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Start 2019 April

Monatsarchive: April 2019

Schülerticket auch für Rheinland-Pfalz? – Mainzer Gymnasiast stellte Anfrage im Ministerium, Antwort abweisend – In Hessen große Zuwachsraten

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Seit anderthalb Jahren gibt es in Hessen ein Schülerticket, mit dem 365-Euro-Ticket können Schüler in Hessen zu diesem Preis Busse und Bahnen nutzen, und das im ganzen Land das ganze Jahr über. Das Ticket gilt als großer Erfolg, nach Angaben des hessischen Verkehrsministers Tarek Al-Wazir (Grüne) stiegen die Umsatzzahlen durch das Schülerticket landesweit um 60 Prozent, in manchen Landkreisen sogar um bis zu 240 Prozent. „Wer ein Flatrate-Ticket in der Tasche hat, der nutzt es auch“, sagt Al-Wazir. Das interessierte den Mainzer Gymnasiasten Jakob Hüncher, er machte das 365-Euro-Ticket zum Thema seines Praktikums beim Mainzer Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner (CDU). Hüncher stellte eine Anfrage beim Mainzer Verkehrsministerium, seine Forderung: Auch Rheinland-Pfalz sollte ein solches Ticket einführen – zumal es in Mainz ja gilt. Doch leider nur für hessische Schüler….

Nicht nur Wiesbadener Busse fahren in Mainz – hessische Schüler können auch die Busse in Mainz mit ihrem 365-Euro-Ticket nutzen – Dank Schülerticket. – Foto: gik

Jakob Hüncher ist 17 Jahre alt, der Schüler geht in die 11. Klasse des Mainzer Rabanus-Maurus-Gymnasiums – und gelegentlich schaut er neidisch nach Hessen. Dort nämlich gibt es seit anderthalb Jahren das sogenannte Schülerticket, das Nahverkehrsticket gilt für nur 365 Euro in ganz Hessen. „In meinem Umfeld nutzen das viele“, sagt Hüncher. Tatsache ist: wer seinen Wohnsitz in Hessen hat, kann ein Schülerticket für 365 Euro erwerben – und das gilt auch für den angrenzenden Verkehrsbereich der Mainzer Mobilität in Mainz. Schüler aus Hessen, die Mainzer Schulen besuchen, dürfen damit viel billiger als die Mainzer Schüler Bus und Bahn fahren.

„Meine Kollegen nutzen das intensiv“, erzählt Hüncher im Gespräch mit Mainz&. Da werde mal am Wochenende nach Frankfurt gefahren, zu Freunden nach Darmstadt, zu Verwandten. „Man hat ja schon ein Streben nach Mobilität, man will mal wegfahren“, sagt Hüncher. Er selbst sei in einer Austauschorganisation aktiv, die Treffen finden mal in Koblenz mal in Nordhessen statt. „Ein normales Zugticket kostet mich da 60 Euro“, sagt der 17-Jährige – viel Geld für einen Schüler.

 

Viel Geld kosten in Rheinland-Pfalz auch die Monatstickets für Schüler im ÖPNV, 530 Euro zahlte Hüncher zuletzt 2017. Ein Schüler-Monatsticket kostet bei der Mainzer Mobilität derzeit 64,90 Euro im Monat – macht 778,80 Euro im Jahr.  In Hessen dagegen fahren die Schüler seit Einführung des „Schülertickets“ für einen Euro pro Tag das ganze Jahr über Bus und Bahn – in Mainz wird das durchaus neidvoll betrachtet. Hüncher wollte deshalb nun von der rheinland-pfälzischen Landesregierung wissen: Wäre ein solches Schülerticket nicht auch für Rheinland-Pfalz sinnvoll?

Der Busverkehr zwischen Mainz und Wiesbaden ist eng verflochten, deshalb gilt das hessische Schülerticket auch in Mainz. – Foto: gik

Im Januar absolvierte Hüncher ein Schülerpraktikum beim CDU-Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner, der stellte ihm die Aufgabe: Welches Projekt möchtest Du während deines Praktikums durchführen? Er habe dann mit Klassenkameraden geredet, da sei die Sprache auf das 365-Euro-Ticket gekommen – Hüncher beschloss, das zu seinem Projekt zu machen, recherchierte, sammelte Daten. Mit Schreiners Hilfe stellte er eine offizielle Kleine Anfrage im Mainzer Landtag.

Nun kam die Antwort aus dem Mainzer Verkehrsministerium, und dort hieß es: Ein Schülerticket sei landesweit nur möglich, „wenn der Landtag diese Mittel in voller Höhe zusätzlich zu den jetzigen Mitteln zur Verfügung stellt.“ Rund 53 Millionen Euro gebe das Land jetzt schon den Nahverkehrsverbänden für verbilligte Schülertickets, weitere 125 Millionen Euro koste der kostenlose Schülerverkehr bis zur Oberstufe. Ein Schülerticket werde Rheinland-Pfalz 60 Millionen Euro kosten, davon könne man „vorsichtig ausgehen.“

Im Übrigen zeigte sich Staatssekretär Andy Becht in seiner Antwort ausgesprochen skeptisch: Die „Effekte einer Tarifreduzierung“ seien „verkehrspolitisch relativ gering“, der Mehrverkauf an Tickets doch nur ein „Einmaleffekt“. Zudem hätten „zahlreiche Versuche seit den 1970er Jahren gezeigt“, dass Preisreduzierungen im ÖPNV „zwar für Mitnahmeeffekte sorgen“, der echte Effekt, Autoverkehr zu verringern, „aber kaum eintritt.“ Wichtiger erscheine der Landesregierung, dass der Leistungsumfang des ÖPNV attraktiv genug sei.

 

Die Antwort sei doch „eine echte Kontrahaltung“, findet Hüncher, „man geht der Argumentation doch aus dem Weg.“ Das Ministerium benutze in seiner Antwort „häufig den Konjunktiv, man hat sich mit dem Thema gar nicht richtig beschäftigt“, findet der 17-Jährige. Die Antwort mit dem Einmaleffekt verstehe er zudem nicht – Mainz& fragte daraufhin noch einmal im Ministerium nach: Dort hieß es, Hessen habe ja nur „einmalig“ eine so hohe Menge von neuen Tickets verkauft, weil das ja das erste Mal sei. Ob sich der Effekt in den Jahren danach  verstetige, wisse man ja noch gar nicht. „Also ich kenne niemanden, der das 365-Euro-Ticket zurückgegeben hat“, sagt Hüncher.

Aus der Bilanz des hessischen Verkehrsministeriums zu ein Jahr Schülerticket in Hessen. – Grafik: Hessisches Verkehrsministerium, Screenshot gik

Laut Hessischem Verkehrsministerium wurden nach Einführung des Schülertickets zum 1. August 2017 im ersten Jahr landesweit 60 Prozent mehr Monatstickets verkauft, insgesamt 407.000. In manchen Landkreisen gerade in ländlichen Regionen Hessens gab es gar Steigerungen von 229 Prozent (Waldeck-Frankenberg) oder 244 Prozent (Hersfeld-Rotenburg). Gerade im ländlichen Raum sei das Ticket attraktiv, betont Hessen. Selbst im Rhein-Main-Gebiet verzeichnete der RMV 40 Prozent mehr verkaufte Schülertickets, das Rezept funktioniere sehr gut, schwärmte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat: „Unsere Fahrgäste wollen einfache und preisgünstige Tarifangebote.“ Nun wolle man über weitere Flatrate-Angebote nachdenken, im Gespräch ist ein 365-Euro-Ticket für alle. Derzeit prüft Hessen ein 365-Euro-Seniorenticket.

Jeder vierte Schüler in Hessen gab zudem an, seither häufiger mit Bus und Bahn unterwegs zu sein, etwa fünf Prozent hätten gar ihr Auto deswegen abgeschafft. Auch Jakob Hüncher sagt, für ihn wäre das Ticket „ein Argument, mir kein Auto anzuschaffen.“ Er fahre ohnehin viel mit dem Fahrrad.  „Das Schülerticket erhöht Mobilität“, bilanziert Schreiner, „die Leute steigen um, es ist ein echter Beitrag zur Mobilitätswende.“ Die stärksten Effekte würden beim Schülerticket gerade auf dem Land erzielt, „das ist auch für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz spannend“, findet er.

Zur Finanzierung des Angebots greift allerdings das Land Hessen tief in die Tasche: Bis zu 20 Millionen Euro stellt Hessen für die Finanzierung des Schülertickets bereit. In Rheinland-Pfalz argumentiert das FDP-geführte Verkehrsministerium, wenn man die Gegebenheiten auf Rheinland-Pfalz übertrage werde das Schülerticket bei uns 60 Millionen Euro kosten, davon könne man „vorsichtig ausgehen.“ Hessen habe sehr viel weniger ländliche Strukturen, die Preise dort seien von vorne herein geringer gewesen und Rheinland-Pfalz habe weitere Wege für Schüler

Der Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner fordert eine Debatte über die Einführung eines 365-Euro-Schülertickets auch in Rheinland-Pfalz. – Foto: gik

Das Verkehrsministerium „sucht offenbar das Haar in der Suppe“, kritisiert hingegen Schreiner: „Man sucht nach Argumentationen es nicht zu wollen.“ Die 60 Millionen Euro seien „nicht gerechnet, sondern gegriffen“, kritisiert Schreiner: „Das ist eine Horrorzahl, um den Parlament Angst vor dieser Entscheidung zu machen.“ Nach Schreiners Berechnungen könnten in Rheinland-Pfalz vielleicht sogar nur 13 Millionen Euro zur Finanzierung eines Schülertickets ausreichen. Bei so hohen Steigerungen der Fahrgastzahlen, „würden die Kosten durch den Mehrumsatz aufgefangen“, glaubt Schreiner. Mit einem Mehrabsatz von 200 Prozent könne schließlich auch das ÖPNV-Angebot verbesserwerden, das nutzte dann letztlich allen.

Dazu sei das Schülerticket doch „eine klassische, zielgenau, familienfördernde Maßnahme“, betont Schreiner. Für eine Familie sei es einfach „ein Riesenunterschied“, ob sie drei Monatsticket oder drei mal 365 Euro zahle, rechnet Schreiner vor, der selbst Familienvater ist. Mit dem Schülerticket würden Familien direkt und zielgerichtet unterstützt, „es verpufft nichts, es kommt genau da an, wo es hinsoll“, betont er, „das ist doch genau das, was wir wollen.“

 

Dazu ist Schreiner mit seiner Forderung nach einem 365-Euro-Ticket auch beileibe nicht allein: Schon im April 2018 hatte sich die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz für ein Ein-Euro-Ticket für Schüler und Azubis ausgesprochen. Angesichts der Probleme mit Dieselfahrverboten „erwarten wir von der Landesregierung eine Innovationsoffensive in den ÖPNV“, hieß es in dem Beschluss der Grünen Jugend: „Wir fordern die Landesregierung auf, mit den Verkehrsverbünden über ein Schülerticket für Rheinland-Pfalz zu verhandeln.“ Das Schülerticket sei ein einfaches Mittel, Busse und Bahnen für Schüler attraktiver zu gestalten. Und zufriedene Bus- und Bahnfahrer von heute, so die Jugendorganisation weiter, seien „die Klimaschützer von heute und von morgen.“

Und auch die Mainzer SPD sprach sich just am Freitagabend auf ihrem Parteitag zur Vorstellung des Kommunalwahlprogramms für ein 365-Euro-Ticket aus. Der Fraktionschef der SPD im Mainzer Landtag sagte auf Anfrage von Mainz&, die SPD könne sich die Erprobung in Modellregionen vorstellen – je eine in einer Stadt und auf dem Land. Für Schüler Hüncher sind das alles keine befriedigenden Antworten: „Nein, das befriedigt mich nicht“, sagte er im Mainz&-Gespräch, er wolle da noch mal nachhaken. „In Mainz gilt das Schülerticket ja schon, Dank Hessen“, sagt Hüncher, „ich würde mir wünschen, dass da mal ernsthaft drüber nachgedacht wird.“

Info& auf Mainz&: Die hessische Bilanz zu ein Jahr Schülerticket aus dem August 2018 könnt Ihr hier nachlesen, allgemeine Infos dazu gibt es hier. Neuere Zahlen gibt es leider noch nicht, wir haben aber im hessischen Verkehrsministerium nachgefragt, dort hat man uns versichert, der Erfolg des Tickets halte an. Nach ersten Informationen des RMV seien die Zahlen auch im zweiten Jahr des Schülertickets weiter gestiegen, teilte ein Sprecher des hessischen Verkehrsministeriums mit.

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7-D-Kino und Autoscooter-Fußball-Turnier – Mainzer Rhein-Frühling 2019 vom 13. bis 28. April am Rheinufer

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Seit gut 500 Jahren hat die Frühjahrskirmes in Mainz Tradition, auch in diesem Jahr wieder locken Riesenrad und Kettenkarussell, Bratwurst und Autoscooter ans Mainzer Rheinufer. Zwei Wochen lang, eine Woche vor Ostern und eine Woche danach, laden die Mainzer Schausteller zum Mainzer Rhein-Frühling, die Highlights in diesem Jahr: Ein Autoscooter-Fußballturnier und ein 7D-Kino.

Kettenkarusell und Riesenrad – wenn die am Rheinufer auftauchen, ist klar: Der Mainzer Rhein-Frühling steht vor der Tür! – Foto: gik

„Ein 7-D-Kino bietet eine Kombination aus 3-D-Kino mit zusätzlichen Nebeneffekten wie Wind, Wasser, Nebel und vielem mehr“, sagte der Vorsitzende der Interessensgemeinschaft Mainzer Schausteller, Marco Sottile, im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Fahrgeschäft sei ganz neu und damit auch erstmals in Mainz. Neu dabei beim Mainzer Rhein-Frühling ist auch der „Intoxx“, eine Überschlagsschaukel, bei der Nervenkitzel garantiert ist.

Natürlich gibt es auch wieder die traditionellen Elemente wie den Autoscooter und den „Break Dance“, eine Drehscheibe mit um sich selbst drehenden Gondeln. Optischer Anziehungspunkt ist wie auch in den Jahren zuvor das größte transportable Riesenrad, das 48 Meter hohe „Grand Soleil“ aus Worms. „Wir haben wieder alles dabei, bunt gemischt“, sagte Sottile, die Schausteller versuchten jedes Jahr, die Messe mit neuen Attraktionen spannend für die Besucher zu gestalten.

Vor drei Jahren musste der Mainzer Rhein-Frühling von seinem angestammten Platz hinter dem Mainzer Rathaus umziehen, das marode Rheinufer erlaubte dort die Aufstellung der Fahrgeschäfte nicht mehr. Seither aber hat der Rhein-Frühling Platz, die Kirmes erstreckt sich nun vom Kaisertor bis hinter die Theodor-Heuss-Brücke.

Das „Grand Soleil“ ist mit 48 Metern Höhe das größte, transportable Riesenrad. – Foto: gik

Rund 90 Buden und Fahrgeschäfte stehen hier inzwischen, in diesem Jahr reicht der Platz sogar bis zum Mainzer Hilton. Weil Ostern so spät ist, öffnet denn auch in diesem Jahr schon der Mainzer Rhein-Strand an der Brücke seine Tore und wird ab dem 13. April ein Teil des Mainzer Rhein-Frühlings.

Als Voreröffnung veranstalten die Schausteller in diesem Jahr schon am Freitag, den 12. April ein Autoscooter-Fußball-Turnier. Je zwei Teams kämpfen dann pro Runde um den Sieg und versuchen, mit den Autoscootern einen großen Ball in die Tore an den Stirnseiten zu bugsieren. Der Erlös des Abends geht an die Bad Kreuznacher Sophia-Kallinowsky-Stiftung, die sich für besser Erkennung und Therapie von Kinderkrebs einsetzt.

Eröffnet wird der Mainzer Rhein-Frühling am Samstag, den 13. April, am Eröffnungsabend gibt es auch ein großes Feuerwerk, ein zweites zum Abschluss der Kirmes am 27. April. Feste Termine sind außerdem die Familientage mit ermäßigten Preisen an den beiden Mittwochs, der Autoscooter-Gottesdienst am Ostermontag sowie das große Traktor- und Oldtimer-Treffen, das zum 11 Mal und ebenfalls am Ostermontag stattfindet. „Wir hoffen auf schönes Wetter und viele Besucher“, sagte Sottile, „wir wollen die Mainzer in den Frühling tragen.“

Info& auf Mainz&: Der Mainzer Rhein-Frühling 2019 findet vom 13. bis 28. April am Mainzer Rheinufer vom Kaisertor bis zum Hilton statt. Die offizielle Eröffnung steigt am Samstag, den 13. April, um 16.00 Uhr statt. Öffnungszeiten unter der Woche 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr, an den Wochenenden und Feiertagen 12.00 Uhr bis 22.00 Uhr, samstags bis 24.00 Uhr. An Karfreitag geschlossen.

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Bürger in Aufsichtsräte – OB-Kandidat Nino Haase wirbt für Bürgerbeteiligung und Transparenz bei städtischen Gesellschaften

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Der unabhängige Mainzer Oberbürgermeisterkandidat Nino Haase will mehr Transparenz in städtische Gesellschaften bringen und mehr Bürgernähe realisieren. „Ich schlage vor, dass wir viel mehr normale Bürger in den Aufsichtsräten integrieren“, sagte Haase im Interview mit Mainz&. Derzeit seien diese Gremien praktisch ausschließlich mit Menschen aus der Kommunalpolitik oder von anderen beteiligten Gesellschaften besetzt. „Im Endeffekt überwacht sich hier die Stadtpolitik selbst, das ist ein Problem für die Transparenz“, sagte Haase. Für ihn bedeute echte Bürgerbeteiligung, auch solche Bereiche für Bürgerkompetenzen zu öffnen. Überhaupt sehe er Nachholbedarf beim Thema Compliance und Verhaltenskodex in Sachen Vorteilsannahmen: Vertreter der Stadt Mainz und ihrer Gesellschaften hätten die unbedingte Pflicht, jeden Anschein von Abhängigkeiten zu vermeiden und eben keinerlei Geschenke anzunehmen, sagte Haase: „Ein Oberbürgermeister muss da nicht nur mit gutem, sondern allerbestem Beispiel vorangehen.“

Nino Haase bei seiner Vorstellung als Oberbürgermeister-Kandidat für die Mainzer CDU im Januar 2019. Haase tritt als Parteiunabhängiger an und mit dem Anspruch von deutlich mehr Bürgerbeteiligung in Mainz. – Foto: gik.

Hintergrund ist ein anonymer Brief, in dem Vertretern der Stadtspitze und hochrangiger städtischer Gesellschaften erhebliche Verfehlungen im Bereich Vorteilsnahmen und Vergünstigungen unterstellt werden. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) machte selbst mehrere dieser Vorwürfe in seiner Pressekonferenz vergangenen Montag öffentlich, ihm selbst werden Vorteile durch sein Amt unterstellt. Im Februar war zudem bekannt geworden, dass sich Ebling und sein Wiesbadener Amtskollege Sven Gerich (SPD) samt Ehepartnern regelmäßig zu Weihnachtsessen einladen. Während Gerich von Treffen mit dienstlichen Inhalten spricht, betonte Ebling wiederholt, die Treffen seien privater Natur, er habe die Einladungen auch privat bezahlt. 2017 betrug die Rechnung 1019 Euro, beglichen zunächst mit der Kreditkarte der Stadt Wiesbaden. Gerich beglich nach Bekanntwerden der Vorwürfe den Betrag privat.

Im Gespräch mit Mainz& nahm der unabhängige, von der CDU unterstützte Mainzer OB-Kandidat Nino Haase nun erstmals Stellung zu den Vorgängen um den anonymen Brief. „Es ist traurig für das ganze politische Klima in Mainz, dass so etwas auf den Tisch kommt“, sagte Haase, „natürlich wenden sich die Menschen durch so etwas von der Politik ab, obwohl nichts bewiesen ist.“ Vieles, was in dem Brief formuliert werde, sei „ein Fall für die Staatsanwaltschaft und daher nicht zu kommentieren“, betonte Haase, zwei Themen aber trieben ihn um, und das schon länger.

„Ich finde es gerade ein bisschen naiv, wie hier mit Compliance umgegangen wird“, sagte Haase. Compliance bedeute eigentlich schlicht „Regelbefolgung“, das sei ein grundsätzliches Element in jedem Unternehmen beim Vorgehen gegen Korruptionsfähigkeit. „Ich finde den Ausdruck „Antikorruption“ falsch, denn es geht um viel mehr als Korruption“, sagte Haase Mainz&: „Es geht darum, eine generelle Kultur zu etablieren und glaubhaft zu vertreten, die klar macht: Wir können einfach keine Geschenke über 20,- Euro annehmen, und auch keinerlei Einladungen.“ Es gehe bei gegenseitig Einladungen eben nicht darum, ob sich etwas ausgleiche oder Ähnliches. „Es geht darum, dass man zu keinem Zeitpunkt bei irgendjemandem in der Schuld steht, weil das den Anschein von Abhängigkeiten bewirken kann“, betonte Haase. Durch Einladungen oder Geschenkeannahmen „bildet man immer Angriffspunkte, und das müssen städtische Vertreter unter allen Umständen vermeiden.“

In der Stadt Mainz gilt seit 2013 ein „Mainzer Kodex“ mit ausführlichen Verhaltensregeln für alle Mitglieder der Stadtverwaltung, des Stadtrats sowie der stadtnahen Gesellschaften. Darin ist auch festgelegt, dass Mitarbeiter Geschenke im Wert von mehr als 20,- Euro ohne Genehmigung nicht annehmen dürfen. „So wie ich das mitbekomme, halten sich die Angestellten strikt daran“, sagte Haase, es seien schon Weingeschenke oder Gutscheinhefte zurückgeschickt worden, weil sie über diesem Betrag lagen. „Es gibt einfach keine Notwendigkeit, Geschenke anzunehmen, damit untergräbt man das ganze System“, betonte Haase.

Mehr Berücksichtigung des Bürgerwillens, mehr Einbeziehen von Bürgerkompetenzen – das propagierte Haase auch schon in der BI Gutenberg Museum und beim Kampf gegen den Bibelturm, wie hier bei der Unterschriftenübergabe an OB Ebling. – Foto: gik

Auch ein Weihnachtsessen „gehört einfach privat bezahlt, und das in jedem Fall“, unterstrich er, gerade weil ein Oberbürgermeister „so gut wie nie privat unterwegs ist.“ Er werfe Ebling gar nicht vor, nicht geprüft zu haben, mit welcher Kreditkarte Gerich bezahle. „Ich muss aber sagen: Ich bin OB, ich darf von Dir keine Essenseinladung annehmen, sonst ist das Thema Compliance nicht richtig verstanden worden“, betonte Haase: „Ich wundere mich, warum überhaupt kein Bewusstsein dafür existiert, dass hier etwas nicht richtig war.“

Haase sagte weiter, ein Oberbürgermeister müsse für ihn „als Chef der Verwaltung mit aller Macht vorausgehen“. Damit schaffe man die Grundlage einer Kultur, in der dann auch Unregelmäßigkeiten gemeldet werden könnten, ohne Angst zu haben. „Ich habe da was gesehen, und dann bin ich auch sicher, dass ich damit ernst genommen werde – dieses Klima muss herrschen“, betonte Haase.

Das zweite Thema sei für ihn Transparenz und Bürgernähe, gerade auch bei den städtischen Gesellschaften: „Wir haben deutlich über 100 städtische Beteiligungen, da ist kaum noch nachzuverfolgen, wer da wen querfinanziert“, sagte Haase. Er schlage deshalb vor, viel mehr normale Bürger in den Aufsichtsräten zu integrieren. „Derzeit sind diese Gremien praktisch ausschließlich mit Menschen aus der Kommunalpolitik oder von anderen beteiligten Gesellschaften besetzt“, sagte Haase, „im Endeffekt überwacht sich hier die Stadtpolitik selbst, das ist ein Problem für die Transparenz, und das sollten wir ändern.“

Es gebe auch in der Stadtbevölkerung „Menschen, die gut Bilanzen lesen oder Erfahrungen aus der Arbeitswelt einbringen können“, erläuterte Haase weiter: „Es geht darum, sich zu öffnen und zu schauen, wer kann uns mit seinen Kompetenzen helfen. Wir machen uns damit bei Entscheidungen auch ein Stück unangreifbarer, wenn Menschen aus der Bürgerschaft dabei sind.“ Wenn sich Kommunalpolitik selbst überwache, „hat das eine schlechte Außenwirkung, und ich glaube auch nicht, dass das effektiv ist“, betonte Haase. Experten von außen brächten oft einen unvoreingenommeneren Blick mit. „Nicht nur bei politischen Entscheidungen, sondern auch in der Kontrolle städtischer Gesellschaften muss die Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung ankommen“, plädiert Haase: „Das ist moderne Politik.“

Info& auf Mainz&: Nino Haase lädt gemeinsam mit der ÖDP Mainz am 10. April um 19.00 Uhr zu einer Veranstaltung in den Erbacher Hof, dort soll es dann um „Bürgerbeteiligung – Wichtig für Mainz“ gehen. Mehr zu Nino Haase und den Vorstellungen des OB-Kandidaten lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zu dem anonymen Brief haben wir hier berichtet. Wie OB Ebling darauf reagierte, lest Ihr hier. Alles zum Mainzer Kodex sowie das Papier selbst findet Ihr hier bei der Stadt Mainz.

