Das ist mal ein hockaktuelles Thema, zu dem die Uni Mainz da heute einlädt: „Heimatliebe, deutscher Patriotismus und neue rechte Bewegungen“ lautet der Titel eines Vortrags, der sich dem Spektrum des neuen rechten Denkens widmet – und der Frage, ob sich Begriffe wie „Patriotismus“ und „Heimatliebe“ umdeuten lassen. Angesichts der Vereidigung des 45. US-Präsidenten Donald Trump vergangenen Freitag kann man aktueller nicht sein. Der Referent ist ein spannender: Werner J. Patzelt ist Professor für Politische Systeme und Systemvergleiche in Dresden – und er ist umstritten: Als „Pegida-Professor“ wird er kritisiert, Studierende haben deshalb Protest gegen seine Vorlesung in Mainz angekündigt.

Pegida Forscher Werner Patzelt Porträt kleiner - Foto Wkpatzelt via Wikipedia Commons
Pegida-Forscher Werner Patzelt, Professor für politische Systeme, kommt zum Vortrag nach Mainz – Foto: Wkpatzelt via Wikipedia Commons

Donald Trump verwendete in seiner ersten Rede als US-Präsident (und in allen Wahlkampfreden zuvor) genau diese Terminologie: Patriotismus und Liebe zu Amerika, sie gipfelten in seinem Slogan „America First“. Die Konsequenz daraus, die Trump selbst so benannte: Mauern hochziehen, Abschottung, ein Ende des freien Handels, die Ausgrenzung alles „Fremden“ – und das Primat alles Amerikanischen. Aus dieser Rede echote eine Ideologie, die in den 1930er Jahren lautete „Deutschland den Deutschen“ – Trump benutzt dezidiert das Vokabular rechtsnationaler Gruppen und rechtsextremer Ideologen.

Auch bei uns blüht neuerdings diese Denkrichtung, Trump bekam auch in Deutschland Beifall für seine Rede, ja sogar für ihre Diktion. Gerade erst sprach der AfD-Mann Bernd Höcke von einem „Denkmal der Schande“ und meinte damit das Holocaust-Mahnmal in Berlin, gerade die AfD benutzt Begriffe wie „Patriotismus“ und „Heimatliebe“ inflationär. Für viele klingt „Heimatliebe“ denn auch immer noch nach dem dumpfen Kitsch der 1950er Jahre und Patriotismus nach rechtem Gedankengut – aber ist das eigentlich korrekt? Mehr noch: Ist das klug?

- Werbung -
Werben auf Mainz&

„Man überlässt Heimatliebe und Patriotismus sowohl dem Begriff als auch der Sache nach einstweilen den Rechten, ja Rechtsradikalen, die sich das alles – wie immer wieder Wahlplakate der NPD zeigten – sehr gerne aneignen“, sagt Patzelt. Es tue aber „unserem Land nicht gut, so starke Empfindungen wie Heimatliebe und Patriotismus kampflos der politischen Rechten zu überlassen, welche sie schon einmal, und nachwirkend bis heute, diskreditiert hat.“ Patriotismus und das Sich-Identifizieren mit der „Heimat“, argumentiert Patzelt, seien starke und wichtige Emotionen, die zu verteufeln eine Lücke schaffen – womöglich eine gefährliche Lücke.

Und es sei doch die Frage, ob nicht „gerade ein Einwanderungsland, zu dem das unsere geworden ist, eine zusammenhaltende Bindekraft brauche, die über repressiv erzwungenen Gesetzesgehorsam klar hinausgeht“, sagte Patzelt weiter. „Es scheint, dass gerade die Heimatliebe und der aufgeklärte Patriotismus unsere multiethnische und multikulturelle Gesellschaft zusammenhalten können, weil es bei diesen zwei Empfindungen viel weniger um die jeweilige Herkunft als vielmehr um eine gute gemeinsame Zukunft geht.“

Vergleich Wahlpakat AfD NPD
Wahlplakate rechter Parteien mit Parolen gegen Offenheit und Toleranz – Foto: gik

Patzelts Thesen mögen erst einmal provokativ klingen, alleine ist er damit nicht: Selbst bei den Grünen begann im vergangenen Sommer das Bestreben, Begriffe und Gefühle wie „Heimatliebe“ nicht kampflos neuen Rechten zu überlassen – aus der Erkenntnis heraus, dass, wer seine Heimat und seine Demokratie verteidigen will, erst einmal wissen muss, was genau er da verteidigt. Das Kommen von mehr als einer Million Geflüchteter warf auf einmal die Frage auf: Wer sind wir eigentlich? Für welche kulturellen Werte stehen wir, und welche wollen wir – falls nötig – verteidigen gegen Anfeindungen von außen? Gegen Terroristen wie den IS, aber auch gegen Herausforderungen von Einwanderern aus anderen Kulturkreisen – die etwas die Rechte der Frauen nicht achten.

Patzelt steht also keineswegs allein mit seiner Forderung, die alten Begriffe zurückzuerobern und neu und auf moderne Art und Weise zu besetzen – vorwärtsgewandt und im positiven Sinne einer Einwanderungskultur. Der Professor aus Dresden ist fraglos eine besondere Persönlichkeit: Patzelt gilt als eloquent, humorvoll und als jemand, der Dinge gerne beim Namen nennt und gut auf den Punkt bringen kann. Und er widmete sich nach dem Aufkommen der Protestbewegung“Pegida“ mit umfangreichen Analysen, Umfragen und Studien der Bewegung – nach unserem Eindruck aus Fernsehinterviews durchaus mit hoher Analysefähigkeit und Professionalität.

Doch Patzelt ist auch umstritten: Vor allem linke Gruppen warfen Patzelt vor, die rechtsextremen Strömungen bei Pegida herunterzuspielen oder gar zu negieren. Patzelt verharmlose Pegida als „Bewegung besorgter Bürger“ und „diffamiere“ im Gegenzug linke Gegenprotestanten als undemokratisch, warfen ihm etwa studentische Gruppen in Regensburg in einem Protestbrief im Juni 2016 vor. Seine Umfragen seien ungenau, die Interpretation seiner Daten „großzügig und tendenziös“, heißt es weiter. Patzelt schüre Ressentiments gegen Einwanderer, sei mehr politischer Akteur als Wissenschaftler.

Auch in Mainz haben Studierende deshalb bereits zum Protest gegen Patzelts Vortrag aufgerufen: „Lasst uns etwas dagegen unternehmen“, heißt es in einem Aufruf auf Facebook. Patzelts Vortrag solle gestört, ihm selbst kritische Fragen gestellt werden. Das dürfte interessant werden, ist Patzelt doch explizit als jemand bekannt, der keiner kritischen Frage aus dem Weg geht.

Info& auf Mainz&: Vortrag „Heimatliebe, deutscher Patriotismus und neue rechte Bewegungen“ mit Professor Werner Patzelt am Montag, 23. Januar 2017, um 18.15 Uhr im Hörsaal N 1 (Muschel). Der Vortrag ist Teil einer Vortragsreihe zum Themenschwerpunkt „Heimat heute“, Infos dazu findet Ihr hier.

 

 

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein