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Tagesarchive: 11. Mai 2019

„Pfleger des Jahres“ 2019 kommt aus Mainz – Marcel Becker von der Mainzer Uniklinik als Pfleger mit „Herz & Mut“ ausgezeichnet

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Heute Abend hat zumindest ein Mainzer in Berlin heftiges Herzklopfen: Marcel Becker, Pfleger von der Mainzer Universitätsklinik wird heute Abend als „Pfleger des Jahres“ 2019 ausgezeichnet. Eine bundesweite Jury aus Pflegeexperten wählte den gerade einmal 24 Jahre jungen Krankenpfleger aus Mainz zum besten Pfleger mit „Herz & Mut“ des Jahres 2019. Die Kampagne des badischen Firma Jobtour medical will besondere Pflegeleistungen herausheben und für eine bessere Wertschätzung des Pflegeberufes werben. Mit Becker haben sie einen herausragenden Vertreter der Berufssparte gefunden: Der 24-Jährige leitet zwei Stationen der Mainzer Urologie als Pflegeleiter, entwickelte Standards und moderne Arbeitsmethoden und wird von seinem Team hoch geschätzt als kompetenter und mitfühlender Chef und Pfleger. Mainz& hat Marcel Becker vor seiner Auszeichnung diese Woche besucht.

Marcel Becker beim Aufziehen einer Infusion auf seiner Urologie-Station in der Mainzer Uniklinik. Der 24 Jahre alte Stationsleiter wurde heute mit dem Titel „Pfleger des Jahres“ ausgezeichnet. – Foto: gik

„Im Bett liegen, das macht Angst“, sagt Marcel Becker, man fühle sich ausgeliefert, hilflos. Und genau deshalb, sagt er, „lachen wir hier viel, wir machen viel Spaß mit den Patienten, bis vor die Schleuse in den OP.“ Denn, sagte Becker, „wer lachend in den OP hineingeht, der kommt auch lachend hinaus.“ Marcel Becker ist Krankenpfleger an der Mainzer Universitätsklinik, mit ganzen 24 Jahren leitet er bereits zwei Stationen der Urologie, hat zwölf Mitarbeiter unter sich. Und trotzdem strahlt Becker Ruhe und Gelassenheit aus – und Freude an seinem Beruf. Genau dafür wird der Mainzer am Samstag in Berlin mit dem Titel „Pfleger des Jahres“ ausgezeichnet, der Preis wird seit drei Jahren von dem Pflegeunternehmen Jobtour Medical aus Baden-Baden verliehen.

Die Pflege ist in aller Munde, sie gilt als Problemberuf unserer Zeit: Viel zu wenig Personal, hohe Anforderungen, geringe Bezahlung, überbordende Bürokratie, nicht genug Zeit für die Patienten – die Liste der Mängel ist lang. 2017 rief Jobtour medical deshalb die Kampagne „Herz & Mut“ ins Leben, das Ziel: Die gesellschaftlich wichtige Bedeutung der Pflege mehr ins Bewusstsein zu rücken und für eine höhere Wertschätzung der Pflegekräfte werben.

Mehr als 2.000 Pflegekräfte wurden in diesem Jahr aus dem ganzen Bundesgebiet für den Titel „Pfleger des Jahres“ vorgeschlagen, die Auswahl traf eine Jury, in der unter anderem Pflegekräfte aus der Praxis bundesweit vertreten sind. Auf den ersten Platz wählte die Jury den Mainzer Marcel Becker, auf ihn wartet der Titel und ein Preisgeld von 5.000 Euro.

Mitten im Urlaub erreichte den jungen Mann die Nachricht vom Sieg. „Nee, Quatsch, du veralberst mich!“ war seine erste Reaktion, erzählt er lächelnd. Geboren wurde Becker in einem kleinen Ort bei Bad Hersfeld, mit 17 Jahren beschloss er, der Schule adé zu sagen und Krankenpfleger zu werden. „Ich habe immer schon gerne mit Menschen gearbeitet“, sagt Becker, „und ich wollte einen Beruf, wo man sich beruflich entwickeln kann.“

Noch immer werden die Patientenakten in Krankenhäusern auf Papier geführt – umständlich und zeitraubend, findet Marcel Becker. Der 24-Jährige hat viele Verbesserungsideen – ein Grund für seine Auszeichnung als „Pfleger des Jahres“. – Foto: gik

