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Mainz
Start 2018 April

Monatsarchive: April 2018

„Die Vernunft hat gesiegt, Bauruine verhindert“ – Wie Mainz auf den Bürgerentscheid zum Bibelturm reagiert – Kritik an Fehlplanungen und mangelnder Bürgernähe

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Der Tag eins nach dem Bürgerentscheid war von zwei Dingen geprägt: Wundern und Reagieren. Das Staunen über das Ergebnis des ersten Bürgerentscheids in der Geschichte der Landeshauptstadt Mainz hielt an: 77,3 Prozent gegen den Bibelturm waren beinahe schon eine Sensation. Nicht einmal die Bürgerinitiative Gutenberg Museum, die mit ihrer Unterschriftensammlung den Bürgerentscheid ausgelöst hatte, hatte mit so viel Ablehnung des Turms gerechnet. Viele Mainzer reagierten in den sozialen Netzwerken erleichtert: „Die Vernunft hat gesiegt“, schrieb einer, „Bauruine verhindert“, ein anderer. Gleichzeitig wurde auch heftige Kritik an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) laut – und viele beschäftigten sich mit dem Warum des Ergebnisses. Doch der Blick geht auch nach vorne: Ab heute beginnt die Arbeit für ein neues Gutenberg Museum der Zukunft. Die Mainz&-Analyse.

Vorläufiges Endergebnis des Bürgerentscheids zum Bibelturm am Gutenberg-Museum. – Foto: gik

Mit überwältigender Mehrheit hatten die Mainzer am Sonntag dem modernen Bibelturm auf dem Liebfrauenplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom eine Absage erteilt: 64.218 Mainzer gaben ihre Stimme beim ersten Bürgerentscheid der Stadt ab, davon 26.308 per Briefwahl. Ungültig waren davon lediglich 249. Bei einer Einwohnerzahl von rund 210.000 Menschen und rund 161.213 Wahlberechtigten entsprach das einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent. Für ein Bürgerbegehren, das zudem an keine andere Wahl geknüpft war, gilt das als durchaus hoher Wert, viele Begehren scheitern an der Beteiligungshürde.

Am Ende stimmten 49.663 Mainzer gegen den Turm, nur 14.555 dafür – das entsprach einem Verhältnis von 77,3 Prozent Nein und 22,7 Prozent Ja. Um dem Bürgerbegehren Gültigkeit zu verleihen, mussten sich mindestens 24.182 Wahlberechtigte entweder für Ja oder für Nein entscheiden, das wurde locker übertroffen. Die Ablehnung ging zudem quer durch das gesamte Stadtgebiet: die niedrigste Ablehnungsquote gab es mit 73,3 Prozent in Drais, die höchste mit 82,3 Prozent in Weisenau – hier ist der Gründer der Bürgerinitiative Gutenberg Museum, Thomas Mann, zu Hause.

Detailergebnisse Bürgerentscheid Bibelturm nach Stadtteilen. – Foto: gik

 

Die absolut meisten Stimmen gegen den Turm wurden mit 5.744 Stimmen in Gonsenheim gezählt, die höchste Zustimmung bekam der Turm in Drais mit 26,7 Prozent Ja-Stimmen. In der Altstadt, dessen Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) ebenso vehement für den Turm geworben hatte wie die Stadtspitze, entschieden sich 79,5 Prozent gegen den Turm (4.825 Stimmen) und nur 20,5 Prozent für den Turm (1.246 Stimmen). „Das Ergebnis ist zu respektieren, dieser Turm wird so nicht gebaut“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) an Abend in einer Videobotschaft auf Facebook.

77 Prozent gegen den Bibelturm – von politischen Beobachtern wurde das als „Klatsch“, „Ohrfeige“ und als „Versagen“ der politischen Verantwortlichen gewertet. „Wenn fast 80 Prozent der Bürger gegen eine Entscheidung der Politik stimmen, was ist da schief gelaufen?“, formulierte es der Sprecher der Bürgerinitiative Gutenberg Museum, Nino Haase: „Hier wurde offenbar an den Bürgern vorbei geplant.“

Gründe für das Nein: Bedürfnis nach Platz, Grün und urbanem Leben

Die Gründe für das Nein der Mainzer waren ausgesprochen vielfältig: zu moderne Ästhetik und Architektur am falschen Ort, zu geringer Nutzen und ein mangelhaftes Finanzkonzept gehörten zu den am häufigsten genannten Gründen der Kritiker. Viele Mainzer lehnten den 20,50 Meter hohen Turm schon wegen seiner Ästhetik als hässlich, kalt und abweisend ab, als „Klotz“, und „Monstrum“, das zudem keinerlei Fenster und Türen aufweisen sollte. Die moderne Architektur sei ja nicht schlecht, aber doch bitte nicht an dieser Stelle, sagten andere Kritiker. Der moderne Turm wäre in unmittelbarer Nähe des Mainzer Doms entstanden – und es war auch diese Nähe, die den Mainzern sauer aufstieß.

Trutzbau, Fremdkörper, Platzverschandelung – so empfanden viele Mainzer den geplanten Bibelturm. – Foto: DFZ Architekten

Der moderne Bau würde das historisch gewachsene Ensemble des Liebfrauenplatzes zerstören und den Mainzern einen wichtigen urbanen Raum nehmen, lautete eine weit verbreitete Kritik. Da half es auch nichts, dass die Stadt darauf verwies, dass die Fläche für den Bibelturm explizit als Erweiterungsfläche in den Bauplänen vorgesehen ist. Direkt neben dem für die Mainzer geliebten Dom empfanden viele den modernen Bau als unangebrachten Fremdkörper.

„Der in sich gekehrte Trutzbau zielt in seiner Selbstbezogenheit nur auf Selbstwirkung und trägt in keiner Weise zu irgendeiner Art von Aufenthaltsqualität in seinem Umfeld bei“, kommentierte etwa die ÖDP-Stadrätin Ingrid Pannenhorst, selbst Architektin, den Bau auf Mainz&. Der Turm schaffe eine enge, lichtlose Passage zum Römischen Kaiser, aber keinerlei Verweilqualität. „Bauen an einem zentralen Platz wie dem Liebfrauenplatz sollte grundsätzlich vom Platz her und als Teil eines Ensembles gedacht und entwickelt werden“, sagte Pannhorst weiter, und konstatiert: „In Mainz fehlt es gerade für das Herz der Stadt an kreativem und visionärem Denken, das vom Grundsatz her mit der Freiraumplanung beginnt.“

Die Freiraumplanung, damit war schlicht der Platz, der offene urbane Raum gemeint – und der liegt, so zeigte sich im „Wahlkampf“ zum Bürgerentscheid, den Mainzer stark am Herzen. Mit Stiefmütterchenbeeten hatte das nichts zu tun, wohl aber mit einer Stadt, die in den vergangenen Jahren einen enormen Bauboom erlebt – auf Kosten des Grüns. Stadtplaner mahnen seit Jahren die Stadtverwaltung, mehr grüne Aufenthaltsräume zu schaffen. Stattdessen wird im Zuge des Bemühens, Wohnraum zu schaffen, gefühlt jede noch vorhandene Lücke mit hohen Betonbauten gefüllt – so etwa der Mainzer Zollhafen. Aufenthaltsflächen für die Bevölkerung entstanden dabei aber nicht, trotz früherer Versprechungen, ein neues „Stadtquartier am Rhein“ zu schaffen.

Bausünden, Luxuswohnungen, marode Infrastruktur, Bürgerbeschimpfungen spielten Rolle

Stattdessen entstanden Apartments für die gehobenen Geldbeutel, das Ergebnis war allzuoft ein Verdrängungswettbewerb, in dessen Zuge die neuen reichen Mieter grillende oder feiernde Mainzer vor dem Haus vertrieben. Statt aber neue Flächen für Aufenthalt und Genuss zu schaffen, erließ die Stadt Grillverbote auf der Rheinpromenade vor der Neustadt, die Zonen, in denen noch gefeiert werden darf, beschränken sich auf die sehr spartanischen Hochbeete vor dem Schloss und den Winterhafen. So wurde das Marktfrühstück zum Mega-Anziehungspunkt, und dass ausgerechnet dort jetzt weitere Grünzonen in der Innenstadt fallen sollten, stieß den Mainzer ausgesprochen übel auf.

Die von einem italienischen Stararchitekten gestaltete Rückseite der Markthäuser gilt in Mainz vielen als Paradebeispiel für verfehlte moderne Architektur, die keine Aufenthaltsqualität schafft. – Foto: gik

Auch andere Bausünden der Vergangenheit wurden spielten auf einmal ein Rolle: der moderne Aufsatz auf dem Mainzer Staatstheater, von den Mainzern bis heute als „Salatschüssel“ geschmäht, oder die von einem italienischen Stararchitekten gestalteten Markthäuser, die bis heute zum Großteil leer stehen. Das Ergebnis des Bürgerentscheids sei doch in erster Linie „eine Absage an die arrogante Politik, Bürger bei wichtigen baulichen Veränderungen in der Innenstadt nicht nur außen vor zu lassen, sondern ihnen auch noch die Kompetenz abzusprechen“, Bauprojekte zu beurteilen, schrieb denn auch ein Mainzer auf Facebook: „So etwas rächt sich irgendwann.“ Dass Kritiker des Turms bis zuletzt als rückständige Kulturbanausen geschmäht und Bürger als „zu dumm für so eine Entscheidung“ beschimpft wurden, half auch nicht gerade, Akzeptanz für den Turm zu schaffen.

Die Stadt solle lieber ihre marode Infrastruktur wie das Rathaus sanieren, bevor man sich so einen Prestigebau leiste, lautete deshalb eine weitere Argumentationslinie. Viele Mainzer verwiesen auf marode Schulen, in denen jahrelang nichts passiert sei, und schlecht ausgestattete Kindergärten. Dass die rund fünf Millionen Euro für den Bibelturm zweckgebunden sind, interessierte da nicht: Wer so hoch verschuldet sei wie die Stadt, dürfe einfach nicht eine neue, unkalkulierbare Prestigebaustelle aufmachen, lautete prompt das Gegenargument. „Bauruine verhindert“, kommentierte erleichtert ein Bürger auf der Facebookseite der Stadt Mainz das Ergebnis des Bürgerentscheids – viele hielten den Bibelturm weder für seriös finanziert, noch für die zur Verfügung stehende Summe für realisierbar.

