Sie fanden es am Morgen seines Todes im Tresor, geschrieben hat er es bereits 2009: Das geistliche Testament Kardinal Karl Lehmanns. Im Gegensatz zum weltlichen Testament, das den materiellen Besitz regelt, hinterlässt der Kardinal in seinem geistlichen Testament sein geistiges Vermächtnis. Und darin warnt der Kardinal vor den hässlichen Seiten der Menschen, vor „brutalem Denken und rücksichtslosem Machtstreben.“ Es ist ein Vermächtnis, wie es aktueller nicht sein könnte: Hass, Gewalt, Rücksichtslosigkeit in Worten und Taten, das waren die Dinge, unter denen der Kardinal im Alter regelrecht gelitten hat, wie er selbst schreibt. Sein Vermächtnis lautet denn auch: „Wehret den Anfängen!“ Stemmt Euch gegen „die Unheimlichkeit der Macht“, die Rücksichtslosigkeit, den Missbrauch. Bleibt Mensch. Mainz& dokumentiert das geistliche Testament von Kardinal Karl Lehmann im Wortlaut:

Portrait von Kardinal Karl Lehmann im Mainzer Dom während des Requiems für ihn, unten der Trauerzug mit seinem Sarg. – Foto: gik

Geistliches Testament von Kardinal Karl Lehmann

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

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Mein Testament als Bischof

Ich danke Gott für alle Gaben, besonders die Menschen, die er mir geschenkt hat, besonders auch meine Eltern, Lehrer und meine Heimat. Großen Dank schulde ich den vielen haupt- und ehrenamtlichen Schwestern und Brüdern, mit denen ich zusammenarbeiten durfte und die mich unterstützten.

Theologie und Kirche haben mein Leben in Atem gehalten. Ich würde wieder so wählen! Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche. Dies gilt auch für mich. Ich bitte Gott und die Menschen um Vergebung. Die Erneuerung muß tief aus Glaube, Hoffnung und Liebe kommen. Deshalb rufe ich allen die Worte meines Wahlspruchs zu, die vom Heiligen Paulus stammen und mir immer wichtiger geworden sind: „Steht fest im Glauben!“

Ich grüße mit Dank und der Bitte um das Gebet für mich den Heiligen Vater, die Bischöfe, Priester und Diakone, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Schwestern und Brüder in der Diözese Mainz, in meiner Heimat-Erzdiözese Freiburg i.Br. sowie alle Freunde in unserer Kirche und in der Ökumene und die Katholiken unseres Landes, für die ich gerne über 20 Jahre Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz gewesen bin. Es ging mir immer um die Einheit im Glauben in der Vielfalt unseres Lebens, ohne Scheuklappen und Uniformismus.

Dem Kapitel des Domes mit den Weihbischöfen überlasse ich die Gestaltung der Trauergottesdienste und der Beisetzung. Wir haben viele gute Bräuche!

Unter zwei Dingen habe ich immer wieder und immer mehr gelitten: Unsere Erde und weithin unser Leben sind in vielem wunderbar, schön und faszinierend, aber sie sind auch abgrundtief zwiespältig, zerstörerisch und schrecklich. Schließlich ist mir die Unheimlichkeit der Macht und wie der Mensch mit ihr umgeht, immer mehr aufgegangen. Das brutale Denken und rücksichtsloses Machtstreben gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksformen des Unglaubens und der Sünde. Wehret den Anfängen! Immer mehr habe ich das Jesuswort bei Lukas in den Ohren: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?“ Wählt einen guten Nachfolger! Betet für ihn und für mich! Auf Wiedersehen!

Mainz, 15. März 2009
+ Karl Kardinal Lehmann
Bischof von Mainz

Info& auf Mainz&: Unseren Bericht zur Beisetzung von Karl Kardinal Lehmann am 21. März im Mainzer Dom findet Ihr hier, unseren Nachruf auf einen außergewöhnlichen Menschen hier.

 

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