Mainz stemmt sich weiter mit aller Macht gegen das drohende Fahrverbot im Herbst, ein Kernprojekt dabei: Die Umrüstung der Mainzer Dieselbusflotte. 90 Busse hat die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) bereits auf Euro 6-Standard gebracht, nun bilanzierte MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof: Die Umrüstung wirkt. Gut 95 Prozent weniger Stickoxide stoßen die Mainzer Busse seit der Umrüstung nun weniger aus. Und das, so Erlhof, sogar im Echtbetrieb auf der Straße. Ob das reicht, um den Mainzer Durchschnittswert von 47 Mikrogramm auf den Grenzwert von 40 Mikrogramm zu bringen, ist allerdings weiter unklar: Passivsammler des Landesamtes für Umwelt maßen 2017 nicht nur in der Parcusstraße, sondern auch an weiteren Stellen im Stadtgebiet Werte von weit über 50 Mikrogramm. Und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) pocht darauf: Der Grenzwert müsse im ganzen Stadtgebiet eingehalten werden.

Die oimposante Reihe der 23 neuen Dieselbusse mit Euro 6-Norm, die die MVG gerade angeschafft hat. Die Mainzer Dieselflotte wird damit deutlich sauberer. – Foto: gik

Die Landeshauptstadt Mainz muss nach dem Urteil des Mainzer Verwaltungsgerichts Dieselfahrverbote zum September einführen, falls es der Stadt nicht gelingt, den Stickoxidwert (NOX-Wert) in diesem Sommer auf oder unter den Grenzwert von 40 Mikrogramm zu bringen. Nach Angaben des Bundesumweltamtes lag der Stickoxidwert in der Mainzer Parcusstraße aber auch 2018 noch bei einem Jahresdurchschnitt von 47 Mikrogramm. Dieselbusse sind hier ein wesentlicher Faktor.

„Die Busse erzeugen 25 Prozent des örtlich erzeugten NOX“, sagte Erlhof. Schaffe die MVG es, die Stickoxide um 90 Prozent zu reduzieren, sei das ein relevanter Faktor bei der Senkung der Werte. Und die aktuellen Zahlen zeigten, dass das gelinge: „Durch die Umrüstung unserer Dieselbusse erreichen wir 94 bis 97 Prozent Minderungswerte bei Stickoxiden“, sagte Erlhof am Donnerstag in Mainz: „Das System funktioniert, es bewirkt tatsächlich etwas.“

- Werbung -
Werben auf Mainz&

100 ältere Dieselbusse rüstet die Stadt Mainz sei Ende 2018 mit neuen Abgasfiltern um, 90 habe man bereits geschafft, sagte Erlhof. Alle Busse seien online mit dem Hersteller zwecks Überprüfung der Technik verbunden. In zwei Busse baute die MVG zudem ein eigenes Modul ein, damit sei man in der Lage die Stickoxidwerte in Echtzeit nachzuvollziehen. „Wir machen jetzt nicht NOX-TV“, sagte Erlhof, „aber wir wollen sehen, welche Wirkung der Filter hat und ob er seine Wirksamkeit behält.“

Auswirkungen der Busumrüstungen auf die Stickoxidwerte in Mainz nach Messungen der MVG. – Foto: gik

Die Ergebnisse begeistern die Mainzer Verkehrslenker nicht wenig: So wird bei einem Mercedes-Bus, der ursprünglich die Euro 5-Norm hatte, mit Hilfe der neuen Abgasfilter eine Reduzierung der Stickoxide von 95 Prozent erreicht. Bei einem Gelenkbus der Marke MAN waren es sogar 96,5 Prozent. Kamen im Motor noch rund 1000 Stickoxidpartikel vor, so kamen im Auspuff durch die neue Filteranlage nur noch 3 Partikel heraus. Die Busse wurden dafür mit einer Kombination aus Harnstoff-Behandlugn und Filteranlage ausgerüstet, das macht den hohen Effekt aus.