Initiative Mainz für Gutenberg: „Das Misstrauen hat gewonnen“, Kritik an Stadtspitze Luft gemacht

Auch die Pro-Turm Bürgerinitiative „Mainz für Gutenberg“ kritisierte am Sonntag, in der Stadt habe „das Misstrauen“ gewonnen. „An diesen Bibelturm ist alles gehängt worden, was die Mainzer an Kritik an der Stadtpolitik haben“, sagte Sprecher, Henning von Vieregge, „und ich sage Ihnen, jeder Mainzer hatte drei Punkte.“ Politik müsse Bürger vereinen und mit ihnen reden, wetterte Vieregge, das aber sei in Mainz überhaupt nicht geschehen: „Hat die Stadt Pläne entwickelt, bevor sie beschlossen hat, das Marktfrühstück und den Bibelturm dorthin zu legen? Hat man miteinander geredet? Nein!“

Nun stellt sich die Aufgabe, den Schellbau des Gutenberg-Museums zu sanieren, neu. – Foto: gik

Vieregge nahm speziell Oberbürgermeister Ebling in die Kritik, der Stadtchef sei in den Wochen vor dem Entscheid „abgetaucht“, wetterte er – er war nicht der einzige. Sauer stieß vielen auch auf, dass Ebling vor dem Bürgerentscheid öffentlich verkündet hatte, die Stadt habe „keinen Plan B“. Vor dem Bürgerentscheid hatte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) noch gedroht, ein Nein zum Turm bedeute jahrelangen Stillstand und auf keinen Fall eine große Lösung. Gleichzeitig hatte die Dezernentin auch angekündigt, bei einem Nein mit den übrigen Millionen das Haupthaus des Museums zu sanieren und zu ertüchtigen – genau dafür waren die fünf Millionen Euro auch gedacht.

Reaktionen: „Chance vertan“ bei Befürwortern – und Absage an Stillstand

Die Mainzer SPD teilte mit, man bedauere das Ergebnis und habe „aus fester Überzeugung für eine andere Entscheidung geworben“, sagte der Mainzer SPD-Vorsitzende Marc Bleicher. „Der Bibelturm hätte dem Gutenbergmuseum die Perspektiven eröffnet, die es in unserer Zeit gebraucht hätte“, sagte Bleicher, nun aber gelte es aber, „nach vorne blicken und in Politik und Bürgerschaft nach einer neuen Zukunft für das Museum suchen.“ Dies werde „ein langer, komplizierter Weg.“

Diese grüne Oase auf dem Liebfrauenplatz bleibt den Mainzern nun (erst einmal) erhalten. – Foto: gik

Brian Huck, grüner Ortsvorsteher der Altstadt, sagte am Wahlabend gegenüber Mainz&, das Bürgerbegehren sei zu spät gekommen, eine längere Diskussionsphase „hätte dem Turm zu mehr Akzeptanz verholfen.“ Die BI Gutenberg Museum hatte bereits im April 2016 eine Befragung der Mainzer gefordert, die Stadtspitze hatte das aber strikt abgelehnt. Von FDP und Grünen-Ratsfraktion erreichte uns bislang keine Stellungnahme zum Bibelturm. Die AfD freute sich über das Wählervotum und forderte, nun auch die Entscheidung über die Rathaussanierung „in die Hände der Bürger“ zu legen. Das hatte der Stadtrat jüngst allerdings abgelehnt.

„Die ganz große Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP hat eine derbe Niederlage kassieren müssen“, sagte der Kreischef der Linken, Tupac Orellana: „Das wackelige Konzept der Museumserweiterung und die Hau-Ruck-Mentalität der Stadtverwaltung haben die Bürger nicht überzeugt.“ Es bleibe nun „zu hoffen, dass die Stadtverwaltung jetzt nicht in eine Schockstarre verfällt und von größeren Projekten, aus Angst vor weiteren Niederlagen, absieht“, mahnte Orellana. Mainz brauche dringend ambitionierte Vorstöße beim Wohnbau, bei der Kinderbetreuung, bei maroden Schulen, bei der Mobilitätswende und bei vielem mehr. Man müsse sich gleichzeitig „gut überlegen, wie man alle Mainzer mitnehmen kann.“

Aus Sicht der Gutenberg Stiftung wurde „eine große Chance vertan“: „Seit langer Zeit gab es das erste Mal ein schlüssiges Konzept, das dem Gutenberg-Museum erlaubt hätte, dem Anspruch ‚Weltmuseum der Druckkunst‘ zu sein gerecht zu werden“, sagte der Stiftungsvorsitzende Andreas Barner, nun sei die Umsetzung und Weiterentwicklung des Museums „auf absehbare Zeit unmöglich geworden.“

Das aber ist alles andere als sicher, entstand durch die intensive Diskussion rund um den Bürgerentscheid eine ganz neue Bürgerenergie – zugunsten des Museums. „Ich weiß aus den Gesprächen mit beiden Bürgerinitiativen, alle wollen, dass wir das Gutenberg Museum stärken“, sagte Ebling persönlich. Genau das kündigten alle Seiten schon am Sonntagabend an: Das Ergebnis dürfe jetzt „nicht Stillstand bedeuten“, sagte der Sprecher der BI „Mainz für Gutenberg“, Johannes Strugalla, und kündigte an: „Wir sind bereit, daran mitzuarbeiten.“

BI Gutenberg Museum: Entstandenes Momentum fürs Museum weiter nutzen

Der in die Jahre gekommene Schellbau des Gutenberg-Museums muss ertüchtigt, der Brandschutz neu geregelt werden. – Foto: gik

„Wir haben das Gutenberg Museum extrem in den Mittelpunkt gerückt, wenn wir dieses Momentum weiter nutzen, kann das dem Museum nur Gutes bringen“, sagte auch der Sprecher der Gegen-BI, Nino Haase: „Wir helfen da gerne mit.“ Am Montag schrieb die BI Gutenberg Museum auf ihrer Facebookseite in einer Stellungnahme, man sei sich seiner Verantwortung bewusst und wolle dieser sehr gerecht werden. „Es ist für uns selbstverständlich, dass wir uns weiter einbringen werden“, heißt es da, es gebe viele Ideen, „und wir sind auf alle Fälle sehr offen und freuen uns auf eine Zusammenarbeit“ mit Stadt, Museum und Stiftung.

Auch der ÖDP-Vorsitzende Claudius Moseler, ein Bibelturm-Gegner, mahnte, jetzt die Chance für eine „lösungsorientierte Zusammenarbeiten aller Seiten“ zu nutzen, „denn eine innovative Modernisierung des Gutenbergmuseums war und bleibt Konsens in Mainz.“ Der Bürgerentscheid sei „ein sinnvolles und wirksames Mittel“ der demokratischen Korrektur gewesen, das Ergebnis habe ja gezeigt, wie wichtig die Befragung der Bürger gewesen sei. „Die Lehre die daraus gezogen werden sollte, wäre die Bürger im Vorfeld besser einzubeziehen und Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden zu lassen“, mahnte Moseler.

„Die Mainzer rücken die Machtverhältnisse in der Stadt ins rechte Licht und erteilen der Gutsherrenart ihres Oberbürgermeisters und der Stadtverwaltung eine deutliche Abmahnung“, sagte der Vorsitzende der Freien Wähler, Kurt Mehler: „Wir hoffen sehr, dass Oberbürgermeister Ebling und Baudezernentin Grosse nun Courage zeigen und die richtigen Lehren aus diesem Ergebnis ziehen. Unsere Bürger wollen mitbestimmen und lassen sich den Mund nicht verbieten“, betonte Mehler. Die Freien Wähler forderten zudem, es müsse in Zukunft mehr Bürgerentscheide insbesondere zu Bauprojekten geben, „die in der Vergangenheit immer öfter zu Widerspruch der Bevölkerung führten.“

CDU: Auch über Trägerschaft des Museums reden – Ebling kündigt neues Konzept an

Am Ende setzte sich der Wille der Bürger durch – wie hier bei der Unterschriftenübergabe der BI Gutenberg Museum an OB Ebling und Dezernentin Grosse. – Foto: gik

Von der größten Oppositionsfraktion im Mainzer Stadtrat, der CDU, hieß es hingegen lediglich, das Ergebnis des Bürgerentscheids sei „sehr eindeutig und muss dementsprechend ernst genommen werden.“ Es gelte jetzt, die Bürgerinitiativen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam an einem Zukunftskonzept für das Gutenberg-Museum zu arbeiten, betonten Kreischefin Sabine Flegel und Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Die neuen Überlegungen müssten nun „ergebnisoffen sein und dürfen in keinem Fall durch Vorfestlegungen eingeengt werden“, auch über die Trägerschaft des Museums müsse geredet werden.

Die CDU war in der Frage des Bibelturms gespalten: Während die Ratsfraktion mehrheitlich dem Bau zugestimmt hatte, hatte sich die Altstadt-CDU klar gegen den Turm ausgesprochen. Der Mainzer Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner, selbst Architekt und Turm-Kritiker, twitterte noch am Wahlabend: „Gut für Mainz. Gut für Gutenberg. – Und jetzt reden wir über die Sammlung + ihren Erhalt, über Forschung + Ausstellungskonzept – und über Geld – und danach über architektonische Verpackung.“ – „Jetzt muss eine neue Konzeption mit Bund und Land für ein wirkliches Weltmuseum der Druckkunst her“, reagierte auch der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster, und bot erneut seine Expertise und Mithilfe dabei an. Nun sei der Weg frei für urbanes Leben auf dem Liebfrauenplatz und gleichzeitig ein neues Weltmuseum der Druckkunst.

Und auch Ebling noch am Abend des Bürgerentscheids Videobotschaft, „die Aufgabe, die morgen beginnen muss“ sei, das Gutenberg Museum zu erneuern und baulich zu ertüchtigen. Die Stadt werde „natürlich eine neue Planung anstoßen“ und diese im Vorfeld „vielleicht so ausführlich zu diskutieren, dass uns das nicht noch einmal passiert“, erklärte der Oberbürgermeister am Montagabend im SWR-Fernsehen. „Das Museum der Zukunft“, sagte Ebling schon am Sonntagabend, „wird die Unterstützung von Bund und Land brauchen.“

Info& auf Mainz&: Zu unserem Bericht vom Wahlabend und den ersten Reaktionen auf den Bürgerentscheid geht es hier entlang. Ein Interview über den Sinn von Bürgerbegehren und mehr Bürgerbeteiligung mit der Omnibus-Initiative für Direkte Demokratie lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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Land Hessen leitet Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Ryanair wegen Bruchs des Nachtflugverbots ein

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Monatelang hatte der Hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) gemahnt und Gespräche geführt, nun ist ihm offenbar der Geduldsfaden gerissen: Das Land Hessen leitete diese Woche ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen verspäteter Flüge in Frankfurt gegen die irische Billigfluglinie Ryanair ein. Ryanair bricht besonders oft die Nachtfluggrenze von 23.00 Uhr mit verspätetet ankommenden Flügen, das Ministerium drängt seit einem halben Jahr die Fluglinie dazu, ihre Flugpläne so zu gestalten, dass die Flugzeuge regulär vor dem Beginn des Nachtflugverbots in Frankfurt landen. Nun muss das Regierungspräsidium in Darmstadt prüfen, ob die Fluglinie mit ihren Flugplänen in zwei Fällen bewusst gegen das Nachtflugverbot zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr verstößt. Der Fluglinie drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.

Drei Maschinen von Ryanair auf einem Rollfeld. – Foto: Ryanair

Ryanair bietet seit März 2017 Flüge vom Frankfurter Flughafen an, seither häuften sich Verspätungen, die die Nachtfluglinie durchbrachen. Allein im September 2017 sorgten die Iren für 38 von insgesamt 105 Verspätungen, der Trend setzte sich auch in den Folgemonaten fort. Im Januar war Ryanair nach Angaben des Ministeriums für 19 verspätete Landungen zuständig, das entsprach 70 Prozent aller Verspätungslandungen in Frankfurt.

Das Hessische Ministerium hatte deshalb schon 2017 die Fluglinie immer wieder angemahnt, für eine Einhaltung des Nachtflugverbots zu sorgen, und Ryanair sogar im Dezember zum Rapport einbestellt. Die Iren versprachen daraufhin Besserung und stellten zum Teil ihre Flugpläne um. Man wolle künftig „die Flüge mit noch mehr Abstand zu dem Nachtflugverbot planen, um die Auswirkungen von solchen Verspätungen zukünftig zu minimieren“, sagte der Leiter der Unternehmenskommunikation von Ryanair, Robin Kiely Mainz&. Das sollte vor allem für den Sommerflugplan gelten. Erst vor zwei Tagen teilte die Fluglinie mit, 84 Prozent ihrer Flüge seien pünktlich, im März 2017 waren es allerdings noch 90 Prozent gewesen.

Mit der Umstellung auf den Sommerflugplan am 25. März habe die Zahl der verspäteten Ryanair-Landungen nach 23.00 Uhr aber „wieder deutlich zugenommen“, sagte der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) am Donnerstag in Wiesbaden. Dem Ministerium zufolge waren die Ryanair-Flieger nach Start des Sommerflugplans für 17 verspätete Landungen verantwortlich – das entsprach einem Anteil von 63 Prozent an den Verspätungen. Man habe deshalb die Flugdaten der beiden besonders häufig verspäteten Ryanair-Flüge aus Barcelona und London-Stansted dem zuständigen Regierungspräsidium zur Prüfung übergeben, sagte Al-Wazir weiter.

Ryanair-Maschinen landen überdurchschnittlich häufig nach der Nachtfluggrenze von 23.00 Uhr am Frankfurter Flughafen. – Foto: Ryanair

Das Präsidium muss nun prüfen, ob eine Ordnungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen die Nachtflugbeschränkungen am Flughafen Frankfurt vorliegt, dies wäre aber nur der Fall, wenn festgestellt werden kann, dass die Planung der Fluglinie dafür ursächlich ist und nicht etwa Unwägbarkeiten wie Wetter oder Streiks. Die beiden betroffenen Verbindungen „reißen besonders häufig die 23-Uhr-Grenze am Frankfurter Flughafen, so dass der Verdacht nahe liegt, dass dafür die Flugplangestaltung ursächlich ist“, betonte Al-Wazir: „Wir haben deshalb dem zuständigen Regierungspräsidium mitgeteilt, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren für diese Flüge eingeleitet werden soll.“

Sollte das Regierungspräsidium einen Verstoß feststellen, werde es auch über entsprechende Sanktionen entscheiden. Verstöße gegen das Nachtflugverbot könnten mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Allerdings müssen solche Verstöße gerichtsfest bewiesen werden, was als schwierig gilt. Zusätzlich kann das Regierungspräsidium aber auch in die Höhe des Bußgeldes Kosten einbeziehen, die der Airline im Fall einer Umleitung des Fliegers an einen anderen Flughafen entstanden wären – wie etwa Hotelkosten oder Shuttlekosten für die Passagiere.

„Ryanair schert sich nachweislich nicht um die Belange der Anwohner, Beschäftigten oder der Umwelt, sondern verstößt bei ihrer Gewinnmaximierung rücksichtslos gegen geltendes Recht“, kritisiert deshalb die Linksfraktionschefin im Wiesbadener Landtag, Janine Wissler. Al-Wazir müsse unverzüglich prüfen, inwieweit Fluggesellschaften, die ständig nach 23.00 Uhr landen, die Landeerlaubnis entzogen werden könne. „Ohne eine solche Drohkulisse wird der berüchtigten Dumping-Airline nicht beizukommen sein“, sagte Wissler.

„Wir suchen jetzt die rechtliche Klärung“, sagte Al-Wazir, es gelte zu prüfen, ob Verbindungen, die so knapp geplant würden , dass schon kleinste Unregelmäßigkeiten zu Verspätungen am späten Abend führten, mit dem Planfeststellungsbeschluss vereinbar oder nicht. „Das muss jetzt das Regierungspräsidium Darmstadt in einem ergebnisoffenen Verfahren prüfen und entscheiden“, betonte der Minister.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Verletzung der Nachtruhe durch Ryanair findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel, in diesem Mainz&-Bericht und noch einmal hier bei Mainz&.

 

 

 

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Mainzer sagen Nein zum Bibelturm – 77,3 Prozent Mainzer stimmten gegen den Bau am Gutenberg-Museum – Neu: Endergebnis

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Die Mainzer sagen Nein zum Bibelturm: Die Bürger der Stadt haben am Sonntag mit großer Mehrheit den Bibelturm am Gutenberg-Museum abgelehnt. Beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Mainz stimmten am Sonntag 77,3 Prozent gegen den modernen Turm in unmittelbarer Nähe des Doms. 22,7 Prozent sagten Ja zu dem Projekt. Insgesamt waren rund 161.200 Mainzer aufgerufen, über das umstrittene Bauprojekt abzustimmen. 49.663 Mainzer sagten Nein, nur 14.555 Ja. Die Wahlbeteiligung gilt mit rund 40 Prozent als hoch für ein Bürgerbegehren, das notwendige Quorum von 15 Prozent für eine Richtung wurde erreicht.

Bibelturm oder nicht Bibelturm, das war die Frage beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte von Mainz. Die Mainzer sagten Nein. – Fotomontage: gik

Damit fällt das Nein zum Bibelturm ungewöhnlich deutlich aus. Das Thema bewegte die Gemüter über Wochen hinweg und spaltete stellenweise die Stadt tief, rund 161.200 Wahlberechtigte waren zur Abstimmung aufgerufen, bereits im Vorfeld hatten mehr als 26.000 Mainzer Briefwahlunterlagen angefordert. Für die Gültigkeit des Bürgerbegehrens war es nötig, dass sich 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten für Ja oder für Nein entschieden, das waren rund 24.000 Stimmen. Das Ergebnis von 77,3 Prozent gegen den Turm wurde am Abend prompt als Ohrfeige für die Stadtspitze gewertet, die Bürgerinitiative „Mainz pro Gutenberg“, die für den Turm geworben hatte, sprach gar von einem „Versagen“ und „Scheitern“ von Ebling persönlich.

Der Sprecher der BI „Mainz für Gutenberg“, Henning von Vieregge, warf der Stadtverwaltung „bodenlosen Leichtsinn“ und Oberbürgermeister Ebling gar persönliches „Versagen“ vor. „Ich habe nicht gemerkt, dass der OB um den Turm kämpft“, sagte Vieregge und konfrontierte Ebling in der Pressekonferenz mit den Worten: „Sie sind gescheitert, dies ist ein Tiefpunkt in ihrer sonst sehr erfolgreichen Karriere.“

Diesen Bibelturm an dieser Stelle auf dem Liebfrauenplatz wollten die Mainzer nicht. – Foto: gik

An diesen Bibelturm sei „alles gehängt worden, was die Mainzer an Kritik an der Stadtpolitik haben“, sagte Vieregge „und ich sage Ihnen, jeder Mainzer hatte drei Punkte. „Die Stadt habe hingegen, als sie gemerkt habe, dass es Gegenwehr gegen den Turm gibt, eben „kein Konzept entwickelt“ und sei nicht auf die Bürger zugegangen, kritisierte Vieregge: „Hat man miteinander geredet, hat die Stadt Pläne entwickelt, bevor sie beschlossen hat, das Marktfrühstück und den Bibelturm dorthin zu legen? Ist das geschehen? Nein!“ Einen Bürgerentscheid zu machen, „und nicht jedem Bürger eine Informationsbroschüre ins Haus zu schicken, ist ein Unding“, fügte Vieregge hinzu. Mainz& hatte am Samstag berichtet, dass die Informationsbroschüre offenbar nicht jeden Haushalt der Stadt erreicht hatte.

Auch der zweite Sprecher der BI, Johannes Strugalla, äußerte sich tief enttäuscht: Die Ablehnung verhindere die Entwicklung des Gutenberg-Museums „auf lange Zeit“, der Bürgerentscheid sei „zu spät gekommen“. Auch wegen des „verspäteten Informationsflusses der Stadt“ sei es für die Befürworter nicht zu schaffen gewesen, „mit Vernunft und guten Argumenten“ für den Turm zu überzeugen, sagte Strugalla: „Die Diskussion hätte früher stattfinden müssen“, der Bürgerentscheid sei zu spät gekommen.

Viele Mainzer Prominente positionierten sich klar gegen den Bibelturm. – Foto: gik

Die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum, die mit ihren 13.500 Unterschriften gegen den Turm das Bürgerbegehren ausgelöst hatte, begrüßte das Ergebnis: „Viele Bürger waren mit dieser Planung, egal aus welchem Grund, nicht einverstanden“, sagte BI-Sprecher Nino Haase. Das Ergebnis zeige, „dass man die Bürger bei solchen Projekten früher ins Boot holen muss.“

„Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben“, sagte der Gründer der BI, Thomas Mann, dieser Zeitung. „Wir haben vor zwei Jahren gefordert, die Mainzer zu beteiligen, jetzt wurden sie gefragt“, sagte Mann weiter, das sei ein Erfolg auch für die Stadt. „Wir haben das Gutenberg-Museum extrem in den Mittelpunkt gerückt“, betonte Haase, „wenn wir dieses Momentum weiter nutzen, kann das dem Museum nur etwas bringen.“

Mit den nun erreichten 77,3 Prozent Nein-Stimmen fiel die Entscheidung eindeutiger aus als erwartet: Die Mainzer wollen den modernen, 20,50 Meter hohen Turm direkt neben dem Römischen Kaiser nicht. Der „Bibelturm“ genannte Solitär war in einem Architektenwettbewerb Anfang 2017 von einer Expertenjury als Sieger ermittelt worden. Die Stadt wollte damit dem Gutenberg-Museum mit den weltberühmten Gutenberg-Bibeln zu mehr Aufmerksamkeit und mehr Sichtbarkeit verhelfen und eine „Schatzkammer“ schaffen. Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) schwärmte von einem neuen „Ausrufezeichen“ und „Wahrzeichen“ für Mainz, die Gutenberg-Bibeln könnten endlich in einer angemessen Umgebung gewürdigt werden und wie in einer „Schatzkammer“ gezeigt werden.

