in die Höhe wachsen, „das ist der Flächengewinn“, sagte Ebling.

Über Architektur „lässt sich trefflich streiten, das ist völlig normal“, sagte Ebling weiter. Aber die Stadt habe mit den Ausstellungen zum Architekturwettbewerb umfassend informiert, 5.000 Besucher hätten die Veranstaltungen besucht. „Ich kenne keine breitere Beteiligung als bei diesem Projekt“, sagte Ebling, „das hat sogar bundesweit Aufmerksamkeit erregt.“ Die Informationsführungen im kleinen Kreis zu den Bauplänen sollten im Übrigen wieder aufleben, kündigte Ebling an. Der Turm werde auch wirklich „kein monolither Betonblock werden“, versicherte Architekt Eckard Proske, sondern mit der Fassade aus durchbrochenen, bronzenen Buchstaben „eine leichte Erscheinung kriegen.“

Stadt präsentierte verbesserte Pläne und Ansichten

Die Stadt hatte eigens neue Bilder anfertigen lassen und präsentierte verbesserte Pläne für den Bücherturm, darunter auch ein kleines Modell der Buchstaben-Fassade – ein leichtes, sehr transparentes Gitterwerk. „Ich finde es ein wunderschönes Wahrzeichen, eben weil es so ungewöhnlich ist“, sagte der Vorsitzender der Gutenberg-Stiftung, Andreas Barner, zu Mainz&: „Er ist kein effizienter Museumsbau, aber das soll er ja auch gar nicht sein“, sagte Barner weiter. Der Turm werde „die Inszenierung der Kanzel und der Gutenberg-Bibel“ sein, das sei absolut faszinierend, schwärmte der Architekt Jürgen Hill, Sprecher der Initiative „Mainz für Gutenberg“.

Die Stadt präsentierte zudem neue, genauere Pläne des Bücherturms innen. – Foto: gik

Es gehe doch darum, den wertvollsten Schatz der Stadt angemessen zu präsentieren, „wir sind der Auffassung, der Turm leistet das“, sagte Annette Müller von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Der Turm sei keineswegs zu modern für den Platz, „rund um den Platz gibt es wimmelt es von unterschiedlichen Baustilen, da eine zeitgenössische Position dazu zu setzen, ist eine konsequente Entwicklung“, argumentierte sie: „Wir denken, es gibt keine stichhaltigen Gründe gegen den Turm, aber viele dafür.“

„Leute informieren sich drüben – und unterschreiben dann bei uns dagegen“

„Ich finde es schade, wenn der Platz zerstört wird“, entgegnete ihr eine Mainzerin: „Das Flair wird zerstört, eine Begegnungsstätte kaputt gemacht.“ Sie selbst habe auch Unterschriften gegen den Turm gesammelt, erklärte Sigrid Erdmann: „10 Prozent waren dafür, 90 Prozent dagegen.“ Der Turm sei „eine kalte Architektur, die hier nicht reinpasst“, die geringen Ausmaße beruhigten sie überhaupt nicht – „und die Finanzierung ist doch noch gar nicht gesichert.“

Nebenan bei der BI Gutenberg-Museum sah man das ähnlich: „Ich brauche kein überdimensioniertes Treppenhaus, und mehr ist das da doch nicht“, sagte einer. „Die Leute informieren sich da drüben – und kommen dann zu uns, um gegen den Turm zu unterschreiben“, sagte Mann. Tatsächlich erlebte Mainz& mehrere Fälle, wo genau das geschah. 600 bis 700 Unterschriften habe die BI allein an dem vergangenen Samstag gesammelt, sagte Mann, rund 7.000 seien es seit Anfang August insgesamt. 8.000 Unterschriften bräuchte die Bürgerinitiative, um ein Bürgerbegehren einzuleiten, dass auf den Listen auch Nicht-Mainzer unterschrieben, sei doch klar, sagt Mann: „Auch Auswärtige sind von der Änderung für Markt und Marktfrühstück betroffen – und wollen wir wirklich Kasteler ausschließen?“

BI und ÖDP: Es gibt keinen echten Stadtratsbeschluss pro Bau, vor Kenntnisnahme der Vorpläne

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum wirbt für den Erhalt des Liebfrauenplatzes und ist gegen den Turmbau. – Foto: gik

Bis Ende September will die BI denn auch noch weitere Unterschriften sammeln, da Menschen mit einem Wohnsitz außerhalb von Mainz für das Bürgerbegehren nicht gewertet werden. Die Stadt argumentiert unterdessen, das Bürgerbegehren komme viel zu spät, da der Stadtrat im Februar den Bau bereits beschlossen habe – und die Frist von vier Monaten danach bereits um sei. „Der Stadtratsbeschluss war kein echter Beschluss pro Bau“, sagt Mann unterdessen, der Stadtrat habe lediglich den Auftrag vergeben, weiterzuarbeiten. „Der eigentliche Stadtratsbeschluss pro Bau steht noch aus“, betont Mann – so sieht es auch die ÖDP im Stadttrat: „Es gab bis heute keinen expliziten Stadtratsbeschluss, etwa ob der umstrittene Bibelturm gebaut werden soll“, betont ÖDP-Chef Claudius Moseler.

Tatsächlich heißt es in der Stadtratsvorlage für die Sitzung am 8. Februar explizit: „Die städtischen Gremien nehmen die Vorplanung der Maßnahme zur Kenntnis und beauftragen die Verwaltung auf dieser Basis weiterzuarbeiten.“ Damit habe der Rat die Baupläne fürs Gutenberg-Museum lediglich „zur Kenntnis genommen“, dieser „schwammige“ Beschluss sei „keinesfalls ein belastbarer Startschuss für den Turm und einen massiven Eingriff in das Mainzer Stadtbild“, sagt Moseler. Die ÖDP fordere eine Grundsatzdebatte mit ordentlichen Beschlüssen im Mainzer Stadtrat, „offenbar scheut man diese demokratische Debatte im Stadtrat.“

An der Stelle der Platanen würde künftig der Bibelturm errichtet. – Foto: gik

Moseler kritisiert Diffamierung des Bürgerbegehrens als undemokratisch

Man stehe „uneingeschränkt zu unserem Beschluss im Stadtrat, den Bibelturm zu bauen“, teilten hingegen Vertreter der regierenden Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP sowie die CDU-Opposition in einer gemeinsamen Pressemitteilung Anfang August mit. Die städtischen Gremien seien „zu jeder Zeit eng in die einzelnen Planungsphasen eingebunden“ gewesen, die Beschlüsse in den Gremien und im Stadtrat „mit überwältigender Mehrheit gefasst“ worden. Die Beteiligung der Vertreter der Stadtratsfraktionen im Architektenwettbewerb sei „eine reine Alibiveranstaltung“ gewesen, konterte hingegen Moseler – die Vertreter der Fraktionen hätten in dem nicht-öffentlich tagenden Preisgericht nämlich gar kein Stimmrecht gehabt, ebenso wenig die Vertreter der Denkmalpflege. Externe Architekten, Dezernenten und sogar Verwaltungsmitarbeiter hätten hingegen Stimmrecht besessen, „ist das demokratisch?“, fragte Moseler.

Im Übrigen sei es ausgesprochen schlechter Stil, das Bürgerbegehren nun „als undemokratisch zu diffamieren.“ Die Bevölkerung habe „im Rahmen unserer repräsentativen Demokratie jederzeit die Möglichkeit mit Bürgerbegehren zu reagieren und Beschlüsse der kommunalen Gremien zu korrigieren“, betonte Moseler. Das sieht auch die BI so: „Es sollte auch mal der Frankfurter Hof abgerissen werden, auch dafür gab es einen Stadtratsbeschluss“, sagte Mann. Wäre es damals nach dem Stadtrat gegangen, würde der Frankfurter Hof nicht mehr stehen – eine BI kippte damals die Entscheidung. „Das ist auch für uns jetzt Motivation, weiter zu arbeiten“, sagte Mann.

Brief von Bonewitz: Wir sind Mainzer – und gegen den Bücherturm

Im Rat und in der Stadtspitze registriere man offenbar „auch nicht den breiten Unmut in der Bevölkerung über dieses Projekt“, sagte Moseler. Dazu passt zumindest eine Wortmeldung von niemand geringerem als dem Kabarettisten und Ur-Mainzer Herbert Bonewitz: Es sei „gutes demokratisches Recht, wenn sich Bürgerinitiativen bilden, um sich für oder gegen öffentliche Projekte einzusetzen“, schrieb Bonewitz in einem Leserbrief an die Allgemeine Zeitung.

Kritikwürdig fand der Ur-Mainzer aber offenbar den Umgang damit: Es könne nicht sein, dass solche Initiativen „diffamiert“, ihre Vertreter als „spießig, banausenhaft und rückständig“, abqualifiziert würden, rügte Bonewitz – oder dass gar eine Initiative mit dem Namen „Mainz pro Gutenberg“ suggeriere, sie vertrete ganz Mainz, und jeder, der den Bücherturm ablehne, sei gegen Gutenberg. „Meine Frau und ich sind zweifellos Mainzer und haben uns schon immer für Gutenberg eingesetzt“, schreibt Bonewitz weiter: „Dennoch erlauben wir uns zu erklären, dass dieser ‚Bücherturm‘ in keinster Weise unserem ästhetischen Empfinden entspricht und dass der Liebfrauenplatz eine attraktivere architektonische Lösung verdient hätte.“

Info& auf Mainz&: Mainz& hat ausführlich über die Pläne für den Bücherturm am Gutenberg-Museum berichtet – einen Bericht über die Vorplanung findet Ihr hier, einen über die Auftragsvergabe und Entscheidung pro Turm hier und den Ausgangsbericht über den Architekturwettbewerb hier. Über die Kritik am Turm und die Gründung der BI berichten wir in diesem Artikel, die Bedenken der Denkmalpfleger hier. Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum findet Ihr auf einer neu gestalteten Homepage hier – nun sehr übersichtlich und verständlich hier. Informationen über die Unterschriftenlisten findet Ihr genau hier – weil unsere Leser danach gefragt haben. Und weil das auch gefragt wurde: Es gibt keine Möglichkeit, online zu unterschreiben.

 

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