Die Ablehnung des Projekts Rheinhessen-Sternwarte durch die Kreisverwaltung Ingelheim wirft immer mehr Fragen auf. Dort heißt es weiter strikt: Die Sternwarte sei in ihrer geplanten Ausstattung nicht als privilegiertes Bauvorhaben genehmigungsfähig, es sei ein Bebauungsplan nötig. Das aber ist erstaunlich: Laut einer Expertise des Kaiserslauterer Planungsbüros Isu ist eine Sternwarte sehr wohl als privilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich einzuordnen. Nun beruft man sich plötzlich bei der Kreisverwaltung auf Bedenken von Winzerseite: „Mit uns redet niemand“, heißt es dort. „Das ist Unsinn“, entgegnet die Astronomische Arbeitsgemeinschaft – geredet werde seit drei Jahren, zuletzt am 17. Mai. Der Rheinhessen-Sternwarte droht das Aus – nach drei Jahren intensivster Planung und trotz Unterstützung von allen Seiten.

Der Blick in die Sterne steht in den Sternen: Jan-David Förster blickt in der alten Mainzer Sternwarte aus der alten Kuppel. Die neue Rheinhessen Sternwarte ist höchst gefährdet. – Foto: gik

Die Astronomische Arbeitsgemeinschaft (AAG) will, wie Mainz& ja schon berichtet hat, auf dem Pfadberg bei Stadecken eine Sternwarte mit einem neun Meter hohen Turm sowie einem Seminarraum, einer Beobachtungsterrasse und einer Toilette bauen. Es sollte ein Vorzeigeprojekt für Rheinhessen werden: Die landesweit größte Sternwarte, dazu auch noch mit einem Teleskop, das per Fernsteuerung von Mainz aus bedient werden könnte. Eine solche Sternwarte wäre nach Angabend er AAG gar bundesweit einmalig – und würde den Wissenschaftsstandort Mainz gewaltig schmücken.

Expertenbüro bestätigt: Privilegierung für Sternwarte richtig

Doch nun muss die AAG das Aus für ihr Projekt befürchten – obwohl eigentlich alle dafür waren. Der Gemeinderat Stadecken stimmte im Herbst 2016 mit überwältigender Mehrheit dem Vorhaben zu, die Verbandsgemeinde Nieder-Olm unterstützt das Projekt – die Bauverwaltung holte gar die Stellungnahme eines Expertenbüros für die Frage der Privilegierung ein. Eine Privilegierung bedeutet, das Bauvorhaben kann ohne langwierige Bebauungspläne errichtet werden, die in der Regel rund ein Jahr brauchen und zumeist viel Geld kosten. Winzerhöfe werden etwa auf diese Weise errichtet.

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Laut Baugesetzbuch können Bauvorhaben außerhalb von Ortschaften dann als privilegiert errichtet werden, wenn sie der Landwirtschaft, der Versorgung mit Strom, Gas oder Wasser dienen – oder auch wenn sie „wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung (…) nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen.“ Genau das gelte auch für eine Sternwarte, befand das Planungsbüro Isu aus Kaiserslautern: Danach sei eine Sternwarte „als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich einzuordnen“, heißt es in dem Schreiben, das Mainz& vorliegt.

Das Büro beruft sich dabei auf das Baugesetzbuch sowie einen Kommentar des Kaiserslauterer Rechtsprofessors Willy Spannowsky, der auch Richter am Pfälzischen Oberlandesgericht ist. Dieser hatte Sternwarten explizit als Beispiel für eine Privilegierung im Außenbereich genannt. Das liege auch daran, dass eine Sternwarte eben besondere Anforderungen an ihre Umgebung habe, schreibt das Büro weiter – sie benötigten Bereiche, die nachts nicht beleuchtet seien. „Demnach ist der beplante und nicht beplante Innenbereich als Alternative für eine Sternwarte nicht geeignet“, hier liege zu viel Belichtung vor, heißt es schriftlich.

Kreisverwaltung würde Sternwarte ohne Toilette genehmigen

So sollte die neue Rheinhessen Sternwarte auf dem Pfadberg bei Stadecken aussehen – errichtet übrigens auf bereits vorhanden Fundamenten. – Grafik: AAG

„Isu ist unser Flächennutzungsplanungsbüro, von denen haben wir eine erste Einschätzung eingeholt“, sagte Bernd Schumacher, Leiter der Bauabteilung in der VG Nieder-Olm, auf Anfrage von Mainz&. Deshalb sei die Verbandsgemeinde davon ausgegangen, dass es mit der Privilegierung kein Problem gebe. In der Kreisverwaltung ist man anderer Meinung: „Eine Sternwarte muss nicht unbedingt im Außenbereich dargestellt werden“, sagte Kreissprecher Thomas Zöller zu Mainz&.

„Die Kreisverwaltung widerspricht sich doch selbst“, sagt dazu Jan-David Förster, Projektverantwortlicher der AAG für die Sternwarte: „Warum würde die Kreisverwaltung dann einen bloßen Turm mit Kuppel und Teleskop nach eigener Aussage sofort privilegiert genehmigen?“ Tatsächlich hatte Zöller genau dies gegenüber Mainz& bestätigt: Ein Turm sei genehmigungsfähig, aber mit der Ausstattung mit Seminarraum und Toilette „ist die Sternwarte kein privilegiertes Vorhaben mehr.“

Doch eine solche Ausstattung steht nach einem Gerichtsurteil aus Bayern einer Privilegierung keineswegs entgegen, die Isartalsternwarte bei Bad Tölz sei sogar mit wesentlich größerem Umfang als privilegiertes Vorhaben genehmigt worden, sagt Förster – dort habe die Verwaltung gar auf den Toiletten bestanden. Auch hätte sich die AAG gewünscht, dass Bedenken gegen die Sternwarte von der Verwaltung im Vorfeld benannt worden wären, damit man hätte reagieren könne. Das aber sei nicht geschehen.

Winzer: „Mit uns wird nicht gesprochen“ – Gespräch nur acht Tage vorher

Direkt neben der Stadecker Warte soll die neue Rheinhessen Sternwarte entstehen. Hier feiern die Stadecker Winzer übrigens ihr Weinfest. – Foto: Muck via Wikimedia Commons

„Wir haben eine bestimmte Rechtsauffassung, die vertreten wir“, sagt hingegen Kreissprecher Zöller. Dazu argumentiert man hier nun mit Rechtssicherheit: Die könne nur in einem Bebauungsplanverfahren geschaffen werden, denn „es gibt erhebliche Bedenken von Seiten der Winzer.“ Tatsächlich meldeten sich am 26. Mai drei Vertreter des Bauern- und Winzervereins in Stadecken via Medien zu Wort: Es gebe dringenden Klärungsbedarf bei der Benutzung der Wirtschaftswege, der Besuchermengen und der Frage der Parkplätze. „Mit uns wird nicht gesprochen“, ließen sich die Winzer in der „Allgemeinen Zeitung“ zitieren, darunter der Stadecker Winzer Timo Eppelmann.

Förster kann darüber nur den Kopf schütteln: „Mit Herrn Eppelmann habe ich wenige Tage zuvor noch persönlich zusammen gesessen“, berichtete er Mainz&. Am 17. Mai habe es in der Ortsverwaltung in Stadecken ein gemeinsames Gespräch zwischen ihm als AAG-Vertreter, Eppelmann sowie Ortsbürgermeister Thomas Barth (CDU) gegeben. „Dabei ist es genau um die Verkehrs- und Parkplatzfrage in Sachen Sternwarte gegangen“, berichtet Förster weiter.

Konkrete Ideen zur Lösung von Park- und Verkehrssituation entwickelt

Seit drei Jahren sei die AAG mit Gemeinde und Winzern dauerhaft im Gespräch, im Gemeinderat Stadecken habe er im November 2016 ausführlich das Projekt vorgestellt, Besucherprognosen inklusive. „Wir nehmen die Bedenken der Landwirte ernst“, sagt Förster, „im Gemeinderat waren die Winzer ja auch beteiligt, dort sind sie sogar die dominante Gruppe.“ Genau dort wurde das Projekt Sternwarte Ende 2016 mit großer Mehrheit verabschiedet – als privilegiertes Bauvorhaben im Außenbereich.