Becker tat das im Turbotempo: Nach seiner dreijährigen Ausbildung als Krankenpfleger kam er im Oktober 2015 nach Mainz in die Notaufnahme am Universitätsklinikum. Mitte 2017 wurde er mit nur 22 Jahren Stationsleiter der Urologie, bekam schnell eine zweite Abteilung hinzu. „Das ist schon ungewöhnlich“, sagt er ruhig, „umso schöner ist es, dass das Team mich so akzeptiert hat.“

Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen ist Becker inzwischen auch noch, die Zusatzausbildung machte er berufsbegleitend. Auf seiner Station entwarf er Pflegestandards und führte ein EDV-Bettenmanagementsystem ein. „Ich mache das aus meiner Erfahrung heraus“, sagt Becker, „ich arbeite jeden Tag da draußen.“ Im Büro sitze er höchsten einmal im Monat, seine Ideen entwickelt er aus der praktischen Arbeit heraus.

So hat jeder Mitarbeiter auf seiner Station eine eigene Aufgabe, einer betreut den Notfallwagen, die andere die Küche. „So fühlt sich jeder gebraucht“, sagt Becker. Ohne sein Team „wäre ich nichts“, betont er, auch seine Auszeichnung jetzt sieht er als Teamleistung. Es ist diese Aufmerksamkeit für den Anderen, die hier, auf der Urologie, die Atmosphäre prägen – und es sind diese Kleinigkeiten, an denen Becker schraubt. Zehn Tage lang betreut ein Pfleger dieselben Patienten, so entstehe eine Bindung und ein Vertrauensverhältnis. Auch wenn wenig Zeit sei, „Freundlichkeit, kleine Unterhaltungen, das kostet keine Zeit, aber der Patient fühlt sich wohl“, sagt Becker. Die Patienten würden ermutigt, sich selbst Wasser zu holen, zum Stationszimmer zu kommen, aktiv zu sein. „Das entlastet einen, auch weil die Patienten selbstständiger sind“, sagt Becker.

Personalmangel, das haben sie auch hier, nachts ist ein Pfleger für 26 Betten zuständig. Zwei bräuchten sie eigentlich, sagt Becker, und wenn er Gesundheitsminister wäre, er würde sofort Mindeststandards für alle Bereiche einführen. Für die Urologie sollen die nicht kommen, für Becker unverständlich: „Wir fahren hier High End-Medizin“, sagt er, die Prozesse würden immer komplexer, die meisten Patienten hätten mehrere Krankheiten. Zwei Pfleger haben sie tagsüber zur Verfügung, drei bräuchten sie eigentlich, mindestens.

Digitale Akten wären eine wichtige Arbeitserleichterung, „wir schreiben noch auf Papier, das ist umständlich und kostet viel Zeit“, sagt Becker. Doch das digitale Bettensystem, das er erfolgreich einführte, scheiterte auf anderen Stationen – und wird nun wieder abgeschafft. „Die Mitarbeiter haben wenig Bezug zu Medien, das ist in der Pflege ein Problem“, sagt Becker. Digitalisierung brauche Schulung und Übung, „und da haben wir in Deutschland echt gepennt von Regierungsseite aus.“

Attraktiv, oh ja, das sei sein Beruf, sagt Becker noch, aber die Rahmenbedingungen, die müssten sich dringend ändern. Mehr Leute, ein angemessenes Gehalt, bessere Rahmenbedingungen, zuverlässigere Dienstpläne, „dann läuft das“, sagt Becker. „Der einzige Grund, warum das System noch nicht zusammengebrochen ist, ist weil bei uns der Patient im Vordergrund steht“, betont der junge Chef noch: „Ich gehe erst, wenn ich weiß, ich kann beruhigt dem Nächsten den Dienst überlassen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Initiative „Herz & Mut“ in der Pflege und den „Pfleger des Jahres“ findet Ihr hier im Internet. Über die „Pflege in Not“ hat Mainz& schon berichtet – etwa als der Nieder-Olmer Pfleger Stefan Heyde im Sommer 2018 seine Pflegepetition im Berliner Gesundheitsministerium übergab.

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91 unbekannte Missbrauchsfälle der katholischen Kirche für Staatsanwaltschaften – Kirchenstreik Maria 2.0 gestartet

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Eine Meldepflicht für Fälle von sexuellem Missbrauch für Kleriker und Ordensleute – erstmals seit dem Bekanntwerden des großen Umfangs der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zieht Papst Franziskus konkrete Konsequenzen. Der Papst erließ nun eine Meldepflicht für die gesamte katholische Kirche ab Juni für Missbrauch und Vertuschung, allerdings gilt diese Meldepflicht nur kirchenintern – und nicht für staatliche Verfolgungsstellen. Die stellen inzwischen fest, dass ihnen so einige Fälle in der Vergangenheit vorenthalten wurden: 91 noch nicht bekannte Missbrauchsfälle fanden die Staatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz in den Listen, die ihnen die Bistümer seit Januar 2019 überließen. Die allermeisten Fälle sind allerdings verjährt – oder so vage, dass sie kaum Anhaltspunkte für Verfolgung liefern. Die Missbrauchsstudie hat inzwischen heftige Reaktionen ausgelöst: Am Samstag startete ein Kirchenstreik von Frauen unter dem Motto „Maria 2.0“, auch im Bistum Mainz.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf im März 2019 in seinem Arbeitszimmer. Kohlgraf macht die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs zur Chefsache. – Foto: gik

Die Prüffälle sind eine Folge der im September 2018 vorgestellten sogenannten MGH-Studie über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. 3.677 Kinder und Jugendliche wurden demnach in einem Zeitraum von 1946 bis 2014 bundesweit missbraucht, die Taten durch 1.760 Kleriker begangen – im Bistum Mainz wurden etwa 200 Fälle mit 169 Opfern und 53 Tätern aus dem Klerikerbereich gezählt. Den Forschern wurde zur Erstellung der Studie allerdings kein Einblick in Originalakten gewährt. Experten gehen deshalb davon aus, dass die wahren Zahlen um ein Vielfaches höher sein könnten.

Der neue Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zeigte sich nach Bekanntwerden der Studie tief erschüttert und kündigte umfassende Aufklärung an. Kohlgraf bat die Opfer um Vergebung – und er ordnete an, alle bekannten Fälle im Bistum Mainz noch einmal zu durchforsten, ob auch wirklich alle Täter verfolgt wurden. Im März 2019 berichtete Kohlgraf, er habe eine Expertengruppe eingesetzt, allen Opfern ein Gesprächsangebot gemacht – und dass das Bistum eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeite. Eine Liste mit 199 Fällen übergaben die Mainzer den Strafverfolgungsbehörden, seither läuft dort die Aufarbeitung.

Allein auf der Grundlage der MGH-Studie hätten die Staatsanwaltschaften keine Anknüpfungspunkte für Ermittlungen zu möglicherweise nicht verjährten Straftaten gehabt, informierte Justizminister Herbert Mertin (FDP) nun im Rechtsausschuss des Mainzer Landtags. Doch im Oktober 2018 stellten sechs Strafrechtsprofessoren Anzeige wegen möglicherweise nicht verjährter Fälle, daraufhin wandten sich die Staatsanwaltschaften an die Bistümer in Rheinland-Pfalz, die ihnen Listen mit Verdachtsfällen zur Verfügung stellten.

Die katholische Kirche hat seit Bekanntwerden des unglaublichen Ausmaßes der Missbrauchsfälle große Probleme mit ihren Gläubigen. – Foto: gik

Seither habe die Staatsanwaltschaft in Koblenz die Listen der Bistümer mit den bereits bekannten Vorgängen oder Verfahren bei den Behörden abgeglichen, sagte Mertin. Bei bisher unbekannten Verdachtsfällen wurden Prüfvorgänge angelegt und Unterlagen angefordert – in 91 Fällen war dies der Fall, 91 Fälle, die den staatlichen Behörden nicht gemeldet wurden. Das meiste seien allerdings lange zurückliegende Vorfälle oder solche, zu denen nur vage Informationen vorlägen, sagte der Justizminister weiter. Die Fälle beträfen nicht nur Geistliche, sondern auch Erzieher in kirchlichen Einrichtungen.

Nach den bisherigen Prüfungen waren 27 Fälle bereits verjährt, in 21 Fällen der oder die Tatverdächtige bereits verstorben, und in 32 Fällen fehlte es an konkreten Anhaltspunkten für eine Straftat. Diese Fälle wurden zwar als Missbrauch erfasst, erfüllten aber zum damaligen Tatzeitpunkt keinen Straftatbestand, betonte der Minister – das Strafrecht wurde seither geändert. Die Aufarbeitung sei aber noch nicht abgeschlossen, betonte Mertin. Aktuell seien noch elf Prüfvorgänge oder Ermittlungsverfahren anhängig. Die Bistümer hätten im Übrigen umfangreich kooperiert, betonte der Minister, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sei „auf einem strafrechtlich geordneten Weg.“

Im Bistum Mainz werden derzeit auf Kohlgrafs Veranlassung hin „qualifizierte Standards der Präventionsmaßnahmen und der Interventionsprozesse“ entwickelt, der Bischof will diese Maßnahmen regelmäßig von externen Experten evaluieren lassen. Seit 1. April ist der Psychotherapeut Peter Schult aus Ginsheim neuer Ansprechpartner des Bistums für Betroffene. Kohlgraf selbst scheute sich im Zuge der Aufarbeitung auch nicht davor, Fragen an das System Kirche zu stellen – insbesondere über den Zölibat.

In Nieder-Olm und vielen anderen Kirchen im Land traten Frauen am Samstag in eine Kirchenstreik, eine Woche lang wollen in der Kirche engagierte Frauen in den Streik treten. Unter dem Stichwort „Maria 2.0“ fordern sie eine Erneuerung der Kirche, die Abschaffung des Pflichtzölibats, die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern und eine veränderte Haltung der Kirche zur Sexualmoral. Der Kirchenstreik ist eine direkte Folge des Missbrauchsskandals, als Konsequenz fordern die Frauen nun nichts weniger als „die Abschaffung bestehender männerbündischer Machtstrukturen“.

Die Aktion „Maria 2.0“ ruft zum Kirchenstreik der Frauen in der katholischen Kirche auf – sie fordern mehr Rechte und ein Durchbrechen männlicher Machtstrukturen. – Collage: gik

Bis zum 18. Mai werde man keine Kirche mehr betreten und keinen Dienst in den Gemeinden tun, sondern vor den Kirchen Gottesdienste feiern und Klagen und Forderungen nachdrücklich zum Ausdruck bringen. Gott habe Männer und Frauen gleich geschaffen, argumentieren die Frauen: „Wir werden deutlich machen, dass jetzt die Zeit ist und die Stunde, um zu handeln.“

Bischof Kohlgraf schrieb den streikenden Kirchenfrauen übrigens, er habe Verständnis für die Anliegen, halte den Streik selbst aber „für nicht hilfreich“: Die fertigen Lösungen seien ihm zu plakativ, mit einfachen Schlagworten seien die Probleme aber nicht zu lösen, schrieb Kohlgraf – und fügte hinzu: „Ich bin da offenbar ratloser als Sie. Ich weiß noch nicht, was der Geist Gottes am Ende von uns will.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Missbrauchsstudie der katholischen Kirche lest Ihr hier bei Mainz&, welche Konsequenzen Bischof Peter Kohlgraf daraus zieht unter anderem hier bei Mainz&. Mehr zum Kirchenstreik „Maria 2.0“ findet Ihr hier bei der Pfarrei in Nieder-Olm oder auf dieser zentralen Internetseite.

 

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Wende auf dem Wohnungsmarkt? – In Mainz steigen Mieten und Immobilienpreise auch 2019 weiter deutlich

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Mögliche Wende aus dem Wohnungsmarkt, Mieten sinken erstmals seit 2005 wieder, meldete Spiegel Online diese Woche, es klang wie eine echte Sensation. Eine „Trendwende“ deute sich an, jubelte das Online-Magazin, doch Vorsicht: Für Mainz sind Entwarnungs- und Jubelmeldungen zu früh. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt sind auch im ersten Quartal 2019 die Mieten weiter deutlich gestiegen – inzwischen müssen hier 10,35 Euro für Neuvermietungen auf den Tisch gelegt werden. Mainz ist damit inzwischen eine der teuersten Städte der Republik – vor Städten wie Düsseldorf, Berlin und sogar Köln. Und auch bei den Kaufpreisen liegt Mainz ganz weit vorn, sogar noch vor der Nachbarstadt Wiesbaden.

Teer, teurer, Mainz : Die Preise für Mieten und Immobilien sind in Mainz auch 2019 weiter gestiegen – Mainz gehört inzwischen zu den teuersten Städten der Republik. Hier Wohnungen im neuen Mainzer Zollhafen. – Foto: gik

Grundlage für die Meldung auf Spiegel Online war der F+B Wohn-Index, der jedes Quartal den Durchschnitt der Preis- und Mietentwicklung von Wohnimmobilien für alle Gemeinden in Deutschland ermittelt und auswertet. Und danach stieg der Wohnindex im ersten Quartal 2019 weiter an, um 1,2 Prozent im Vergleich zum letzten Quartal 2018 – und sogar um 5 Prozent zum 1. Quartal 2018.

„Die Wachstumsdynamik ist nach Beobachtungen von F+B im Frühjahr 2019 in der Gesamtschau des deutschen Wohnimmobilienmarktes ungebrochen“, konstatierte F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner. Das sei Zunder für die „die immer emotionaler geführte öffentliche Debatte insbesondere um die Wohnungsmieten.“ Preistreiber seien dabei vor allem die Eigentumswohnungen, deren Preise stiegen um 2,1 Prozent im Vergleich zu Ende 2018. Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern stiegen die Preise im Vergleich zum Vorquartal 4/2018 um 0,8 Prozent – aber um 6,1 Prozent im Vergleich zu vor einem Jahr.

Tatsächlich berichtete F+B aber auch, dass die Neuvertragsmieten erstmals seit 2005 sanken – und zwar um 0,3 Prozent. Das ist ein bundesweit gemittelter Wert, der zeige, dass „das Wachstum der Neuvertragsmieten aktuell eine Pause einlegt“, konstatierte Leutner. Ob sich dieser Trend auch in den nächsten Quartalen festige, sei „wahrscheinlich eine der spannendsten Fragen der Wohnungspolitik überhaupt.“ Denn im Jahresvergleich zum 1. Quartal 2018 wuchsen die Mieten weiter, um plus 2,0 Prozent.

Aber auch Bestandsmieten sind in Mainz von Normalverdienern der Mittelschicht kaum noch zu bezahlen. – Foto: gik

Auch die Bestandsmieten stiegen Anfang 2019 bundesweit noch weiter, wenn auch nur leicht um 0,4 Prozent, im Vergleich zum ersten Quartal 2018 sogar um 1,4 Prozent. Damit ist auch bundesweit eine echte Trendwende mitnichten in Sicht. Das belegt auch die von F+B festgestellte sinkende Umzugsbereitschaft der Mieter: „Wer umzieht, muss in der Regel je Quadratmeter mit einer deutlich höheren Miete rechnen“, sagte Leutner. „Mobilität wird behindert, wenn nicht bestraft. Damit wird die Freisetzung von Wohnfläche beschränkt, was die Marktanspannung vergrößert.“

Besonders drastisch wird der anhaltende Anstieg beim Blick auf die Mainzer Zahlen: Im ersten Quartal 2014 stand in unserer Stadt noch eine Durchschnittsmiete von 9,35 Euro im Wohn-Index, zum 1. Quartal 2018 stieg der Wert schon auf 9,88 Euro – und sprang Anfang 2019 über die 10-Euro-Marke: 10,35 Euro misst der Wohn-Index jetzt für Mainz, das ist mehr als in Wiesbaden (9,48 Euro), mehr als in Berlin (9,33 Euro) und sogar mehr als in Düsseldorf (10,09 Euro) oder Köln (10,23 Euro).

Von größeren Städten im Wohn-Index lagen nur Städte wie Frankfurt (11,55 Euro) und Freiburg (11,28) höher, sogar eine Stadt wie Hamburg lag mit 10,52 Euro nur minimal über den Mainzer Preisen. Zum Vergleich: in großen Städten im Osten wie Leipzig liegt der Mietdurchschnitt gerade einmal bei 5,46 Euro. Einsamer Spitzenreiter in Deutschland ist weiter die bayrische Landeshauptstadt München mit inzwischen 16,82 Euro pro Quadratmeter.

Im Heiligkreuz-Areal sollen in den kommenden Jahren mehr als 1.000 neue Wohnungen entstehen, 25 Prozent davon geföderte Sozialwohnungen. – Foto: gik

Auch bei den Immobilienpreisen hat Mainz einen drastischen Anstieg zu verzeichnen: 3.597 Euro kostet inzwischen ein Quadratmeter zum Kauf in Mainz – 1.000 Euro mehr als im ersten Quartal 2014, als der Quadratmeter in Mainz 2.590 Euro kostet. Die Nachbarschaft Wiesbaden liegt inzwischen einige Euro günstiger (3.589) – und selbst eine Stadt wie Köln (3.572 Euro). Zum Vergleich: In Düsseldorf zahlt man 3.752 Euro pro Quadratmeter, in Frankfurt 4.743 Euro und in Hamburg 4.565 Euro. In Leipzig kostet der Quadratmeter dagegen nur 1.772 Euro – in München hingegen 6.911 Euro.

