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Start 2019 April

Monatsarchive: April 2019

Schiffsanleger Zollhafen: 26 Alternativstandorte geprüft? – BI: Stadt spielte aktive Rolle bei Planung und wusste von Dimensionen und Lärmbelastung

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Auf der Homepage der Zollhafen GmbH, der Eigentümerin des Gebietes, die den neuen Zollhafen vermarktet, ist bis heute von den Schiffsanlegern nichts zu sehen. – Foto: gik

Die geplanten Schiffsanlegestellen in der Mainzer Neustadt vor dem neuen Wohngebiet Zollhafen sorgen weiter für Wirbel. Bislang hatte die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes stets behauptet, es gebe keinerlei Alternativstandorte, doch wie das geprüft wurde, blieb bislang unklar. Nun sagte Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) am Mittwoch überraschend im Stadtrat, 26 Alternativstandorte zwischen Laubenheim und Budenheim seien geprüft worden, übrig geblieben sei am Ende der Zollhafen. Im Übrigen sei die Stadt Mainz nicht „Herrin des Verfahrens“, betonte Eder. Die Stadt habe in der Planung der Anlegestellen „eine sehr aktive Rolle gespielt“, sagt hingegen die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer: Die Stadt habe Vereinbarungen geschlossen und sogar Gutachten in Auftrag gegeben – und aus denen gehe eine Lärmbelastung hervor, die die gesetzlichen Grenzwerte deutlich überschreite.

Genau hier, vor der Südmole des Mainzer Zollhafens und vor dem Gebäude „Rheinkai“ sollen die drei Schiffsliegeplätze samt Autoabsetzanlage entstehen. – Foto: gik

Seit 2013 plant die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes neue Schiffsanlegeplätze am Mainzer Zollhafen, die Plätze sind wertvoll für Binnenschiffer auf dem Rhein, die zwischendurch Rast machen, Arztbesuche und Einläufe erledigen wollen und Müssen, oder Personal oder Besuch an Bord nehmen wollen. Die Schiffsliegeplätze vor der Südmole des früheren Mainzer Zollhafens waren zu Zeiten des Hafenbetriebs im Zollhafen beliebte Anlandeplätze für die Binnenschiffer.

Mit dem Umzug des Mainzer Industriehafens nach Norden und der Umwidmung des alten Hafens zu einem Mischgebiet aus Wohnen und Gewerbe aber verschwanden die Liegeplätze. 2014 schlossen die Stadt Mainz, die Stadtwerke Mainz und die WSV deshalb eine Vereinbarung, nach Realisierung des neuen Wohngebiets Zollhafen erneut Schiffsliegeplätze vor der Südmole einzurichten.

Einer breiten Bevölkerung bekannt wurden die Pläne allerdings erst mit Beginn des Planfeststellungsverfahrens für das Vorhaben im Oktober 2018. Seither laufen Anwohner der Mainzer Neustadt und des neuen  Zollhafen-Areals Sturm gegen die Pläne: Sie befürchten erhebliche Belastungen durch Lärm und Schiffsabgase, vor allem auch durch die neue, unmittelbar vor der Caponniere am Neustadtufer geplante Autoabsetzanlage.

Genau hier, vor der alten Freitreppe vor der denkmalgeschützten Caponniere, soll die neue Autoabsetzanlage entstehen. – Foto: gik

„Wir können nachweisen, dass die Stadt Mainz eine sehr aktive Rolle gespielt hat bei der Projektplanung“, sagte der Sprecher der BI Neustadt-Ufer, Torsten Kirchmann, nun im Gespräch mit Mainz&. Die Stadt habe sich in einer Vereinbarung von 2014 verpflichtet, das Projekt zu unterstützen, „diese Vereinbarung war nicht einmal den Stadträten bekannt und zugänglich“, sagt Kirchmann. Die Bürgerinitiative habe die Vereinbarung vor zwei Wochen Mitgliedern des Bauausschusses unterbreitet, „viele Ratsmitglieder kannten diese Vereinbarung überhaupt nicht“, sagt Kirchmann.

Dazu habe die Stadt selbst Gutachten speziell zur Schiffsliegestelle in Auftrag gegeben und bezahlt. Tatsächlich existiert ein eigenes schalltechnisches Gutachten aus dem Juni 2014 im Auftrag der Stadt Mainz, das im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes für den Mainzer Zollhafen erstellt wurde.

In dem Gutachten, das Mainz& vorliegt, gehen die Gutachter von einem Betrieb von acht anfahrenden und acht ablegenden Schiffen pro Tag aus. Tagsüber, also im Zeitraum zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr sei deshalb mit einem „Beurteilungspegel des Schifffahrtslärms“ von bis zu 54 Dezibel an der Südmole zu rechnen. Im Beurteilungszeitraum Nacht zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr sei mit einem höchsten Lärmpegel von bis zu 53 Dezibel zu rechnen, so die Gutachter weiter. Auch hierbei gingen sie von einem Betrieb von acht anfahrenden und acht ablegenden Schiffen und einer Vollauslastung mit neun Schiffen aus und dass die Schiffe während ihrer Liegezeit die Stromtankstellen und nicht ihre Dieselmotoren nutzen.

Nach einer Visualisierung der Bürgerinitiative Neustadt-Ufer könnte die Konstruktion am Rheinufer so aussehen. – Foto: gik

Die Stadtverwaltung widersprach dem am Mittwoch in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Stadtratsfraktion: Die Darstellung, es würden nachts bis zu 56 Dezibel durch Schiffslärm erreicht, „trifft so nicht zu“, teilte Dezernentin Eder mit, in den Pegeln sei die Summe der Geräusche von Straße, Schiene, Schiffen und Fluglärm enthalten. Das aber stimmt so nicht: Das Gutachten spricht explizit von einem Lärmpegel allein durch die Schifffahrt von bis zu 56 Dezibel. Eder betont zudem, mit den Werten werde der Richtwert für Lärm in dem Gebiet um maximal 3 bis 6 Dezibel überschritten.“

„Man wusste also seit 2014, dass es eine Überschreitung der Lärmgrenzwerte geben wird“, sagte dazu Kirchmann, und mehr noch: Die Angabe von 3-6 Dezibel sei schlicht falsch. Der Zollhafen sei nämlich ein Mischgebiet, und nach den neuesten Richtwerten der Immissionsschutzverordnung TA Lärm gelte tagsüber zwar ein Grenzwert von 60 bis 63 Dezibel – nachts aber von nur 45 Dezibel. „Damit hätten wir hier nachts eine Überschreitung des geltenden Lärmrichtwertes von 8 bis 11 Dezibel“, rechnet Kirchmann vor, das sei unzumutbar und unzulässig.

Nach einer Visualisierung der Bürgerinitiative Neustadt-Ufer könnte die Konstruktion am Rheinufer so aussehen. – Foto: gik

Die Stadt verweist hingegen darauf, dass sich „in vorbelasteten Bereichen wie dem Zoll- und Binnenhafen die Orientierungswerte oft nicht einhalten“ ließen, deshalb seien besondere bauliche Schallschutzmaßnahmen und Belüftungseinrichtungen für die Wohnungen im Zollhafen vorgesehen worden. Eder verweis zudem darauf, die Stadt habe nun ihn ihrer Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren erneut eine Untersuchung von Lärm und Luftschadstoffen gefordert. Die CDU hatte in ihrer Anfrage aber auch gefragt, warum die Stadt keine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert habe – wie sie auch der Ortsbeirat der Mainzer Neustadt beschlossen habe.

Für Kirchmann steht fest: „Der Erhalt der Schiffsliegeplätze war die Voraussetzung für die Entwicklung des Zollhafens als Wohngebiet – und der Stadt war damals schon bekannt, dass hier täglich neun bis zehn Schiffe liegen würden.“  Durch die Liegeplätze, vor allem aber auch durch die neu zu bauende Autoabsetzanlage werde es am Feldbergplatz nach Zahlen des Bundesamtes für Gewässerkunde zu Lärmspitzen bis 70 Dezibel kommen. „Die Stadt hat Steuergeld aufgewendet, um ihren Bürgern eine Industrieanlage vor die Nase zu setzen“, kritisiert Kirchmann, „für mich ist damit die Fürsorgepflicht der Stadt gegenüber ihren Bürgern aufs schärfste verletzt worden.“

Auf der Homepage der Zollhafen GmbH, der Eigentümerin des Gebietes, die den neuen Zollhafen vermarktet, ist bis heute von den Schiffsanlegern nichts zu sehen. – Foto: gik

Die Bürgerinitiative fordert weiter, alternative Liegeplätze für die Binnenschiffer zu suchen und zu prüfen – im Stadtrat wurde nun überraschend bekannt gegeben, das sei sogar geschehen: „26 Standorte wurden abgefragt und überprüft“, das habe die WSV telefonisch am Mittwochmorgen mitgeteilt, sagte Eder im Stadtrat. Untersucht worden sei eine Strecke zwischen Laubenheim und Budenheim, bei der Prüfung seien am Ende drei Standorte als geeignet in Sachen Wassertiefe, Strömung und anderen Kriterien übrig geblieben: Die Südmolde, die Nordmole am Zollhafen, die aber künftig wegen der Umgestaltung wegfalle – und die Südbrücke. An der Mainzer Eisenbahnbrücke gebe es „einen Standort, der von Wassertiefe her gegangen wäre“, sagte Eder, hier sei aber „der Pfeiler der Brücke im Weg.“

Wann diese Prüfung durchgeführt wurde und wie sie dokumentiert ist, sagte Eder nicht. Offenbar gibt es aber auch an anderer Stelle vermehrt Zweifel an der Gründlichkeit des Vorgehens der WSV: Im September 2018 habe das Mainzer Wirtschaftsministerium das Vorhaben noch uneingeschränkt unterstützt, sagte Kirchmann – das Schreiben dazu haben wir in diesem Mainz&-Artikel zitiert. Das aber habe sich inzwischen offenbar geändert, sagte Kirchmann in der Einwohnerfragestunde des Mainzer Stadtrats: Inzwischen unterstütze das Wirtschaftsministerium das Projekt Schiffsanleger „nicht mehr uneingeschränkt, sondern nur noch grundsätzlich – und man fordert dort nun eine schlüssige Expertise“, dass es eine Alternativenprüfung gegeben habe und sich kein anderer Standort aufdränge.

Update: In der Unterschrift zu unserem Screenshot von der Homepage der Zollhafen GmbH haben wir geschrieben, dass auf dieser Homepage bis heute nichts von den geplanten Schiffsanlegern am Rheinufer zu sehen ist – das Foto diente als Beleg genau dafür. Die Zollhafen GmbH weist unterdessen in einer Reaktion darauf hin, dass auf die Schiffsanlegeplätze sehr wohl hingewiesen werde: „Im Downloadbereich unserer Seite steht Jedem/Jeder der Bebauungsplan und die Freiraumplanug für den Südteil zur Verfügung“, teilte Peter Zantopp-Goldmann mit: „Dort sind die geplanten Anlagen in Wort und Grafik markiert.“ Die Homepage der Zollhafen GmbH findet Ihr hier im Internet.

Info& auf Mainz&: Wir bleiben natürlich an der Geschichte dran. Ausführliche Informationen zu den geplanten Schiffsanlegestellen vor dem ehemaligen Mainzer Zollhafen und der Mainzer Neustadt findet Ihr hier bei Mainz&. Über die Dimensionen der Anlage informieren wir Euch hier bei Mainz&. Die BI Neustadt-Ufer findet Ihr hier im Internet. Die Nöte der Binnenschiffer auf dem Rhein wegen fehlender Anlegestellen schildern wir hier.

 

 

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Mainzer Stadtrat segnet neues Nutzungskonzept für Ludwigsstraße ab – SPD kippt von Ausschüssen beschlossenen Zusatzantrag der eigenen Vertreter

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Öffentliche Plätze im Karstadt-Areal müssen erhalten werden, forderte der Ortsbeirat Altstadt. - Foto: gik

Überraschende Schachzüge im Mainzer Stadtrat: Die SPD kippte am Mittwoch gemeinsam mit den Ampel-Mitstreitern von Grünen und FDP einen Ergänzungsantrag zum neuen Nutzungskonzept der Ludwigsstraße, den erst am Vortag die Ausschüsse der Stadt Mainz mit großer Mehrheit beschlossen hatten. Der Antrag war von Ortsbeirat Altstadt eingebracht worden und fand in der Sondersitzung mehrere Ausschüsse am Dienstag eine große Mehrheit – am Mittwoch beantragte die SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers im Stadtrat überraschend die Streichung des Zusatzantrags. Am Ende einer in Teilen wirren Abstimmung segnete der Mainzer Stadtrat schließlich das neue Nutzungskonzept für die Ludwigsstraße ab, samt eines Ergänzungsantrags der CDU-Opposition. Kritiker sprachen von „Manövern“ und „Deals“ zwischen den Fraktionen, mit denen die politische Kultur in Mainz beschädigt werde.

Das neue Nutzungskonzept des Investors Dirk Gemünden an der Ludwigsstraße. – Foto: gik

Vor gut zwei Wochen hatte der neue Investor Dirk Gemünden überraschend sein neues Nutzungskonzept für die Ludwigsstraße vorgestellt, der Baukomplex soll die Themen Shoppen, Genuss und Kultur vereinen und sieht eine deutlich offenere Raumstruktur als die vorherigen Pläne mit dem weitgehenden Erhalt der derzeitigen Plätze und einer Öffnung in Richtung Ludwigsstraße vor. Die Pläne wurden von einer breiten Basis in Politik und Gesellschaft begrüßt, die Bürgerinitiative Ludwigsstraße übte allerdings scharfe Kritik: Das Konzept bediene nur Investorenwünsche, schaffe keinen Wohnraum und keine Grünflächen und verscherbele öffentliche Plätze an einen privaten Investor.

Am Mittwoch nun sollte der Mainzer Stadtrat in seiner letzten Sitzung vor der Kommunalwahl die neuen Pläne absegnen – im Eiltempo, wie mancher Stadtrat kritisierte. „Hier wird versucht, vor der Kommunalwahl noch einen Schnellschuss zu machen“, kritisierte ÖDP-Chef Claudius Moseler, dabei seien noch zahlreiche Fragen offen, Gespräche der Fraktionen mit dem Investor hätten teilweise noch gar nicht stattgefunden. „Wie hier die Verwaltung versucht, in einem Schnellschuss den Stadtrat über den Tisch zu ziehen, ist aus meiner Sicht bedenklich“, schimpfte Moseler. Die Verabschiedung sei ein Fall für den neu zusammengesetzten Stadtrat nach der Kommunalwahl, dann sei Zeit genug dafür.

Moselers Kritik war vergeblich: Bereits am Dienstag hatten sich mehrere wichtige Ausschüsse der Stadt mit dem neuen Nutzungskonzept befasst, und dabei auch Beschlüsse gefasst. So wurde die Vorlage der Stadtverwaltung, das neue Konzept zu begrüßen und die Auslobung von Wettbewerben sowie die Schaffung von Baurecht einzuleiten, von den Ausschüssen beschlossen – mit einer Ergänzung. Der Ortsbeirat Altstadt hatte nämlich am Montagabend in einer Sondersitzung drei Forderungen beschlossen und diese den Ausschüssen in einem Ergänzungsantrag vorgelegt.

Öffentliche Plätze im Karstadt-Areal müssen erhalten werden, forderte der Ortsbeirat Altstadt. – Foto: gik

In den drei Punkten forderte der

Ortsbeirat ein städtebauliches Gesamtkonzept für die gesamte Ludwigsstraße und einen städtebaulichen- architektonischen Wettbewerb, dessen Bedingungen durch städtische Gremien festgelegt werden sollten. Ferner dürfe „die Jahrhundertchance“, den 60er-Jahre-Komplex zu einem echten Altstadt-Quartier zu entwickeln „nicht verpasst werden“, der Umfang der öffentlichen Flächen dürfe nicht sinken, die Zahl der Wohnungen müsse deutlich steigen.

Die Ergänzungen fanden in der Sondersitzung der Ausschüsse eine breite Mehrheit, üblicherweise folgt der Stadtrat dieser Vorlage der Ausschüsse ohne weitgehende Änderung. Nicht so dieses Mal: Sie beantrage die Streichung der Ergänzungsanlage, sagte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers am Mittwoch überraschend zu Beginn des Tagesordnungspunktes Ludwigsstraße. Stattdessen werde man nun einem Ergänzungsantrag der CDU-Opposition zustimmen, der kurzfristig neu eingebracht worden war. Die Verblüffung im Plenum war groß – die betroffenen Ortsbeiräte der Altstadt jedoch waren geradezu versteinert.

„Es ist eine gewisse Kuriosität, dass die Ampel dem CDU-Antrag heute zustimmen wird, wo sie gestern noch dagegen war“, sagte SPD-Stadtrat Andreas Behringer, Mitglied des Altstadt-Ortsbeirates. Die Ausschüsse hätten am Dienstag „mit überwältigender Mehrheit diesen drei Punkten zugestimmt“, nun würden sie „aufgrund eines Deals“ wieder gekippt. „Diese Wendungen sind keinem Bürger vermittelbar und sicher nicht hilfreich für die politische Kultur“, kritisierte Behringer klar, und sparte auch nicht mit Kritik an den eigenen Fraktionskollegen.

Andreas Behringer, SPD (links) und Brian Huck, Grüne (rechts) bei einer Kundgebung im Herbst 2014. – Foto: gik

Behringer unterstrich, in dem neuen Quartier dürfe es nicht weniger Wohnen geben als heute, sondern im Gegenteil deutlich mehr. „Die Behauptung der Verwaltung, dass damit das ganze Projekt unwirtschaftlich würde, ist absurd“, betonte Behringer: „Seit wann ist der Bau von Wohnungen unwirtschaftlich?“ Das Areal brauche einen städtebaulichen Wettbewerbe, dessen Bedingungen müsse die Politik vorher beschließen. „Das war der Kardinalsfehler beim Bibelturm, dass wir das vorher nicht getan haben“, fügte Behringer hinzu.

Mit dem Bibelturm sei das nicht vergleichbar, konterte der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher, „ich weise auch zurück, dass wir uns von der Verwaltung über den Tisch ziehen ließen.“ Es sei „eine wahnsinnige Erleichterung in der Stadt spürbar, dass endlich eine Mainz-verträgliche Konzeption vorliegt“, sagte Bleicher, diese Chance dürfe nicht vertan werden. „Ratsbeschlüsse werden vom Rat beschlossen“, nicht von Ausschüssen, sagte auch Grünen-Fraktionschefin Sylvia Köbler-Groß.

Doch auch in den Reihen der Grünen regte sich deutlicher Widerstand: „Wir wollten mehr Wohnraum in dem Areal, weil Wohnraum dringend gebraucht wird“, sagte der Ortsvorsteher der Mainzer Altstadt, Brian Huck (Grüne) – und dabei habe bei den Grünen eigentlich immer Konsens bestanden. Auch hätten die Grünen selbst in ihrem Kommunalwahlprogramm stehen, der Anteil öffentlicher Flächen dürfe nicht sinken – jetzt stimmten die Grünen gegen ihr eigenes Programm ab, kritisierte Huck.

„Mit diesem Hin und Her-Manövrieren tun Sie sich keinen Gefallen“, kritisierte auch Jasper Proske von den Linken: „Solche Aktionen wie diese hier sind einer der Hauptgründe für Politikverdrossenheit.“

Kippte einen Zusatzantrag, den der Ortsbeirat Altstadt auch mit Stimmen von SPD-Vertretern gestellt und den städtische Ausschüsse beschlossen hatten. – Foto: SPD Mainz

„Wir manövrieren hier als Ampel

nicht hin und her“, entgegnete Gill-Gers schließlich: „Ich habe in meiner Fraktion zwei Personen, die eine Chance auf den großen Wurf sehen, aber 15 Leute, die die Priorität auf die Sicherung und Stärkung des Handels an dieser Stelle legen.“ Die Mehrheit der Fraktion wolle „heute unbedingt einen Schritt weiter kommen“, deshalb müssten die drei Punkte unbedingt wieder gestrichen werden. Mit ihnen werde dem Konzept „ein stark einengendes Korsett angelegt, das der Bürgerbeteiligung gar keinen Raum mehr gibt“, betonte Gill-Gers.

Der Änderungsantrag der CDU, den die Ampel in der Folge beschloss, sieht indes auch vor, ein städtebauliches Gesamtkonzept für die Ludwigsstraße von vom Gutenbergplatz bis zum Schillerplatz zu entwerfen und die Ergebnisse für die Ratssitzung im Juni 2019 entscheidungsreif aufzubereiten. Zudem sei das Ludwigstraßen-Consilium unverzüglich einzuberufen und in die Meinungsbildung einzubinden – das Consilium sollte eigentlich begleitend zur Entwicklung der Pläne tagen und die Bürger an der Entwicklung beteiligen.

Die Bürgerbeteiligung sei betonte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig, gleichzeitig wolle die CDU für das Projekt eine breite Mehrheit. „Wir bringen hier ein ganz wichtiges Projekt auf den Weg, auf das die Bürger seit einem Jahrzehnt warten“, sagte Schönig, das Projekt sei „wichtig für Einzelhandel und Touristen und Bürger dieser Stadt.“

Am Ende stimmte der Stadtrat mit großer Mehrheit für das Nutzungskonzept und für den Änderungsantrag der CDU, allerdings war nach der Abstimmung mehreren Stadträten nicht vollständig klar, wofür genau sie die Hand gehoben hatten: Er habe für den Hauptantrag stimmen wollen, aber dagegen, die Änderungen vom Vortag herauszunehmen, sagte etwa Huck nach der Sitzung Mainz& – er sei sich nun unsicher, ob das auch so  passiert sei. Auch ÖDP-Mann Moseler kritisierte, es sei unklar gewesen, über welche Änderung zu welchem Zeitpunkt abgestimmt worden sei.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) lehnte jedoch eine Wiederholung der Abstimmung ab. Mit dem neuen Konzept gebe es „nun endlich eine Chance, aus der städtebaulichen Situation herauszukommen, die einer Landeshauptstadt Mainz unwürdig ist“, sagte er. Mainz habe jetzt die Chance, den Warenhausstandort mit einigen hundert Arbeitsplätzen zu erhalten. „Niemand bekommt das Heft des Handelns aus der Hand genommen“, betonte der OB zudem, der Rat beschließe „kein fertiges Konzept und keine fertige Bauleitplanung.“ Vielmehr gebe der Stadtrat mit seinem Beschluss „dem Konzept die Chance, auf dieser Basis weiter zu arbeiten“, betonte Ebling. Die drei Punkte des Ergänzungsantrages aber würden einen Widerspruch zum Rest der Vorlage darstellen, warnte der OB: „Wir treten sonst auf der Stelle, damit ist niemandem geholfen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum neuen Nutzungskonzept des Boulevard LU lest Ihr hier bei Mainz&, die Kritik der Bürgerinitiative daran lest Ihr hier.

 

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Mainzer FDP fordert Abschaffung der Straßenausbaubeiträge – Zufrieden mit der Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition – CDU-Resolution gegen Straßenausbaugebühren im Stadtrat

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Sechs Wochen vor der Kommunalwahl am 26. Mai zieht die Mainzer FDP ein zufriedenes Fazit ihrer Regierungszeit mit der Ampel-Koalition im Mainzer Rathaus. „Wir haben zwei Perioden lang eine recht gute Arbeit geleistet“, sagte FDP-Fraktionschef Walter Koppius am Montag in Mainz: „Wir haben gezeigt, dass die FDP Erfolge erzielen konnte.“ In Mainz sei viel entstanden, der ausgeglichene Haushalt auch eine Errungenschaft der FDP. „Wir haben zehn Jahre sehr erfolgreich diese Stadt mitprägen dürfen und viel auf den Weg gebracht“, sagte FDP-Kreischef David Dietz: „Das Gesicht der Stadt hat sich sehr geändert, sie ist dynamischer geworden, frischer, jünger, der Mehltau ist nicht mehr so da.“

Der Mainzer FDP-Chef David Dietz vor einigen Wochen bei der Forderung, die Mainzer Luftmessanlagen zu überprüfen. – Foto: gik

Das positive Fazit kommt ein wenig überraschend, war der FDP doch im vergangenen November überraschend und sehr plötzlich ihr eigener Wirtschaftsdezernent abhanden gekommen: Christopher Sitte (FDP) gab zwei Tage vor seiner geplanten Wiederwahl völlig überraschend den Posten auf und verabschiedete sich in Richtung Wirtschaft. Über die Hintergründe wird bis heute spekuliert, Sitte galt als kein besonders erfolgreicher Wirtschaftsdezernent, der mit Aktionen wie der versuchten Neuordnung des Weihnachtsmarktes oder dem starren Festhalten am Zentrenkonzept immer wieder für Streit und Widerstand sorgte. Auch atmosphärisch soll es im Stadtvorstand alles andere als harmonisch zugegangen sein, Sittes plötzlicher Abgang wurde vielfach als Rachefeldzug gewertet.

„Das war nicht schön, keine Frage, aber das ist gegessen“, sagte Dietz dazu am Montag auf Nachfrage – immerhin sei die FDP seit 1949 im Stadtvorstand vertreten gewesen. Durch den Abgang ihres Dezernenten hat die FDP nun keinen Vertreter mehr in der Stadtspitze, der Posten wurde mit der CDU-Kandidatin Manuela Matz besetzt. Man habe es geschafft, die Koalition mit SPD und Grünen „bis zur letzten Sitzung intakt zu halten“, sagte Dietz stolz. Nach der Kommunalwahl werde die FDP deshalb auch selbstverständlich das Gespräch wieder mit SPD und Grünen suchen, kündigte Dietz an: „Wir haben vertrauensvoll zusammengearbeitet.“ Koppius betonte indes, mit einer Koalitionsaussage gehe die FDP nicht in die Wahl am 26. Mai. Im neuen Stadtrat könnten bis zu zwölf Parteien vertreten sein, eine Koalition allein aus zwei Parteien sei da unwahrscheinlich.

Inhaltlich präsentierte die FDP am Montag, kurz vor der letzten Stadtratssitzung, drei Themen: „Wir wollen die Straßenausbaubeiträge abschaffen, und das in jeder Form“, sagte Dietz. Nach einer Umfrage des Bundes der Steuerzahler habe Mainz 2017 insgesamt rund 85.000 Euro an Ausbaukosten gehabt, die Verwaltungskosten abgezogen, es sei nicht mehr zeitgemäß, dass auf die Bürger umzulegen. Das Land müsse die Kosten übernehmen.

Auch die Mainzer FDP macht nun für die Kommunalwahl am 26. Mai mobil. - Foto: gik
Auch die Mainzer FDP macht nun für die Kommunalwahl am 26. Mai mobil. – Foto: gik

Zuvor hatte allerdings schon die CDU-Opposition das Thema auf Platz 1 der Tagesordnung für den Stadtrat gesetzt. In einer Resolution fordert die CDU die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. „Wir wollen, dass die Anteile der Anlieger in Zukunft durch Landesmittel ersetzt werden“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Immer wieder gebe es Streit über die Höhe der Beiträge, über die Berechnung der Umlage sowie darüber, wer davon überhaupt profitiere. „Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist längst überfällig“, betonte Schönig, „eine gute infrastrukturelle Anbindung und der Zugang zu intakten Straßen müssen für jedermann gewährleistet sein.“

Auf Landesebene läuft bereits seit Monaten eine heftige Debatte über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Die CDU fordert das vehement, auch die Landes-FDP stellte sich im Herbst 2018 gegen die Beiträge in jedweder Form – obwohl sie gemeinsam mit Grünen und SPD regiert. Die wollen an den Straßenausbaubeiträgen festhalten, insbesondere die SPD sperrt sich gegen die Abschaffung – obwohl einzelne SPD-Kreisverbände die Beiträge lieber heute als morgen kippen würden. Oft gibt es gerade in ländlichen Regionen Probleme, wenn plötzlich Hausbesitzer – womöglich auch noch Senioren – für einen Ausbau mit mehreren zehntausend Euro zur Kasse gebeten werden.

Der Ausbau der Boppstraße steht vor der Tür, welche Belastungen dabei auf die Anwohner zukommen, ist noch immer unklar. – Foto: gik

Auch in Mainz-Mombach verursachte vergangenes Jahr die Sanierung der Hauptstraße heftige Debatten, weil auch hier die Anwohner mit Straßenausbaubeiträgen beteiligt werden – auf die Anwohner der Boppstraße kommt in Bälde ähnliches zu. Gegner der Beiträge sagen, es sei nicht einzusehen, warum nur direkte Anwohner für eine Verschönerung zahlen sollten, von der ein ganzer Stadtteil oder sogar eine ganze Stadt profitiere. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler würde eine Abschaffung in ganz Rheinland-Pfalz das Land rund 50 Millionen Euro kosten.

Weiter erteilte die Mainzer FDP einer Preissteigerung bei der Grundsteuer B eine deutliche Absage. Das Thema ist hochaktuell, die Bundesregierung muss noch in diesem Jahr das bisherige Modell der Grundsteuer reformieren – für die Hausbesitzer könnte das höhere Steuern bedeuten. Auch für Mieter ist das eine schlechte Nachricht, weil die Grundsteuer auf die Mieter umgelegt werden darf. „Mit uns wird es keine Erhöhung der Grundsteuer geben“, betonte Dietz nun, „wir machen auch keine Tricks mit.“

Die Reform der Grundsteuer könnte allerdings dazu führen, dass die derzeitigen Hebesätze eine deutliche höhere Steuer nach sich ziehen würde – Experten sprechen von den zwei- bis dreifachen. Wollte die Stadt Mainz das vermeiden, müsste der Stadtrat die Hebesätze per Beschluss senken. Je nach Modell des Bundes „muss die Konsequenz sein, dass die Basispunkte gesenkt werden, damit es eben keine Erhöhung gibt“, sagte Dietz. Auch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte sich im Mainz&-Interview dafür ausgesprochen, die Grundsteuerreform dürfe nicht zu einer Anhebung der Kosten für die Bürger führen,

Führt die Grundsteuer-Reform zu einem weiteren Anstieg der Mieten in Mainz? Experten befürchten genau das. – Foto: gik

Allerdings hatte die Mainzer Koalition vor ein paar Jahren eine saftige Erhöhung der Grundsteuer B beschlossen, als Mainz zum Schuldenabbau unter den kommunalen Schutzschirm schlüpfte. Die FDP habe diese Entscheidung damals „aus guten gründen mitgemacht“, sagte Dietz, das werde man jetzt nicht mehr tun.

Beim Thema Wohnen will die FDP die aktuellen Bauvorschriften nach Erleichterungsmöglichkeiten durchforsten. „Es kann nicht sein, dass wir als Bauträger immer weiter die Vorschriften in die Höhe schrauben“, sagte Dietz. Als Beispiel nannte er Vorschriften für den Bau von Mülltonnen-Carports, auch könne die Stadt den Ausbau von Dachböden oder das Aufstocken von Häusern erleichtern. Auch sei Mainz „klug beraten“, enger mit dem Umland zusammenzuarbeiten, sagte Dietz: In der Schweiz schaffe man gemeinsam mit dem Umland Wohnraum, lenke den Verkehr und Schülerströme gemeinsam.

„Wir reden immer viel über gemeinsame Zusammenarbeit, aber es bleibt doch viel beim Kirchturmdenken hängen“, kritisierte er. Mainz sei „eine wachsende Stadt in einer wachsenden Region“, die Zusammenarbeit mit dem Umland müssen „so weit intensiviert werden, dass wir an die Fragen gehen, die man sich bisher nicht getraut hat.“ So könne er sich etwa Zusammenarbeit mit Gemeinden wie Nackenheim vorstellen, in denen neue Wohngebiete entstehen könnten.

Auch die Frage, ob sich die FDP denn auch einen neuen Stadtteil auf Mainzer Gemarkung vorstellen könne – die CDU hatte dies bereits 2017 vorgeschlagen – sagte Dietz: „Wir sind gerne dabei, wenn es um neue Planungen geht.“ Auch Koppius sagte, es gebe „garantiert Möglichkeiten für Standorte“, etwa in Richtung Ebersheim. „Wir brauchen mehr Wohnraum“, sagte Koppius, ein neuer Stadtteil müsse aber an einer sinnvollen Achse liegen und mit öffentlichem Nahverkehr, Nahversorgung sowie Schulen und Kindergärten angebunden werden können.

Dietz sagte dazu, er finde den Layenhof „hoch spannend als Stadtteil“. Das Areal zwischen Finthen und Wackernheim sei „lange Zeit stiefmütterlich behandelt“ worden, es sei aber „sehr lohnenswert, dieses Areal noch einmal ins Auge zu fassen und intensiver anzugehen.“ Ebling hatte hingegen in dem Mainz&-Interview betont, der Layenhof sei ausgereizt, dort gehe wegen Naturschutzrichtlinien nichts mehr. „Es geht natürlich nicht, wenn man es nicht geprüft hat und nicht will“, sagte Koppius trocken, nach der Wahl könne dort „vielleicht doch was gehen.“

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„Jemand brüllte ins Telefon: der Dom brennt!“ – Auch Mainzer Kathedrale entging nur knapp Brandkatastrophe – Seit 1774 Steingewölbe

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Es war im Jahr 1767, als die Mainzer genau so ein Inferno erlebten, wie am Montagabend die Stadt Paris: Ein Blitzeinschlag versetzte das Dach des Mainzer Doms in Brand, Dachstuhl und Dach brannten komplett nieder, ein großer, spitzer Holzturm stürzte ein und setzte noch Teile der Stadt in Brand. Als der Mainzer Domdekan Heinz Heckwolf am Montagabend die Nachricht bekam, in Paris brenne die Kathedrale Notre Dame, ging ihm denn auch sofort durch den Kopf: „Wenn das bei uns passiert wäre im Mainzer Dom, wären wir gerüstet?“ Vor ein paar Jahren wäre genau das beinahe passiert – am Dienstagmittag gedachte das Bistum Mainz mit einem Glockenläuten und einer kleinen Andacht der schrecklichen Brandkatastrophe von Paris.

Auch der Mainzer Dom trägt derzeit ein Gerüst auf dem Dach, am Dienstag gedachte man hier des schrecklichen Brandes in Notre Dame. – Foto: gik

Am Montagabend war in der französischen Hauptstadt um, 18.50 Uhr ein verheerendes Feuer im Dachstuhl von Notre Dame, dem Wahrzeichen der Stadt, ausgebrochen. Das Feuer griff rasend schnell auf das gesamte Dach der Kirche über, sechs Stunden lang wüteten die Flammen, lange war unklar, wieviel der stolzen Kathedrale und ihrer immensen Kunstschätze überleben würden. „Die schrecklichen Bilder lassen niemanden kalt“, sagte Heckwolf am Dienstag im Mainzer Dom, das gelte erst Recht „für den, der selbst mit einer Kathedrale beschäftigt ist.“

Heckwolf ist der Zuständige im Bistum Mainz für den Dom St. Martin, den Horror der Pariser Kollegen von Montagnacht konnte er gut nachvollziehen – in Mainz gab es vor ein paar Jahren einen ähnlichen Fall: „Jemand brüllte ins Telefon: der Dom brennt, da bin ich losgerannt“, erinnerte sich Heckwolf am Dienstag vor Journalisten. Es war 2003, die Situation ganz ähnlich, wie nun in Paris: Am Dom St. Martin waren Dachdeckerarbeiten zugange, dabei wurde eine Decke auf dem Dach zurückgelassen – und die fing durch einen heißen Scheinwerfer Feuer. „Eine aufmerksame Dame aus der Nachbarschaft sah den Rauch, schlug Alarm und verhinderte Schlimmeres“, erinnerte sich Heckwolf. Die blitzschnell angerückte Feuerwehr habe den Brand löschen können, bevor größerer Schaden entstand.

Das Kirchenschiff des Mainzer Doms ist zum Großteil von einem steinernen Gewölbe überspannt, ein guter Feuerschutz. – Foto: gik

Auch an diesem Dienstag war einer der Türme des Doms von einem großen Gerüst umgeben, das Feuer in Notre Dame soll seine Ursache in Bauarbeiten am Dach der Kirche gehabt haben, so die bisherigen Ermittlungen. Das Mainzer Gerüst sei statisch geprüft, versicherte Heckwolf: „Da kann nichts passieren.“ Dazu gebe es im Mainzer Dom mit der Feuerwehr vereinbarte Pläne, die auch die Feuerwehr auf ihren Computern habe, so könnte Einsatzkräfte schon bei der Anfahrt dirigiert werden. Ein Feuer im Mainzer Dom wäre auch deshalb fatal., weil die große Bischofskirche nicht frei steht, sondern von Bebauung umgeben ist.

Drei Steigrohre aus Kupfer führen an verschiedenen Ecken des Gebäudes in die Höhe, hier kann die Mainzer Feuerwehr im Notfall Löschwasser einspeisen. „Wir haben auch schon mit anderen Löschmaterialien wie Schaum experimentiert“, berichtete Heckwolf. Und schließlich gebe es einen mit der Mainzer Feuerwehr vereinbarten Ort – und dort liege ein Schlüssel zum Dom für die Feuerwehr bereit. „Falls wir mal nicht da sind“, sagte Heckwolf.

Die Kathedrale von Notre Dame war am Montagabend vin einem verheerenden Feuer verwüstet worden. – Foto: Tagesschau, Screenshot: gik

Die beste Absicherung für den Mainzer Dom ist allerdings eine ganz andere: „Unser Westchor besteht auf Tuffstein, das ist Lavagestein, dem macht das Feuer nichts“, berichtete Heckwolf. Es war die Konsequenz aus dem Inferno von 1767, als das Dach des Mainzer Doms nach einem Blitzeinschlag komplett abbrannte. Ein großer, spitzer Holzturm stürzte ein und setzte noch Teile der Stadt in Brand – eine verheerende Brandkatastrophe. Danach bekam der Baumeister Franz Ignaz Neumann den Auftrag, den Westchor samt der Türme neu zu errichten – aus feuerfestem Stein. In nur vier Jahren, von 1170 bis 1774, erstand der Mainzer Dom neu.

Es war nicht der erste Brand des Mainzer Wahrzeichens: Gleich nach seiner Fertigstellung im Jahr 1009 brannte der Bau des Erzbischofs Willigis noch in der Nacht vor seiner Weihe bis auf die Grundmauern nieder. 1036 wurde der neu erstandene Dom dann sendgültig eingeweiht und als Kirche in Betrieb genommen. Bei der Belagerung der Stadt Mainz durch die Preußen 1793 wurde beim Kanonenbeschuss der Stadt auch der Mainzer Dom schwer beschädigt und brannte erneut. Der zerstörte Dom blieb trotz Abrissplänen erhalten, Dank des damaligen Bischofs Joseph Colmar, der 1802 den Wiederaufbau in Gang setzte.

Eine Schwachstelle hat der Mainzer Dom seither noch: Der Dachstuhl des Langhauses ist wie in Paris komplett aus Holz. „Wir hoffen immer“, sagte Heckwolf noch, „dass bei einem Brand die Gewölbe im Langhaus halten – so wie es im Zweiten Weltkrieg der Fall war.“ Im Inferno von Mainz am 27. Februar 1945 brannte fast die komplette Mainzer Innenstadt nieder – nur der Mainzer Dom blieb wie durch ein Wunder stehen.

Bei dem kleinen Gedenkgebet im Mainzer Dom am Dienstagmittag läuteten zehn Minuten lang die Glocken des Doms – ein Video davon findet Ihr hier auf unserer Facebook-Seite. Musikalisch gestaltet wurde das Gebet durch den Mainzer Domorganisten Daniel Beckmann – er spielte zwei Kompositionen von Louis Vierne, der 37 Jahre lang in der Zeit um die Jahrhundertwende Organist in Notre Dame gewesen war

Info& auf Mainz&: Mehr zur Brandkatastrophe in Notre Dame lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zur Geschichte des 1000-jährigen Mainzer Doms lest Ihr hier im Internet. Einen Dombaumeister hat Mainz übrigens zur Zeit nicht: Der Posten ist vakant, die Ausschreibung der Stelle läuft derzeit.

 

 

 

 

 

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Sitte veranlasste Aktenverschiebung im Wirtschaftsdezernat – Zwei Container mit Akten geschreddert – CDU: Verbleib von Daten ungeklärt

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Der Fall der verschwundenen Akten im Mainzer Wirtschaftdezernat bleibt zumindest in Teilen rätselhaft. Vier Monate nach dem Verschwinden von Unterlagen und Computerdaten im Mainzer Wirtschaftsdezernat legte die Stadt nun das Ergebnis des Prüfberichtes vor. Demnach war allein der entschwundene Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) für den Vorgang verantwortlich, er habe persönliche Daten löschen und die Schränke für seine Nachfolgerin aufräumen wollen. Doch der Leiter des Revisionsamtes, Peter Huber, musste auch einräumen: Zwei Container voller analoger Akten wurden bei einer Firma geschreddert, was genau da drin war – nicht mehr nachvollziehbar. „Es ist nicht auszuschließen, dass etwas vernichtet wurde, was eine gewisse Relevanz hatte“, räumte Huber ein. Die SPD erklärte den Fall umgehend für erledigt, die CDU-Opposition hingegen sieht noch zahlreiche offene Fragen.

Die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) saß bei Amtsantritt vor leeren Schränken und Computern. – Foto: gik

Es war Anfang Dezember 2018, als die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) am Tag ihres Amtsantritts vor leeren Schränken und gelöschten Computerlaufwerken stand. Matz Vorgänger, der FDP-Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte, hatte zwei Tage vor seiner geplanten Wiederwahl überraschend seinen Abgang in die Wirtschaft bekannt gegeben. Die Folge: In den eigentlich von SPD, Grünen und FDP besetzten Mainzer Stadtvorstand zog eine CDU-Frau ein – und fand bei Amtsantritt ein leer geräumtes Büro vor.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sprach danach selbst von einem „beispiellosen Vorgang“ und leitete eine Prüfung in die Wege, vier Monate danach legte das Revisionsamt jetzt das Ergebnis vor. Demnach sei klar, dass die Anweisung zum Löschen und Verschieben der Daten von Sitte gekommen sei, sagte Ebling, das sei weder böswillig geschehen, noch habe es der Stadt einen dauerhaften Schaden zugefügt. Weitere Personen aus dem Stadtvorstand seien nicht involviert gewesen, auch nicht er selbst  – ein kürzlich aufgetauchter anonymer Brief hatte behauptet, mit den verschwundenen Akten seien Beweise für Mauscheleien vernichtet worden.

„Es gibt keinen Anlass davon auszugehen, dass Relevantes vernichtet wurde“, sagte der Leiter des Revisionsamtes, Peter Huber, am Dienstag in Mainz. Nach Darstellung Hubers beauftragte Sitte eine Mitarbeiterin, seine persönlichen Daten vom Computer zu löschen. Jeder Mitarbeiter der Stadtverwaltung habe ein persönliches Laufwerk H, auf das nur er Zugriff habe, sagte Huber. Auf dieses persönliche Laufwerk verschob die Mitarbeiterin nun gleich fast das komplette Dezernatslaufwerk: Von 5,8 Gigabyte wurden rund 5,6 Gigabyte verschoben, warum, erklärte Huber nicht.

Stellten am Dienstag den Revisionsbericht zu den verschwundenen Akten vor (von links): Peter Huber, Leiter des städtischen Revisionsamtes, Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. – Foto: gik

Es sei aber „nicht erkennbar gewesen, dass städtische Daten nach außerhalb verschoben wurden“, betonte Huber. Weder per Email noch per USB-Datenträger seien Daten nach außen gelangt, das könne man feststellen. Experten des Rechenzentrums hätten bereits am 17. Dezember das Dezernatslaufwerk wieder hergestellt.

 

Komplizierter war die Angelegenheit offenbar bei den Papierakten: Fünf Schränke davon wurden leer geräumt, viele Unterlagen seien an andere städtische Ämter oder die Registratur zurückgegangen, sagte Huber. Darunter seien zahlreiche „sehr alte Akten“ auch aus der Zeit von Sittes Vorgängern Franz Ringhoffer und Richard Patzke (beide FDP) gewesen, dazu Gründungsverträge von städtischen Gesellschaften oder Arbeitsverträge von Mitarbeitern. Die Rekonstruktion, welche Akten wohin gebracht wurden, habe länger gedauert, sagte Huber. Originale von Verträgen fehlten aber keine, „die Verträge der Stadt sind da, wo sie hingehören.“

Allerdings wurden im Auftrag Sittes auch zwei Container in der Größe von Schreibtischen durch eine Entsorgungsfirma abgeholt und ihr Inhalt geschreddert – was genau darin war, sei nicht mehr nachvollziehbar. „Es ist nicht auszuschließen, dass etwas vernichtet wurde, was eine gewisse Relevanz hatte“, räumte Huber denn auch ein. Nach Aussage der Mitarbeiterin sei aber „alles Relevante an die Ämter zurückgeführt worden“, betonte Huber. Den rund 30 Seiten starken Revisionsbericht selbst legte die Stadt aber nicht vor, das sei aus Personenschutzgründen für die befragten Mitarbeiter nicht möglich, sagte Ebling.

Soll die Löschung personenbezogener Daten und das Schreddern von Akten in Auftrag gegeben haben: Ex-Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP), hier im Dezember 2017 in seinem Büro. – Foto: gik

„Uns allen ist wichtig, dass nichts verschleiert oder unter den Teppich gekehrt wird“, betonte Ebling zugleich. Das Verhalten der Mitarbeiterin sei „falsch“ gewesen, die Handlung aber auf Anweisung des früheren Dienstherren vollzogen worden. Er könne und werde nicht dulden, dass Mitarbeiter den Dienstbetrieb beeinträchtigten und dass so auf die Verwaltung ein schlechtes Licht geworfen werde. „Hätte der ehemalige Beigeordnete das berechtigte Verlangen, das Löschen von personenbezogene Daten, in geeigneter Weise kommuniziert, es wäre uns viel Arbeit und Unbill erspart geblieben“, fügte er hinzu.

Die Mainzer SPD erklärte den Fall der verschwundenen Akten umgehend für erledigt und die „Akten-Diskussion für beendet“. Die Abläufe im Wirtschaftsdezernat seien „bedauerlicherweise nicht korrekt“ und ärgerlich gewesen, wichtige Akten seien aber nicht verschwunden, ein Schaden nicht angerichtet worden, sagte SPD-Chef Marc Bleicher.

Die CDU-Opposition sah das hingegen ganz anders: „Es sind noch eine ganze Reihe von Fragen offen“, sagte CDU-Fraktionsschef Hannsgeorg Schönig, der Vorsitzender des Revisionsausschusses ist. So sei immer noch zu klären, welche Datenmengen gelöscht worden seien, „bei den Zahlen gibt es ein Delta“, betonte er. Auch seien Kalenderdaten, Adressverzeichnisse und wichtige Visitenkarten von Unternehmen verschwunden und gelöscht worden – und bei der Frage, ob relevante Unterlagen verschwunden seien oder nicht, verlasse sich der Bericht ganz auf die Aussagen der Mitarbeiterin. Er habe deshalb den Revisionsausschuss zu einer weiteren Sitzung am 30. April einberufen, um noch offene Fragen zu klären.

Schönig kritisierte zudem, dass die betroffene Dezernentin Matz von dem Ergebnis des Berichtes erst am Montagabend informiert worden sei. Es sei „bedauerlich“, dass die am meisten betroffene Person nicht eingebunden gewesen sei. „Die Terminplanung“ mit Matz sei „ein wenig schief gelaufen“, räumte Huber daraufhin ein.

Schönig zufolge enthält der Revisionsbericht zudem keinerlei Wertung, ob beim Schreddern oder Verschieben der Akten Straftatbestände wie Urkundenunterdrückung oder ein sogenannter „Verwahrungsbruch“ geschehen seien – genauer erklären wir diese Dinge hier bei Mainz&. Ebling sagte dazu, das Verhalten sei „falsch“ gewesen, Anzeige wolle er aber nicht erstatten – der Bericht gehe nun an die Staatsanwaltschaft, die über das weitere Vorgehen befinden solle.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Fall der verschwundenen Akten lest Ihr hier bei Mainz&, die Straftatbestände und weitere Reaktionen dazu erläutern wir hier.

 

 

 

 

 

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Schock über Brand in Notre Dame – Pariser Kathedrale am Montagabend ausgebrannt – Mainzer bangen mit Pariser Wahrzeichen

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Der Schock ging um die Welt und fand ganz deutlich auch in Mainz Resonanz: Am Montagabend brannte in Paris die weltberühmte Kathedrale Notre Dame. Um 18.50 Uhr brach ein Feuer im Dachstuhl der Kathedrale aus, das rasend schnell um sich griff. Binnen einer Stunde kollabierten der Dachstuhl und ein berühmter Spitzturm, über Stunden hinweg loderten die Flammen und bedrohten das gesamte gotische Bauwerk. Das Herz von Paris brannte – und die ganze Welt litt geschockt mit. Auch in Mainz war die Anteilnahme groß, viele ältere Mainzer dachten zurück an den Zweiten Weltkrieg, als das Herz von Mainz brannte, der Mainzer Dom…

Das schockierende Bild von der brennenden Kathedrale Notre Dame machte am Montagabend schnell die Runde – hier ein Bericht der Tagesschau Online. – Screenshot: gik

„Notre Dame brennt“ – der Satz schlug am frühen Abend ein wie ein Erdbeben. In Minuten verbreitete sich die Nachricht um die Welt, das Feuer tat leider dasselbe: Im Dachstuhl von Notre Dame, der stolzen Kathedrale von Paris war ein verheerender Brand ausgebrochen. Die Ursache wurde schnell eingegrenzt: Vermutlich gibt es einen Zusammenhang mit den derzeit laufenden Renovierungsarbeiten an der Kathedrale. Genau oben auf dem Dach, an dem spitzen Turm in der Mitte des Daches, war ein Gerüst aufgebaut. Vor wenigen Tagen waren hier noch wertvolle, bis zu drei Meter hohe Figuren vom Dach heruntergebracht worden, der Renovierungsarbeiten wegen. Nun brach genau hier das Feuer aus – die Feuerwehr geht von einem Zusammenhang aus.

Notre Dame war um 18.00 Uhr ganz regulär geschlossen worden, auch die Bauarbeiter waren im Feierabend – als das Feuer ausbrach, war deshalb niemand im Gebäude. Menschen kamen deshalb ersten berichten zufolge nicht zu Schaden – ein Feuerwehrmann erlitt bei den Löscharbeiten später allerdings schwere Verletzungen. Medienberichten zufolge dauerte es lange, bis die Feuerwehr an der Kathedrale eintraf und zu Löschen begann, sichtbar wurden die Löscharbeiten wohl erst nach rund einer Stunde. Da brannte vor allem das Dach der Kathedrale längst lichterloh.

Über Stunden hinweg schlugen meterhohe Flammen aus dem Kirchendach, die dramatischen Bilder wurden weltweit über Fernsehsender und soziale Netzwerke verbreitet. Fassungslos sahen die Menschen zu, wie eines der wichtigsten Wahrzeichen der abendländischen Kulturgeschichte in Flammen aufging. In Paris strömten die Menschen so weit es ging Richtung Notre Dame, eine gespenstig stumme Menge verfolgte den Brand mit Tränen und Entsetzen in den Gesichtern. An vielen Stellen begannen die Menschen zu singen. Später am Abend läuteten in der gesamten Stadt die Kirchenglocken aus Solidarität mit dem brennenden Kirchenbauwerk.

Sechs Stunden lang wütete das Feuer in Notre Dame, bangte die Welt mit dem Wahrzeichen von Paris. – Foto: gik

Notre Dame wurde ab 1163 errichtet, als eine der ersten gotischen Kirchenbauwerke Frankreichs. 200 Jahre dauerte ihre Bauzeit, die Kathedrale steht wie kaum ein anderes Bauwerk in Europa für den atemberaubenden Stil der gotisch-aufstrebenden Kirchenbauten, die gerade in ihrem Inneren ein Gefühl von Erhabenheit, Größe und gleichzeitig Demut vermitteln. Notre Dame war wie kaum eine andere Kirche eine Zeugin der europäischen Kulturgeschichte: Hier wurden Kaiser und Könige getraut und begraben, Napoleon I. krönte sich selbst 1804 zum Kaiser der Franzosen, hier wurden Kirchenmusikgeschichte geschrieben, Baugeschichte sowieso.

Und Notre Dame beherbergte Schätze von unersetzlichem Wert – Kirchenschätze und Gemälde, unzählige Gräber und Statuen, die großen Glas-Rosetten, einmalige Zeugnisse menschlicher Schaffenskunst – und die Dornenkrone Jesu Christi. Zumindest der katholischen Überlieferung nach soll der französische König Ludwig IX. 1237 die Dornenkrone in Konstantinopel erworben haben, die Jesus Christus bei seinem Martyrium am Kreuze auf das Haupt gedrückt wurde. Die Krone wurde in der Schatzkammer von Notre Dame aufbewahrt, den berichten zufolge wurde sie ebenso wie zahlreiche andere Reliquien noch in der Nacht aus der Kathedrale gerettet.

Ein französischer Journalist twitterte dieses Luftbild von der brennenden Kirche Notre Dame, es soll von einer Drohne der französischen Polizei stammen. – Screenshot: gik

Über Stunden hinweg sickerten nur spärliche Informationen nach draußen: Rund 400 Feuerwehrleute bekämpften den verheerenden Brand, lange sah es so aus, als sollten sie ihn verlieren. Der Dachstuhl stürzte ein, am frühen Abend auch der hohe, reich verzierte Spitzturm in der Dachmitte. Die Flammen schienen schließlich in der gesamten Kirche zu wüten und zeitweise auch auf die großen Haupttürme überzugreifen. Die Holzverkleidung im Inneren sei völlig ausgebrannt, hieß es zwischenzeitlich. Gegen 23.00 Uhr hieß es, Dreiviertel der Kathedrale stehe in Flammen. Die nächste Stunde sei entscheidend.

Erst nach Mitternacht gaben die Feuerwehrkräfte vorsichtige Entwarnung: Die Struktur des Gebäudes sei gerettet und bewahrt, die Kirche werde nicht einstürzen, auch die beiden markanten Haupttürme seien gerettet. Langsam auftauchende Fotos und Video machten in der Nacht klar: Gebrannt hatte wohl hauptsächlich das Dach, die Decke oberhalb des Kirchenschiffes hatte Löcher, komplett eingestürzt war sie nicht. Das Altarkreuz hatte das Inferno ebenso überlebt wie Kanzel und manche Skulptur, die Schäden sind dennoch immens. Unklar war zunächst auch noch, was aus den riesigen Glasfenster-Rosetten geworden war – womöglich könnten sie sogar überlebt haben.

Am 27. Februar 1945 brannte die Mainzer Christuskirche nach Bombenangriffen der Alliierten lichterloh. – Foto: Christuskirchengemeinde

Der französische Präsident Emmanuel Macron besuchte die Kathedrale gegen ein Uhr morgens, Macron zeigte sich erschüttert und traurig, aber gefasst. Macron hatte an dem Abend eigentlich eine große Rede an die Nation halten wollen, nach Bekanntwerden des Brandes sagte er sie umgehend ab. „Wie alle Franzosen bin ich tieftraurig zu sehen, dass ein Teil von uns heute Nacht brennt“, schrieb Macron auf Twitter. In der Nacht sagte er dann, das Schlimmste habe verhindert werden können und kündigte an: „Wir werden Notre Dame wieder aufbauen.“

Weltweit bangten die Menschen am Abend mit der Kathedrale und verfolgten ihr Schicksal in den Medien. Auch in Mainz war die Anteilnahme groß – welche Horrorvorstellung, das Wahrzeichen der eigenen Stadt, das Gebäude, das für die Identität der Stadt steht, in Flammen aufgehen zu sehen. Für viele ältere Mainzer dürfte das besonders schlimme Erinnerungen geweckt haben – an die Brandnacht am 27. Februar 1945, als Mainz unter den Bomben der Alliierten im Zweiten Weltkrieg  in Flammen aufging. Die Christuskirche ging damals in Flammen auf – der Mainzer Dom blieb wie durch ein Wunder stehen.

Info& auf Mainz&: Bilder und Videos vom Brand in Notre Dame findet Ihr unter anderem hier bei Tagesschau.de, einer unserer Quellen. Eine wichtige Quelle war auch die hervorragende und umfassende Live-Berichterstattung der Kollegen von NTV, die umfassend, inhaltsreich und hintergründig sowie mit vielen Augenzeugenberichten aus Paris informierten.

 

 

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„Nur Wünsche von Investoren bedient“ – BI Ludwigsstraße kritisiert neues Konzept scharf – IHK: Chance für attraktives Zentrum

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Die Pläne für das neue Nutzungskonzept an der Mainzer Ludwigsstraße durch den Investor Dirk Gemünden sollen bereits am Mittwoch im Mainzer Stadtrat verabschiedet werden. Bislang überwogen die positiven Stimmungen zu dem vor zwei Wochen vorgestellten Konzept, die Industrie- und Handelskammer (IHK) sprach nun von einer „deutlichen Aufwertung“ und einem „neuen Anziehungspunkt für ein Stadterlebnis.“ Deutlich anders äußert sich hingegen die Bürgerinitiative Ludwigsstraße: Das neue Konzept sei „eine Bankrotterklärung der Stadtspitze“, hier würden ausschließlich „die Wünsche von Investoren bedient“, und das „ohne Kompromiss“ mit Architekten, Städtebauern oder Bürgern, erklärte die BI Ludwigsstraße. Die Kritik überrascht, hatte Investor Dirk Gemünden doch explizit betont, Meinungen von Anwohnern und Bürgern einbezogen zu haben und gerade Platzstruktur und Aufenthaltsqualität bewahren und steigern zu wollen.

Bedeutet das neue Nutzungskonzept für den Boulevard LU den Verlust der Plätze? Investor Gemünden will die Platzstruktur erhalten, die BI argwöhnt Verluste. – Foto: gik

Ende März hatte Investor Dirk Gemünden mit seiner Firma „Boulevard LU GmbH“ ein völlig neues Konzept zur Realisierung eines Einkaufszentrums an der Ludwigsstraße vorgestellt. Gemünden hatte gemeinsam mit der Rhein-Nahe-Sparkasse in den vergangenen Jahren das Karstadt-Kaufhaus sowie die angrenzenden Gebäude gekauft, nun präsentierte er ein Konzept, das den Dreiklang von Shoppen, Genuss und Kultur verbinden, die Ludwigsstraße in das Gebäude hinein öffnen und so einen urbanen Aufenthaltsraum schaffen soll.

Im Gegensatz zu früheren Plänen soll kein komplett geschlossener Baukomplex entstehen, der bis zur LU vorgezogen wird, der neue Bau soll vielmehr die alte Pavillonstruktur wiederspiegeln und eine Gestaltung mit Plätzen erlauben. Rund 15.000 Quadratmeter Einkaufen sollen insgesamt entstehen, Karstadt als Ankermieter erhalten bleiben, ein Hotel mit 150 Zimmern für weitere Frequenz sorgen. Highlights sind ferner eine riesige Dachterrasse, ein Popup Store-Konzept und ein moderner Logistik-Hub – ausführlich stellen wir Euch die Pläne hier bei Mainz& vor.

So sehen die Pläne des Investors Dirk Gemünden derzeit für ein neues Einkaufserlebnis an der LU aus. – Quelle: Boulevard LU

Die Bürgerinitiative Ludwigsstraße kritisierte nun, das neue Nutzungskonzept setzte „ausschließlich Ziele der wirtschaftlichen Verwertung des Areals durch die Investoren“ um und „zeichnet sich durch Beliebigkeit“ aus. Das Aufnehmen der Kammstruktur des Gebäudes „ist Augenwischerei, weder Bauhöhe noch Gebäudetiefe stehen in einer Beziehung zum Gutenbergplatz oder zum Bereich der Ludwigsstraße“, kritisierte die BI. Im Gegenteil zur bestehenden Bebauung „wird uns hier Licht und Luft genommen, das ist eine der denkbar schlechtesten Lösungen“, heißt es weiter.

Gemünden plane weiter „einen Klotz“ als Bebauung, Plätze sollten verkleinert werden, Wege wegfallen. „Statt die Aufenthaltsqualität der öffentlichen Fläche endlich zu erhöhen, sollen diese gerade nicht aufgewertet, sondern weiter flächenmäßig geschrumpft und damit für eine öffentliche Nutzung weitgehend entwertet werden“, kritisierte die BI. Damit würden die zentralen Vorgaben aus den einstigen Leitlinien zur Ludwigsstraßen-Bebauung, wie etwa die Forderung nach Kleinteiligkeit der Bebauung, eben nicht berücksichtigt.

Gestaltung von Grün und Sitzgelegenheiten „schlicht unmöglich“? So sieht die BI Ludwigsstraße die Pläne. – Modell: Boulevard LU, Foto: gik

Auf den verbleibenden Flächen sei eine Gestaltung mit Grünanlage und Sitzmöglichkeiten „schlicht unmöglich“, ebenso wie Gewerkschaftskundgebungen, Fastnachtsveranstaltungen oder ein Volksfest. Die Stadt habe „die Pflicht, die Begehrlichkeiten der Investoren zu begrenzen und angesichts des Klimawandels und der problematischen klimatischen Verhältnisse in der Innenstadt für Maßnahmen gegen die weitere Aufheizung und zur Verbesserung der Luftqualität zu sorgen“, so die BI weiter. Darauf verzichte man hier aber.

Die BI argwöhnt zudem, der Domblick vom Schillerplatz aus werde durch die neue Bebauung in Frage gestellt, hier werde mit mehr als 12,50 Meter Höhe geplant. Boulevard LU-Geschäftsführer Albrecht Graf von Pfeil hatte im Mainz&-Gespräch explizit versichert, die Pläne orientierten sich an eben den 12,50 Metern Höhe, die der Mainzer Stadtrat in seinem Beschluss vorsehe.

Die Bürgerinitiative kritisierte zudem scharf das Vorgehen von Oberbürgermeister Michael Ebling und Baudezernenten Marianne Grosse (beide SPD). „Nach Jahren des Stillstands versuchen Investor und Verwaltung nun in geheimem Zusammenwirken Fakten zu schaffen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Durch den gemeinsamen Presseauftritt bei der Vorstellung des Konzeptes sollten „die demokratisch legitimierten Mandatsträger, die städtischen Gremien und die Bürgerschaft überrumpelt werden“, das sei keinerlei Transparenz.

Investor Gemünden will aus dem alten Karstadt-Sport (links) ein modernes Einkaufserlebnis machen – und hofft mit seinem Konzept, auch die Eigentümer des Leuchter-Pavillons (rechts) überzeugen zu können. – Foto: gik

„Besonders krass und undemokratisch“ sei es, sich vom noch amtierenden Mainzer Stadtrat und seinen Ausschüssen „ganz kurz vor der Kommunalwahl noch einen zustimmenden Grundsatzbeschluss besorgen zu wollen“, schimpft die BI weiter: „Diese Aufgabe ist eindeutig dem neuen Stadtrat nach der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 zu überlassen.“ Sollten die Fraktionen des Stadtrats das „mit sich machen lassen, käme es einer demütigenden Selbstentmachtung gleich.“

Lob von der IHK: Zukunftsfähiges Konzept, neuer Anziehungspunkt für Mainz

Auch die CDU-Opposition hatte dieses Vorgehen der Stadtspitze als „Affront“ gegenüber Bürgern und Bürgerinitiative bezeichnet, das Nutzungskonzept insgesamt aber begrüßt. Lob für die neuen Pläne kam nun auch von der IHK, die von einem „zukunftsfähigen Konzept“ sprach, um die Einkaufsstadt Mainz angesichts des Strukturwandels im Handel und des Standortwettbewerbs im Rhein-Main Gebiet wieder attraktiver zu machen. „Der Erlebnischarakter des neuen Quartiers und seine bauliche Umsetzung werden zu einer deutlichen Aufwertung der gesamten Innenstadt führen“, sagte IHK-Präsident Dr. Engelbert J. Günster.

Der geplante Mix aus Handel, Genuss und Kultur gehe „über einen reinen Hot Spot für den Einzelhandel weit hinaus“ und schaffe mit Eventflächen, einem Hotel und dem Erhalt von Parkfläche „einen neuen Anziehungspunkt für Stadterlebnis und Tourismus“, lobte Günster weiter. Der Handel stehe vor großen Herausforderungen durch Online-Handel und die gestiegene Attraktivität benachbarter Einkaufsstädte, das neue Konzept könne die Besucherfrequenz im Stadtzentrum von Mainz erhöhen.

Günster erinnerte daran, dass die Zentralität der Mainzer Innenstadt seit 2003 um 16 Indexpunkte abgenommen hat. Derzeit entspreche das jährlich vom Einzelhandel erzielte Umsatzwachstum pro Einwohner um 0,2 Prozent nur noch einem Fünftel des bundesweiten Durchschnitts. Mit dem Erhalt von Plätzen und Baumbepflanzung entstehe gerade kein „Viertel im Viertel“, betonte auch IHK- Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. Dazu setze der Projektentwickler „auf Integration“ und habe frühzeitig Einigung mit beteiligen Eigentümern und Mietern erzielt. „Das ist ein starkes Signal an alle Innenstadt-Akteure, jetzt gemeinsam an einem Strang für ein noch attraktiveres, lebenswerteres Zentrum zu ziehen“, sagte Jertz.

Info& auf Mainz&: Mehr zum neuen Konzept für den Boulevard LU lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&, die Reaktionen, die uns gleich danach erreichten, fassen wir hier zusammen.

 

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Schlechte Radwege, mieses Sicherheitsgefühl – Schlechte Noten für Mainz beim ADFC-Fahrradklimaindex 2018

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„Schlechte Noten fürs Fahrradklima“ schrieben wir vor zwei Jahren hier bei Mainz&, da war Mainz gerade beim ADFC-Fahrradklimaindex um vier Plätze abgerutscht und kam nur noch auf eine Note von 3,9. Zwei Jahre danach müssen wir feststellen: In den Augen der vom ADFC befragten Radfahrer hat sich daran nichts zum Positiven geändert – im Gegenteil: Beim Fahrradklimatest 2018 kommt Mainz nur noch auf die Note 4,0, die Beurteilung fällt düster aus. Schlechter Zustand der Radwege, schlechte Ampelschaltungen für Radfahrer, miese Kontrolle von Falschparkern auf Radwegen – nein, die Mainzer Tester sind mit dem Zustand der Radinfrastruktur überhaupt nicht zufrieden.

Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne, links) beim 5-jährigen Jubiläum des Fahrradmietsystems MVGmeinRad – eine der wenigen guten Förderinstrumente für das Radfahren in Mainz. Ansonsten schneidet das Fahrradklima der Stadt Mainz schlecht ab. – Foto: MVG

Alle zwei Jahre befragt der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Radfahrer in der ganzen Republik nach ihrer Meinung zu, Thema Radfahren in Deutschland. Gefragt wird nach der Breite der Radwege und dem Zustand der Oberfläche, nach Wegweisung für Radler, Radmitnahme im ÖPNV, nach Konflikten mit Autofahrern und ganz allgemein, ob Radfahren in der jeweiligen Kommunen eher Spaß macht oder eher Stress verursacht. Rund 170.000 Menschen stimmten bundesweit ab, das waren 40 Prozent mehr als beim Fahrradklimatest 2016. Insgesamt gaben die dem Fahrradklima in ihren Städten die Note 3,9 im Schnitt.

In Rheinland-Pfalz nutzten 4.900 Menschen die Gelegenheit, ihre Meinung kund zu tun, das waren 30 Prozent mehr als 2016. In 18 Kommunen gab es genügend Teilnehmer, um auch eine aussagekräftige Bewertung zu erhalten. „Das zeigt, wie groß das Interesse am Radfahren ist“, sagte Andreas Geers, Landesvorsitzende des ADFC Rheinland-Pfalz, und betonte: „Wir fordern die Städte auf, diese Ergebnisse ernst zu nehmen, und bessere Bedingungen für ihre Bürger zu schaffen.“ Wer sich in der Stadt auf dem Rad sicher fühle, nutze es besonders auf kurzen Strecken dann auch gerne im Alltag, das sei ein Gewinn für alle.

Doch genau an diesem Sicherheitsgefühl mangelt es massiv. Bundesweit habe sich die Zufriedenheit der Radfahrenden immer weiter verschlechtert, ebenso das Sicherheitsgefühl – die Fahrradfreundlichkeit der Städte kam im Durchschnitt nur noch auf die Note 3,9. Falschparker auf Radwegen, die schlechte Führung des Radverkehrs an Baustellen und die fehlende Breite von Radwegen seien die am meisten kritisierten Probleme. „Drei Viertel der Befragten gaben an, dass man Kinder nur mit ungutem Gefühl allein mit dem Rad fahren lassen kann“, teilte der ADFC weiter mit – das sei alarmierend.

An dem schlechten Zustand der Mainzer Radwege – hier die Große Bleiche – hat sich in den vergangenen zwei Jahren praktisch nichts geändert. – Foto: gik

Auch für die Stadt Mainz sieht das Ergebnis ganz ähnlich aus, die Tester kritisierten vor allem häufige Hindernisse auf Radwegen (4,8), eine schlechte Oberfläche der Radwege (4,8), ein schlechtes Sicherheitsgefühl (4,4) und erhebliche Konflikte mit Autofahrern (4,4). Die Abstellanlagen für Radfahrer bekommen nur eine 4,1, die Fahrradförderung in jüngster Zeit eine 4,3 und die Breite der Radwege wird gar mit der Note 5 bewertet. Zwei Drittel der Befragten und mehr kritisieren, dass Radwege nur selten gereinigt und im Winter nicht geräumt werden, 81 Prozent finden, die Ampelschaltungen seien nicht gut auf Radfahrer abgestimmt.

82 Prozent finden, es werde in Mainz offenbar großzügig geduldet, wenn Autos auf Radwegen parkten, 69 Prozent meinten, es sei in jüngster Zeit in Mainz kaum etwas für den Radverkehr getan worden – wir haben für die Zahlen jeweils  die Prozent der Noten 4-6 zusammengezählt. Auch die Führung an Baustellen wird von den Testern nur mit der Note 4,8 bewertet – alles Punkte, die bereits vor zwei Jahren schon genau so kritisiert wurden. Noch immer werden Radfahrer an Baustellen in Mainz meist zum Absteigen und Schieben gezwungen, etwas, was vor Jahren schon der damalige Radfahrbeauftragte Harry Tebbe abstellen wollte.

In der Konsequenz geben 76 Prozent der Befragten an, sich beim Radfahren in Mainz eher oder mehr gefährdet zu fühlen – ein Sicherheitsgefühl sieht anders aus. Die Note 1 und 2 gaben hier nur 8 Prozent der Befragten, 15 Prozent gaben für das Sicherheitsgefühl die Note 3. Und 78 Prozent erleben offenbar häufige Konflikte zwischen Radfahrern und Autofahrern, 79 Prozent erleben noch immer, dass Radfahrer auf der Fahrbahn von Autos bedrängt werden – gleichzeitig sagen 83 Prozent, man könne auf Radwegen und Radstreifen nicht sicher fahren.

Das waren die Noten für Mainz beim ADFC-Fahrradklimaindex 2018 im Einzelnen. – Grafik: ADFC, Screenshot: gik

Gute Noten bekommt Mainz lediglich in Sachen Fahrradmitnahme im öffentlichen Nahverkehr (aber auch hier nur eine 3,4), bei der Erreichbarkeit des Stadtzentrums (3,1), der Öffnung der Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Fahrräder (2,1) und für das Fahrradmietsystem MVGmeinRad (2,0). 1236 Radfahrer beteiligten sich an der Umfrage für Mainz, das waren gut 300 mehr als vor drei Jahren.

Dass Mainz trotz seiner schlechten Werte auf dem 11. Platz im Ranking landete, liegt an einer neuer Einstufung: Mainz sei 2018 in die Gruppe der Großstädte bis 500.000 Einwohner eingruppiert worden, die Änderungen seien gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium festgelegt worden, teilte der ADFC auf Nachfrage mit. Damit sei der Listenplatz 2018 nicht mit dem von 2016 vergleichbar – damals war Mainz in einer anderen Kategorie auf den 17. Platz gekommen.

Die CDU-Opposition wertete das Mainzer Abschneiden denn auch als Versagen der Mainzer Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) sowie der im Stadtrat regierenden Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. „Die vorgelegte Umfrage des ADFC bestätigt nun schwarz auf weiß, dass die Stadt Mainz in Sachen Fahrradfreundlichkeit in den letzten Jahren schwer abgebaut und einigen Nachholbedarf hat“, sagte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Eder habe in ihrer Amtszeit als Verkehrsdezernentin 20 Kilometer Fahrradwege der Nutzungspflicht entzogen, die Ampel habe in ihrer Regierungszeit „kaum etwas ins Radwegenetz investiert.“

Radfahrer auf die Straße, das ist offizielle Politik von Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne). Bei vielen Radfahrern steigert das allerdings das Unsicherheitsgefühl. – Foto: gik

Gerster verwies darauf, dass die CDU in den Haushaltsberatungen beantragt hatte, den Etat zur Pflege und zum Ausbau der Radwege um eine Million Euro zu erhöhen – aktuell beträgt er lediglich 150.000 Euro. Die Ampel-Koalition habe das abgelehnt. „Das ideologisch motivierte Konzept der Ampel-Koalition, die Fahrradfahrer auf die Straße zu zwingen, fördert darüber hinaus die Unsicherheit der Fahrradfahrer“, kritisierte Gerster.

Die Mainzer SPD forderte unterdessen mehr Geld und Personal für den Radverkehr in Mainz – die Stadt hat aktuell eine Radfahrbeauftragte. Mainz brauche „endlich ein umfassendes Mobilitätskonzept für den Verkehr“, sagte der Mainzer SPD-Parteivize Erik Donner. Dazu werde die Radverkehrspolitik „momentan leider nicht an allen Gruppen, die das Rad nutzen, ausgerichtet“, kritisierte Donner und nannte als Beispiel die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht: „Für die stärkeren, selbstbewussten Radfahrer ist es ein Gewinn, wenn man auf der Straße fahren kann, aber Eltern mit Kindern oder ältere Menschen müssten weiterhin auf früheren Radweg fahren, um deren Zustand sich viel zu wenig gekümmert wird.“

Der ADFC startete als Konsequenz aus dem schlechten Fahrradklima nun die Kampagne „Mehr Platz fürs Rad“ und will nun verstärkt für gute und sichere Radwege, sichere Kreuzungen und viel mehr Fahrradparkplätze werben. Wer ein positives Beispiel für ein gutes Fahrradklima sucht, muss übrigens gar nicht weit fahren: Das kleine Ingelheim gilt als rheinland-pfälzische Vorzeigekommune in Sachen Radverkehr und kam in seiner Kategorie der Städte bis 50.000 Einwohner im bundesweiten Vergleich auf Platz zwei – mit einer sehr guten Note von 2,71.

Info& auf Mainz&: Mehr zur neuen ADFC-Kampagne „Mehr Platz fürs Rad“ findet Ihr hier im Internet, den ADFC-Fahrradklimaindex 2016 in aller Ausführlichkeit hier bei Mainz&. Die Ergebnisse des diesjährigen Fahrradklimaindexes 2018 könnt Ihr hier beim ADFC nachschlagen.

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Populismus, Rekommunalisierung oder bessere Schulung? – Heiße Debatte um Haase-Vorstoß für Bürger in Aufsichtsräte – Mit Kommentar

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Der Vorschlag des unabhängigen Oberbürgermeister-Kandidaten Nino Haase für mehr Bürger in Aufsichtsräten sorgt heftige Diskussionen in der Mainzer Stadtpolitik. Vor anderthalb Wochen hatte Haase im Mainz&-Interview für mehr Transparenz und Bürgernähe bei den stadtnahen Gesellschaften plädiert und sich für „mehr normale Bürger in Aufsichtsräten“ ausgesprochen. Das sorgte für heftige Reaktionen: Die SPD betonte, auch Kommunalpolitiker seien „normale Bürger“, wer so argumentiere, leiste nur Populismus Vorschub. In der CDU, deren OB-Kandidat Haase ist, gab es Unterstützung und eigenen Input: Stadtratskandidat Gerd Schreiner plädierte für eine bessere und verbindliche Schulung der Aufsichtsräte. Die Linke kritisierte indes die Intransparenz der stadtnahen Gesellschaften, in denen Aufsichtsräte meist „einen Maulkorb“ hätten und Fehlentwicklungen eben nicht offen legten – und plädierte für eine Rekommunalisierung der stadtnahen Gesellschaften.

Transparenz in der Politik, mehr Bürgernähe und neue Ideen, mit diesem Anspruch tritt Nino Haase als OB-Kandidat für Mainz an. – Foto: gik

Haase hatte Anfang April den Vorschlag gemacht, Aufsichtsräte von stadtnahen Unternehmen nicht länger nur mit Kommunalpolitikern zu besetzen, sondern auch externen Sachverstand aus der Bürgerschaft einzubinden. Derzeit sei es so, „dass sich im Endeffekt hier die Stadtpolitik selbst überwacht, das ist ein Problem für die Transparenz, und das sollten wir ändern“, sagte Haase im Mainz&-Interview. Es gebe auch in der Stadtbevölkerung „Menschen, die gut Bilanzen lesen oder Erfahrungen aus der Arbeitswelt einbringen können“, erläuterte Haase weiter: „Es geht darum, sich zu öffnen und zu schauen, wer kann uns mit seinen Kompetenzen helfen. Wir machen uns damit bei Entscheidungen auch ein Stück unangreifbarer, wenn Menschen aus der Bürgerschaft dabei sind.“

Für Haase wäre eine solche Öffnung ein Schritt in Richtung mehr Transparenz:  „Wir haben deutlich über 100 städtische Beteiligungen, da ist kaum noch nachzuverfolgen, wer da wen querfinanziert“, sagte Haase. Wenn sich Kommunalpolitik selbst überwache, „hat das eine schlechte Außenwirkung, und ich glaube auch nicht, dass das effektiv ist“, betonte er. Experten von außen brächten oft einen unvoreingenommeneren Blick mit. „Nicht nur bei politischen Entscheidungen, sondern auch in der Kontrolle städtischer Gesellschaften muss die Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung ankommen“, plädiert Haase: „Das ist moderne Politik.“

Der Vorschlag sorgte für heftige Reaktionen, Kritik kam vor allem von der SPD: Haases Vorschlag sei „seltsam“ und zeige sein „offenkundiges Misstrauen gegenüber Kommunalpolitik im allgemeinen“, sagte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers in Reaktion auf das Mainz&-Interview. Kommunalpolitiker seien ebenfalls „normale Bürger“, die sich mit viel Herzblut und Engagement ehrenamtlich für die Belange ihrer Mitmenschen in der Stadt einsetzten. „Dass (ehrenamtliche) Kommunalpolitiker in die verschiedenen Aufsichtsräte entsandt werden, hat einen wichtigen Grund“, sagte Gill-Geers weiter: So werde gewährleistet, dass der in freien Wahlen gewählte Stadtrat die Kontrolle über die kommunalen Gesellschaften behalte und diese sich eben nicht zu profitorientierten Großunternehmen verwandelten.

Hält Haases Vorschlag für Populismus: Alexandra Gill-Gers, Spitzenkandidatin der SPD für den Mainzer Stadtrat. – Foto: SPD Mainz

Die Besetzung der Aufsichtsräte spiegele zudem das Wahlergebnis der Kommunalwahlen wieder, den Fraktionen bleibe selbst überlassen, wen sie für die Aufsichtsräte nominierten, sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Kommunalwahl weiter. „Etwas mit einem Geschmäckle einfach nur in den Raum zu werfen, ohne Beweise über schlecht geleistete Aufsichtsratstätigkeit und ohne Konzept, verstärkt leider nur die Vorurteile und den Populismus gegenüber der Politik“, kritisierte Gill-Gers weiter. Sie sei „froh, dass mein Stadtratskollege Herr Schönig den Ideen von Herrn Haase klare Grenzen zeigt.“

Stadtratskollege Hannsgeorg Schönig ist Fraktionschef der Mainzer CDU im Stadtrat, die CDU hat Haase zu ihrem OB-Kandidaten gemacht, obwohl er kein CDU-Mitglied ist. Schönig hatte sich in einem Zeitungsinterview skeptisch gegenüber Haases Vorschlag gezeigt. „Nino Haase stellt nicht nur die richtigen Fragen, sondern gibt auch augenscheinlich auch die richtigen Antworten“, sagte Gerd Schreiner, CDU-Landtagsabgeordneter und Stadtratskandidat bei der anstehenden Kommunalwahl, gegenüber Mainz&, und betonte: „Wir bei der CDU meinen das ernst mit dem frischen Wind, der durch Mainz wehen muss.“

„Ein Aufsichtsratsgremium braucht mehr Sachverstand als jede Stadtratssitzung“, sagte Schreiner, „wir haben viele Aufgaben in städtische Beteiligungen ausgelagert, die müssen dann aber auch ordentlich kontrolliert werden.“ Und da sieht Schreiner Verbesserungsbedarf: „Wir brauchen bei Aufsichtsräten städtischer Beteiligungen Sachkunde und Fortbildungen, wie das im Kreditwesen der Fall ist“, sagte Schreiner. Wer in einen Aufsichtsrat geschickt werde, müsse dafür ausgebildet werden „damit man denen nicht ein X für ein U vormachen kann.“ Sachkunde könne man aber „nicht ersitzen, die muss auch abgefragt werden“, plädierte Schreiner für Fortbildungen mit Prüfungen am Ende.

Beteiligungen der Stadt Mainz an weiteren Gesellschaften – die wiederum sind oft selbst in ein Geflecht von Beteiligungen eingebunden, die Mainzer Stadtwerke etwa derzeit in mehr als 30 weiteren Unter- oder Kooperationsfirmen. – Quelle: Beteiligungsbericht der Stadt Mainz 2018

Haase selbst schloss sich vor einigen Tagen in einer Diskussion auf Facebook der Forderung an: Aktuell lege „niemand“ Kriterien zur Qualifikation von Aufsichtsräten fest, auch existierten zwar freiwillige Schulungsangebote, „laut Auskunft werden die aber kaum genutzt“, schrieb Haase auf seiner Facebookseite. „Alleine wenn Sie sich betrachten, wie stark Mainz immer noch unter der Wohnbaupleite leidet, müssen wir doch alles für eine Professionalisierung der Aufsichtsräte in den städtischen Gesellschaften tun“, betonte er. Es könne doch du8rchaus sinnvoll sein, „Leute mit entsprechender Qualifikation abseits der Stadtpolitik zur Bewerbung zu animieren und so auch Stadträte, die ohnehin schon eine hohe Arbeitsbelastung aufweisen, zusätzlich zu entlasten“, argumentiert Haase.

Haase`s Vorschlag „neben Stadtratsmitgliedern mit entsprechender Qualifikation, auch externe Experten in einen Aufsichtsrat zu entsenden, finde ich sehr interessant“, sagte die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel in einem Beitrag derselben Diskussion auf Facebook. „Eine unabhängige Expertise, die nicht nur politische Ziele verfolgt, kann für die Stadtpolitik auch ein Gewinn sein“, betonte sie – diese Diskussion „kann unserer Stadtpolitik jedenfalls nur gut tun.“

Unterstützung kam in gewisser Weise aber auch von der Linken: „Nino Haase scheint das Problem am unübersichtlichen Netz der städtischen Beteiligungen in Mainz erkannt zu haben“, sagte Linken-Kreischef Tupac Orellana, Spitzenkandidat seiner Partei für die Kommunalwahl. Das Problem sei aber weniger die Besetzung der Aufsichtsräte, sondern deren Arbeitsweise: „Einzelne Aufsichtsratsmitglieder haben einen Maulkorb und keinerlei Möglichkeiten in Fehlentwicklungen bei stadtnahen Betrieben einzugreifen“, sagte Orellana: „Wer Informationen aus den Gremien trägt, steht mit einem Bein im Knast. Um Verfolgung und rechtliche Probleme zu verhindern, rühren sich Aufsichtsratsmitglieder dann oft lieber gar nicht.“ Die Probleme versickerten dann in den Gremien.

Spricht sich für mehr Transparenz und für eine Rekommunalisierung der stadtnahen Gesellschaften aus: Linken-Kreischef Tupac Orellana. – Foto: Die Linke

Orellana forderte deshalb, die „politischen Entscheidungen müssen aus den Hinterzimmern heraus“ – und dafür müsse bei den stadtnahen Betrieben eine Rekommunalisierung geprüft werden. „Wenn eine stadtnahe Gesellschaft Wasserpreise manipuliert oder Mieter mit Sanierungen verdrängt, muss die demokratische Kontrolle eingreifen – das ist bei den aktuellen Aufsichtsratsstrukturen nicht möglich“, betonte Orellana. Nichtöffentlichkeit müsse auch in den stadtnahen Betrieben die Ausnahme und nicht die Regel sein. „Es dient auch nicht der Transparenz, dass die stadtnahen Unternehmen nicht vom Landestransparenzgesetz erfasst sind,  auch hier muss nachjustiert werden“, fügte er hinzu.

Das „Gewirr der städtischen Beteiligungen“ sei doch vor allem geschaffen worden, „um den städtischen Haushalt zu verschleiern oder die Kontrollbehörden auszutricksen“, sagte der Linken-Kreischef weiter, das mache aber „eine demokratische Kontrolle, geschweige denn eine koordinierte Stadtentwicklungspolitik, unmöglich. Man hat ein Monster geschaffen, das man jetzt nicht loswird.“

Kommentar& auf Mainz&: Sagen wir doch, wie es ist, wie es jeder Begleiter und Beobachter der Kommunalpolitik in jeder beliebigen deutschen Stadt weiß: Aufsichtsratsposten in städtischen Gremien werden von den Parteien vergeben – und oft sind sie Dankeschöns für jahrelange parteitreue Arbeit. Klar, das tut jetzt all jenen Aufsichtsräten bitter Unrecht, die wirklich mit viel Engagement und Zeitaufwand Aktenordner voller Unterlagen durcharbeiten, akribisch, seriös. Ja, die gibt es, zweifellos.

Doch seien wir doch bitte ehrlich: Einen Aufsichtsratsposten bekommt im System der politischen Parteien nur, wer selbstverständlich auf Parteilinie liegt, wer nicht widerspricht, wer brav auf Linie bleibt. Hier gilt noch mehr, was so vielfach in Parlamenten – sei es Bund, Land oder Kommune – zu beobachten ist: Die Parteilinie ist die oberste Direktive, der Fraktionszwang heilig – und wehe dem, der dagegen aufbegehrt. Wer das tut, wird mit Postenentzug bestraft – kein aussichtsreicher Listenplatz, kein Führungsposten, kein Aufsichtsratsposten mehr.

Es war 2009, als die Krise der Mainzer Wohnbau dieses System schonungslos offenlegte. Da hatten sich Aufsichtsräte zwar jahrelang über nette Geschenketüten und freundliche Goodies wie Einkaufsgutscheine in Höhe von 500 Euro gefreut – beim finanziellem Missmanagement und den zweifelhaften Derivategeschäften der Wohnbau aber hakten sie nicht nach. All das sind bestätigte Vorfälle von damals, die offenlegten: Mit der Kontrolle nahm man es nicht so genau.

Zehn Jahre danach, im Jahr 2019, wäre ein guter Zeitpunkt für eine Bilanz: Wie halten es die heutigen Aufsichtsräte eigentlich mit ihrer Kontrollmoral? Das Problem dabei: Aufsichtsräte sind wie schwarze Löcher, nach draußen dringt praktisch nichts – wer plaudert, macht sich strafbar. So aber kann nicht ersichtlich werden, ob dort überhaupt Kontrolle stattfindet, oder ob dort weiter höflich geschwiegen wird, wenn Unternehmen in Fehlentwicklungen hineinlaufen. „Hinter vorgehaltener Hand“ ist eigentlich keine Informationsweitergabe, die einer Demokratie würdig ist, sie ist aber der Standard wenn es um die Frage geht: Was passiert da eigentlich in den Aufsichtsräten. Das, und nichts anderes, kreiert „ein Geschmäckle“, denn Mauscheleien sind so quasi systembedingt – es ist in einer Demokratie ausgesprochen nötig, über diese Vorgänge zu diskutieren.

Info& auf Mainz&: Das ganze Mainz&-Interview mit Nino Haase zum Thema Transparenz und Bürgernähe in stadt5nahen Gesellschaften lest Ihr hier bei Mainz&.

 

 

 

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Gottesdienste kehren nach St. Johannis zurück – Archäologen finden verzierten steinernen Sarkophag – Grab Erzbischof Erkanbalds?

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Sechs Jahre lang gehörte das Kirchenschiff den Archäologen, an diesem Wochenende kehrte die Kirchengemeinde von St. Johannis in ihr Gotteshaus zurück: Erstmals seit sechs Jahren feierten Pfarrer und Gemeinde wieder Gottesdienste in der Johanniskirche. Berühmt ist die Kirche inzwischen für ihre sensationellen archäologischen Funde: Alter Dom von Mainz, Kirchenmauern aus der Merowingerzeit, Jugendstilkirche. Zum krönenden Abschluss fanden die Archäologen kurz vor Ende der Grabungen noch einen verzierten steinernen Sarkophag – es könnte das Grab des 1021 gestorbenen Erzbischofs Erkanbalds sein. Am Dienstag, 4. Juni, soll der Deckel angehoben und das Geheimnis gelüftet werden.

Der Altarraum von St. Johannis ist nun wieder notdürftig für Gottesdienste hergerichtet, die Neuausstattung der Kirche steht noch aus. – Foto: Gerhard Fischer

„In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, lautete der passende Vers aus dem Johannesevangelium, unter den die Johanniskirchengemeinde am Wochenende ihre Rückkehr in ihr Zuhause stellte. Sechs Jahre lang war die Gemeinde heimatlos gewesen, denn ihre Kirche wurde zu einer der spannendsten Ausgrabungsstätten in Deutschland: Römische Fundamente, Mauern aus der Merowingerzeit, Jugendstilkirche – St. Johannis in Mainz wurde zu einem der spannendsten Forschungsvorhaben Deutschlands. Der schlichte Kirchenbau hinter dem Mainzer Dom war einst die große Bischofskirche von Mainz, der Alte Dom der Stadt – und ist heute die wohl älteste weitgehend erhaltene früh-mittelalterliche Bischofsbasilika nördlich der Alpen.

2013 hatte die evangelische Kirchengemeinde eigentlich nur eine Fußbodenheizung einbauen wollen, daraus wurde ein beispielloser Grabungsmarathon. Mehr als 500.000 Fundstücke wurden geborgen, dokumentiert und inventarisiert, darunter reich verzierte frühmittelalterliche Schrankenplatten, mittelalterliche Stuckskulpturen, Austernschalen und Boulekugeln. In der Gotik gab es einen Mosaikfußboden, im 19. Jahrhundert stand hier eine reich verzierte Jugendstilkirche, Holzkassettendecke inklusive.

Die Grabungsfunde werden heute im Keller der Mainzer Christuskirche und in einer rheinhessischen Scheune gelagert. Mehrfach wurde die Grabungszeit verlängert, mehr als 200 mittelalterliche Grabstätten tauchten in- und außerhalb der Kirche auf. Fast wie zum krönenden Abschluss legte das Team Ende 2018 noch einen verzierten steinernen Sarkophag frei, darin ist womöglich der im August 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald bestattet.

Sechs Jahre sah die Johanniskirche innen so aus: Ein Grabungsfeld für Archäologen, die hier sensationelle Entdeckungen machten. – Foto: gik

Erkanbald war von 997 bis 1011 Abt von Fulda und von 1011 bis zu seinem Tod Erzbischof von Mainz – und damit direkter Nachfolger des legendären Dom-Erbauers Willigis. Dass Erkanbald in St. Johannis begraben liegt, wusste man – nur wo, das wusste die Wissenschaft bisher nicht. Am Dienstag, 4. Juni, soll nun der Deckel des kürzlich gefundenen Sarkophags angehoben werden, er könnte ein weiteres Geheimnis der Mainzer Stadtgeschichte lüften.

Ende 2018 wurden die Grabungsarbeiten in St. Johannis nun endgültig eingestellt, damit endete für die K8irchengemeinde ein sechs Jahre währendes Exil: Die Gottesdienste fanden in der Augustinerkirche statt, andere Aktivitäten wurden in die Maria-Ward-Kapelle, ins Priesterseminar oder ins Pfarrheim der Paulusgemeinde ausgelagert. Nun erlaubt ein provisorischer Fußboden mit Metallstegen wieder die Nutzung von St. Johannis als Gotteshaus.

Bereits am Freitag gab es eine „Andacht zur Marktzeit“ mit Texten und Musik, am Palmsonntag dann feierte die 2.200 Seelen zählende Gemeinde ihre Rückkehr. Pfarrer Volker Truschel griff dabei das für Palmsonntag stehende Sinnbild des Einzugs Jesu nach Jerusalem auf, um gleich zu Beginn des Gottesdienstes den Wunsch zu äußern, dass „unser Herr Jesus mit uns auch wieder in St. Johannis einziehen möge“. Dekan Andreas Klodt erinnerte in seiner Predigt daran, dass Jesus als junger Mann von seiner Heimatstadt Nazareth nach Kapernaum zog, wo die Menschen als Gleiche unter Gleichen lebten: „Hier begann Jesus seine Wirksamkeit“, erläuterte Klodt.

Die Kirche St. Johannis in Mainz – unscheinbarer Bau, große Geschichte: Das hier war einst der Alte Dom von Mainz. – Foto: gik

Auch heute bewege es die Menschen, wo und wie sie wohnten, sagte der Dekan weiter. „Eine Bleibe zu haben bedeutet, dass wir an einem Ort ankommen und hier willkommen sind“, erklärte Klodt: „Jeder wird so angenommen, wie er ist.“ Eine Kirche mit einer solchen Vergangenheit, wie St. Johannis sie habe, sollte eine dauerhafte Bleibe sein. Und so verbinden sich in St. Johannis auf ganz besondere Weise Vergangenheit und Gegenwart, wird Geschichte auf besondere Weise erlebbar und ein Teil der Gegenwart: Aus dem einstigen Bischofsdom wurde eine evangelische Kirche, aus der ältesten Kirche von Mainz eine der „modernsten“.

Denn der Gottesdienst in St. Johannis auch ein Stück Neuanfang: Wie das Kircheninnere in Zukunft einmal aussehen wird, ist noch unklar. Den Grabungsarbeiten fiel das komplette Kircheninnere samt Altarraum, Orgelempore und Gestühl zum Opfer. In einigen Monaten soll nun ein neu entwickeltes Nutzungskonzept vorliegen, das derzeit von einer achtköpfigen Steuerungsgruppe erarbeitet wird. Das Stadtdekanat hat wiederholt betont, die 1.400 Jahre lange Kirchengeschichte solle sich künftig unbedingt im Kirchenraum spiegeln.

Ganz kann die Gemeinde also noch nicht in ihre Kirche zurück, immerhin soll nun wieder einmal im Monat einen Gottesdienst in St. Johannis geben. Immer samstags soll es zudem ab dem 27. April um 11.30 Uhr eine öffentliche Führung geben – die archäologischen Funde bleiben ein wichtiges Merkmal von St. Johannis. Am Ostersonntag wird hier zudem ab 6.00 Uhr morgen wieder eine Osternacht in St. Johannis gefeiert. Am Ostermontag findet dann sogar ab 10.00 Uhr ein großer Fernsehgottesdienst hier statt, der von der ARD live übertragen wird.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Entdeckungen und der Geschichte von St. Johannis in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&, die Geschichte der einstigen Jugendstilkirche St. Johannis haben wir hier aufgeschrieben. Beispiele für Funde und Entdeckungen in St. Johannis werden zudem auf dieser Internetseite ausführlich präsentiert und beschrieben. Die nächsten Termine: Ostersonntag, 21. April, 6.00 Uhr: Osternacht, anschließend Frühstück, mit Pfarrer Volker Truschel. Ostermontag, 22. April, 10.00 Uhr: Fernsehgottesdienst mit Live-Übertragung in der ARD mit Dekan Andreas Klodt, Kantor Volker Ellenberger und Johannis-Kantorei. Samstag, 27. April, 13.30 Uhr: Erste Offene Führung in St. Johannis.

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