 

 

 

 

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48. Rheinland-Pfalz-Ausstellung mit Fokus auf Garten, Gesundheitstage und Wein – Ausstellung zu Wirtschaftswunderjahren

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Sie nennt sich „Der größte Baumarkt weit und breit“, am Samstag öffnet sie wieder ihre Tore: Die 48. Rheinland-Pfalz-Ausstellung steht vor der Tür. Die größte Verbrauchermesse der Region hat in diesem Jahr rund 700 Aussteller in 23 Hallen zu bieten, vom 6. bis 14. April dreht sich auf dem Messegelände in Mainz-Hechtsheim alles um Bauen, Wohnen, Sanieren, um Energie, Gesundheit und Mobilität. Neu ist in diesem Jahr die Spezialmesse „Du und Dein Garten“, damit kehrt die Messe ein Stück weit zu ihren Wurzeln zurück. Am zweiten Messewochenende gibt es zudem erstmals die „Gesundheitstage Rheinland-Pfalz“, Weinfreunde können sich zudem auf die Regio Wein freuen – die direkte Weinverkaufsmesse wartet mit zwei Dutzend Winzern und dem Fokusthema „Wein und Wandern“ auf.

Die 48. Rheinland-Pfalz-Ausstellung steht vor der Tür. – Foto: Ram Regio

Jedes Jahr im Frühjahr wird das Hechtsheimer Messegelände zur großen Heimat von Baufirmen, Treppenanbietern, Dachdeckern und Energieunternehmen – bei der Rheinland-Pfalz-Ausstellung präsentieren traditionell zahlreiche Handwerksfirmen, Hausbauer und Hausberater ihre Produkte. Mit sechs Hallen ist der Bereich Bauen-Wohnen-Sanieren der größte Teil der Rheinland-Pfalz-Ausstellung, hier gibt es Informationen und Produkte rund um Hausbau und Haustechnik, Sauna, Treppen, Türen und Tore, Whirlpool, Carports und Kamine. Eine eigene Halle füllt inzwischen der Bereich Energie: Von Geothermie über Wärmepumpen bis hin zu Heizsystemen und Naturbrennstoffen reicht hier die Palette.

Über drei Hallen erstreckt sich das immer sehr beliebte Thema „Sicheres Zuhause“, hier geht es um Einbruchschutz wie etwa sichere Fenster, aber auch um Funkalarmanlagen und Videosysteme. Sicherheit ist auch eines der Themen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz auf der Messe: Die Verbraucherschützer informieren ausführlich über Sicherheit im Internet, es geht unter anderem um Passwortsicherheit, Phishing-Mails und digitalen Nachlass. Inmitten der Messe Bauen informiert die Verbraucherzentrale zudem mit ihren Energieberatern und gemeinsam mit Architekten der Landesberatungsstelle Barrierefrei Bauen und Wohnen zu Themen wie energetische Sanierung älterer Wohngebäude, den sinnvollen Einsatz erneuerbarer Energien, Heizungstausch und barrierefreies Bauen und Umbauen.

Edle Whirlpools gibt es jedes Jahr auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung zu besichtigen, und natürlich auch zu kaufen. – Foto: gik

Möbel, Sofas und Küchen, Wasserbetten und Fußbodenbeläge sind weitere Themen der 48. Rheinland-Pfalz-Ausstellung, dazu kommt ein breites Spektrum an Küchenhilfen und Küchengeräten, aber auch Kleidung, Leder und diverse kulinarische Genüsse – von Wurst und Käse bis hin zu Tee, Nüssen und Trockenfrüchten. Apropos Kulinarik: Zum inzwischen 5. Mal findet am zweiten Messewochenende erneut die Regio Wein statt, auf der speziellen Weinverbrauchsmesse bieten rund zwei Dutzend Winzer Weine und Sekte direkt zum Verkosten an – und zum Kaufen: Die Kunden können gleich vor Ort erwerben, was ihnen schmeckt, die Kisten werden direkt in den Kofferraum ihres Autos geladen – oder bequem nach Hause geliefert.

Der Fokus der Weine liegt auf Rheinhessen, stark im Kommen ist aber auch die Nahe. Dazu können Weine von der Hessischen Bergstraße, dem Rheingau, aus der Pfalz und vom Mittelrhein probiert werden. Wieder vor Ort ist die Hochschule Geisenheim mit ihrem Lehrweinberg, Studierende halten zudem Vorträge über Wein & Kulinarik. Weitere Vorträge auf der Regio Wein drehen sich um „Historische Rebsorten“ und „Rieslinge auf verschiedenen Böden“, diese hält der Kultur- und Weinbotschafter Herbert Egner. Einen Schwerpunkt setzt die Regio Wein zudem auf den Bereich „Wein und Wandern“, hier werden Kombinationen aus beliebten Wanderwegen mit Übernachtungen beim Winzer aufgezeigt.

Spaß garantiert ist im Bereich Grillen auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung, wie hier 2017. – Foto: gik

Neu auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung ist in diesem Jahr aber vor allem eine große Gartenmesse. Auf mehr als 2.500 Quadratmetern, verteilt auf zwei Hallen plus Außengelände, präsentieren über 50 Aussteller Sämereien, Blumenzwiebeln und Stauden, Gartengeräte und Gartenmöbel bis hin zu Gerätehäusern und Lauben. „Wir beobachten, dass die Menschen in den Wochen nach dem Frühlingsbeginn so richtig Lust haben, ihren Garten schön herzurichten“, sagt der Geschäftsführer der ausrichtenden Messegesellschaft RAM Regio, Sebastian Kreuser: „Gartenfreunde können sich auf der Messe also genau zum richtigen Zeitpunkt mit Samen, Pflanzen und nützlichem Zubehör versorgen.“ Dazu zeigt der Naturschutzbund NABU, was Gartenfreunde gegen den dramatischen Rückgang von Wildbienen, Schmetterlingen und Vögeln tun können.

Dazu passt natürlich auch der Bereich Grillen, der in den vergangenen Jahren immer mehr Raum auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung einnahm. Sechs Premiummarken sind mit ihren Produkten vertreten, bestaunen kann man hier wirklich alle Varianten bis hin zur Luxusausführung von mehreren Tausend Euro. Für Kaufwillige gibt es satte Messerabatte von bis zu 25 Prozent, verspricht die RAM Regio. Maisspindeln statt Holzkohle als Grillmaterial bietet das junge Start-Up-Unternehmen „Grillmais“ – die innovativen Gründer sind Teil der Umweltmesse „Faire Welten“.

Der Bereich Garten bekommt eine eigene Sonderschau, natürliche Pflanzen und Informationen zum biologischen Gärtnern gibt es beim Mainzer Anbieter Ahornblatt. – Foto: gik

Die Sonderschau findet am ersten Messewochenende vom 6. bis 8. April statt und will den Themen Nachhaltigkeit und fairer Handel eigenen Raum geben. 16 lokale Kooperationspartner bieten hier Accessoires, Kleidung und Schmuck an, es werden Menus mit fairen Zutaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika gekocht, zudem wird über die ökologische und faire Herstellung von Textilien und Lebensmitteln. Am gleichen Wochenende gibt auch die Spezialschau „Touristikwelt“ Anregungen für den Urlaub, im Mittelpunkt steht dabei der Kurzurlaub vor der Haustür und der Trip in benachbarte Regionen wie Lothringen oder die Niederlande.

Am zweiten Messewochenende öffnen erstmals die „Gesundheitstage Rheinland-Pfalz“ als Spezialmesse ihre Tore, hier geht es um Gesundheits-Check und guten Schlaf, alternative Heilmethoden und Cannabisprodukte, um gesunde Ernährung und die Herausforderung Demenz. Im Bereich „Pflege“ stellen sich neben Pflegedienstleistern auch die Pflegestützpunkte Rheinland-Pfalz vor, auch Selbsthilfeorganisationen zu verschiedensten Krankheiten sind vertreten. An allen Messetagen lockt für die jungen Messebesucher ein großes Spieleparadies

Dazu nimmt die Rheinland-Pfalz-Ausstellung sich jedes Jahr ein Thema zum Gucken und Staunen vor – in den vergangenen Jahren etwa die große World Press Photo-Ausstellung. In diesem Jahr dreht sich die Sonderschau um die Mainzer Wirtschaftswunderjahre: In Halle 16 wird in Kooperation mit dem Mainzer Stadthistorischen Museum ein ganzes Wohnzimmer aus der Wirtschaftswunderzeit der 1950er-Jahre aufgebaut. Fotografien vermitteln daneben einen lebendigen Eindruck vom Lifestyle der damaligen Zeit, dazu werden Alltagsprodukte präsentiert, die nach dem Krieg in Mainz hergestellt wurden.

