Paukenschlag in Sachen Ultrafeinstaubmessungen in Mainz: Die Mainzer Fluglärm-Initiative IKUL hat eine Untätigkeitsbeschwerde gegen die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) erhoben. Die Fluglärmgegner werfen der Ministerin darin nichts weniger als die Verletzung ihrer Vorsorgepflicht zum Nachteil der Gesundheit der Bürger vor. Der Grund: Höfkens Weigerung, auch in Mainz Messungen zu Ultrafeinstaubemissionen aus dem Flugverkehr durchzuführen. Damit verstoße die Ministerin gegen ihre gesetzliche Vorsorgeverpflichtung und ignoriere bewusst und wider besseres Wissen das bestehende Umweltrisiko durch die ultrafeinen Partikel aus der Luft – und das, obwohl die IKUL bereits seit 2012 das Ministerium und die Ministerin vor diesen Gefahren warne.

Ein Messgerät für Ultrafeinstaub in Frankfurt. - Foto: Alt
Ein Messgerät für Ultrafeinstaub in Frankfurt. – Foto: Alt

Höfken hatte noch im August dieses Jahres erneut eigene Messungen in Mainz zu Ultrafeinstaub aus dem Luftverkehr abgelehnt – obwohl ihre eigene Parteifreundin, die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) genau solche Messungen gefordert hatte. Anlass war der jüngste Bericht des hessischen Landesamtes für Umwelt (HLNUG), nach dem die hohen Ultrafeinstaubkonzentrationen am Frankfurter Flughafen ihre Ursache in den Triebwerken der Flugzeuge selbst haben. Auf einer Expertenanhörung Ende August kündigte das Land Hessen daraufhin an, seine Messungen rund um den Frankfurter Flughafen deutlich auszuweiten.

Es müsse umgehend erforscht werden, wie sich An- und Abflüge auf die Bodenkonzentration der Partikel auswirkten, bis zu welcher Entfernung die Partikel streuten und welche Gemeinden betroffen seien, betonte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), man müsse wissen: „Wie weit reicht die Wolke vom Flughafen aus in die Umgebung?“ Die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder hatte daraufhin eigene Messungen auch für Mainz gefordert: „Wir müssen wissen, inwieweit die Landeshauptstadt betroffen ist“, sagte Eder damals gegenüber Mainz&: „Ich will als Mainzer Umweltdezernentin wissen: was kommt nach Rheinland-Pfalz?“

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Eders Forderung beruhte auch darauf, dass die Mainzer Initiative gegen Fluglärm bereits 2015 hohe Ultrafeinstaubkonzentrationen von 16.000 Partikeln auch im Mainzer Stadtgebiet maß – das Vierfache der normalen Konzentration. Auch bei Studien an anderen Flughäfen wurden bereits hohe UFP-Konzentrationen in einer Entfernung von bis zu 16 Kilometern und mehr von Flughäfen entfernt gemessen, die Mainzer Ingenieure Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein gehen bereits seit 2015 davon aus, dass auch in Mainz UFP-Partikel in erheblichen Konzentrationen aus dem Luftverkehr die Wohngebiete erreichen.

Landendes Flugzeug über den Häusern von Raunheim. - Foto: gik
Wie gefährlich ist Ultrafeinstaub von Flugzeugen, wie viel kommt davon in Wohngebieten an? Die Mainzer BI IKUL fordert Messungen auch in Mainz. – Foto: gik

Ultrafeine Partikel (UFP) gelten als hochgradig gesundheitsgefährdend, die winzigen Rußpartikel in Nanobereichsgröße entstehen bei Verbrennungsvorgängen in Motoren oder Öfen. Neueste wissenschaftliche Studien rechnen den winzigen Rußpartikeln, die rund 1.000 mal kleiner als der gut erforschte Feinstaub sind, ein hohes Gesundheitsrisiko für Atemwegserkrankungen und Herzinfarkte zu. Trotzdem lehnte Ministerin Höfken im August erneut eigene UFP-Messungen des Landes ab – und den Fluglärmexperten riss nun der Geduldsfaden: Die inzwischen in Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr e.V. („IKUL“) umbenannte BI habe am 27. November 2019 eine Untätigkeitsbeschwerde gegen die Ministerin erhoben, teilte die IKUL am späten Dienstagabend mit.

Man werfe der Ministerin vor, „pflichtwidrig Messungen von gesundheitsgefährdenden Ultrafeinstäuben, die vom Flugverkehr des Frankfurter Flughafens ausgehen, unter Verletzung des Vorsorgeprinzips zu verweigern.“ Höfken unterlasse Ermittlungen über das Ausmaß der Immissionsbelastung durch UFP zudem wider besseres Wissen, kritisiert die Bürgerinitiative: Die Besorgnis erregenden Erkenntnisse über die UFP-Immissionen durch die An- und Abflugrouten des Frankfurter Flughafens sowie die ernsthaften Hinweise auf negative Gesundheitsauswirkungen „sind Ihrem Ministerium seit 2012 und Ihnen persönlich seit spätestens 2015 bekannt“, heißt es in dem Schreiben. Trotzdem entziehe sich die Ministerin ihrer gesetzlichen Pflicht zur Vorsorge im Sinne der Bürger und lehne seit mindestens zwei Jahren Forderungen nach Messungen ab.

Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt im April 2018 mit Ergebnissen von Ultrafeinstaubmessungen aus Raunheim. - Foto: gik
Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt im April 2018 mit Ergebnissen von Ultrafeinstaubmessungen aus Raunheim. – Foto: gik

Das Vorsorgeprinzip im Umweltrecht schreibe aber vor, dass denkbare Belastungen für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit im Voraus vermieden werden sollten, und zwar auch bei einer möglicherweise unvollständigen Wissensbasis, argumentieren die Fluglärmaktivisten weiter. Staatliches Handeln werde daher nicht erst beim tatsächlichen Nachweis einer Gefährdung ausgelöst, „es genügen plausible oder ernsthafte Anhaltspunkte für ein Umweltrisiko“, betonen sie – und die lägen bereits seit Jahren vor: Seit 2012 hätten die Experten der BI dem Umweltministerium und der Ministerin persönlich genau solche plausiblen und ernsthaften Anhaltspunkte immer wieder genannt.

Die Experten Alt und Schwämmlein verwiesen dabei auch auf ihre Messungen von 2015, mit denen erstmals hohe UFP-Konzentrationen auch in Mainz nachgewiesen wurden. Alt und Schwämmlein hatten seither immer wieder umfassende Untersuchungen gefordert, 2016 sicherte ihnen das Ministerium ihren Angaben zufolge zu, Gelder für eine eigene Messstation in Mainz bereitstellen zu wollen. 2017 habe das Umweltministerium dann erklärt, die Gelder seien genehmigt, es könne „unmittelbar in den Beschaffungsprozess eingetreten werden.“

Im April 2018 schlugen Alt und Schwämmlein erneut Alarm: Offizielle Messungen des Landesumweltamtes in Hessen ergaben UFP-Konzentrationen von bis zu 100.000, ja sogar 500.000 Partikel pro Kubikzentimeter Luft, und zwar in Raunheim, rund zehn Kilometer vom Flughafen entfernt. Die Werte seien exorbitant hoch, hier sei „Gefahr im Verzug“ – Bevölkerung und Mediziner müssten dringend gewarnt werden, forderten Schwämmlein und Alt. Trotzdem rückte Ministerin Höfken 2018 von der Beschaffung eines Messgeräts wieder ab – und verwies auf das Forschungsprojekt Ufoplan des Umweltbundesamtes, das die Ausbreitung von UFP-Partikeln rund um Flughäfen ermitteln sollte.

Flieger über dem Mainzer Dom. - Foto: gik
Welche Auswirkungen haben die Flieger über Mainz? Die IKUL will, dass das endlich gemessen wird. – Foto: gik

Schon im April 2018 hatten die Verfasser der Studie jedoch selbst eingeräumt, das Projekt sei ein reines Rechenmodell – konkrete Messergebnisse würden dabei gar nicht einbezogen. Auf der Expertenanhörung im August 2019 mussten die Studienmacher sogar zugeben, ihr Ausbreitungsmodell habe noch erhebliche Unsicherheiten und passe mit den realen Messungen gar nicht richtig zusammen – man habe es bislang nicht geschafft, reale Belastungen oder Tagesvariationen abzubilden. Ufoplan bilde keine real gemessenen Belastungswerte ab, betont nun auch die IKUL, trotzdem berufe sich die Ministerin weiter darauf.

„Die Bürger in Rheinhessen und in Mainz werden bei Ostwind von landenden Flugzeugen überflogen“, mehr als 110.000 Landeanflüge habe es 2018 in dieser Region gegeben, heißt es in dem Beschwerdeschreiben der IKUL. In der Umgebung des Flughafens seien bereits Spitzenwerte von einer Million UFP-Partikel gemessen worden, „die Besorgnis von Gesundheitsgefahren durch die Einwirkung von UFP ist groß“. Im Januar 2019 habe zudem eine Vorstudie am Düsseldorfer Flughafen gezeigt, dass die UFP-Konzentrationen aus Flugzeugtriebwerken noch in einer Entfernung von 40 Kilometern nachweisbar sei. Nach dem Scheitern des Ufoplan-Rechenmodells sei klar: Nur mit Messungen könne Klarheit über die Belastung der Bürger in Mainz und Rheinhessen geschaffen werden – und diese Messungen zu beauftragen, dazu die Ministerin nun verpflichtet. „Nachdem die Ministerin zunächst Messungen in RLP zusagte, verweigert sie diese jetzt mit falschen und fadenscheinigen Begründungen“, erklärten Alt, Schwämmlein sowie ihr Mitstreiter Gerd Schmidt: „Wir fühlen uns von der Ministerin hingehalten und getäuscht.“

Erst kürzlich hatten zudem auch SPD-Landtagsabgeordnete aus Mainz und Rheinhessen eigene Mainzer Messungen zur UFP-Belastung durch den Flugverkehr gefordert: „Diese Stationen sind wichtig, sie geben uns wichtige Daten, die die Forschung, die in diesem Bereich noch an vielen offenen Fragen arbeitet, so dringend braucht“, sagten die Abgeordneten Nina Klinkel und Johannes Klomann (beide SPD) – und das Land Hessen habe natürlich kein Interesse an Messungen in Mainz.

Im Oktober hatte sich dann auch die IKUL in einem Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt und sie gebeten, bis Mitte November 2019 mitzuteilen, ob das Land Rheinland-Pfalz eigene Messungen in Mainz und Rheinhessen durchführen werde – der Ministerpräsidentin obliege die Gesamtverantwortung für die Gesundheit der Menschen in Rheinhessen. Offenbar bleib Dreyer die Antwort schuldig – die Untätigkeitsbeschwerde gegen ihre Ministerin Höfken ging nun auch an die Ministerpräsidentin.

Dreyer habe sich erst kürzlich beim Thema Fluglärm „weit aus dem Fenster gelehnt“ und sogar eine Ausweitung des Nachtflugverbots auf 6.00 Uhr morgens gefordert, betonte IKUL-Vorstand Lars Nevian: „An diesen Forderungen müssen sich Malu Dreyer und die SPD-Landtagsfraktion jetzt messen lassen.“ Dreyer müsse nun über die Untätigkeitsbeschwerde entscheiden, davon hängt ab, ob die Umweltministerin UFP-Messungen durchführen müsse. „Wir sind gespannt, ob Malu Dreyer und die SPD ihren Worten auch Taten folgen lassen“, fügte Nevian hinzu.

Info& auf Mainz&: Die wichtigsten Mainz&-Artikel zum Thema Ultrafeinstaub haben wir bereits im oben stehenden Artikel verlinkt. Die Untätigkeitsbeschwerde der IKUL könnt Ihr samt Pressemitteilung in vollem Wortlaut hier im Internet nachlesen.

 

 

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