Mainz war ja einmal eine wahre Bierhochburg, und so lange ist das noch gar nicht her: Vor gut hundert Jahren kamen große Biernamen wie Mainzer Aktienbräu oder Sonnenbier aus Mainz, dann schluckten die Konzerne alle Konkurrenz. Doch vor zehn Jahren machte sich eine Familie in Mainz-Ebersheim auf, das Einheitsgebräu zu durchbrechen: Ausgerechnet ein Winzer gründete eine Hausbrauerei, am Sonntag feiert das Rheinhessen-Bräu 10-jähriges Bestehen – passenderweise am Tag des Bieres. Jedes Jahr wird da der Verkündung der Reinheitsgebotes vor nunmehr 501 Jahren gedacht, in Mainz-Ebersheim halten sie sich bis heute daran.

Winzer Peter Karl (links) und sein Sohn Christian gründeten 2007 das Rheinhessen-Bräu in Mainz-Ebersheim. – Foto: Rheinhessen-Bräu

Peter Karl trank nach Feierabend gerne mal ein Bier, sogar auf dem Weinfest. „Du bist doch Winzer, du musst doch Wein trinken“, hielten ihm die Kollegen entgegen. „Ich hab‘ doch viel mehr Braugerste als Trauben“, konterte Karl – es war der Beginn einer wunderbaren Idee. 2007 gründeten Peter Karl und sein Sohn Christian im kleinen Mainzer Stadtteil Ebersheim kurzerhand eine eigene Bierbrauerei in ihrer Scheune. Neun Hektar Rebflächen haben sie, die Trauben liefern sie an die örtliche Weingenossenschaft – aber auf knapp 20 Hektar Flächen wächst Braugerste. „Seit 40 Jahren bauen wir Braugerste an“, berichtet Christian Karl beim Besuch auf dem Hof. Die Absatzpreise aber schwankten so stark, dass sie manches Mal schon dachten: Da könnten wir das Bier auch gleich selbst brauen.

Gesagt, probiert: Als Sohn Christian mit seinem Studium des internationalen Agrarhandels fertig war, wollte sich die Familie ein zusätzliches Standbein erschließen. „Wir haben angefangen mit Hobbybrauen, dann haben wir Hobbyliteratur gelesen, dann die Fachliteratur“, erzählt Christian. Schließlich besuchten Vater und Sohn Biermessen, holten sich professionellen Rat ein. „Ein Gutachten sagte, wir brauchen eine halbe Million Euro Startkapital“, erzählt er, „da haben wir das Buch Bierbrauen erst mal wieder zu gemacht.“

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Helles, Hefe, dunkles Lager – drei Variationen des Rheinhessen-Bräus. Foto: Rheinhessen-Bräu

Ein, zwei Jahre später dann tauchte da dieses Inserat in einer Fachzeitschrift auf: Sudhaus zu verkaufen. Ein Selfmade-Brauer aus Bayern wollte sich vergrößern, „bei dem hatte der Erfolg richtig eingeschlagen“, erzählt Christian. Ein gutes Zeichen, dachten sich die Mainzer, die Anlage muss was taugen und war zudem gerade zwei Jahre alt. Der Brauer brachte seine Braukessel den Karls nach Ebersheim und lieferte die Grundrezepte fürs Bier gleich mit. „Wir haben das dann nach unserem regionalen und individuellen Geschmack abgeändert“, berichtet Christian, auch nach zehn Jahren werde am Rheinhessen-Bräu immer weiter gefeilt.

Ein untergäriges, goldblondes Helles und ein untergäriges dunkles, malzaromatisches Lagerbier waren die ersten beiden Produkte, heute gibt’s auch noch ein Hefeweizen, ein Maibock-Bier sowie diverse Sonderbiere. Alles sind sogenannte Frischbiere, Produkte ohne Konservierungsstoffe, Filterung oder Haltbarkeitsverlängerung durch Pasteurisierung. 40.000 Liter können heute in einer Produktion in den Tanks reifen, das Bier ist nur wenige Wochen haltbar. „Wir produzieren die Frischmilch unter den Bieren“, sagt Christian schmunzelnd, „wir wollen zeigen, wie Bier mal war.“ Etwas Besonderes habe es damals einfach sein sollen, „das war ja eine Zeit, in der es nur die Einheitsbiere gab.“

