Am Mittwoch steht noch eine zweite Dezernentenwahl im Mainzer Stadtrat auf der Tagesordnung: Die Wiederwahl der Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) steht derzeit ganz im Schatten der turbulenten Ereignisse um den Rückzug des Wirtschaftsdezernenten Christopher Sitte. Dabei birgt Eders Antritt zur Wiederwahl in sich eigentlich ebenfalls Sprengstoff: Kein anderer städtischer Dezernent ist in seinem Amt so umstritten wie die 42 Jahre alte Politologin. Baustellen, Radwege, Dieselfahrverbote – an Eders Verkehrspolitik entzünden sich regelmäßig heftige Debatten in Mainz. Trotzdem stellt sich die Dezernentin heute zur Wiederwahl, als Gegenkandidat stellte die CDU ihren Verkehrsexperten Thomas Gerster auf.

Katrin Eder stellt sich zur Wiederwahl als Verkehrs- und Umweltdezernentin von Mainz. – Foto: Stadt Mainz

Seit Juni 2011 ist Katrin Eder Dezernentin für Umwelt, Grün, Energie und Verkehr der Stadt Mainz, die damals gerade 34 Jahre alte Politikerin trat damit die Nachfolge des CDU-Mannes Wolfgang Reichel an, der sich nicht erneut zur Wahl gestellt hatte. Eder ist gebürtige Mainzerin, schon während ihres Politikstudiums arbeitete sie als Mitarbeiterin der rheinland-pfälzischen Landtagsabgeordneten Gisela Bill (Grüne). 2004 bis 2007 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Grünen-Bundestagsfraktion bei Ulrike Höfken, heute Umweltministerin in Mainz. 1999 zog sie als jüngstes Mitglied für die Grünen in den Mainzer Stadtrat und wurde 2010 für kurze Zeit Fraktionschefin – bis sie im Juni 2011 ins Dezernentenamt wechselte.

Schon bei ihrer Wahl vor acht Jahren stieß Eder auf Widerstand, nicht alle Mitglieder der damaligen Ampel-Koalition gaben der jungen Grünen ihre Stimme. Als Dezernentin wurde Eder mit ihrem konsequenten Eintreten für eine Verkehrswende mit mehr Radverkehr und mehr Grün in der Stadt schnell zu einer Reizfigur, regelmäßig warfen ihr Kritiker eine ideologische Verkehrspolitik vor.

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Eder mit OB Ebling bei der ersten Testfahrt für die Mainzelbahn. Das Foto veröffentlichte Eder selbst auf Twitter.

Eder machte Mainz zur Fahrradstadt, in ihrer Amtszeit stieg der Anteil der regelmäßigen Fahrradnutzer von 12 Prozent auf 20 Prozent. Eder eröffnete die erste Fahrradstraße von Mainz, etablierte das Mietradelsystem MVGmeinRad und baute neue Fahrradabstellplätze – neue Fahrradwege baute sie nicht. Sie setze stattdessen auf Radwegerouten durch die Stadt, betont Eder, die Dezernentin wies Schutzstreifen für Fahrräder aus und arbeitete mit Piktogrammen auf der Straße. Dazu ist derzeit ein neues Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof in Planung.

Als großen Erfolg feierte Eder Ende 2016 die Einweihung der neuen Mainzelbahn vom Hauptbahnhof auf den Lerchenberg. Allerdings wurden für die neun Meter lange Strecke Buslinien in anderen Stadtteilen ausgedünnt, die Kürzungen wurden nie rückgängig gemacht. Auch Probleme von Anwohnern in Mainz-Bretzenheim mit rumpelnden Bahnen und Erschütterungen in ihren Häusern wurden bislang nicht gelöst. Kritiker werfen Eder denn auch vor, viel zu wenig für den Öffentlichen Nahverkehr als ganzes getan zu haben. Die Dezernentin verspricht indes, den ÖPNV in Zukunft noch attraktiver gestalten zu wollen ein neues Nahverkehrskonzept sei in Arbeit. Dazu wolle sie die City-Bahn nach Wiesbaden vorantreiben, auch gibt es Ideen für einen weiteren Straßenbahnausbau – etwa nach Mainz-Ebersheim oder zum Heilig-Kreuz-Areal.

