Mainz ist ja in Sachen Willkommenskultur für Flüchtlinge ganz weit vorne, jetzt gibt es dazu noch zwei Bausteine mehr: Ein medizinischer Fragebogen in 15 Sprachen soll Ärzten helfen, Flüchtlinge besser zu behandeln. Ein Faltblatt wiederum sagt auf einen Blick, was bei der Behandlung von Asylsuchenden beachtet werden muss. Beides stellte am Dienstag der Mainzer Verein „Armut und Gesundheit“ gemeinsam mit der Landesärztekammer vor. Und es hagelte Kritik, weil Flüchtlinge noch immer keine Gesundheitskarte haben.

Medizinischer Fragebogen Flüchtlinge
Fragebogen zum Abchecken von Vorerkrankungen oder Allergien – Foto: gik

15 Fragen umfasst der medizinische Fragebogen, abgefragt werden Vorerkrankungen oder Allergien, Herzerkrankungen, Diabetes oder auch Zahnbehandlungen. Die meisten Fragen sind so gestellt, dass sie mit Ja oder Nein zu beantworten sind, so soll die Sprachhürde zwischen Arzt und Patient gesenkt werden. „Wir wollen damit besser auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge eingehen und zu einer besseren medizinischen Versorgung beitragen“, sagte Hauptgeschäftsführer der Landesärztekammer, Jürgen Hoffart, am Dienstag in Mainz.

Medizinische Versorgung von Flüchtlingen nur eingeschränkt

Das Problem: Viele Flüchtlinge kommen krank zu uns, manche, weil die oft lange Flucht sie krank gemacht hat, andere, weil ihre Krankheiten auf der Flucht unbehandelt bleiben mussten. Herzkrankheiten, Diabetes, aber auch bei uns exotische Krankheiten müssen dringend behandelt werden, dazu kommen Mangelerscheinungen bei Kindern, mangelnder Impfschutz und Flucht- oder Kriegstraumata – locker 40 Prozent der Flüchtlinge sind krank, schätzt der Verein „Armut und Gesundheit.“

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Die medizinische Versorgung bei uns ist hingegen suboptimal: Die erlaubten medizinischen Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz seien stark eingeschränkt und „unseres Erachtens nicht menschenrechtskonform“, kritisiert der Arzt Gerhard Trabert, Vorsitzender von „Armut und Gesundheit.“ Denn laut Gesetz ist die Behandlung nur erlaubt bei „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen“, was aber bedeutet das in der Praxis? Darf der Arzt eine Diabetes-Erkrankung nun behandeln oder nicht?

Faltblatt informiert Ärzte und Apotheker über Erlaubtes und Abrechnung

Faltblatt Asylbewerber als Patienten
Faltblatt über Behandlung von Asylsuchenden – Foto: gik

Weil viele Ärzte hier unsicher sind, hat der Verein nun zusammen mit der Landesärztekammer ein Faltblatt entwickelt. Darin wird aufgezeigt, welche Behandlungen gewährt werden dürfen und wie sie abgerechnet werden. Und es weist darauf hin, dass Ärzte oft mehr dürfen, als sie denken: Das Gesetz sieht nämlich auch Leistungen „zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit“ vor – was viele nicht wissen. „Ärzte dürfen im Rahmen ihrer Kompetenz entscheiden“, betont Trabert, der sich ja seit vielen Jahren für die ärztliche Versorgung von Obdachlosen und eben auch Flüchtlingen einsetzt.

Und Trabert schimpft, nennt die Krankenversorgung von Flüchtlingen einen „Skandal.“ Denn Asylsuchende müssen meist erst einen Behandlungsschein vom Sozialamt holen, bevor sie zum Arzt gehen dürfen. Das aber verzögert die Behandlung stark – im bayrischen Zirndorf wäre deshalb ein Flüchtlingsjunge beinahe gestorben. „Wir kritisieren die umständlichen Hürden“, betont Trabert und fordert eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge.