Der Craft Beer-Boom war vor zehn Jahren in Deutschland noch nicht angekommen, die Karls mit ihrem Rheinhessen-Bräu wurden zu Vorreitern des Trends zu individuellen, handgemachten Bieren. „Das hat direkt eingeschlagen“, berichtet Christian, die Tatsache, dass in Ebersheim eine Brauerei aufgemacht habe, habe sofort Kreise gezogen. Ein Jahr später begannen sie, ihr Bier in Literflaschen abzufüllen, anderthalb Jahre später mussten sie das Sudhaus aus Bayern schon wieder verkaufen – es war schlicht zu klein geworden.

Genuss im Sudhaus: Hier braut Christian Karl das Rheinhessen-Bräu. – Foto: gik

Zwei mittelgroße Braukessel stehen heute in einem eigenen Raum in der Scheune auf dem Hof in Ebersheim, nebenan warten drei Gärtanks auf den frisch gebrauten Sud. 1.000 Liter können die Karls pro Sudvorgang auf einen Schlag brauen, bis zu 9.000 Liter gleichzeitig vergären. In dem Raum dahinter erinnern die großen Edelstahltanks an einen Weinkeller, doch Wein produziert die Familie gar nicht – hier lagert echtes Rheinhessen-Bräu. „Es ist ein sehr individuelles Bier, auch durchaus mit einem schwankenden Geschmack“, sagt Christian, schließlich falle jeder Brauvorgang ein bisschen anders aus.

Und dann filtern die Karls eben nicht, wie große Brauereien es tun, alle Bakterien und Inhaltsstoffe aus ihren Bieren heraus, um sie haltbar zu machen. „Damit gehen auch Mineralien, Vitamine und Aromastoffe aus dem Bier“, sagt Christian, heraus komme dann das typische Großbrauereien-Bier. „Unser Bier reift auch noch in der Flasche weiter“, erklärt er, deshalb werde auch ein- bis zweimal die Woche frisch gebraut – Rheinhessen-Bräu muss frisch getrunken werden, „und die Nachfrage war von Anfang an da.“ Heute füllen die Karls Literflaschen und Fässer, beliefern Restaurants, Supermärkte und Getränkehändler in der Region. Die halbe Million Euro Investitionen sind längst weit überschritten, „wir füttern die Kuh mehr, als dass wir sie melken“, lacht der Juniorchef.

Doch der Erfolg gibt ihnen Recht, vor allem das dunkle Rheinhessen-Bräu wurde bereits mehrfach preisgekrönt. 2016 wurden die Karls gar vom Magazin Selection zur besten Brauerei in Rheinland-Pfalz und zur fünftbesten in Deutschland gekürt, darauf sind sie nicht wenig stolz. Gebraut wird übrigens streng nach den Regeln des deutschen Reinheitsgebots aus den vier Zutaten Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser. Es war genau am 23. April 1516, als der bayrische Herzog Wilhelm IV. zu Ingolstadt die berühmt gewordene Bierbrau-Verordnung erließ. Allein mit den vier Zutaten lasse sich eine „fast unendliche Vielfalt“ von Bieren herstellen, schwärmt Christian, „es heißt nicht umsonst BierbrauKUNST.“

Info& auf Mainz&: Der 23. April ist offizieller Tag des Bieres, genau an diesem Sonntag feiert das Rheinhessen-Bräu in Mainz-Ebersheim seinen 10. Geburtstag mit einem großen Hoffest. Das Sudhaus steht am Reiterweg 7, los geht’s ab 11.00 Uhr, es warten Grill, Brauereiführungen, kleine Bier-Bike-Touren, Maßkrugstoßen und um 12.00 Uhr der Maibock-Anstich, zu dem auch Oberbürgermeister Michael Ebling kommt. Alle Infos zur Mainzer Hausbrauerei hier im Internet. Die Geschichte des Deutschen Reinheitsgebots für Bier lest Ihr übrigens hier bei Mainz& – samt Infos zur Biergeschichte in Mainz.

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