Ärger hat die Dezernentin derweil aber mit den Dieselfahrverboten: Gerade erst befand das Mainzer Verwaltungsgericht den Luftreinhalteplan der Stadt als ungenügend und verfügte, die Stadt müsse umgehend einen neuen vorlegen. Sinken die Stickoxidwerte bis Sommer 2019 nicht, muss die Stadt zum September 2019 Dieselfahrverbote vorbereiten – auch die Mainzelbahn und der Ausbau des Radverkehrs würden da nicht reichen, befand das Gericht streng. So rächt es sich denn auch, dass Mainz in Sachen Grünflächen in der Stadt weiter hohen Nachholbedarf hat: Eder sanierte zwar die Grünanlagen im Stadtpark und die Wallanlagen auf der Zitadelle, den Kampf gegen die Mainzer Bauwut verlor sie. Im Zuge der Nachverdichtung verlor Mainz grüne Flächen in Reihe, auch bei drohenden Rodungen von Kleingärten am Linsenberg suchte man ein Eintreten Eders für das Grün in der Stadt vergeblich.

Lieblingsprojekt Fahrradausbau: Katrin Eder beim 5-jährigen Jubiläum des Mietradelsystems MVGmeinRad. – Foto: MVG

Zur Revolte gegen die Dezernentin kam es schließlich beinahe im Sommer 2017: Nach zwei Jahren Baustellenchaos in Folge, wackelte Eders Job, die CDU-Opposition forderte gar die Abberufung der Dezernentin – das Mainzer Baustellen war da überregional längst zur Lachnummer geworden. Nach monatelanger Kritik am Baustellenmanagement der Stadt gab Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) 2016 eine Studie bei externen Beratern in Auftrag, die CDU sprach von einer „Ohrfeige für Eder“ – im Sommer 2017 hielt sich sogar der Koalitionspartner FDP mit Kritik an Eders Management nicht mehr zurück.

Manch Beobachter fragte sich da schon, wie lange sich Eder den Spagat zwischen grüner Politik, externer Kritik und Konflikten im Stadtvorstand noch aussetzen wolle, selbst über ihr Antreten zur Wiederwahl als Dezernentin wurde spekuliert – erst recht, als Eder vor wenigen Woche  Mutter von Zwillingen wurde. Im Juni dann verkündete Eder, sie trete noch einmal an, ihre Fraktion sprach sich klar für sie aus.

Eder habe ihr Dezernat „immer mit Engagement und Einsatz geführt“, sagte Fraktionssprecherin Sylvia Köbler-Gross. Eders Themen stünden eben sehr im Fokus der Öffentlichkeit, „bei Themen, zu denen jede und jeder eine Meinung hat, gibt es immer auch Kritik.“ Man schätze an Eder aber, „dass sie immer ein Ohr für die Belange der Bürger, der Fraktion und ihrer Verwaltung hat“, betonte Köbler-Gross: „Mit klarer Zielsetzung für Klimaschutz, für Umweltschutz, für eine notwendige Verkehrswende setzt sie GRÜNE Politik um, mit Haltung und mit Blick auf die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner dieser Stadt.“

CDU-Gegenkandidat Thomas Gerster: „Verkehr in Mainz kennt bisher keine Planung“

Gegenpositionen zu Eder, pro Fahrradwege und integriertes Verkehrskonzept: CDU-Kandidat Thomas Gerster (rechts) im Sommer mit einem eigenen Vorschlag für einen Radweg an der Goldgrube. – Foto: gik