Weine direkt vom Winzer probieren, besprechen, kaufen – das geht auf der Regio Wein, wie hier 2016 am Stand von WOW – Wolfgang Bender. – Foto: gik

Verbrauchermessen sind im Übrigen auch ein großes Feld der Versuchungen, viele Stände bieten Sonderkonditionen, Messeneuheiten und gewinnspiele. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz warnt deshalb, nicht blind Werbeangeboten zu vertrauen. „Werbebotschaften wie „Messeneuheit“, „Messepreis“ oder „Einmaliges Angebot“ dienen meist nur als Lockmittel“, warnen die Verbraucherschützer: „Sie sagen aber nichts über die Qualität der Produkte oder die Angemessenheit der Preise aus.“ Verbraucher sollten sich vor einem Kauf selbst einen Überblick über Angebote und Preise verschiedener Anbieter verschaffen. Im Übrigen seien an Messeständen abgeschlossene Verträge meist bindend und nicht rückgängig zu machen, auch eine 14-tägige Widerrufsfrist gelte meist nicht.

Zu Vorsicht raten die Verbraucherschützer auch bei Gewinnspielen: „Generell ist es ratsam, sparsam mit persönlichen Daten umzugehen“, heißt es. Grundsätzlich reiche die Postadresse für eine Gewinnbenachrichtigung aus, Telefonnummer und Mailadresse seien überflüssig und führten oft zu unerwünschten Werbemails oder belästigenden Anrufen. „In keinem Fall sollte die Kontonummer preisgegeben werden“, warnen die Verbraucherschützer.

Info& auf Mainz&: 48. Rheinland-Pfalz-Ausstellung vom 6. bis 14. April 2019 auf dem Messegelände in Mainz-Hechtsheim. Die offizielle Eröffnung mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) findet am Samstag, den 6. April, um 10.30 Uhr statt. Die Messe ist täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet an den Messekassen 10,- Euro, ermäßigt 8,- Euro. Erstmals kann man sich die Tickets auch im Internet organisieren, für das Onlineticket werden 8,- Euro und ermäßigt 6,- Euro berechnet. Kinder bis 12 Jahre genießen freien Eintritt. Dazu gibt es ein eigenes Nachmittagsticket für 5,- Euro, das ab 14.00 Uhr bis Messeschluss gilt. Das ist auch besonders praktisch für Besucher der Regio Wein: Die Weinmesse vom 12. bis 14. April lädt wieder einmal am Freitagabend zu After-Work-Weinprobe, die Regio Wein (und nur diese!) ist dann bis 20.00 Uhr geöffnet.  Wer mit Bus und Bahn anreist, sollte übrigens einfach das „Kombiticket“ wählen – dann gilt der Fahrschein auch als Eintrittskarte zur Messe. Weitere Informationen, Messepläne und mehr gibt es hier im Internet bei der Rheinland-Pfalz-Ausstellung und auf Facebook. Die RegioWein findet Ihr genau hier im Netz.

 

 

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„Deutschland ist das Bordell Europas“ – Weltkongress in Mainz von Solwodi und Armut & Gesundheit fordert Verbot von Prostitution

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Es waren rund 150 Frauen, die da am Dienstag durch Mainz zogen. „Prostitution = Gewalt“ stand auf ihren Transparenten und „Schafft die Sex-Sklaverei ab!“ Einen „Marsch der Überlebenden“ nannten die Frauen selbst ihre Kundgebung, es ist der Auftakt zu einem dreitägigen Weltkongress in Mainz. Zum dritten Mal organisiert die internationale Organisation für die Abschaffung der Prostitution, CAP, eine solchen Kongress – Mainz ist nach Paris 2014 und Neu-Delhi 2017 die dritte Station. Drei Tage lang wollen die rund 350 Teilnehmerinnen über Themen wie Armut, Krankheit und (sexuelle) Gewalt durch Prostitution aufklären, ihre Forderung: Prostitution abschaffen, die Käufer bestrafen und die betroffenen Frauen entkriminalisieren. Am Donnerstag soll dafür eine „Mainzer Resolution“ verabschiedet werden.

Der „March of the Survivors“, der Marsch der Überlebenden, forderte am Dienstag in Mainz ein Verbot der Prostitution. – Foto: gik

„Ich bin eine Überlebende“, sagt Mickey Meji. 14 Jahre lang lebte die Südafrikanerin als Prostituierte, neun Jahre auf den Straßen, fünf Jahre brauchte sie für den Ausstieg. „Es war keine freie Wahl und es machte keinen Spaß, es ging allein ums Überleben“, erzählt Meji im Gespräch mit Mainz&: „Prostitution ist weder Sexarbeit noch eine freiwillige Sache.“ Meji schaffte den Ausstieg und gründete die Organisation Kwanele – Embrace Dignity, die sie heute auch leitet. Kwanele nennt sich „eine Organisation der Überlebenden“, sie vertritt heute 700 Frauen aus sieben südafrikanischen Provinzen.

„Die betroffenen Frauen sind arme, schwarze Frauen“, sagt Meji, „die Käufer privilegierte Männer mit Macht, meistens Weiße.“ Meji kämpft dafür, dass Prostitution verboten wird: „Wir brauchen Gesetze, die Frauen schützen anstatt sie auszubeuten“, fordert Meji: „Ich bin nach Mainz gekommen, damit meine Stimme gehört wird.“ Vom 2. bis 4. April findet hier der 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen statt. Drei Tage lang wollen die rund 350 Teilnehmerinnen über Themen wie Prostitution, Armut, Krankheiten und Ausgrenzung reden.

„Das ist dringend notwendig“, sagte Schwester Lea Ackermann, Gründerin und 1. Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation Solwodi, im Gespräch mit Mainz&. „Seit 34 Jahren sehe ich Frauen, die ums Überleben kämpfen und ihren Körper dazu verkaufen“, sagte Ackermann, „nach so vielen Jahren sehe ich, dass es nötig ist, die Bevölkerung zum Nachdenken zu bringen.“ Über die Prostitution seien „so viele falsche Mythen im Umlauf“, betonte Ackermann: Es stimme eben nicht, dass die Frauen sich freiwillig zum Kauf anböten oder dass ein Verbot von Prostitution die Frauen in die Illegalität zwinge. „Das ist Quatsch“, sagte Ackermann. Der Kongress solle deshalb aufrütteln.

Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert setzt sich mit seinem Verein Armut und Gesundheit für Obdachlose ein – und begegnet dabei auch Prostitution und sexueller Gewalt. – Foto: Armut & Gesundheit

„Wir in Deutschland sind wegen unserer Gesetzgebung zum Bordell Europas geworden“, kritisierte Ackermann. Es könne einfach nicht sein, dass in einem Land, in dem Gleichberechtigung herrsche, „die eine Hälfte die andere kaufen kann.“ Solwodi organisiert als deutsche Partnerorganisation von CAP den Weltkongress, gemeinsam mit der Mainzer Organisation Armut und Gesundheit. Der Mainzer Vereine führt eine Ambulanz für Obdachlose und setzt sich für Flüchtlinge und Benachteiligte ein.

„Bei uns hier in Mainz ist es vor allem das Thema wohnungslose Frauen, die sich prostituieren, um noch an Geld zu kommen oder an einen Schlafplatz“, sagte Gerhard Trabert von Armut & Gesundheit im Gespräch mit Mainz&. Es gebe viel Gewalterfahrung bei diesen Frauen. „70 Prozent aller Prostituierten haben eine posttraumatische Belastungsstörung“, sagte Trabert, die Sterberate sei 18 Mal höher als in der normalen Bevölkerung. „Das korreliert mit Mord, Gewalt, Drogen und Suizid“, sagte Trabert, auch Krankheiten seien ein großes Problem – und diese würden in die Bevölkerung hineingetragen. „Man nimmt an, dass etwa 90 Prozent der Frauen, die sich prostituieren, dies nicht aus freiem Willen tun, sondern aus materieller Not heraus“, betonte Trabert weiter. Das betreffe vielfach Frauen aus den Armenhäusern Osteuropas. „Es ist ein Geschäft, in dem so wenige Millionäre werden, und so viele ins Elend gestürzt werden“, sagte Ackermann.

Deutschland, sagt Trabert, habe die liberalsten Gesetz in Europa, in anderen Ländern könne man Sexreisen nach Deutschland buchen: „Morgens Brandenburger Tor, abends Puff.“ All das werde „tabuisiert und nicht thematisiert“, der Kongress wolle genau das ändern.  Am Donnerstag wollen die rund 350 Teilnehmer aus aller Welt eine „Mainzer Resolution“ verabschieden, das Thema: Die Prostitution verbieten und die Käufer bestrafen.

