Gemeinhin gehen ja nach Mainzer Meinung die Wiesbadener zum Lachen in den Keller, so schlecht sei es mit der Humorkultur auf der anderen Rheinseite bestellt. Doch auch die Mainzer gehen gerne und oft zum Lachen in den Keller, und das seit 50 Jahren: das Mainzer Unterhaus ist DIE Kabarett-Kultstätte der Landeshauptstadt, ach was der Republik! Am 31. Januar 1966 wurde das Forum Theater eröffnet, das zum Mekka der bundesdeutschen Kabarett- und Kleinkunstszene werden sollte. Zum 50. Geburtstag wird am Wochenende zwei Tage lang gefeiert – und der SWR spendiert einen Film sowie ein reiches Rückschau-Programm.

Fotos Unterhaus Hüsch mit Glocke und Poli(t)zisten
Zwei Unterhaus-Meilensteine: Hanns Dieter Hüsch mit der Glocke und die Poli(t)zisten 1966 – Fotos: Mainzer Unterhaus

„Hier stehen wir, Spott helfe uns!“ schmetterten 1966 die Poli(t)zisten, es war die Geburtsstunde des Unterhauses in Mainz. Die Poli(t)zisten, das war eine Kabarettgruppe, gegründet vom Mainzer ZDF-Redakteur Carl-Friedrich Krüger, von allen nur Ce-Eff Krüger genannt. Es waren die 1960er Jahre, die Gründerzeit des politischen Kabaretts in Deutschland, und auch die Poli(t)zisten wollten genau das: politisches gesellschaftskritisches Kabarett.

Der Truppe war nur eine kurze Lebensdauer beschieden, doch aus ihrer Theaterstätte – damals noch am Gutenbergplatz – sollte Großes werden: Die Unterhäusler baten andere Künstler um Auftritte, innerhalb kürzester Zeit gaben sich die kritischen Größen und Liedermacher der späten 60er Jahre hier die Ehre. Hannes Wader, Dieter Hildebrandt, Gert Fröbe, Franz Josef Degenhardt, sie alle kamen und spielten.

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Die Gründer, das waren Krüger und die Schauspielerin Renate Fritz-Schillo, zu denen dann noch der ZDF-Tontechniker Artur Bergk stieß. Das erste Zuhause: Ein Keller in der Innenstadt, zu Füßen des Kupferbergs, eine enge Treppe führte von der Walpodenstraße hinab. Politisches Kabarett, gesellschaftskritisch und schonungslos offen müsse vom Untergrund nach oben wirken, befanden die Gründer.

Der Keller wurde schnell zu eng, die Suche nach einem größeren Quartier indes war schier zum Verzweifeln: Sieben Jahre suchten die Unterhäusler, dann bot ihnen ein Hausbesitzer einen alten Weinkeller zum Umbau an – groß, urig und direkt neben dem kleinen Haus gelegen. Ein Mauerdurchbruch brachte die (Er-)Lösung: Aus dem alten Tonnengewölbekeller wurde das 250 Plätze fassende Unterhaus samt Entree, aus dem ersten Keller das kleine Unterhaus im Unterhaus – fertig war die Spielstätte mit den zwei Bühnen.

Unterhaus-Glocke Foto von Kandschwar - Eigenes Werk Wikimedia
Die Unterhaus-Glocke an der Kellerdecke – Foto: Kandschwar/Wikimedia Commons

Die lockt bis heute mit ihrem urigen Charme und Jahrzehntelang mit persönlichem Flair: Die Künstler nächtigten in der Unterhaus-eigenen Wohnung, die Betreiber servierten Wein, Abendessen und Frühstück und stellten den Künstlern Lieblingsgetränk und Blumen in die Garderobe.

Wer einmal hier war, kam gerne wieder – viele wurden zu Stammgästen, die Besetzungslisten lesen sich wie das Who is Who der deutschen Kabarettszene: Gerhard Polt, Dieter Hildebrandt, Wolfgang Neuss, Werner Finck, Matthias Beltz, Mathias Richling, Bruno Jonas – die Liste ließe sich endlos verlängern. Einer war von Anfang an mit von der Partie: Hanns Dieter Hüsch, der große Meister des deutschen Kabaretts, Wahl-Mainzer. „Sehr begeistert“ notierte Hüsch gleich zu Beginn im Gästebuch des Unterhauses, er wurde selbst Stammgast auf der Bühne und im Publikum.