Förster auf dem Dach der alten Mainzer Sternwarte, die die Stadt wegen angeblicher Brandschutzmängel schloss. – Foto: gik

Im Gespräch am 17. Mai seien sogar konkrete Ideen für einen Parkplatz am Fuße des Pfadbergs entwickelt worden. „Herr Eppelmann hat gesagt, das wäre prinzipiell eine gute Idee“, sagt Förster, „er werde um eine Mehrheit beim Bauern- und Winzerverein werben.“ Dass wenige Tage später ein Artikel erscheine, in dem genau das Gegenteil behauptet werde, versteht Förster überhaupt nicht: „Wir sind mit einem positiven Gesprächsergebnis auseinander gegangen, die Atmosphäre war gut“, wundert er sich: „Wieso reißt man diese Verständigungsbasis wenige Tage später wieder ein?“

Bebauungsplan bedeutet Aus für Projekt Sternwarte

Dass die Kreisverwaltung nun auf einem Bebauungsplan besteht, wirft für die AAG große Probleme auf: „Wir müssten uns noch in diesem Jahr für eine EU-Förderung im Leader-Programm bewerben“, erklärt Förster, ein Bebauungsplanvorhaben würde aber etwa ein Jahr dauern. Ohne eine genehmigte Bauvoranfrageaber könne sich die AAG nicht für die EU-Förderung bewerben, ohne die Leader-Förderung aber müsste der Verein die rund 380.000 Euro Baukosten für die Sternwarte allein aufbringen. „Unmöglich“, sagt Förster. Dazu kommt: Die Gemeinde Stadecken habe die Aufstellung eines Bebauungsplans zudem bereits abgelehnt – zu teuer, zu aufwändig.

Die aktuelle Ausstellung „Mainz blickt ins All“ im Mainzer Rathaus. – Foto: gik

Die Winzer aber ließen sich in der AZ ebenfalls mit dem Satz zitieren: „Nur über einen Bebauungsplan haben wir die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen und unsere Anregungen und Bedenken einfließen zu lassen.“ Vor Ort, in Stadecken selbst, löst das bereits Unmut aus: Ein sehr polemisch geschriebener Blogbeitrag des Forum Stadecken Elsheim wirft den Winzern Scheinheiligkeit vor. Man schieße „aus vollen Rohren“ gegen die Sternwarte und versuche „nach Gutsherrenart darüber zu entscheiden, was in dieser Gemeinde geschehen darf und was nicht“, schimpft der Verfasser.

Doch auch Leser äußern in Kommentaren ihr Unverständnis: „Stadecken-Elsheim braucht die Sternwarte. Das geht doch die Winzer nichts an“, schreibt dort einer, und ein anderer Kommentator ergänzt: „Es wäre für Stadecken-Elsheim ein großer Gewinn, wenn sich die Sternwarte hier niederlassen könnte. Ich fände es sehr schade, wenn das Projekt wegen solcher Wutbürger, die hier im Ort ohnehin schon das Paradies haben, nicht realisiert wird.“ Tatsache ist: Besteht Ingelheim weiter auf einem Bebauuungsplan, dann steht das Projekt Rheinhessen-Sternwarte nach drei Jahren intensivster Planung vor dem Aus.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Projekt Rheinhessen-Sternwarte und den Schwierigkeiten lest Ihr in dem Mainz&-Artikel Rheinhessen-Sternwarte vor dem Aus? Mehr über die AAG erfahrt Ihr in dem Mainz&-Artikel „Der Meteorit von Mainz„, dort stellen wir Euch auch die Ausstellung „Mainz blickt ins All“ vor, die noch bis zum 14. Juni im Mainzer Rathaus zu sehen ist. Unbedingt hingehen! Die Ausstellung gibt einen umfangreichen Einblick in die Astronomiegeschichte von Mainz und stellt auch das Projekt Rheinhessen-Sternwarte ausführlich vor. Eine gute Gelegenheit ist die Mainzer Museumsnacht am Samstag, dem 10. Juni: Da gibt’s alle 30 Minuten Führungen durch die Ausstellung. Anmerkung in eigener Sache: Dreimal hat Mainz& übrigens versucht, mit den genannten Winzern zu sprechen – bisher leider vergeblich. Kommt sicher noch 😉

 

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