„Wir haben die Werte tatsächlich im Echtbetrieb erzeugt“, betonte Erlhof zudem: „Mit allen Schwankungen aufgrund von Witterung, traue ich mich zu sagen: wir merken schon was.“ So wurden im Dezember 2018 sowie im Januar 2019 in der Parcusstraße im Schnitt nur noch 39,3 Mikrogramm Stickoxide gemessen – ein Jahr zuvor waren es drei Mikrogramm mehr gewesen.

Erlhof betonte, die gesamte Busflotte in Mainz sei nun auf Euro 6-Standard, „wir sind damit Vorreiter in Deutschland.“ Die Umrüstung von sechs Bussen stehe allerdings noch aus, weil der Hersteller noch immer auf die Zulassung des Nachrüstungssystems durchs Bundesumweltamt warte. „Unsere Fahrzeuge sind Referenzfahrzeuge“, sagte Erlhof. An ihnen würden die Hersteller auch nachbvollziehen können, ob die neuen Filteranlagen auch langfristig ihre Wirkung behalten. Nach einer Vorschrift im Förderprogramm des Bundes zu Dieselumrüstungen müssen diese eine Mindestminderung von 85 Prozent erreichen, und das über vier Jahre hinweg.

Dazu hatte die MVG gerade 23 neue Dieselbusse der Euro 6-Norm vorgestellt, deren Anschaffung vorgezogen wurde. Insgesamt sei die Mainzer Busflotte damit komplett auf dem neuesten Stand, betonte Erlhof: „Mehr können wir nicht machen.“

Jochen Erlhof, Geschäftsführer der MVG, präsentiert die Messergebnisse aus den Mainzer Dieselbussen. – Foto: gik

Die Frage ist, ob das reicht, den Grenzwert von 40 Mikrogramm bis zum Sommer einhalten zu können. Am Donnerstag zweifelte die AfD im Mainzer Landtag erneut die Korrektheit der Messstationen, gerade in der Parcusstraße, an und forderte die Versetzung von mehr als 20 Messstationen im Land. „Die Messstationen können nichts dafür, sie sind nur Überbringer“, konterte Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) und betonte, alle Messstationen im Land, auch in Mainz, stünden korrekt und hielten die Anforderungen der EU-Vorschriften ein.

Trotzdem hat die Bundesregierung noch einmal eine technische Überprüfung der Messstellen in Auftrag gegeben, voraussichtlich im März soll die Station in der Mainzer Parcusstraße an der Reihe sein, sagte eine Sprecherin des Mainzer Umweltministeriums auf Mainz&-Anfrage. Ministerin Höfken betonte, sie gehe davon aus, dass sich auch dabei an der Tatsache nichts ändern werde, dass die Station korrekt aufgestellt sei. Dazu bestätigten Messungen durch parallel dazu aufgestellte Passivsammler, dass die Station an der richtigen Stelle stehe, um Belastungen festzustellen.

Tatsächlich messen die sogenannten Passivsammler sogar weiterhin höhere Werte als die fest installierte Luftmessstation. So wurden 2017 an der Parcusstraße durch Passivsammler Jahreswerte von 54 Mikrogramm gemessen, an der festen Station waren es „nur“ 48 Mirkogramm. Und das könnte für die Stadt Mainz noch zum Problem werden: Schon bei der Gerichtsverhandlung Ende Oktober 2018 hatte die Deutsche Umwelthilfe explizit darauf verwiesen, dass Passivsammler auf noch viel höhere Stickoxidwerte hinwiesen, als die Werte der Feststation – und das im gesamten Mainzer Stadtgebiet.

25 Prozent der Stickoxide machen die Mainzer Dieselbusse bei den Messungen der Luftschadstoffmessstelle an der Mainzer Parcusstraße aus. Passivsammler ganz in der Nähe bestätigen die hohen Stickoxidwerte – und liegen zu Teil noch erheblich drüber. – Foto: gik

Nach Angaben des Landes maßen Passivsammler 2017 tatsächlich vor allem in der Mainzer Rheinallee erhebliche Werte: in Höhe der Kaiserstraße wurden demnach auf der Rheinallee 50 Mikrogramm gemessen, in Höhe der Holzhofstraße sogar 58 Mikrogramm. Auch am Neubrunnenplatz wurden 53 Mikrogramm registriert. Passivsammler erheben allerdings keine Werte, die nach den EU-Richtlinien gültig sind, ihre Werte werden im 14-Tage-Rhythmus erhoben und schwanken stärker als die der festen Messstationen. Der Jahresmittelwert könne dadurch nicht so exakt erhoben werden wie durch die festen Messstationen, betont das Mainzer Umweltministerium. Die Daten würden deshalb nur für die Qualitätssicherung und zur wissenschaftlichen Auswertung erhoben, nicht aber an die EU gemeldet.