Die CDU-Opposition hingegen lässt kein gutes Haar an Eders Politik: „Verkehr in Mainz kennt eigentlich keine Planung“, kritisierte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster im September auf einem Parteitag der Mainzer CDU, „es ist ein Flickenteppich.“ Gebaut werde, wenn Geld da sei, einen Plan habe die Ampel nicht, Eder „nur Symbolpolitik“ betrieben. Ganze 650 Meter Radweg habe Eder geschaffen, 3.000 Bäume im Stadtgebiet gefällt, „das ist eine verheerende Bilanz, das kann man besser machen“, betonte Gerster. Die CDU wolle eine integrierte Verkehrsplanung – auch für Radfahrer – mehr ÖPNV, aber auch schnellere Ampelschaltungen und einen Ausbau des Mainzer Rings sowie einen vierspurigen Ausbau der Rheinhessenstraße.

Gerster tritt nun heute als Gegenkandidat zu Eder für den Posten des Umweltdezernenten an, der 48 Jahre alte Jurist kommt aus einer alten Mainzer Politikdynastie: Sein Vater Johannes Gerster war CDU-Landeschef in Rheinland-Pfalz, Mitglied des Landtags und des Stadtrats und wirkt bis heute als graue Eminenz im Hintergrund. Thomas Gerster ist seit 2004 Mitglied des Stadtrats und dort seit 2009 verkehrspolitischer Sprecher der CDU. Gerster lebt mit seiner Familie in der Mainzer Altstadt, Umwelt und Verkehr nennt er seine Herzensthemen.

Thomas Gerster, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Mainzer Stadtrat, tritt als Gegenkandidat für den Posten des Umwelt- und Verkehrsdezernenten an. – Foto: CDU

Er sei in den 1980er-Jahren aufgewachsen und allein deshalb schon für umweltpolitische Themen sensibilisiert, sagte Gerster bei seiner Vorstellung im Oktober. Die Bewahrung der Schöpfung und der Klimawandel hätten für ihn eine wichtige Bedeutung – nicht umsonst sei er gegen den Bau des Kohlekraftwerks gewesen. „Wir müssen uns dem Klimawandel stellen und Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu verbessern“, betonte Gerster, Er wolle ein städtisches Aufforstungsprogramm mit 1000 neuen Bäumen, das Rheinufer aufwerten, vorhandene Grünflächen besser pflegen und neue schaffen – etwa am Ende von Sackgassen. Die Mainzer Brunnen müssten wieder dauerhaft von der Stadt betrieben werden, die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt dringend erhöht werden. „Unsere Plätze, etwa der Ernst-Ludwig-Platz in der Altstadt, müssen schöner werden“, sagte Gerster.

Den Verkehr in Mainz will Gerster durch mehr grüne Wellen flüssiger machen und LKWs aus der Innenstadt verbannen, dazu den „Masterplan Green City“ konsequent umsetzen. Aktuell werde hingegen der Individualverkehr ausgebremst, Eder mache „keine Politik für, sondern gegen die verschiedenen Verkehrsteilnehmer“, das wolle er ändern. Auch für eine neue Rheinbrücke tritt Gerster ein, ebenso für einen Ausbau des Radwegenetzes. „Für welchen Verkehrsteilnehmer hat sich in der Amtszeit von Frau Eder etwas verbessert? Sie werden niemanden finden“, sagte Gerster: „Deshalb ist es Zeit für einen Neuanfang.“ Dass der CDU-Mann diese Chance bekommt, ist indes unwahrscheinlich: die Ampel-Koalition hat angekündigt, geschlossen für Eder stimmen zu wollen. Aber vor drei Tagen galt ja auch noch die Wiederwahl Sittes als sicher….

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Plänen von Katrin Eder in Sachen Radverkehr lest Ihr zum Beispiel hier bei Mainz&, mehr zu den Plänen der CDU in Sachen Verkehr in diesem Artikel über den CDU-Parteitag im September.

 

 

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