Hüsch hatte selbst Ende der 50er Jahre mit der „arche-nova“ das erste politische Kabarett in Mainz gegründet. Der „arche“ war nur eine kurze Fahrt beschieden, vom Schiffbruch übrig blieb eine Glocke an einem Ständer, ein Geschenk der Stadt Mainz zur „arche“-Gründung. 1971 vermachte sie Hüsch seinen legitimen Nachfolgern – den „Unterhäuslern“. Fortan rief die Unterhaus-Glocke vor jeder Vorstellung die Besucher auf ihre Plätze.

1972 wurde sie zum Wahrzeichen des Deutschen Kleinkunstpreises, es ist bis heute der wichtigste Preis der Deutschen Kabarettszene. Erster Preisträger war Hüsch selbst, ihm folgten sie alle: Franz Hohler, Emil Steinberger, später Georg Schramm, Matthias Beltz, Matthias Deutschmann, Volker Pispers, Urban Priol, Lisa Politt und in neuerer Zeit Hagen Rether, Max Uthoff und Christoph Sieber.

Herbert Bonewitz Narr packt aus 1975 - Foto Klaus Benz
Herbert Bonewitz, „Ein Narr packt aus“, 1975 im Unterhaus – Foto: Klaus Benz

Auch Künstler, die längst Stars sind, wie Volker Pispers große Hallen füllen, kommen immer wieder gerne in die intime Atmosphäre des Hauses zurück. Reinhard Mey und Konstantin Wecker wurden in dem Kellertheater praktisch entdeckt, Reinhard Mey widmete später sein Lied von den „Freundlichen Gesichtern“ in der Menge der Zuschauer dem Unterhaus.

Herbert Bonewitz wagte hier den Sprung von der Fastnacht in die Profiszene. Am 11. November 1975 war das, „Ein Narr packt aus“ hieß das erste Profiprogramm des Fastnachtsstars, der da schon im Clinch lag mit der behäbigen Fastnachtsszene. „Das Mainzer Publikum ist früher nicht so ins Unterhaus gegangen, da spielten ja Linke“, erzählt Bonewitz: „Kommunistenkeller“ hieß damals das Unterhaus. „Aufmüpfig“ war das Wort des Jahres 1975, „das passte auf mich“, sagt Bonewitz.

Der Mainzer Kabarettstar erzählt das in einem ganz besonderen Film: „Zum Lachen in den Keller“ ist die Hommage des Mainzer Südwestrundfunks (SWR) an den Kabarett-Keller. Der 90-minütige Film lässt die Geschichte des Unterhauses in vielen Ausschnitten und Interviews Revue passieren – und bettet sie ein in die gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge der verschiedenen Jahrzehnte. Von der Rebellen-Zeit in den 1960ern und 1970ern geht es über die friedens- und atombewegten 80er in die Stillstands-Zeit der 90er.

Ewald Dietrich im Kleinen Unterhaus beim Film Preview
Ewald Dietrich (links) im Kleinen Unterhaus beim Film Preview – Foto: gik

Die Comedywelle der späten 1990er Jahre, sie spaltete die Kabarettszene, aber sie führt nicht zum Untergang des Unterhauses, natürlich nicht. „Wir wurden ‚zig Mal totgesagt – und leben umso mehr“, sagte Ewald Dietrich einmal dieser Autorin gelassen. Das galt auch für die Geldebene: Die Stadt Mainz strich da schon mal den Zuschuss für Unterhaus zusammen, das Theater schrieb eigentlich permanent rote Zahlen – und überlebte dennoch.