Trotzdem verwies DHU-Anwalt Remo Klinger vor wenigen Tagen im Interview mit Mainz& noch einmal auf die hohen Werte der Passivsammler und forderte erneut, Mainz müsse den Grenzwert von 40 Mikrogramm im gesamten Stadtgebiet einhalten – und nicht nur in der Parcusstraße. Und dafür sehe die DHU bisher wenig Anstrengungen in Mainz.

Ministerin Höfken betonte denn auch erneut am Donnerstag im Landtag, verantwortlich für die Misere sei weiter die Autoindustrie, die die Verbraucher mit fehlerhaften Autos betrogen habe, aber auch die Bundesregierung, die endlich für Umrüstungen auch der Diesel-Pkw sorgen müsse. „Es gibt eben auch das Recht auf Unversehrtheit“, betonte die Ministerin, und verwies auf eine kürzlich vorgelegte Studie der DAK, nach der Atemwegserkrankungen inzwischen das Hauptproblem bei Kindern seien. „Wir müssen Luftreinhaltung betreiben, damit weder unser Wald noch unsere Kinder geschädigt werden“, betonte Höfken.

Wie wichtig dies ist, unterstrichen am Freitag auch gleich mehrere hochkarätige Wissenschaftler auf einem Symposium der Akademie der Wissenschaften: „Umweltverschmutzung ist einer der größten Risikofaktoren für erhöhte Krankheitsanfälligkeit und erhöhte Mortalität“, sagte etwa die Toxikologin Andrea Hartwig, Professorin am Institut für angewandte Biowissenschaften in Karlsruhe und Vorsitzende der deutschen Kommission zur Festsetzung von Schadstoff-Grenzwerte. Kausale Effekte von Stickoxiden auf Lunge und Asthmaerkrankungen seien „gut begründet“, man wisse, dass dadurch Atemwegssymptome bei Kindern verstärkt würden.

Der Grenzwert von 40 Mikrorgamm sei wissenschaftlich „gut abgesichert“, bekräftigte Hartwig. Stickoxid sei ein Reizgas, bei dem Salpetersäure gebildet werde, die zu irritativen Effekten führen könne, dazu sei es ein Vorläuferstoff für Ozon und Feinstaub. Und bei der Gesundheitsgefährdung spiele der Straßenverkehr in den Städten noch immer eine große Rolle.

Hartwig erklärte auch, warum die Grenzwerte auf der Straße so viel niedriger angesetzt sind, als Grenzwerte, die für den Arbeitsplatz gelten: „Arbeitsplatzgrenzwerte gelten für gesunde Personen im arbeitsfähigen Alter, die acht Stunden am Tag arbeiten“, erklärte Hartwig. Für den allgemeinen Grenzwert hingegen würden Kinder, alte Leute und Menschen mit Vorschädigungen mit einbezogen, deshalb seien dort viel strengere Grenzwerte sinnvoll. „Der Grenzwert wurde von der WHO vorgeschlagen wegen erhöhter Asthmaproblemen bei Kindern“, unterstrich Hartwig. Der Grenzwert sollte deshalb „unbedingt“ auch so beibehalten werden. Die Grenzwerte hätten den Sinn, Schädigungen zu verhindern „eben bevor jemand tot umfällt“, fügte sie hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den neuen Bussen der MVG lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zur Korrektheit der Mainzer Messstationen genau hier auf Mainz&. Mehr zu dem Symposium mit den Experten lest Ihr demnächst – ausführlicher Bericht dazu folgt 😉

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein