Der Streit ums Mainzer Zentrenkonzept geht heftig weiter, nun meldete sich der Geschäftsführer des Mainzer Möbelhauses Martin zu Wort – mit heftiger Kritik an der Stadt Mainz: Das Zentrenkonzept sei veraltet, die Stadt aber blockiere jegliche Neuerung und sei „zu keiner zielführenden Lösung bereit“, sagte Filialchef Peter Metzger im Interview mit der „Allgemeinen Zeitung“. Damit schade die Stadtspitze dem Einkaufsstandort Mainz, weil viel Kaufkraft ins Umland abziehe – etwa zum neuen Globus Einkaufsmarkt in Rüsselsheim. Die Stadt weist nun die Kritik zurück: Metzgers Äußerungen seien „wenig an der Realität orientiert“, das Zentrenkonzept weiter richtig.

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Möbel Martin-Filialleiter Peter Metzger bei der Eröffnung 2012 im Antenne Mainz-Interview – Foto: gik, Quelle Youtube

Erst vor wenigen Wochen hatte der Stadtvorstand das Mainzer Zentrenkonzept verlängert und nur einige wenige neue Ausnahmen zugelassen. Das Zentrenkonzept definiert, welche Waren nur in der Innenstadt verkauft werden dürfen und welche auf der Grünen Wiese, die Stadt will damit die Innenstadt vor Kaufkraftabfluss schützen. Allerdings steht das Konzept massiv in der Kritik: Trotz Schutzkonzept nämlich wandern die Einkaufenden derzeit aus Mainz ins Umland ab, der Branchenmix wird als unattraktiv empfunden, den Kunden fehlen bestimmte Läden.

Tauziehen um Decathlon

Vor allem um die Ansiedlung des Sportmarktes Decathlon gibt es seit Jahren ein Tauziehen – bislang nämlich verhinderte die Stadt mit ihren Angeboten die Ansiedlung des überaus beliebten Sportartikelherstellers aus Frankreich. So fahren die Mainzer stattdessen nach Wallau oder Ingelheim. Möbel Martin kaufte vor Jahren nicht nur sein Grundstück im Hechtsheimer Gewerbegebiet an der Messe, sondern auch benachbarte Grundstücke – mit dem Ziel, hier weitere Einkaufsmärkte anzusiedeln. Einen Decathlon wollte man hier haben, die Stadt Mainz sagte mit Verweis auf das Zentrenkonzept Nein.

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Gerade erst forderte Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) im Mainz&-Interview die Franzosen auf, sich flexibler zu zeigen, die Frage ist allerdings: Warum sollten sie? Die Sportartikelkette plant stattdessen derzeit Märkte in Wiesbaden und womöglich Rüsselsheim, das wären erneut Märkte vor den Toren von Mainz, die Kaufkraft ins Umland abfließen lassen würden.

Metzger: Stadt zu keiner zielführenden Lösung bereit

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Mit leeren Feldern wirbt übrigens die Grundstücksgesellschaft der Stadt auf ihrer Homepage für den Wirtschaftspark an der Messe… – Foto: gik

Nun wirft Möbel Martin-Filialleiter Metzger der Stadt praktisch systematische Behinderung einer Ansiedlung jedweden Marktes in der Nachbarschaft seines Hauses vor. Es gebe zwar eine ganze Reihe von Interessenten, sagte Metzger, „wir scheitern aber immer wieder am Mainzer Zentrenkonzept, einem der restriktivsten in ganz Deutschland.“ Das erlaube nämlich nur fünf Prozent des Verkaufs zentrenrelevanter Waren außerhalb der Innenstadt, deutschlandweit liege dieser Wert aber bei zehn Prozent. Und die Stadt sei „zu keiner zielführenden Lösung bereit“, klagte Metzger.

So blockiere die Stadt etwa auch die Ansiedlung von Babyfachmärkten, für die die Innenstadt nicht in Frage komme. Auch habe Mainz die Chance vertan, den Globus hier anzusiedeln – nun gebe es ihn nur 13 Kilometer entfernt in Rüsselsheim. Auf dem dortigen Parkplatz aber habe er „fast nur Mainzer Kennzeichen“ gesehen, berichtete Metzger. Das Zentrenkonzept sei ein „Konkurrenzverhinderungskonzept“ und schade der Stadt.