Das offizielle Ergebnis des Bürgerentscheids zum Bibelturm. – Foto: gik, Grafik: Stadt Mainz

Die Kritiker sahen hingegen in dem Turm eine moderne „Monstrosität“, die das historische Ensemble am Liebfrauenplatz zerstören und mit seiner gerade zwölf mal zwölf Meter kleinen Grundfläche gar nicht genug Ausstellungsfläche für das Museum schaffen würde. Mehr Raum für das Gutenberg-Museum sei aber dringend nötig: Das in den 1960er Jahren erbaute Haupthaus ist marode und dringend sanierungsbedürftig, genau dafür stellte die Stadt in ihrem Haushalt rund sechs Millionen Euro bereit. Übrig sind davon rund fünf Millionen Euro, die aber sollen nach Aussage Grosses für alle Kosten reichen – inklusive Mehrwertsteuer und Architektenhonorar. Die Architekten hätten „unterschrieben, dass das Geld reicht“, betonte Grosse wieder und wieder, eine Finanzplanung veröffentlichte die Stadt aber erst wenige Tage vor dem Bürgerentscheid.

Vor allem die Finanzierung des Vorhabens sorgte bei den Mainzer für viel Kritik und am Ende wohl auch für die massive Ablehnung: Von den fünf Millionen Euro blieben gerade einmal 3,9 Millionen Euro für die echten Baukosten übrig, rechnete die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum vor, das reiche nie im Leben für umfangreiche Ausschachtungen, eine notwendige „Bauwanne“ im Boden gegen das Rheingrundwasser sowie den Turm selbst mitsamt der versprochenen bronzenen Fassade.

Bibelturm-Kritiker Johannes Gerster hat angeboten, seine Kontakte und Expertise für ein neues Konzept des Gutenberg-Museums samt Finanzierung durch Bund und Land einzubringen. – Foto: gik

Ebling plädierte am Abend für Gelassenheit: Die Abstimmung sei „keine Richtungsentscheidung“ über Strategie und Visionen der Stadt, „sondern eine Sachentscheidung“, betonte er. Das Bürgerbegehren sei ein Stück direkte Demokratie, das sei „nichts falsches.“ Positiv sei doch: „Wir haben den Stillstand rund um das Museum aufgebrochen und erreicht, dass an jedem Mainzer Küchentisch über Gutenberg geredet worden ist.“ Das Museum werde in Zukunft „die Unterstützung von Bund und Land brauchen“, sagte Ebling und fügte hinzu: „An Rücktritt hat heute Abend garantiert niemand gedacht.“ Baudezernentin Grosse sagte lediglich, das Ergebnis sei eindeutig ausgefallen und werde natürlich akzeptiert.

Wie es nun weitergeht, ist unklar, klar ist lediglich, dass der Turm nicht gebaut wird. Baudezernentin Grosse hatte schon vor dem Ausgang des Votums gesagt, sollten die Mainzer mehrheitlich mit Nein stimmen, „dann werden wir anfangen, die Sanierungsmaßnahmen im Schellbau für die verbleibenden Millionen anzugehen.“ Oberbürgermeister Ebling hatte schon vor Wochen gesagt: Dann werde sich der Stadtrat neu mit dem Thema befassen müssen.

„Im Falle eines Nein zum Bibelturm würde man sich zusammensetzen und weiter an Konzepten arbeiten“, sagte Nino Haase von der BI Gutenberg-Museum, „da haben wir schon Signale aus der Ampel-Fraktion.“ Unterkellerung, Öffnung zur Rote Kopf-Gasse – es gebe zahlreiche Möglichkeiten für ein weiter entwickeltes Konzept. Fest steht: Im Zuge der Debatte ist eine enorme Dynamik entstanden – zugunsten des Gutenberg-Museums und seiner Aufwertung. Dass die Debatte zum Bibelturm vorbei ist, ist deshalb nicht zu erwarten. Auch Strugalla mahnte, das Ergebnis dürfe „jetzt nicht Stillstand bedeuten“: „Stadt und Rat sind aufgerufen, einen Weg aus dem Scherbenhaufen zu bahnen“, sagte Strugalla, „wir sind bereit daran mitzuarbeiten.“

Der frühere Mainzer Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster (CDU) hat vorgeschlagen, ein großes Konzept für das Museum neu zu entwickeln und zur Finanzierung Bund und Land ins Boot zu holen. Daran werde er auch gerne mitarbeiten, sagte Gerster – der frühere CDU-Landeschef hatte schon mitgeholfen, das Mainzer Römerschiffmuseum zu realisieren, mit Hilfe von Millionen vom Bund.

Info& auf Mainz&: War das Ergebnis des Bürgerentscheids überraschend oder war es vorhersehbar? Wir empfehlen Euch dazu einfach mal unseren Artikel vom 6. April 2016, also von vor zwei Jahren: Fragt die Mainzer. Damals haben wir dies kommentiert:

„Und so stellt sich die Frage: Für wen plant Architektur? Für wen wird hier eigentlich gebaut? Muss sich Architektur nicht auch mit den Menschen auseinandersetzen, die ihre Bauten täglich sehen und benutzen sollen? Die Mainzer stellen diese Fragen jedenfalls zunehmend – wer sie nicht beantwortet, wird für weiteren Politikerfrust, Entfremdung und Ablehnung sorgen.

Deshalb lautet unser Plädoyer bei Mainz& – wie schon so oft: Fragt die Mainzer! Redet mit Euren Bürgern! Erkundet ihren Willen! Verschanzt Euch nicht hinter angeblichen Star-Architekten, deren Entwürfen schon seit Langem das Menschliche, Warme, kurz: das Leben fehlt! Man kann übrigens Wettbewerbe auch neu starten, wenn die Ergebnisse nicht vernünftig zum Umfeld passen…

Und schiebt nicht die Entscheidung ab auf ehrenamtlich arbeitende Stadträte als „Volksvertreter“, die schließlich auch Fraktionszwängen und Parteidisziplin unterliegen. Verdammt Eure Bürger nicht dazu, fünf Jahre untätig zuzusehen, was mit ihrer Stadt passiert! Das ist einer modernen, lebendigen Demokratie unwürdig – die Quittung dafür gibt es unter Garantie bei den nächsten Wahlen.“

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EILT: Mainzer sagen Nein zum Bibelturm – 77 Prozent stimmen gegen den Turm

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Die Mainzer sagen Nein zum Bibelturm: Die Bürger der Stadt haben am Sonntag mit großer Mehrheit den Bibelturm am Gutenberg-Museum abgelehnt. Beim ersten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Mainz stimmten am Sonntag rund 77 Prozent abgegebene Stimmen aller Wahlberechtigten gegen den modernen Turm in unmittelbarer Nähe des Doms. 22,3 Prozent sagten hingegen Ja zum Turm. Dieses Ergebnis verkündete Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Sonntag nach der Auszählung von 43 von 55 Stimmbezirken. Das könne sich in dieser Eindneutigkeit nicht mehr ändern, betonte Ebling.

Die Wahlbeteiligung bei dem Bürgerbegehren war hoch, das Quorum wurde erreicht. Das Thema bewegte die Gemüter über Wochen hinweg und spaltete stellenweise die Stadt tief, rund 161.200 Wahlberechtigten waren zur Abstimmung aufgerufen, bereits im Vorfeld hatten mehr als 26.000 Mainzer Briefwahlunterlagen angefordert. Für die Gültigkeit des Bürgerbegehrens war es nötig, dass sich 15 Prozent der Abstimmungsberechtigten für Ja oder für Nein entschieden, das waren rund 24.000 Stimmen. Mehr dazu gleich auf Mainz&.

 

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Mainzer stimmen über Bibelturm ab – Entscheidung beim ersten Bürgerentscheid der Stadt wird mit Spannung erwartet – Was passiert bei einem Nein?

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Heute sind die Mainzer zum ersten Mal in der Geschichte ihrer Stadt aufgerufen, per Bürgerentscheid über eine wichtige Frage der Stadtentwicklung zu entscheiden. „Soll das Gutenberg-Museum durch den Bau des ‚Bibelturms‘ am Liebfrauenplatz gemäß Beschluss des Stadtrats am 08.02.2017 erweitert werden?“, lautet die Fragestellung im Bürgerentscheid zum Bibelturm. Rund 161.250 Stimmberechtigte, hieß es am Freitag, sind in Mainz aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Damit der Bürgerentscheid Gültigkeit hat, müssen allerdings mindestens 15 Prozent dieser Wahlberechtigten sich für eine Seite entscheiden – also entweder mit Ja oder mit Nein stimmen. Der einhellige Aufruf aller Seiten lautete deshalb am Wochenende: Geht wählen!

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) ruft die Mainzer auf, beim Bürgerentscheid am 15. April mit über den Bibelturm abzustimmen. Ebling selbst ist für den Bibelturm. – Foto: gik

„Eine lebendige Demokratie lebt von der Teilhabe und dem Gestaltungswillen der Bürgerinnen und Bürger, mitgestalten ist wichtig: Wer nicht selbst entscheidet, über den wird entschieden“, appellierte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) im Vorfeld an die Mainzer. Als Oberbürgermeister „wünsche ich mir – unabhängig von Pro- oder Contra-Positionen – vor allem, dass der Entscheid mit einer hohen Beteiligung und damit dem Überschreiten des in der Gemeindeordnung vorgegebenen ‚Quorums“ ins Ziel kommt“, betonte Ebling: „Daher meine Bitte: Nehmen Sie am Bürgerentscheid teil und geben Sie ihrer Stimme Gewicht!“

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Stadt Mainz, dass die Stadt die Bürger in einem Bürgerbegehren an die Urne bittet. Der Stadtrat hatte Ende November das Bürgerbegehren beschlossen, nachdem die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum mehr als 13.500 Unterschriften gegen den Turm gesammelt hatte. Die Stadt will unmittelbar neben dem Römischen Kaiser auf dem Liebfrauenplatz einen 20,30 Meter hohen Turm mit bronzener Fassade errichten, der als Erweiterungsbau das Gutenberg-Museum aufwerten und den Gutenberg Bibeln mit einer Schatzkammer im Keller eine neue Heimat bieten soll.

Die Stadt sagt, es solle eine Schatzkammer für die Gutenberg- Bibeln entstehen, Kritiker sagen, für einen solchen Ausbau reiche das Geld nicht. – Foto: DFZ Architekten

Von einem „Ausrufezeichen“ und einem „neuen Wahrzeichen für Mainz“ schwärmt Baudezernentin Marianne Grosse (SPD), der „Bibelturm“ getaufte Solitär werde das Museum endlich nach außen sichtbar machen. Der Turm erlaube eine Entzerrung der Besucherströme, so werde eine Schließung abgewendet und die Schätze könnten auch während der Sanierung des Haupthauses weiter gezeigt werden. Mit Hilfe des Bibelturms werde die Stadt zudem prominente Spender für die zweite Bauphase des Gutenberg Museums akquirieren können, argumentiert Grosse, der Blick geht auch Richtung Bund und Land.

Doch gegen den Turm, der nach Änderung der ersten Pläne nun ohne Fenster und Türen daher kommt, erhob sich von Anfang an Widerstand: Von Anfang an wurde der Turm als abweisend und kalt wahrgenommen, die moderne Architektur als unpassend für das historische Ensemble direkt am Mainzer Dom. Mit seinem Standort auf dem Liebfrauenplatz verstelle er einen wichtigen urbanen Raum, wo Mainz feiert und das Marktfrühstück genießt, sagen die Kritiker, auch dass Bäume und Blumenbeet dafür weichen sollen, sehen viele nicht ein in einer immer dichter bebauten Stadt.

Der Turm liefere mit seiner gerade zwölf mal zwölf Meter großen Grundfläche zudem gar nicht genug Ausstellungsraum, argumentieren die Gegner und sprechen von einem „umbauten Treppenhaus“. Die Stadt sagt, in dem Turm würden bis zu 450 Quadratmeter Ausstellungsfläche geschaffen, vor allem durch unterirdische Räume. Mit dem vorliegenden Budget sei eine solche Tiefbaulösung samt Turm und Bronzefassade gar nicht zu stemmen, kritisiert die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum.

Gewachsene Platzstruktur und Raum für urbanes Leben auf dem Liebfrauenplatz würde durch den Turm an dieser Stelle zerstört, sagen die Kritiker. – Foto: gik

Der Bibelturm, kritisiert der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster, sei ein unausgegorener Schnellschuss, der den Weg verbaue für einen wirklich großen Wurf. Mainz brauche ein „echtes“ Weltmuseum der Druckkunst, groß gedacht und neu gebaut, das Geld dafür sei durchaus vom Bund und auch vom Land zu bekommen, aber nur, wenn diese Geldgeber auch beim Konzept mitreden dürften. „Bund und Land werden kein Projekt unterstützen, das bereits begonnen wurde“, betont Gerster, ein Nein zum Bibelturm öffne den Weg für eine wahrhaft große Lösung für das Gutenberg Museum.

Grosse hält dagegen, ohne den Bibelturm drohe dem Gutenberg Museum auf Jahre hinaus Stillstand. Man müsse „weg von einem provinziellen Umgang“ mit Gutenberg und seiner Erfindung, ein modernes Museum sei „der Schlüssel für ein Goldenes Mainz“, wirbt der Mainzer Kabarettist Lars Reichow.

Der Turm stünde in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mainzer Dom – auf diesem Bild ganz links, am Rande des Blumenbeets. – Foto: gik

Wie sich die Mainzer am heutigen Sonntag entscheiden, ist bislang völlig unklar, mehr als 26.000 haben bereits per Briefwahl ihre Stimme abgegeben. Damit das Begehren Gültigkeit hat, müssen aber mindestens 24.583 Mainzer mit „Ja“ oder „Nein“ stimmen, so zumindest unser letzter Stand. Das Schlimmste, sagte Ebling im Januar wäre, wenn nicht genügend Mainzer zur Wahl gingen – und die Entscheidung so in der Schwebe bliebe. Einen „Plan B“ habe die Stadt für den Fall eines Nein nicht.

Bislang scheint ein Nein der Mainzer zum Bibelturm die wahrscheinlichste Variante zu sein, klar ist das aber nicht. Doch an dem Turm entzündete sich in den Wochen vor dem Bürgerbegehren auch zunehmend allgemeine Kritik an der städtischen Politik: Die Stadt solle lieber erst einmal das Rathaus sanieren, die Straßenbahn zu Ende ausbauen und Schulen sanieren, hieß es von Seiten vieler Bürger. Der Hinweis, dass diese Gelder miteinander nichts zu tun haben, dass der Betrag fürs Gutenberg Museum zweckgebunden festgeschrieben ist, und dass die Stadt derzeit in Schulen und Kindergärten erhebliche Millionen investiert – meist verhallte er ungehört. Von „die Stadt soll erst einmal ihre Infrastruktur sanieren“ über „steckt vorhandenes Geld in die grausig-gerammelte Rheingoldhalle “ bis hin zu „mich stört nicht der Anblick des Bibelturms, mein NEIN gilt uneingeschränkt der Finanzierung“, reicht die Palette der ablehnenden Stimmen.

„Vielleicht“, meinte ein Mainz&-Leser, „sollte man das Ganze lieber noch mal ganz neu denken!“ Man könne doch das Gutenberg-Museum „aus seinem (derzeitigen) Versteck herausholen und ihm einen wirklich würdigen und repräsentativen Platz in der Stadt geben“, fand der Mann – wie etwa das ohnehin sanierungsbedürftige Rathaus. Mehrere andere schlugen vor, lieber den Römischen Kaiser zum echten Entrée für das Gutenberg Museum zu machen – da habe man doch schon einen Hingucker und ein architektonisches Highlight, das bei Touristen sehr beliebt sei.

Die Debatte zeigt vor allem eines: sie ist nicht vorbei. Der Bürgerentscheid zum Bibelturm hat ein enorme Dynamik ausgelöst, in der sich alle Seiten über eines einig sind: das Gutenberg-Museum muss aufgewertet werden. Dass die Debatte um die Sanierung und Aufwertung des Museums am Montag vorbei ist, ist daher nicht zu erwarten. „Im Falle eines Nein zum Bibelturm würde man sich zusammensetzen und weiter an Konzepten arbeiten“, sagt Nino Haase von der BI Gutenberg-Museum, „da haben wir schon Signale aus der Ampel-Fraktion.“ Unterkellerung, Öffnung zur Rote Kopf-Gasse – es gebe zahlreiche Möglichkeiten für ein weiter entwickeltes Konzept.

Neben dem historischen Renaissance-Bau Römischer Kaiser, mit einer Gasse dazwischen, ist der moderne Bibelturm geplant. – Foto: gik

Baudezernentin Grosse sagte in einer öffentlichen Diskussion im SWR4, sollten die Mainzer am Sonntag mehrheitlich mit Nein stimmen, „dann werden wir anfangen, die Sanierungsmaßnahmen im Schellbau für die verbleibenden Millionen anzugehen.“ Oberbürgermeister Ebling hatte schon vor Wochen dazu gesagt: Dann werde sich der Stadtrat neu mit dem Thema befassen müssen.

Die Entscheidung liegt nun bei 161.000 Mainzern, ihnen stehen insgesamt 55 Abstimmungslokale zur Verfügung, die von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet sind. Die Abstimmungsbenachrichtigungen dafür waren den Mainzer Abstimmungsberechtigten nach Angaben der Stadt in der Zeit vom 14. bis 25. März 2018 zugegangen. Solltet Ihr dennoch keine Karte erhalten haben, könnt Ihr Euch unter der Telefonnummer Mainz – 12-1500 im Briefabstimmungsbüro des Rathauses den jeweiligen Stimmbezirk  und die Abstimmungsverzeichnis-Nummer erfragen. Ihr könnt dann in Eurem Abstimmungslokal unter der Abstimmungsverzeichnis-Nummer und Vorlage des amtlichen Ausweises am Bürgerentscheid teilnehmen. Hingehen!

Info& auf Mainz&: Bürgerentscheid zum Bibelturm am Gutenberg-Museum am Sonntag, dem 15. April, von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Das Ergebnis wird gegen 19.30 Uhr erwartet – Ihr findet natürlich eine umfangreiche Berichterstattung dazu auf Mainz&. Wenn Ihr die Vorgeschichte noch einmal nachlesen und weitere Details zum Turm erfahren wollt: Bitte auf die Rubrik Gutenberg& oben auf Mainz& klicken, dort findet Ihr mehr als ein Dutzend Artikel rund um den Bibelturm, den Architektenwettbewerb, die Gründung der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum im April 2016 sowie zu den Argumenten von Befürwortern wie Gegnern des Bibelturms. Einen grundlegenden Artikel gibt es etwa hier. Informiert Euch, und: GEHT ABSTIMMEN!

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Erreichte Informationsbroschüre zum Bürgerentscheid Bibelturm alle Haushalte? – CDU wirft Ebling als Wahlleiter Versäumnis vor – Update: Heft erreichte quer durch die Stadt Mainzer nicht

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Die Informationsbroschüre der Stadt zum Bürgerentscheid in Sachen Bibelturm sollte an jeden Haushalt der Stadt verteilt werden. Das versprach Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) im Januar 2018 auf einer Pressekonferenz, und so beschloss es auch der Ältestenrat des Mainzer Stadtrats. Die CDU-Opposition erhebt nun heftige Vorwürfe: Die Broschüre sei keineswegs an alle Haushalte verteilt worden, sondern habe lediglich der Allgemeinen Zeitung beigelegen, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig am Freitagabend der Internetzeitung Mainz&: „Das haben eigene Recherchen und Nachfragen heute bestätigt“, betonte Schönig: „Das würde bedeuten, dass nicht einmal jeder zweite Haushalt die Broschüre bekommen hätte.“

Diese Informationsbroschüre der Stadt zum Bürgerentscheid Bibelturm sollte an alle Mainzer Haushalte verteilt werden. Offenbar kam sie aber bei einer erheblichen Anzahl nicht an – erhalten haben sie in erster Linie wohl Abonnenten der Allgemeinen Zeitung. – Foto: gik

Mainz&-Recherchen haben dieses Bild mindestens zum Teil bestätigt. Bei einer Blitzumfrage unter einer Abendgesellschaft sowie bei weiteren Personen ergab sich das gleiche Bild: Wer die „Allgemeine Zeitung“ abonniert hat, hatte die Broschüre bekommen, wer die Zeitung nicht bezieht, kannte das Heft entweder gar nicht oder hatte es nicht erhalten. Die Informationsbroschüre sollte den Mainzern erläutern, wie es zum Bibelturm kam, welche Argumente dafür sprechen und welche dagegen. Auch Ratsfraktionen sowie die Bürgerinitiativen dafür und dagegen kommen zu Wort, das Heft sollte als grundlegende Information für die Mainzer dienen und auch dazu aufrufen, das erste Bürgerbegehren in der Geschichte von Mainz tatsächlich wahrzunehmen. Ebling hatte im Januar betont, die Verwaltung wolle alles dafür tun, damit sich möglichst viele Mainzer an der Abstimmung beteiligten, man werde versuchen, wirklich jeden Haushalt in Mainz zu erreichen. Die Broschüre sollte bei der Informationskampagne der Stadt in Sachen Bürgerentscheid Bibelturm die zentrale Rolle spielen.

Die Broschüre und ihre Verteilung sei im Ältestenrat des Stadtrats ausgiebig diskutiert worden, sagte Schönig weiter. Dabei sei auch festgelegt worden, dass die Broschüre „allen Mainzer Haushalten zur Verfügung gestellt wird.“ Das sei aber offenbar  nicht geschehen: „Stattdessen wurde diese Broschüre lediglich über den Verteiler der Allgemeinen Zeitung an Haushalte mit AZ-Abo verteilt“, sagte Schönig Mainz&. Das habe sich durch seine eigenen Recherchen und auf Nachfragen hin am Freitag bestätig: „Ich habe mal eine Stichprobe unter Kollegen gemacht“, sagte Schönig, „dabei kam genau dieses Ergebnis heraus: Wer die AZ abonniert hat, hat die Broschüre bekommen, wer sie nicht abonniert hat, nicht.“

Die Informationsbroschüre der Stadt erläutert auch Zahlen, Daten, Fakten und wer beim Bürgerentscheid zum Bibelturm wahlberechtigt ist. – Foto: gik

Der CDU-Mann sieht darin auch ein Versäumnis Eblings, denn dieser sei als Oberbürgermeister der Wahlleiter der Stadt. „Wenn eine Stadt als staatliches Organ eine Wahl organisiert, kann es nicht sein, dass weniger als die Hälfte der Bürger die entsprechende Information bekommen hat“, sagte Schönig: „Die Aufgabe eines Wahlleiters in einer Demokratie ist, dass alle Wahlberechtigten die gleichen Informationen erhalten. Fakt ist, dass offensichtlich ein großer Teil der Bürger über den offiziellen Weg durch die Informationsbroschüre nicht informiert worden ist. Das ist kritikwürdig, das kann man schon als Versagen des Wahlleiters bezeichnen.“

Mainz& hat daraufhin weitere Akteure angefragt, ob das Problem dort auch bekannt ist. „Ja, das ist mir auch begegnet“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler am Freitagabend auf Mainz&-Anfrage: „Mir haben immer wieder Leute erzählt, dass sie die Broschüre nicht bekommen haben.“ Auch der ÖDP-Chef berichtete von AZ-Abonnenten, die das Heft erhalten hatten, und Nicht-Abonnenten, die es nicht kannten oder nicht bekommen hatten. „Man muss infrage stellen, wie zuverlässig die gewerblichen Verteiler sind“, sagte Moseler. Auch sei ihm nicht klar, ob auch solche Haushalte die Broschüre erhalten hätten, die an ihren Briefkästen einen Aufkleber angebracht hätten: „Bitte keine Werbung.“

Bei einer Blitzumfrage am Freitagabend bestätigte sich das Bild weiter: Von drei Nicht-AZ-Abo-Haushalten hatten drei die Broschüre nicht bekommen, darunter auch Mainz& selbst. Zwar lesen wir durchaus, was die Kollegen der Allgemeinen Zeitung schreiben – aber per elektronischem E-Paper. Repräsentativ ist eine solche Umfrage nicht.

„Wir haben einen Dienstleister, eine Tochtergesellschaft des Verlags der Allgemeinen Zeitung, beauftragt, die Broschüre an alle Haushalte zu verteilen“, sagte am Freitagabend Stadtsprecher Marc André Glöckner auf Mainz&-Anfrage. Die einen sollten die Broschüre als Beilage über die „Allgemeinen Zeitung“ erhalten, die anderen sollten sie verteilt bekommen. „Wir gehen davon aus, dass das so geschehen ist“, sagte Glöckner, „mir persönlich ist es nicht zu Ohren gekommen, dass das nicht erfolgt ist.“ Update: Allerdings teilte die Stadt Mainz am 29. März in einer Pressemitteilung mit: „Falls interessierte Bürgerinnen und Bürger bislang keine Broschüre erhalten haben sollten, können sie diese in allen Ortsverwaltungen, im Rathaus, Stadthaus, auf der Zitadelle, in der Tourist Info oder dem Gutenberg-Museum abholen.“ Das Problem war also offenbar im Rathaus doch schon aufgefallen.

Info& auf Mainz&: Uns interessiert: Wie sieht es bei Euch aus? Habt Ihr die blaue Infobroschüre erhalten oder nicht – und auf welchem Wege? Wer die Broschüre noch haben möchte: Die Stadt weist ausdrücklich darauf hin, dass man sich das Heft im Mainzer Rathaus abholen oder genau hier im Internet herunter laden kann. Und nicht vergessen: Am Sonntag, den 15. April, hingehen und Eure Stimme abgeben für oder gegen den Bibelturm!

Zahlreiche Broschüren kamen bei Mainz&-Lesern nicht an – Ganze Häuser nicht bedient

Update: Wir haben auf unseren Artikel zahlreiche Rückmeldungen erhalten, vorwiegend auf unserer Mainz&-Facebookseite. Von 20 Kommentatoren dort hatten 7 die Broschüre erhalten, 13 hingegen nicht – und letztere sprachen oft für viele: „Würde erklären, warum nicht nur ich, sondern aus meinem Bekanntenkreis, die über Neustadt/Altstadt/Marienborn und Hechtsheim verteilt sind, auch niemand eine bekommen hat“, schrieb ein Mainz&-Leser. „Von allen Mainzer, die ich gefragt habe, gab es auch nur einen, der etwas im Briefkasten hatte – find ich schon sehr merkwürdig!“, schreibt eine andere.

Meldungen über nicht-angekommene Broschüren kamen unter anderem aus der Kaiserstraße, dem Bleichenviertel, Hartenberg, Hechtsheim und Bretzenheim. „Hatte auch keine Broschüre im Briefkasten, sondern musste ins Rathaus“, schrieb eine Leserin: „Schlecht für ältere Leute, die kein Internet und kein Geld für die AZ haben.“ Auch andere ärgerte das Ausbleiben: „In unserem Haus im Bleichviertel kam nichts an“, schreibt eine Leserin: „Ich habe die Broschüre überhaupt das erste Mal diese Woche bei einem Bekannten gesehen – nachdem ich bereits per Brief abgestimmt hatte. Sehr schade, da wieder einmal der Eindruck vermittelt wird, man würde die Bürger nicht wirklich ernst nehmen.“

Das alles ist selbstverständlich keine repräsentative Umfrage, Tatsache ist aber wohl: in zahlreichen Haushalten kam die Broschüre nicht an. Verteilt wurde sie aber offenbar nicht nur als Beilage in der „Allgemeinen Zeitung“: „In meinem Haus hatten sie alle, und nur ich hab ein Abo“, schreibt ein Mainz&-Leser. Drei weitere berichteten, sie hätten die Broschüre auch ohne Zeitungsabo im Briefkasten gehabt. Und eine Mainz&-Leserin schrieb: „Bei uns war sie so im Wochenblatt versteckt, dass ich sie fast mit der Werbung entsorgt hätte. Unmöglich! Und eine Woche später als in anderen Stadtbezirken, ich wohne in Weisenau! Das ist eine schlechte Vorbereitung für ein Plebiszit!“

Bleibt die Frage: Warum kam die Informationsbroschüre bei doch so einem auffällig hohen Prozentzahl der Mainzer Bürger nicht an? Praktisch alle Leser, die sich geäußert haben, waren für das Thema sensibilisiert und sind zur Abstimmung gegangen – dafür wie dagegen. Die Bürgerinitiative Gutenberg Museum, die gegen den Turm ist, meldete zudem: „An den Infoständen der BI haben viele Mainzer gesagt, dass sie die Broschüre nicht bekommen haben.“

 

 

 

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Straßenbahn in Mainz-Zahlbach entgleist – Update: Straßenbahnlinie 52 bis kommende Woche außer Betrieb

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Am Mittwochmorgen: Entgleiste Straßenbahn in Mainz-Zahlbach. - Foto: Feuerwehr Mainz

Schreck in der Morgenstunde: Gegen 7.30 Uhr, mitten im morgendlichen Berufsverkehr, entgleiste am Mittwoch im Mainzer Stadtteil Zahlbach eine Straßenbahn. Das Gefährt der Linie 52 sprang an einer Weiche auf der Unteren Zahlbacher Straße in Höhe der Lindenmühle aus den Gleisen und rutschte ins Gleisbett. Die dreiteilige Bahn stellte sich quer, blieb aber im Gleisbett. Durch das abrupte Abbremsen der Bahn wurden insgesamt 29 Passagiere leicht verletzt, darunter auch Schulkinder auf dem Weg zur Schule. Der Unfall legte für Stunden das Straßenbahnnetz lahm, die Bergung erfolgte erst am späten Nachmittag und dauert zur Stunde noch an. Der Straßenbahnverkehr auf der Strecke bleibt bis kommende Woche außer Betrieb, wie die Mainzer Mobilität am Donnerstag vorstellte. Der Grund: Strecke und Oberleitung sind stärker beschädigt als gedacht.

Entgleiste Straßenbahn in Mainz-Zahlbach am Mittwochmorgen. – Foto: Feuerwehr Mainz

Es war gegen 7.30 Uhr am Mittwochmorgen, als die Bahn an der Weiche von der einspurigen zur zweispurigen Strecke die Spur verlor. Das Fahrzeug stand fortan im Zickzack auf dem Gleisbett, „schräg, aber stabil“, wie die Mainzer Feuerwehr mitteilte. Die Untere Zahlbacher Straße war nicht blockiert, die Unfallstelle ungefähr einhundert Meter von der Grundschule „An den Römersteinen“ entfernt. Die Passagiere konnten sich noch vor Eintreffen der Feuerwehr selbst ins Freie retten.

Dennoch hatten einige Mitfahrende Verletzungen davon getragen: Insgesamt 29 Personen hätten sich beim abrupten Abbremsen der Straßenbahn verletzt, „als sie durch den Innenraum geschleudert wurden“, wie die Feuerwehr weiter schreibt. Einige Personen hätten Prellungen an Brust und Beinen davongetragen, einzelne andere mussten wegen blutender Platzwunden am Kopf behandelt werden. „Ein Großaufgebot von Rettungsdienstkräften fuhr die Einsatzstelle an und koordinierte die Erstversorgung vor Ort sowie den Abtransport der Verletzten in die umliegenden Krankenhäuser“, heißt es im Bericht weiter.

Drei große Kräne hoben am späten Nachmittag die Straßenbahn an, um sie anschließend auf einen Tieflader zu heben. – Foto: gik

Schwerverletzte seien aber nicht darunter gewesen, auch war kein Auto von dem Unfall betroffen. Warum die Straßenbahn entgleiste, konnte am späten Mittwochnachmittag auch die Mainzer Mobilität noch nicht beantworten: „Wir werden das jetzt untersuchen“, sagte Sprecher Michael Theurer auf Mainz&-Anfrage. Die oberste Priorität gelte jetzt erst einmal der Bergung der Bahn.

Die nämlich zog sich bis in den Abend hinein: Noch um 17.00 Uhr stand die Straßenbahn auf den Gleisen, drei große Riga-Kräne umringten das Gefährt. Die Bahn wurde mit Seilen angehoben und wartete dann auf ihr Transportgefährt: Ein großer Spezial-Tieflader sollte die Bahn aufnehmen und abtransportieren. Für die Bergung musste jedoch auch die Oberleitung abmontiert werden, damit bleibt der Straßenbahnverkehr noch für Stunden auf dieser Strecke unterbrochen.