Trabert fordert Gesundheitskarte – aber Rheinland-Pfalz verweist auf Bund

Damit wären medizinische Leistungen sofort zu bekommen, und die Karte wäre auch noch deutlich kostengünstiger für die Länder, betont Trabert. Hamburg und Rostock haben bereits solche Gesundheitskarten, doch in keinem bundesdeutschen Flächenland gibt es das bisher – die Länder schieben die Zuständigkeit dafür von sich.

Die Karte bringe „erhebliche Kosteneinsparungen“, sagt auch der Landtagsabgeordnete Rahim Schmidt (Grüne), selbst Arzt und 2. Vorsitzender des Vereins „Armut und Gesundheit“. Rheinland-Pfalz setze sich deshalb für eine bundesweite Gesundheitskarte ein, betont Schmidt – doch die steht in den Sternen. Warum führt dann Rheinland-Pfalz nicht eine eigene Gesundheitskarte ein? Dazu konnte Schmidt dann leider nichts sagen…

Testläufe für Gesundheitskarte geplant – Bill: überflüssig

Fragebogen, Stadtplan, Faltblatt
Stadtplan, Faltblatt, Fragebogen – Willkommenspaket für Flüchtlinge in Mainz – Foto: gik

Trabert betont, er glaube nicht an eine bundeseinheitliche Regel, es sei Zeit, dass ein Flächenstaat endlich eine Gesundheitskarte einführe. In Rheinland-Pfalz seien nun „Testläufe“ in einzelnen Kommunen angedacht. Die brauche aber eigentlich niemand, sagte Gisela Bill, Geschäftsführerin von „Armut und Gesundheit“ und frühere Grünen-Landtagsabgeordnete: „Modelle gibt es ja schon.“ Zeit also zu Handeln, liebes Land Rheinland-Pfalz!

Immerhin: Im September soll der Landtag endlich die Krankenversicherung für Kontingentflüchtlinge aus Syrien regeln. Rund 500 Menschen kamen im Zuge des Bundeskontingents von 50.000 Syrern nach Rheinland-Pfalz, ihre Krankenversicherung von rund 540 Euro im Monat mussten bisher ihre Paten bezahlen.

Hebammen für Flüchtlingsfrauen gesucht

Und noch ein Problem gibt es: Der Zugang zu Hebammen sei für viele schwangere Flüchtlingsfrauen schwierig, sagte Trabert. Dabei bekämen die Hebammen die Kosten im Fall von Asylsuchenden problemlos erstattet, betonte der Arzt: „Viele wissen das vielleicht nicht.“ So wie viele Apotheker nicht wissen, dass für Asylsuchende keine Zuzhalung nötig sind, sie sind von der Rezeptgebühr befreit.

Stadtplan für Flüchtlinge in Mainz
Der Stadtplan mit Anlaufpunkten für Flüchtlinge in Mainz bei Googel Maps – Foto: gik

Mit dem Fragebogen sind die Mainzer aber erst mal wieder ganz weit vorn. In 15 Sprachen gibt es ihn schon, darunter so zentrale Sprachen wie Arabisch und Französisch, aber auch Polnisch oder Bulgarisch – letztere sind eher für Saisonarbeiter gedacht. Einige Sprachen wie albanisch oder afrikanische Zungen fehlen aber noch, also wenn Ihr jemanden wisst, der sich da in medizinischen Begriffen auskennt – nur her damit! Andere Ärztekammern haben schon Interesse angemeldet.

In Mainz wiederum gibt es, darauf wollen wir auch noch hinweisen, auch eine speziellen Stadtplan: Entwickelt mit Flüchtlingen sind hier wichtige Anlaufstationen eingezeichnet – von der sozialen Beratung, über den Waschsalon bis hin zu Hauptbahnhof, Cafés, Krankenhäusern und Apotheken. Auch dafür interessieren sich bereits andere Kommunen. Wenn die Zahlen jetzt noch lesbarer werden, ist das eine super Sache 😉

Info& auf Mainz&: Anamnesebögen, Faltblatt und Stadtplan findet Ihr auf der Internetseite von „Armut und Gesundheit“, genau hier. Den Stadtplan könnt Ihr auch direkt bei Google Maps laden, den Link dazu findet Ihr auf der Seite oder einfach gleich hier. Auf der Seite von „Armut und Gesundheit“ könnt Ihr eine Druckversion herunterladen.

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