Info& auf Mainz&: Mehr zu dem 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen findet Ihr hier bei Solwodi im Internet. Den Mainzer Verein Armut und Gesundheit kennt Ihr ja von vielen Berichten auf Mainz& – hier findet Ihr den Verein im Internet. Die südafrikanische Organisation Kwanele findet Ihr hier im Netz.

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„Unbewiesene Behauptungen“ – Ebling nimmt ausführlich Stellung zu Vorwürfen des anonymen Briefes und weist alle Anschuldigungen zurück

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Seit einer Woche beschäftigt ein anonymes Schreiben mit umfangreichen Vorwürfen gegen die Stadtverwaltung Mainz die politische Szene der Landeshauptstadt, am Montag nahm Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in einer Pressekonferenz ausführlich Stellung zu allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Ebling zitierte dabei selbst ausführlich aus dem anonymen Schreiben und machte damit selbst Sachverhalte öffentlich, die bislang noch nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen waren. Sein Tenor: Alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien haltlose Unterstellungen und schlicht falsch. „Das anonyme Schreiben enthält haltlose Unterstellungen und Behauptungen“, denen „auch nur der Anschein eines Beleges fehlt“, betonte Ebling.

Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) verlas eine schriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen des anonymen Briefes. – Foto: gik

Mit fast denselben Worten hatte Ebling schon vor einer Woche die Vorwürfe gegen seine Person aus dem Schreiben zurückgewiesen. Gleichzeitig hatte der OB angekündigt, er werde die Vorwürfe nicht weiter kommentieren – nun tat er es doch: In einer großen Pressekonferenz arbeitete Ebling minutiös alle in dem anonymen Schreiben enthaltenen Vorwürfe gegen seine Person ab. Ebling wirkte dabei durchaus angespannt, seine Stellungnahme verlas er wörtlich aus einem vorbereiteten Redemanuskript.

Die Verfasser des anonymen Briefes werfen Ebling sowie knapp einem Dutzend weiterer leitender Personen aus der Stadtverwaltung sowie von stadtnahmen Gesellschaften nichts weniger als Vorteilsnahme im Amt und Untreue vor, von Vetternwirtschaft und der Anordnung von Dienstvergehen ist die Rede. Die Stadt Mainz mit ihrem „undurchsichtigen Geflecht an Gesellschaften“ sei „zu einem Selbstbedienungsladen mit Vollversorgung mutiert“, heißt es in dem Schreiben, es herrsche „Günstlingswirtschaft“ und ein Geflecht von „Freundschaftsdiensten“, in dem Vorteilsnahmen durch fingierte Rechnungen gedeckt würden. Zehn Jahre nach der Wohnbau-Affäre wird Mainz damit erneut von Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft erschüttert.

Im Zentrum der Vorwürfe steht Oberbürgermeister Ebling persönlich, acht Wochen vor der Kommunalwahl kommen die Vorwürfe für die SPD zur Unzeit. Ebling will zudem Ende Oktober erneut als Oberbürgermeister gewählt werden, sein Wiesbadener Amtskollege Sven Gerich (SPD) – ein Freund Eblings – zog gerade wegen ähnlicher Vorwürfe seine erneute Kandidatur als OB zurück. Die Vorwürfe sind auch deshalb pikant, weil sie teilweise auf Ebling selbst und seine Amtsführung zielen. Die Verfasser werfen Ebling selbstherrliches Gebaren und Abgehobenheit vor, er lasse Mitarbeiter der Stadtverwaltung nur für seine Darstellung arbeiten, darunter leide die Steuerung der Stadt. Eblings „Hemmschwelle, Dienstvergehen anzuordnen, wird immer geringer“, werfen ihm die Briefeschreiber vor.

Ebling selbst zitierte diesen Satz heut ein der Pressekonferenz, und sagte dazu: „Die Behauptung weise ich mit aller Entschiedenheit zurück, sie entbehrt jeder Grundlage.“ Fast mit dem gleichen Wortlaut wies er auch die übrigen Vorwürfe zurück. Zu den Vorwürfen sagte Ebling im Einzelnen:

Eigentumswohnung im Zollhafen, der Vorwurf: Billigerer Preis, individuelle Extras

Die Wohnungen am Mainzer Zollhafen sind begehrt, die Preise hoch. – Foto: gik

„Ich habe keine Eigentumswohnung am Zollhafen und bin auch nicht Miteigentümer einer Immobilie im Bereich des Zollhafens“, betonte Ebling. Er besitze in der Tat einen Bungalow in Mainz-Mombach, den er gemeinsam mit seinem Lebensgefährten, dem Bauingenieur Andreas Schulz, bewohne. Schulz habe aber in der Tat im Jahr 2015 eine „Eigentumswohnung im Bereich des Zollhafens“ erworben, dies sei aber zu marktüblichen Konditionen und „über den Markt“ geschehen. Der Preis der Wohnung sei von der LBBW Immobilien Development GmbH festgesetzt, er selbst oder auch Schulz habe keinerlei Einfluss auf die Preisbildung ausgeübt.

Auch als Verwaltungsratschef der Sparkasse Mainz sowie als Aufsichtsratschef der Mainzer Stadtwerke AG „wäre ich nicht in der Lage, auf die Preisbildung des Projektentwicklers Einfluss nehmen zu können“, betonte Ebling weiter. Die Mainzer Stadtwerke sind Eigentümer und Projektentwickler des Zollhafen-Areals, der anonyme Brief hatte Ebling unterstellt, „am preis gedreht“ zu haben, zudem seien Extras für die Wohnung nicht berechnet worden. Ebling betonte, es habe individuelle Änderungswünsche bei der Wohnung gegeben, etwa eine Veränderung des Raumzuschnitts eines Abstellraumes. „Diese geringfügigen Extras wurden von meinem Lebensgefährten bezahlt“, auf die Preise sei kein Einfluss genommen worden. All das lasse sich „durch eine lückenlose Dokumentation“ und Rechnungen belegen.

Schulz habe „außer dass er mit mir zusammen ist, keine Verbindung zu diesen Unternehmen“, sagte Ebling weiter. Daraus eine Verbindung zu knüpfe, „das führt mir zu weit“, betonte er. Auch er selbst sei Kunde der Wasserwerke und anderer städtischer Unternehmen, das seien „naturgemäße Beziehungen“, wenn man in einer Stadt lebe. Schulz habe „die Wohnung „zu einem Preis erworben, der am Markt platziert war und zu dem sie jeder andere auch hätte erwerben können.“

Dienstwagen für private Treffen

Ebling bestätigte erneut, er habe in der Tat seinen Dienstwagen gelegentlich für private Fahrten genutzt – das sei aber nach der Dienstwagenverordnung des Landes Rheinland-Pfalz rechtens – ausführlich findet Ihr dazu hier unseren Mainz&-Artikel. Die private Nutzung müsse er als geldwerter Vorteil versteuern, dies sei auch „von der Verwaltung im Rahmen der Abrechnung meiner monatlichen Bezüge“ erfolgt. Derzeit würden monatlich 1094,08 Euro als geldwerte Vorteile bei ihm versteuert.

Private Treffen zwischen dem Wiesbadener OB Sven Gerich (Links, SPD) und Ebling, jeweils mit Ehepartnern, schlugen bereits im Februar hohe Wellen. – Foto: gik

Essen, Einladungen, private Treffen

Im Februar war bekannt geworden, dass Ebling und sein Partner regelmäßige Jahresabschlussessen mit Gerich und dessen Ehemann abhielten, Ebling betonte am Montag erneut, er habe seinerseits diese Treffen stets privat bezahlt. Vorwürfe, Schulze hätte als „Dankeschön“ für Aufträge diese Essen bezahlt, seien falsch. Tatsächlich ist Schulz als Bauingenieur mit seiner Firma an Dutzenden Bauvorhaben der Stadt Wiesbaden und deren Tochtergesellschaften beteiligt gewesen und bis heute beteiligt. Ebling bestätigte dies, betonte aber zugleich, Einfluss habe er darauf nicht und auch nie genommen. Schulz bewerbe sich wie viele andere Unternehmen auch und habe sich im Übrigen seit Amtsantritt Eblings als OB niemals auf öffentliche Aufträge der Stadt Mainz beworben – eben „um jeglichen Anschein eines bösen Glaubens in dieser Hinsicht zu vermeiden.“ Weitere gemeinsame Reisen oder Wochenendtripps habe es „in diesem Personenkreis nie gegeben.“

Taubertsbergbad, Abfindung eines Mitarbeiters

Ebling wies am Montag alle Vorwürfe entschieden zurück, lies aber auch Fragen offen. – Foto: gik

In dem anonymen Brief wird Ebling zudem vorgeworfen, er habe „als oberster Dienstherr kein Machtwort“ in Sachen Taubertsbergbad gesprochen, als die gravierenden Baumängel bekannt geworden seien. Stattdessen habe er Bürgermeister Günter Beck (Grüne) gewähren lassen, der „nie einer Baumängelverfolgung“ nachgegangen sei. Beck hat diese Vorwürfe zurückgewiesen, Näheres lest Ihr dazu hier. Ebling sagte dazu nun lediglich, er habe die Mainzer Stadtwerke AG beauftragt, ein Konzept zur Übernahme des Taubertsbergbades als kommunale Einrichtung für den Mainzer Schwimm- und Schulsport zu entwickeln. Auch auf explizite Nachfrage von Mainz& wollte sich Ebling zur Frage der Baumängel und ob er in dieser Frage eingeschritten sei oder nicht, nicht äußern.