Stadt Mainz: Metzger soll sich mal „an realen Verhältnissen“ orientieren

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Diese Leerstände zeigt der Leerstandsmelder von Mainz aktuell an – wobei nicht alle Leerstände dort verifiziert sind. – Foto: gik

Die Stadt Mainz kontert, in dem sie Metzger „fragwürdige oder falsche“ Darstellung vorwirft. Mainz habe keineswegs das „restriktivste Zentrenkonzept in Deutschland“, bundesweit reiche die Spanne der zulässigen Nebensortimente von 3 Prozent bis zumeist 10 Prozent. Die Sortimentslisten seien „in fast allen deutschen Großstädten identisch“, Sportartikel überall zentrenrelevant. „Die geschilderte 5-Prozent-Quote für Mainz entspricht hingegen den Realitäten“, heißt es weiter – was immer das heißen mag.

Die Ansiedlung von Decathlon bei Möbel Martin sei daran gescheitert, dass dieser rund 70 Prozent Verkauf im Nebensortiment gefordert und dies „durch einen schwer nachvollziehbaren Berechnungsmodus“ habe „verschleiern“ wollen. Für die Sichtweise, dass der Innenstadthandel von einer Decathlon-Ansiedlung profitieren werde, habe „ein Nachweis dieser These nie plausibel dargelegt werden können.“ Und dass auf dem Globus-Parkplatz in Rüsselsheim fast nur Mainzer Kennzeichen zu finden seien, „verwundert doch sehr.“

Schließlich verweist die Stadt in ihrer Pressemitteilung noch darauf, dass Möbel Martin bei seiner Ansiedlung „weitreichende Ausnahmen ermöglicht wurden, die sonst an anderen Stellen des Stadtgebietes unzulässig sind.“ Man sei ja “ für einen faktenbasierten Austausch stets gern bereit, Metzgers Beitrag sei aber „wenig an den realen Verhältnissen orientiert.“

Realitätsverlust in Mainz?

Kommentar& auf Mainz&: Wer bestimmt eigentlich in Mainz, was „die Realität“ ist? Oder anders gefragt: Wie kommt die Stadt Mainz eigentlich dazu, einem renommierten Mainzer Geschäftsmann abzusprechen, dass seine Wahrnehmung der Realität entspricht? Das ist doch ein starkes Stück: Da beklagt sich ein engagierter Einzelhändler über Blockaden, Behinderungen und fehlende Unterstützung – und die Stadt hat nichts Besseres zu tun, als ihm Realitätsverlust vorzuwerfen. So schafft man in der Tat ein Klima, in dem sich Geschäftsleute mit Begeisterung für eine Stadt engagieren… Ironie aus.

Shoppen am Brandzentrum
Attraktive Mainzer Innenstadt? – Foto: gik

Im Ernst: Wie viele Warnschüsse will die Stadt Mainz eigentlich noch ignorieren? Firmen wandern ab, eine Spedition klagt explizit über mangelnde Unterstützung, Fachmärkte meiden Mainz und eröffnen vor der Haustür auf der hessischen Seite. Aber Nein, hier läuft gar nichts schief. Stattdessen hält man stur an seiner Linie fest und trägt das Zentrenkonzept wie eine heilige Monstranz vor sich her. Aber wo sind denn die großen Ansiedlungen, die ganzen neuen Geschäfte in Mainz?

Ja, kommende Woche eröffnet in Weisenau das „Scheck-In Center“ – aber im alten real,-Markt. Ein zusätzliches Angebot ist das nicht, hier wird lediglich eine Lücke gestopft. Die letzte große Neueröffnung war Möbel Martin selbst, die Wiesen daneben aber sind noch immer gähnend leer, und das seit Jahren. Da muss man sich als Stadt doch mal fragen: Ist das im Sinne von Mainz? Hilft das jemandem weiter? Was tut man denn dagegen?

Decathlon dürfte nach den Retourkutschen und Vorwürfen der Stadt langsam endgültig die Nase voll haben von Mainzer Ansiedlungspolitik. Und WARUM hat denn Globus abgewunken, sich in Mainz anzusiedeln? Und wer bezweifelt, dass der Globus-Parkplatz voller Mainzer Autos ist, der sollte vielleicht einfach mal hinfahren. Denn auch zahlreiche Mainz&-Leser berichteten, sie würden dort mit großer Begeisterung einkaufen. Viele davon kommen übrigens auch aus dem rheinhessischen Hinterland, Menschen, die sonst in Mainz einkaufen würden.

Die Welt dreht sich, das Internet lockt mit Warenvielfalt und Rabatten, die Mainzer fahren gerne nach Hessen zum Shoppen – wann, so fragt man sich, fängt man im Mainzer Rathaus an, die Realität zur Kenntnis zu nehmen?

Info& auf Mainz&: Das große Mainz&-Interview mit Dezernent Sitte zur Einkaufsstadt Mainz findet Ihr hier auf Mainz&. Zahlen, unsere Analyse und die Kritik der Mainz&-Leser in diesem Artikel. Zum Leerstandsmelder geht’s übrigens hier entlang.

 

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