Angesichts des seit Wochen dröhnenden Fluglärms über Mainz und der schleichenden Aushöhlung des Nachtflugverbots, fordert die Stadt Mainz nun konkrete Änderungen vom Land Hessen: Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) fordern, den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Frankfurter Flughafens zu ändern, um den dauerhaften Verspätungslandungen nach 23.00 Uhr einen Riegel vorzuschieben. Der Planfeststellungsbeschluss erlaube eine gewisse Zahl von Landungen nach 23.00 Uhr bei nicht vorhersehbaren Gründen, derzeit würden aber die Ausnahmen fast schon zur Regel. Das müsse geändert, die bestehenden Schlupflöcher geschlossen werden, fordern die Mainzer Politiker. Ausnahmen müssten Ausnahmen bleiben und dürften nicht zur Regel werden.

Den Mainzer reicht es jetzt mit Dauer-Fluglärm und Verspätungslandungen: Die Stadtspitze fordert nun von Hessen Änderungen beim Planfeststellungsbeschluss in Frankfurt. – Foto: gik

Das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen war eine der Hauptkompensationen für den Ausbau des Flughafens mit der dritten Landebahn, danach muss der Flugverkehr eigentlich zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens ruhen. Aus Sicherheitsgründen ließ der Gesetzgeber aber Ausnahmen zu: Verspätet sich ein Flieger aus Gründen, die die Airline nicht zu verantworten hat, darf er bis Mitternacht noch in Frankfurt landen – eine Einzelgenehmigung ist dafür nicht einmal nötig. Doch was eigentlich als Ausnahme gedacht war, wird inzwischen zur Regel: 185 Maschinen setzen allein im Mai in Frankfurt zwischen 23.00 Uhr und 24.00 Uhr noch auf, teilte das hessische Verkehrsministerium vor drei Tagen mit. 58 Fälle gingen auf das Konto der irischen Billigfluglinie Ryanair, 55 auf das Konto der Charterfluglinie Condor. Die Nachtflugbestimmung in Frankfurt würde in nie dagewesener Weise „auf die Probe gestellt“, räumte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) ein.

„Die aktuelle Häufung der Verstöße zeigt, dass die bisherigen Instrumente keinen wirksamen Schutz für die Menschen bieten“, kritisierten nun Ebling und Eder am Dienstag in Mainz: „Nach wochenlangem Ostbetrieb in Kombination mit zahlreichen Verspätungen liegen bei vielen Menschen die Nerven blank.“ Es sei für die Bewohner der Region „nicht nachvollziehbar, dass das Nachtflugverbot fast jede Nacht ausgehöhlt wird“, schimpften die Mainzer Politiker, man könne bei mancher Fluglinie zudem „den Eindruck gewinnen, dass diese Verspätungen zugleich systematisch eingeplant sind – nicht die Ausnahme, sondern die Regel.“

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Der Planfeststellungsbeschluss biete „Schlupflöcher, die offensichtlich gezielt ausgenutzt werden“, kritisierten Ebling und Eder weiter. Diese Graubereiche müssten „zwingend eliminiert werden, um jeglichen Missbrauch zu stoppen.“ Die Mainzer Politiker fordern das Land Hessen auf, „mit voller Härte“ gegen die systematischen Verspätungen bestimmter Airlines vorzugehen und begrüßten die Einleitung der Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Ryanair. Das reiche aber noch nicht aus, hieß es weiter: „Wir fordern das Land Hessen auf, mit einer gezielten Planänderung zum Planfeststellungsbeschluss diese offenkundigen Lücken zu schließen, so dass Ausnahmen auch Ausnahmen bleiben“, forderten Ebling und Eder.

Dem Mainzer Michel fliegt mal wieder viel zu viel um die Ohren. – Foto: gik

Die Mainzer berufen sich dabei auf zwei Ziffern im Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens – die Ziffern 4.1.3.1. und 4.1.3.2. – wonach eine gewissen Anzahl an Verspätungen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Die Planfeststellungsbehörde habe sich jedoch vorbehalten, diese Regelung zu ändern, wenn der Durchschnitt eines Kalenderjahres den Wert von 7,5 täglichen Verspätungslandungen im Jahresdurchschnitt übersteige, betont man in Mainz.

Die 185 Verspätungen im Mai kommen dieser Grenze bereits sehr nahe, allerdings war dies auch ein Rekordhöchstwert. Im April 2018 gab es 72 verspätete Landungen, im März waren es 57, im Februar lediglich 26, davon allerdings die allermeisten während Ostbetriebs. Im Jahr 2017 gab es insgesamt mehr als 700 verspätete Landungen, dazu mehr als 400 verzögerte Starts. Höhepunkt war bislang der September 2017 mit allein 105 Verspätungen gewesen. Das hessische Verkehrsministerium versucht seit Monaten, das Problem in den Griff zu bekommen, bislang allerdings vergeblich.

Kritiker wie etwa die hessische Linke fordern, der Bruch der Nachtruhe müsse mit Flugverboten geahndet werden, Al-Wazir lasse sich gerade von den Billigfluglinien „auf der Nase herum tanzen“ und schaue „tatenlos zu“, wie etwa Ryanair das Nachtflugverbot systematisch unterlaufe, schimpfte Linken-Fraktionschefin Janine Wissler vor wenigen Tagen im Wiesbadener Landtag. Und selbst die hessische FDP mahnte, Spielregeln müssten für alle Airlines gleichermaßen gelten. Ryanair sei dabei, Vertrauen in den Flughafen und seine Regeln insgesamt zu beschädigen, das könne nicht hingenommen werden.

„Dem Schutz der Nacht wird seit jeher zu Recht ein besonderer gesetzlicher Schutzstatus eingeräumt“, betonen auch die Mainzer Politiker – dies sei das schlagende Argument des Bundesverwaltungsgerichtes für das Nachtflugverbot gewesen. Solche Regelungen müssten aber auch verlässlich sei, und genau diese Verlässlichkeit sei derzeit stark gefährdet.

Info& auf Mainz&: Das Thema Fluglärm wird uns in den kommenden Tagen noch weiter begleiten: Am kommenden Montag, den 11. Juni, findet im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens die 250. Montagsdemo gegen Fluglärm statt, mehr dazu hier bei Mainz&. Auf Bundesebene steht dazu derzeit die Novellierung des zehn Jahre alten Fluglärmschutzgesetzes an. Kommende Woche will die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen“ dazu ihre Forderungen vorstellen, wir sind gespannt. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm forderte bereits im April zum Tag des Lärms mehr Schutz vor Fluglärm, geschehen ist bislang wenig. Wir bleiben dran. Detaillierte Daten zu den verspäteten Starts und Landungen in Frankfurt könnt Ihr selbst hier beim hessischen Verkehrsministerium nachlesen. Mehr zu den Maßnahmen gegen die Verspätungen bei Ryanair lest Ihr hier.

 

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