Auch zu dem Vorwurf, er habe einen städtischen Mitarbeiter der Stadtgesellschaft Mainzplus Citymarketing mit einer üppigen Abfindung versorgt, obwohl sich dieser Verfehlungen habe zuschulden kommen zu lassen, äußerte sich Ebling nur ausweichend: Es habe einen gerichtlich protokollierten Vergleich über die Aufhebung des Dienstverhältnisses gegeben, das sei Aufgabe der Geschäftsführung. Er selbst habe auf diesen Vergleich „keinen Einfluss  genommen“, betonte Ebling, „und auch nicht eine Abfindung draufgelegt oder angewiesen.“ Der Aufsichtsrat habe dem Vorgehen der Geschäftsführung aber zugestimmt. Die Frage, ob dieser Mitarbeiter zuvor selbst gekündigt habe, beantwortete Ebling nicht.

Konsequenzen: Strafanzeige und neuer Michael-Ebling-Blog

Ebling kündigte zudem an, er habe am Montag Strafanzeige gegen die Verfasser gestellt wegen übler Nachrede möglicher Straftaten. „Es ist kein Scherz und kein Kavaliersdelikt, einfach mal was auf fünf Seiten zusammenzustellen und zu behaupten, und das ohne Anschein eines Belegs“, sagte Ebling. Wenn jemand in der Stadtverwaltung „Ärger mit dem Chef hat, gibt es Mittel und Wege, das zu adressieren“, betonte er. Die Stadt Mainz habe klare Vorschriften gegen Korruption, es gebe einen Antikorruptionsbeauftragten. Ob es Mitarbeiter der Verwaltung seien, wisse er nicht, als Whistleblower sehe er diese Menschen aber nicht. „Ich möchte deutlich machen, ich gehe mit den Vorwürfen transparent um“, unterstrich  künftig in einem eigenen Blog unter www.michael-ebling-blog.de auf Vorwürfe und Fragen persönlich antworten.

Info& auf Mainz&: Mehr zu dem anonymen Brief lest Ihr hier auf Mainz&, die Frage von Whistleblowern und ihrem Schutz haben wir hier mal ausführlich beleuchtet.

 

 

 

 

 

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Debatte um anonymen Brief: ÖDP und FW fordern Hinweisgebersystem bei der Stadt für Whistleblower – CDU fordert Aufklärung

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Der Fall des anonymen Briefes mit vehementen Vorwürfen gegen die Mainzer Stadtspitze erschüttert weiter Mainz – ein Hauptgrund dafür: der Brief wurde zwar mit dem Logo der Mainzer Stadtverwaltung, aber gleichzeitig anonym versandt. In vielen Kommentaren sorgt das für große Empörung: Wer etwas aufdecken wolle, solle das nicht anonym tun, das sei schlechter Stil, schimpften viele. Doch so einfach ist die Sache nicht: „In Deutschland wird der Begriff „Hinweisgeber“ leider noch zu oft mit dem Stigma des Denunzianten belegt“, klagt Transparency International, dabei seien die sogenannten „Whistleblower“ wichtige Quellen etwa zur Aufdeckung von Korruption. Die ÖDP und die Freien Wähler fordern nun von der Stadt Mainz, ein internes Hinweisgebersystem zu installieren, das es möglich mache, Hinweise in geschützter Form zeitnah zu melden. In Österreich macht man sehr gute Erfahrungen damit: Dort gibt es seit 2014 ein anonymes Hinweisgebersystem für Wirtschaftsstrafsachen – nur sieben Prozent der gemeldeten Fälle dort waren substanzlos.

Heimlich einen Hinweis auf Korruption oder andere drohenden Straftaten hinterlassen – das ermöglichen anonyme Hinweisgebersysteme. Transparency International fordert solche Systeme gesetzlich vorzuschreiben. – Foto SPD RLP

Der anonyme Brief war vergangenen Dienstag bei verschiedenen Medien sowie bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingegangen, auf fünf Seiten werden dort massive und zum Teil sehr detaillierte Vorwürfe von Vetternwirtschaft, Vorteilsnahme und sogar Untreue erhoben. Gerichtet sind die Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), Bürgermeister Günter Beck (Grüne) sowie gegen leitende Personen verschiedener städtischer oder stadtnaher Gesellschaften.

Die Verfasser geben an, sie seien langjährige Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die schon lange von den Verfehlungen wüssten und nun „unserem Gewissen endlich Luft machen“ wollten. Das könne aber nur anonym geschehen, da man große Angst vor negativen Konsequenzen habe. Man hoffe, dass der anonyme Brief für Transparenz und Aufklärung sorge – und habe genau deswegen das Schreiben auch der Staatsanwaltschaft Mainz zugestellt.

Damit sehen sich die Verfasser des Briefes offenbar in der Tradition von Whistleblowern – und im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern, haben die in Deutschland oft einen schweren Stand: „In Deutschland wird der Begriff „Hinweisgeber“ leider noch zu oft mit dem Stigma des Denunzianten belegt“, schreiben die Anti-Korruptions-Kämpfer von Transparency International auf ihrer Internetseite. Dabei spielten Hinweisgeber oft eine wichtige Rolle zur Aufdeckung von Korruption: „Korruption wird weniger durch Prüfungshandlungen als durch Hinweisgeber aufgedeckt, die internes Wissen offenbaren und sich damit dem Risiko aussetzen, wegen ihres Handelns benachteiligt zu werden“, heißt es weiter.

Berühmte Whistleblower in den vergangenen Jahren waren vor allem natürlich Edward Snowden, dessen Enthüllungen über die umfangreichen Abhörmaßnahmen der amerikanischen Geheimdienste 2013 die NSA-Affäre auslöste. Auch Snowden gab seine hochbrisanten Informationen zunächst anonym weiter, veröffentlichte dann aber nach wenigen Wochen selbst seine Identität. Bis heute ist der Whistleblower auf der Flucht und soll an einem geheimen Ort in Russland leben, die USA suchen ihn per Haftbefehl. Aber auch in Deutschland haben Hinweisgeber dazu beigetragen, Skandale publik zu machen: so etwa die Wohnbauaffäre in Mainz 2009 und zuletzt die Affäre rund um den Oppenheimer Bürgermeister Marcus Held (SPD). Auch Helds Geflecht von Vergünstigungen und Gefälligkeiten wurde weitgehend durch anonyme Schreiben aufgedeckt.

Whistleblower sind Mitarbeiter, die Einblick in brisante Akten haben und so Verfehlungen oder gar Straftaten mitbekommen – und diese aufdecken wollen. Transparency fordert, dies als Zivilcourage zu fördern anstatt die Täter zu kriminalisieren. – Foto: gik

Transparency International definiert Whistleblower folgendermaßen: „Hinweisgeber ist, wer Informationen über wahrgenommenes Fehlverhalten in einer Organisation oder das Risiko eines solchen Verhaltens gegenüber Personen oder Stellen offenlegt, von denen angenommen werden kann, dass diese in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen oder sonst angemessen darauf zu reagieren.“ Das Problem dabei: In Deutschland gehen diese Menschen meist ein hohes Risiko ein, sie werden verfolgt, gekündigt und stigmatisiert – die Folgen haben sie oft lebenslang zu tragen. „Hinweisgeber sind in Deutschland nur in spezifischen Situationen geschützt, für die Mehrzahl der Beschäftigten ist der Schutz unzureichend“, schreibt Transparency, und weiter: „Nicht ausreichend geschützt sind vor allem Personen, die – zum Beispiel mangels einer internen Möglichkeit – einen Hinweis außerhalb ihrer Organisation platzieren wollen, sei es bei einer Behörde oder den Medien.“ Es herrsche eine hohe Rechtsunsicherheit und die Gefahr von erheblichen Nachteilen am Arbeitsplatz.

Tatsächlich teilte Oberbürgermeister Ebling am Dienstag umgehend als Reaktion auf das Schreiben mit, die Stadt prüfe rechtliche Schritte gegen den oder die Verfasser des Schreibens. Die Freien Wähler warfen Ebling prompt „Drohgebärden“ gegenüber den Verfassern des Briefes vor: „Anstatt schon Gegenschüsse anzukündigen, wäre es doch offensichtlich zunächst sinnvoll, den Vorwürfen nachzugehen und nicht sich in Drohgebärden zu ergehen“, sagte Stadtratsmitglied Kurt Mehler: „Ganz im Gegenteil: ein Oberbürgermeister sollte lieber dafür Sorge tragen, dass seine Mitarbeiter anonym über einen Anwalt Vetternwirtschaft, Parteibuch-Besetzungen, Bestechungen und Vorteilsnahmen melden dürfen.“

Das forderte am Freitag dann auch die ÖDP: Es brauche ein verwaltungsinternes Hinweisgebersystem, das internen Hinweisgebern die Möglichkeit gebe, „Verdachtsfälle zeitnah und geschützt zu melden“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Ein „Integritäts- und Redlichkeitsmanagement“ – kurz: Compliance-Management – könne in Zukunft dafür sorgen, Skandale zu vermeiden. „Die nun anonym vorgetragenen Vorwürfe sind ein Schlag ins Gesicht der gesamten Stadtverwaltung und aller Kommunalpolitiker“, klagte Moseler. Es bestehe „ein Generalverdacht, dem viele angesichts der bekannten Unregelmäßigkeiten um die verschwundenen Akten im Wirtschaftsdezernat gern Glauben schenken.“

„Die über Nacht entsorgten Akten im Wirtschaftsdezernat unter Herrn Sitte waren anscheinend nur die Spitze des Eisberges“, sagte auch der Spitzenkandidat der AfD für den Mainzer Stadtrat bei der anstehenden Kommunalwahl, Lothar Mehlhose: Im Rathaus herrsche „offenbar ein Klima des Schweigens und der Angst vor Repressalien.“ In Mainz grassiere seit langem Vetternwirtschaft, die Staatsanwaltschaft müsse den Vorwürfen der Günstlingswirtschaft entschieden nachgehen.

Tatsächlich hatten die Verfasser des anonymen Schreibens explizit die Aktenvernichtung im Wirtschaftsdezernat als Vertuschungsaktion bezeichnet und behauptet, damit seien Beleg für Verfehlungen vernichtet worden. Die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) hatte nach ihrer überraschenden Wahl ins Amt vergangenen Dezember vor leergeräumten Schränken und Computern gestanden, bis heute ist nicht aufgeklärt, wer die Unterlagen und Dateien entfernte. Ebling hatte noch im Februar im Stadtrat gesagt, er wolle den Sonderbericht des Revisionsamtes abwarten.

Was passiert hinter den Kulissen von Rathaus und Verwaltung? Whistleblower können oft wertvolle Hinweise geben, Korruption oder Verfehlungen aufzudecken – Oppenheim war so ein Fall. – Foto: gik

Der Bericht solle „in den nächsten Tagen“ kommen, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig, er sei sehr gespannt auf das Ergebnis: „Egal ob das Diebstahl ist oder das Vorenthalten von Akten, das sind alles Eigentumsdelikte“, sagte Schönig: „Für mich steht fest, dass in dem Bericht strafrechtlich relevante Vorwürfe bestätigt werden müssten“ – das hätten ihm Juristen in Gesprächen bestätigt. „Diese Tatbestände müssen Konsequenzen haben“, fordert Schönig, dazu müsse aufgeklärt werden, welche Motivation hinter dem Vorgang stehe: „Welche Motivation hatte derjenige? Vertuschen? Gab es einen Auftrag?“

„Eine Beteiligungsstruktur mit über 170 Tochterunternehmen der Stadt sowie Grundstücksgeschäfte der Stadtwerke und anderer städtischer Firmen sind anfällig für Bestechung und Vorteilsannahme“, sagt Gerhard Wenderoth, Vorsitzender der Freien Wähler. Informationen von anonymen Whistleblowern seien daher „essenziell für eine transparente Demokratie.“ Erst wenn „klar sei, dass hier lediglich Verleumder am Werk sind, wäre eine strafrechtliche Verfolgung der Urheber notwendig.“

Auch die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel forderte Aufklärung: „Wir können nur Fakten beurteilen und nicht Spekulationen“, sagte Flegel auf Mainz&-Anfrage, „und wir befinden uns derzeit im Bereich der Spekulationen.“ Sie selbst sei von dem Brief „genauso überrascht worden, wie alle anderen auch. „Die staatlichen Stellen sind gefordert, jetzt Licht ins Dunkel zu bringen“, betonte Flegel. Letztlich müsse eine Staatsanwaltschaft die Vorwürfe bewerten.

Transparency International fordert seit langem eine gesetzliche Pflicht zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen für alle Unternehmen, Organisationen und Körperschaften der öffentlichen Hand ab einer bestimmten Größe – vorgeschrieben ist das bislang in Deutschland nur für Firmen der Finanz- und Immobilienbranche. Hinweisgeber im Angestellten- und Beamtenverhältnis müssten besser und vor allem gesetzlich geschützt werden, „damit sie auf Rechtsverletzungen und schwerwiegende Missstände hinweisen können, ohne Sorge um ihren Arbeitsplatz haben zu müssen.“ Dazu gehörten sowohl klare interne und externe (anonyme) Meldewege als auch ein Verbot der Benachteiligung von Hinweisgebern, die in gutem Glauben handelten.

Wer bezahlt wen, wer verfolgt wessen Interessen – ein wesentlicher Aspekt bei der Aufdeckung von Korruption – sowie hier beim Motivwagen des MCV zu den Aktivitäten von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD). – Foto: gik

Whistleblower dürften nicht länger kriminalisiert werden, denn sie „unterstützen die Gesellschaft dabei, sich vor illegalen und illegitimen Machenschaften zu schützen, indem sie diese aufdecken“, betont Transparency: „Hinweisgeber müssen geachtet werden. Sie setzen sich unter Inkaufnahme erheblicher persönlicher Risiken für das Gemeinwohl ein.“

In Österreich macht man derweil gute Erfahrungen mit anonymen Hinweisgebersystemen: 2013 führte dort die Staatsanwaltschaft für Korruption und Wirtschaftsstrafsachen ein anonymes Meldesystem im Internet ein. In dem System kam ein Hinweisgeber anonym über einen persönlich eingerichteten Postkasten Hinweise auf Straftaten im Bereich Korruption, Sozialbetrug, Wirtschaftskriminalität oder Geldwäsche hinterlassen, der große Vorteil dabei: die Staatsanwälte können anonym mit dem Hinweisgeber in Kontakt treten und Nachfragen stellen, eine Rückverfolgung der IP-Adresse sei nicht möglich, betont die Behörde.

Die Erfahrungen waren rundum positiv: Nach zwei Jahren meldete die Staatsanwaltschaft, die Whistleblowing-Homepage erleichtere die Aufklärung von Korruptionsfällen und Wirtschaftskriminalität deutlich. Binnen zweier Jahre seien 2.540 Meldungen eingegangen, nur sieben Prozent davon seien substanzlos gewesen. Mehr als 350 Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden, rund 27 Prozent der Hinweise an andere Staatsanwaltschaften weiter geleitet worden – und rund 33 Prozent an Finanzbehörden. Das Modellprojekt wurde daraufhin 2016 dauerhaft verankert. „Die Anonymität der Mitwisser ist notwendig, denn nur so kommen wir an Informationen, die sonst nur schwer zugänglich sind“, heißt es dort. Die Whistleblower-Homepage sei ein echtes „Erfolgsmodell“.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Forderungen von Transparency International in Sachen Hinweisgeberschutz findet Ihr hier bei der Organisation im Internet. Ein anonymes Hinweisgebersystem in Deutschland haben bislang vor allem große Firmen wie Volkswagen oder Daimler, Firmen mit amerikanischen Müttern – und auch die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. In Städten sind zentrale Anlaufstellen für Korruption noch selten, es gibt sie etwa in Berlin, München oder Nürnberg. Einen Leitfaden rund um das Thema Whistleblowing und Hinweisgebersysteme findet man hier bei Transparency International.

 

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