Ewald Dietrich wurde 2003 Hausherr im Glocken-Keller Unterhaus. Die alten Gründer setzten sich zur Ruhe und übertrugen dem gelernten Kaufmann die Geschäftsführung. Wie man Geld auftreibt, weiß Dietrich: 1990 gründete er Human Help Network, das von Mainz aus zu einer international tätigen Hilfsorganisation wurde. „Mit dem Abgang der Gründer geht schon ein Ära zu Ende“, sagte Dietrich 2004 in einem Interview mit Mainz&-Gründerin Gisela Kirschstein.

Das Unterhaus hat den Wechsel gut gemeistert: Bis heute ist die Mischung zwischen Kabarett, Kleinkunst und Chanson geblieben, das Unterhaus präsentiert in seinem von Ute Nebel gestalteten Programm weiter beliebte Altmeister und spannende Neulinge. Im Jubiläumsjahr kommen unter anderem Arnulf Rating, Richling, Die Leipziger Pfeffermühle oder Jochen Malmsheimer. Aber das Unterhaus präsentiert auch Comedians wie Bülent Ceylan, Mundstuhl oder Dieter Nuhr – Berührungsängste ausgeschlossen.

Cover Programm Unterhaus 2016
Das aktuelle Programmheft des Unterhauses: Bunt wie nie

„Kabarett ist doch aktueller denn je“, sagt Dietrich zum 50. Geburtstag, gerade wenn sich Krisen häuften oder Ökonomien schwer täten, „es gibt immer Kabarett.“ Nachwuchsstar Tobias Mann befindet, ohne Humor sei die Welt schließlich kaum zu ertragen. „Terroristen lachen nicht“, sagt der Publizist Manfred Geier im SWR-Film, „sie sind nicht witzig und sie haben keinen Humor.“ Humor unterscheidet uns von „Terroristen, Katholisten, Karnevalisten“, sagt Christoph Sieber, Kleinkunstpreisträger 2015 – und man könne den Leuten ein wenig von ihren Ängsten nehmen.

Und wenn im Film Altmeister Hüsch ins Mikrofon singt „“Es liegt an dem Kanzler, es liegt an den Irren“, es liege „am Gewitter, an der Brille, an der Stille“, dann bekommt der Zuschauer nicht nur eine Gänsehaut wegen Hüschs unnachahmlicher Art – sondern auch angesichts der Aktualität seiner Texte. Das SWR-Film wird so zu einem Generationenporträt mittels der Akteure auf der Unterhaus-Bühne – und zu einem leisen Plädoyer für die Bedeutung des politischen Kabaretts

Das Unterhaus aber war und ist ihr Hort, eine „Keimzelle für geistige Beweglichkeit und Experimentalfreudigkeit“, wie der Mainzer Kabarettist Lars Reichow im SWR-Film sagt – oder einfach, wie Tobias Mann das Unterhaus nennt: „Der Tempel, die Kathedrale der Kleinkunst.“

Wir sagen: Happy Birthday, Unterhaus! Auf viele, viele weitere Jahre Lachen im Keller!

Übrigens: Ewald Dietrich verriet uns noch, er habe gerade den Mietvertrag fürs Unterhaus verlängert – auf weitere 25 Jahre. Na dann.

Info& auf Mainz&: Der 50. Geburtstag des Mainzer Unterhauses wird natürlich gebührend gefeiert: Am Samstag gibt es einen Geburtstagsabend „Kleinkunst – Auf Teufel komm raus!“, unter anderem mit Urban Priol, Jochen Malmsheimer und Georg Schramm. Am Sonntag geben sich dann unter anderem Herbert Bonewitz, Lars Reichow und Max Uthoff die Ehre im Frankfurter Hof. Der SWR feiert gleich tagelang den Geburtstag – im Hörfunk laufen Ausschnitte aus 50 Jahren Mainzer Unterhaus. Einen Überblick über die Sendungen gibt es hier.

Im Südwestfernsehen ist am Samstag, 30. Januar, großer Jubiläumstag: Von 18.45 bis 19.15 berichtet die „Landesart“ eine ganze Sendung lang über das Jubiläum. Von 21.50 Uhr bis 23.20 Uhr dann zeigt der SWR den Film von Alexander Wasner „Zum Lachen in den Keller. 50 Jahre Unterhaus.“ Das Unterhaus selbst findet Ihr samt Programm und Kartenverkauf hier.

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