Die Preissteigerungen seien Zündstoff in einer „sich rasant verschärfenden wohnungspolitischen Debatte“, sagte Leutner weiter – und verwies dabei auf die gerade von Juso-Chef Kevin Kühnert ausgelöste Debatte um Enteignungen, aber auch von Mietinitiativen wie in Berlin. Die von den enorm steigenden Mieten betroffenen Normalverdiener oder Transfereinkommensempfänger, vor allem in den prosperierenden Ballungsräumen, erlebten derzeit, dass das Grundbedürfnis „Wohnen“ in der gewohnten Form und Qualität „akut bedroht ist“, warnte Leutner – das führe zu immer heftigeren emotionalen Reaktionen. Politik und Wirtschaftselite aber reagierten darauf „unsicher und hilflos“.

Preisentwicklung der Mieten und Immobilien seit 2004 in Deutschland laut F+B Wohn-Index. – Grafik: F+B

Der F+B-Chef plädierte deshalb „für deutlich mehr politischen Mut, auch unangenehme Wahrheiten zu benennen und auszuhalten“ – und für Aktionen: Noch immer stelle der Bund den Ländern deutlich zu wenige Mittel zur Förderung von sozialem Wohnraum zur Verfügung, 2014 seien es ganze 0,04 Prozent des bereinigten Bundeshaushalts gewesen. Dabei könne der Staat doch auch mal ernsthafte regulierende Maßnahmen erwägen, „um Übernahmen sozial engagierter Unternehmen durch markt-aggressive international agierende Investoren zu verhindern“, schlägt Leutner vor. Und privatwirtschaftlich organisierte Wohnungsunternehmen und Kleinvermieter könnten freiwillig auf weitere Mietpreissteigerungen verzichten.

Das Land Rheinland-Pfalz zumindest schloss in dieser Woche eine Kooperation mit vier größeren Städten im Land, bei der sich die Städte verpflichten, eine bestimmte Zahl neuer geförderter Wohnungen zu schaffen, dazu gehören allerdings sowohl Mietwohnungen als auch selbst genutzter Eigentumswohnraum. Mainz verpflichtete sich dabei zur Schaffung von 900 Wohneinheiten, Speyer auf 150, Landau auf 180 und  Trier auf 240 Wohneinheiten. Das Land versprach im Gegenzug – kurz vor der Kommunalwahl am 26. Mai -, die konkret anstehenden Maßnahmen mit rund 200 Millionen Euro zu fördern.

Für Mainz war das eine leichte Übung: Zwischen 2019 und 2025 sollen in der Landeshauptstadt ohnehin 5.500 neue Wohnungen entstehen. Gleichzeitig legte das Land dabei eine Mindestquote von 25 Prozent gefördertem Wohnraum für die neuen Wohngebiete fest, die in Mainz etwa beim Heiligkreuz-Areal bereits angewendet wird. Experten halten diese Quote für zu gering und fordern, wenigstens für einen Übergangszeitraum Gebiete mit 40 Prozent Sozialwohnungen bei Neubau auszuweisen, bis der Mietenanstieg gestoppt ist.

Tatsächlich geben auch andere Immobilien-Marktforschungsinstitute noch keine Entwarnung für den Wohnungsmarkt: Zwar sei so langsam „Licht am Ende des Tunnels“ in Sicht, schreibt etwa das bekannte Institut Empirica, doch noch gehe es nur um eine „baldige Mäßigung der Mietpreissteigerungen“ – eine Mietensenkung sei beileibe nicht in Sicht. Um den Mietpreisanstieg tatsächlich zu stoppen, müsse weiter gebaut werden – und zwar deutlich mehr über dem Bedarf und zu niedrigeren Herstellungskosten als bisher. „Nach zehn Jahren zunehmend steigender Mietpreise“, schreibt Empirica, „wäre das doch einmal was anderes.“

Info& auf Mainz&: Den aktuellen Wohn-Index von F+B findet Ihr hier im Internet, den Artikel auf Spiegel Online findet Ihr hier. Zu den Aussagen von Empirica geht es hier entlang.

 

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