„Heute Abend wird hier keine Bahn fahren und morgen früh auch nicht“, sagte Theurer. Im Laufe des Morgens werde die Mainzer Mobilität entscheiden, wie es weitergehe. Nach Angaben des Unternehmens könnte der Sachschaden bei rund einer Million Euro liegen. Der Unfall hatte erheblicher Auswirkungen auf das Straßenbahnnetz in Mainz, die Linie 52 wurde durch Busse ersetzt.

Update: Das wird auch noch bis kommende Woche so bleiben. Am Donnerstag teilte die Mainzer Mobilität mit, der Verkehr der Straßenbahnlinie 52 könne noch einige Tage nicht in Betrieb genommen werden. Offenbar sind die Gleise beschädigt, nach Überprüfung der Gleise hieß es, es müssten in den kommenden Tagen noch Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden. Auch an der Oberleitung seien die Wiederinbetriebnahmearbeiten noch nicht abgeschlossen und könnten frühestens Anfang kommender Woche beendet werden. Bis voraussichtlich kommenden Dienstag werden daher als Ersatz für die Straßenbahnlinie 52 weiter Busse in Zahlbach verkehren.

Es ist nicht das einzige Problem für den ÖPNV in Mainz: Auswirkungen hatte am Mittwoch schon ein Streik der Busfahrer in Wiesbaden. Für Freitag, den 13. April, hat die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nun zu einem Warnstreik in Mainz aufgerufen – ab Betriebsbeginn werden deshalb in Mainz voraussichtlich keine Busse oder Straßenbahnen der Mainzer Mobilität unterwegs sein.

Info& auf Mainz&: Mehr Informationen zum Warnstreik am 13.4.2018 sowie zu den Störungen im Straßenbahnsystem durch die entgleiste Straßenbahn in Zahlbach findet Ihr auf der Homepage der Mainzer Mobilität und in diesem Mainz&-Artikel.

 

 

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Großer Warnstreik am 13. April in Mainz – Busse und Bahnen fallen aus – 33 Kitas zu – Müllabfuhr und Wertstoffhöfe betroffen

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Das wird ein heiterer Freitag, der 13.: Am kommenden Freitag lädt die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di erneut zum großen Warnstreik in Mainz. Als Ergebnis wird wohl ab Betriebsbeginn, also ab dem frühen Morgen, kein Bus und keine Straßenbahn fahren, so kündigt es die Mainzer Mobilität auf ihrer Internetseite an. Auch die Stadt Mainz ist erneut betroffen: Von den 53 städtischen Kitas werden 33 geschlossen, 18 sind teils eingeschränkt geöffnet. Auch Müllabfuhr und Straßenreinigung werden wohl bestreikt, die Recycling- und Wertstoffhöfe haben nur teilweise geöffnet.

Am Freitag wird wohl kaum ein Bus durch Mainz wollen: Es ist Warnstreik. – Foto: gik

Stadt und Mainzer Mobilität können derzeit die Ausfälle nicht genau beziffern – die Gewerkschaft legt ihre Streikpläne natürlich vorher nicht detailliert offen. Ver.di hat aber alle Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten bei der Stadtverwaltung Mainz zu einem ganztägigen Warnstreik am Freitag, 13. April 2018, aufgerufen. Der Grund: In der Tarifauseinandersetzung zwischen Kommunen und Arbeitgebern haben die Arbeitgeber bis heute nicht einmal ein Angebot vorgelegt.

Ver.di fordert für die rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Darüber sollen Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte um 100 Euro pro Monat steigen, Auszubildende nach einem erfolgreichen Abschluss verpflichtend übernommen werden. Die nächste Verhandlungsrunde steht am Sonntag an, vorher will Ver.di noch einmal ordentlich Druck aufbauen. Am Dienstag traten bereits nach Angaben der Gewerkschaft 1.200 Beschäftigte in Wiesbaden in den Ausstand – mit erheblichen Folgen für den Nahverkehr.

Kindergartenkinder müssen am Freitag unter Umständen auch anderweitig betreut werden: Auch die städtischen Kitas werden bestreikt. – Foto: Bistum Mainz

In Mainz teilte die Stadt am Mittwoch mit wird sich wohl die Müllabfuhr in manchen Stadtteilen verzögern oder sie wird sogar ganz ausfallen. „Die Bürger werden gebeten, die Müllgefäße stets zugänglich zu halten, so dass eine Entleerung stattfinden kann“, heißt es von Seiten der Stadt. Die Abholung der Abfalltonnen könne am Freitag, Samstag oder im Laufe der Folgewoche stattfinden, genaue Abholtermine seien nicht benennbar. Auch die Recycling- und Wertstoffhöfe werden am Freitag nur teilweise geöffnet sein, seien am Samstag aber wieder regulär nutzbar.

Betroffen sind zudem wieder einmal in hohem Umfang die städtischen Kitas: Von den insgesamt 53 städtischen Kitas werden am Freitag 33 streikbedingt geschlossen. Zwei städtische Kitas haben „Teamtage“ und sind daher geplant geschlossen, teilte die Stadt mit. 18 städtische Kitas werden geöffnet sein, teilweise jedoch nur eingeschränkt. Von diesen 18 Kitas haben acht regulär – unterstützt von nicht-streikendem Personal aus anderen Kitas – geöffnet. Die anderen zehn Kitas müssen streikbedingt ihre Öffnungszeiten einschränken, bieten aber in dieser Zeit die übliche Betreuung für alle Plätze an, heißt es weiter.

Alle Eltern der vom Streik tangierten städtischen Kitas würden derzeit per Elternbrief darüber informiert, in welcher Weise ihre Kita vom Streik betroffen ist. Die Leitungen der Kindertagesstätten vermittelten zudem Kontakt unter den betroffenen Eltern, damit diese sich bei der Betreuung gegenseitig helfen können. Auch in städtischen Ämtern und bei Dienstleistungen der Stadt könne es allgemein zu Einschränkungen und längeren Wartezeiten kommen.

Info& auf Mainz&: Infos zum Warnstreik im Öffentlichen Dienst am Freitag, 13. April 2018, findet Ihr hier bei der Stadt Mainz, zu den Bussen und Bahnen informiert die Mainzer Mobilität hier im Internet.

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Neuer Bibelturm-Vorschlag aus Frankfurt: Frankfurter Altstadt-Forum unterstützt „Nein“ zum Mainzer Bibelturm und legt Gegenentwurf vor

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In Sachen Mainzer Bibelturm melden sich nun sogar Bürger und Architekten aus Frankfurt zu Wort: Das Frankfurter Altstadt-Forum, eine Bürgerinitiative, die sich 2004 gegen eine moderne Bebauung der Frankfurter Altstadt gründete, erklärte nun ihre Solidarität mit den Gegnern des in Mainz geplanten Bibelturms. Wenige Tage vor dem Bürgerentscheid am kommenden Sonntag appellierte das Forum „eindringlich an die Mainzer Stadtpolitik, auf eine Bebauung des Liebfrauenplatzes zu verzichten“ und betonte, man hoffe am kommenden Sonntag auf ein „Nein“ der Mainzer zum Bibelturm. „Es gilt nun auch für die Mainzer Bürger, sich gemeinsam gegen schlechte Architektur zu wehren“, sagte der Altstadt-Forum-Initiator J. Eberhard Aha. Das Forum legte zudem einen Alternativentwurf vor – für einen Turm am Gutenberg-Museum in historisierter Form.

Visualisierte Ansicht der neuen-alten Frankfurter Altstadt. – Quelle: DomRömer GmbH

„Der geplante Bibelturm ist weder ein Turm, noch hat er etwas Anmutiges und Würdiges an sich, um der zu präsentierenden Kostbarkeiten gerecht zu werden“, sagte Aha in einer schriftlichen Pressemitteilung am Mittwoch. Der Turm sei „ein völlig unförmiges Aluminium-Monster, das den benachbarten Renaissancebau überragt und regelrecht verhöhnt.“ Aha warf dem Architekten des Bibelturms ferner vor, „keinerlei Sensibilität und Feingefühl für urbanes Gestalten zu besitzen.“

Das sei keine Ausnahme, betonte Aha zugleich: „So ist schon seit mehreren Jahren zu beobachten, dass ganz offensichtlich weite Teile der deutschen Architektenschaft in einer tiefen Ästhetik-Krise stecken.“ Die Schuld sucht Aha bei der „verkorksten Ausbildung“ der Architekten. „Eigentlich noch nie in der Geschichte haben sich Bürger so oft über schlechte Architektur und Bausünden beschwert, wie in der Jetztzeit“, sagte Aha, „dies sollte der gesamten Architektenschaft und insbesondere den Architektenkammern und dem Bund Deutscher Architekten zu denken geben.“ Diese aber weigerten sich, die „selbst erzeugte Architekturkrise zu reflektieren“, kritisierte Aha: „Stattdessen verschanzt man sich im Elfenbeinturm der Ignoranz und beschimpft Bürger als ahnungslose ‚Laien‘.“

Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm: ein Turm in historisierter Optik. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Aha fordert zudem mehr Engagement zu Bewahrung traditioneller Architektur und verweist dabei auf die erfolgreiche Rekonstruktion der historischen Frankfurter Altstadt, die in diesen Tagen fertig gestellt wird. Dort wurde der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs aus dem Jahr 2005 für einen modernen Großbau an der Stelle des Technischen Rathauses nach massiver Kritik von Bürgern sowie der SPD gekippt, danach kippte auch die Stimmung in Stadt und Rat – zugunsten einer Rekonstruktion der historischen Bebauung. Im Herbst 2006 dann führte die Stadt Frankfurt eine Planungswerkstatt durch, um die Bürger zu beteiligen, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen flossen in die daraufhin beschlossenen Eckpunkte für die Bebauung ein – ähnlich wie beim ECE-Center auf der Ludwigsstraße.

„Von der Frankfurter Altstadt-Rekonstruktion ging seit 2007 ein Signal in die ganze Republik“, betonte Aha nun, auch als „Ermutigung an die Bürger, sich in die Stadtplanung einzumischen und sich nicht weiter von ignoranten ‚Experten‘ bevormunden zu lassen.“ Seither machten in Dresden, Potsdam, Berlin und anderen Städten Deutschlands „traumhaft schöne Rekonstruktionsprojekte von sich reden.“ Egal, wie das Mainzer Referendum ausgehe, es solle „der Startschuss sein für mehr Bürgerengagement zur Bewahrung der traditionellen Architektur in Mainz“, forderte der Frankfurter: Sonst werde Mainz weiter durch modernistische Bausünden zerstört.

Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm von oben: ein Turm in historisierter Optik. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Das Frankfurter Altstadt-Forum appelliert daher eindringlich an die Mainzer Stadtpolitik, auf eine Bebauung des Liebfrauenplatzes zu verzichten, heißt es in der Mitteilung weiter. Dem Planungsbüro DFZ schreibe man ins Stammbuch, „sich ihrer Verantwortung als Architekten endlich bewusst zu werden und in historischen Innenstädten künftig auch dem Stil im Sinne des „New Urbanism“ zu folgen, wie er sich derzeit weltweit entwickelt.“

Wie ein solches Gebäude hätte aussehen können, wolle man indes mit einem eigenen Entwurf belegen, den man mit Architekten des Altstadt-Forums erarbeitet habe: Ein Turm im historisierten Renaissance-Stil. Wir dokumentieren im Folgenden die mit dem Entwurf mitgelieferte Beschreibung im Wortlaut, damit Ihr Euch ein eigenes Bild machen könnt:

„Baubeschreibung zum beiliegenden Entwurf:

Der Erweiterungsbau nimmt die architektonischen Stilmerkmale des Hauptgebäudes auf und fügt sich somit harmonisch in den Platz. Die Zugehörigkeit zum „Römischen Kaiser“ wird aufgrund des übernommenen Renaissance-Stils deutlich. Dennoch hat das Gebäude seine Eigenständigkeit, was insbesondere durch den markanten Turm mit der Rundkappe und der darauf befindlichen Skulptur deutlich wird. Die Skulptur bildet Martin Luther ab, der mit entschlossener Handbewegung die Bibel emporhält. Ein klarer Fingerzeig, wofür das Gebäude steht.

Frankfurter Gegenentwurf zum Mainzer Bibelturm: ein Turm in der Optik des Römischen Kaisers. – Quelle: Frankfurter AltstadtForum, Aha

Die große Porta an der Frontseite des dreigeschossigen Gebäudes dient überwiegend der Gliederung der Front und soll nur für Ausstellungswechsel oder zu besonderen Anlässen wie „Tage der offenen Tür“, Museumsfeste oder Stadtfeste geöffnet werden. Ähnlich wie bei der Heiligen Pforte im Petersdom, die auch nur zu besonderen Anlässen geöffnet wird. 

Besonders reizvoll für alle Mainz-Besucher wird die begehbare Dachterrasse im 3. Stock sein, über die man einen prächtigen Blick über den Liebfrauenplatz und Mainz genießen könnte und die für besondere Events und insbesondere auch für Trauungen genutzt werden könnte. Dafür eignet sich auch insbesondere der als Pavillon ausgeprägte Turm.

Die nach oben leicht getreppte Silhouette wurde der Grundform des Turms von Alexandria entlehnt und verleiht dem Gebäude durch die Verjüngung eine Leichtigkeit, die dem derzeitigen modernistischen Entwurf völlig abgeht. Das Raumangebot wird je nach Planung trotz niedrigerer Höhe kaum geringer sein, da durch die niedrigeren Decken weniger Treppenraum erforderlich ist und auf unnütze Lufträume verzichtet wird.“

Der Entwurf, betonte Aha schließlich noch, diene „lediglich der Anschauung“ – die beste Lösung an dem Liebfrauenplatz sei „keine Bebauung und eine Sanierung des Museums.“

Info& auf Mainz&: Über die Rekonstruktion der Frankfurter historischen Altstadt hat Mainz& schon im April 2016 berichtet, den Artikel findet Ihr genau hier. Sehr ausführliche Informationen rund um die neue Frankfurter Mitte samt Fotos findet Ihr hier auf der offiziellen Homepage der DomRömer GmbH. Die Homepage des AlstadtForums Frankfurt gibt es hier. Der Gründer des Forums, der Designer J. Eberhard Aha, wird am Sonntag, den 15. April, abends auf der „Wahlparty“ der Bürgerinitiative Gutenberg Museum einen Vortrag über seine Vorstellungen halten. Ort Rathaus Mainz. Auch die Debatte um die Rolle von Architektur – moderner Gegenentwurf zur Vergangenheit oder historisierende Rekonstruktion – ist nicht neu, sie kam bereits vor zwei Jahren auf – was Ihr hier nachlesen könnt. Die Mainzer sind am 15. April aufgerufen, in einem Bürgerentscheid über den Bau des modernen Bibelturms als Erweiterung des Gutenberg Museums abzustimmen – hingehen!

 

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„Ein Schatzhaus, eine moderne Wunderkammer“ – Befürworter werben noch einmal für Bibelturm

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Mit einem Veranstaltungsmarathon aus Bibelturm-Slam, Radiodiskussion und einer großen Informationsveranstaltung heute Abend ziehen die Befürworter des  Bibelturms am Gutenberg-Museum in der Woche vor dem Bürgerentscheid am 15. April noch einmal alle Register für das Projekt. „Wir können einen wirklich großen Wurf schaffen“, warb Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) am Dienstagabend in einer Diskussion bei Radiosender SWR4: In dem Turm könnten die Gutenberg-Bibeln „endlich in einem Raum mit Aura“ ausgestellt werden, der Turm „zu einer neuen Kunst- und Wunderkammer werden, und das brauchen wir in Mainz.“

So könnte der geplante Bibelturm am Gutenberg-Museum aussehen. – Grafik: DFZ Architekten

Den Begriff der „Kunst- und Wunderkammer“ hatte Grosse von dem Mainzer Kunsthistorik-Professor Matthias Müller entlehnt, der ihn am Montagabend auf einem Bibelturm-Slam eingeführt hatte: „Ein Museum muss bereits von außen signalisieren, dass Sie ein Schatzhaus betreten, eine moderne Kunst- und Wunderkammer“, hatte Müller da in einem Vortrag gesagt. Der Bibelturm könne das Gutenberg-Museum „in eine solche Kunst- und Wunderkammer verwandeln, wir sollten diese Chance nutzen“, sagte Müller.

Der geplante Bibelturm, sagte Müller, könne dem Gutenberg-Museum jene Unverwechselbarkeit verschaffen, die heute im Wettbewerb der Städte benötigt werde. Die Form spiele mit dem Motiv des Hausgiebels, die bronzefarbene Außenhaut erzeuge „ein skulpturales Bild, das den Turm in ein Haus aus Schrift verwandelt.“ Damit gebe die Fassade dem national und international bedeutenden Museum „ein eigenständiges Gesicht, genau das vermag der Turm zu leisten“, sagte Müller weiter.

Düster-dräuende Optik, grauer Himmel – so sahen die ersten Visualisierungen des Turms am Gutenberg-Museum aus, hier allerdings auch noch mit den ursprünglich vorgesehenen Türen. – Grafik: DFZ

Gleichzeitig mahnte der Kunsthistoriker aber auch, die bronzefarbene Außenhaut müsse unbedingt verwirklicht werden: „Da darf nicht gespart werden, darauf darf nicht verzichtet werden“, mahnte Müller. Kritiker des Turmprojekts sehen hier allerdings ein Problem: Eine Fassade aus echter Bronze sei mit dem zur Verfügung stehenden Budget von knapp vier Millionen Euro netto nicht zu realisieren.

Kritik übte Müller allerdings an der „unglückliche Visualisierung des Objekts“ durch seine Architekten: „Angesichts ihrer düster-dräuenden Bedrohung beschlich auch mich der Verdacht, ob der Römische Kaiser dem Konflikt mit dem Turm gewachsen ist“, sagt Müller: Die computergenerierte Simulation „mag ja gerade ‚In‘ sein, sie hat aber die Akzeptanz eher erschwert als begünstigt.“ Verständnis äußerte Müller außerdem für die Rekonstruktionen von Altstadtbauten in Frankfurt und Dresden, das sei „in Grenzen legitim“.

Auch Mainz sei durch den Zweiten Weltkrieg „fürchterlich getroffen worden“, sagte Müller, dennoch sei die Situation nicht vergleichbar – schließlich habe Mainz seine südliche Altstadt ja noch. „Deshalb vermittelt Mainz nach wie vor die Atmosphäre einer alten, geschichtsträchtigen Stadt“, sagte Müller, der Turm könne diese Atmosphäre nicht zerstören. Vielmehr verbinde der moderne Bau ein „Bekenntnis zur Gegenwart“ mit der „dringend notwendigen Aufgabe, dem Museum ein einzigartiges, wiedererkennbares Äußeres zu verleihen.“

Werber für den Bibelturm: Museumsdirektorin Annette Ludwig, Kabarettist Lars Reichow, OB Michael Ebling und Baudezernentin Marianne Grosse (beide SPD) sowie der Architekt Stefan Kausch. – Foto: gik

Eindringliche Plädoyers für den Bibelturm kamen auch von Grosse sowie von Museumsdirektorin Annette Ludwig. Ohne den Bibelturm drohe dem Gutenberg- Museum auf Jahre hinaus Stillstand, warnten beide. „Ich hoffe sehr, dass die Mainzer noch einmal in sich gehen und diese große Chance ergreifen“, sagte Grosse in der SWR-Diskussion mit Blick auf die Abstimmung am kommenden Sonntag. Sollte der Bibelturm abgelehnt werden, „wird der Plan B sein, dass wir dann anfangen werden, die Sanierung im Schellbau für die verbleibenden Millionen anzugehen“, sagte die Dezernentin weiter und fügte hinzu: „Aber dann wird es keinen großen Wurf geben.“

„Wir müssen weg von einem provinziellen Umgang mit seinem Erfinder und Schöpfer“, sagte Kabarettist Lars Reichow beim Bibelturm Slam zum Erbe Gutenbergs, Mainz brauche „ein weltweit Aufsehen erregendes Museum“, dem man von außen auch seine Bedeutung ansehe. „Das, was zur Abstimmung steht, ist das, was finanziell möglich ist“, betonte Reichow, „der Turm ist die bestmögliche Lösung.“ Ein Museum von Rang sei der Schlüssel für ein goldenes Mainz, warb der Kabarettist, der vor sechs Jahren maßgeblich die Debatte um die Sanierung des Gutenberg Museums angestoßen hatte. „Wir sitzen auf einem der größten Schätze der Neuzeit, aber im Umgang mit den Schätzen sind wir Kreisklasse“, sagte Reichow: „Mainz schläft auf seinen Schätzen…“

Info& auf Mainz&: Alle sachlichen Informationen zum Bibelturm findet Ihr ausführlichst in diesem Mainz&-Artikel, die Argumente auch der Initiative „Mainz pro Gutenberg“ noch einmal in diesem Mainz&-Artikel. Alle ausführlichen Darstellungen des Architektenwettbewerbs, der Entwicklung vom Bücherturm zum Bibelturm sowie über das Konzept für ein Gutenberg-Museum 2020 findet Ihr unter der Rubrik Gutenberg& – insgesamt mehr als ein Dutzend Artikel. Dort lest Ihr auch, was die Kritiker gegen das Projekt vorbringen. Am kommenden Sonntag, den 15. April, findet der Bürgerentscheid zum Bibelturm statt, mit Eurer Stimme könnt Ihr dann entscheiden, ob der Turm gebaut werden soll oder nicht – hingehen!

 

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