Es scheint ja fast wie Zauberei: Der Drucker surrt – und produziert nicht etwa Text oder Bild, sondern eine richtige kleine Figur. Einen dreidimensionalen Gutenberg zum Beispiel. Oder ein Plastik-Ersatzteil für das kaputte Radio. Oder einen ganzen Sessel. Oder einen kompletten Unterkiefer… „Die Anwendungen sind unglaublich vielfältig, auch in der Medizin“, sagt Matthias Schwabe, Leiter der Forschung an der Mainzer Uniklinik. Am Wochenende fand der weltweit erste Internationale Kongress zum 3D-Druck in der Medizin in Mainz statt. Eine Ausstellung im Gutenberg-Museum zeigt medizinische Objekte, die mittels 3D-Druck hergestellt wurden.

Schwarzes Schaf wird im 3D-Drucker gedruckt
Ein kleines schwarzes Schaf entsteht im 3-D-Drucker – Foto: gik

Einen kompletten Unterkiefer ausdrucken – das sie dann doch leider noch Science Fiction, räumt Bilal Al-Nawas ein. Doch im Büro des Gesichtschirurgen an der Mainzer Universitätsmedizin steht bereits ein 3D-Drucker – und er kommt zweimal bis dreimal pro Woche zum Einsatz. Al-Nawas druckt bislang damit „nur“ Modelle aus, doch schon die haben es in sich: Es sind Hochpräzisionsmodelle von Unterkiefern oder menschlichen Gesichtsteilen, damit geht der Chirurg in den Operationssaal. „Das bringt mehr Präzision und spart immense OP-Zeit“, schwärmt Al-Nawas, „das ist selbst für uns als Chirurgen unglaublich präzise.“

Beim 3D-Druck spritzt ein Gerät mittels Drüsen flüssige Materialien nach Vorgabe des Computers auf ein Modell, das unter dem Druckkopf langsam in alle drei Dimensionen wächst. Ersatzteile für Hörgeräte, Prothesen, ja sogar die ersten Zahnprothesen, das ist bereits Realität, wenn auch noch unglaublich teuer. Doch der technische Fortschritt ist rasant, irgendwann in naher Zukunft werde so ein 3D-Drucker „in jeder Zahnarztpraxis stehen“, sagt Schwabe.

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3D-Druck - Replik der Venus vom Holen Fels kleiner - Foto Thilo Parg Wikimedia Commons Lizenz CC BY-SA 3.0
Diese Replik der „Venus vom Hohlefels“, einer etwa 35.000 Jahre alten Figur, wurde mittels eines 3D-Druckers hergestellt – Foto: Thilo Parg Wikimedia Commons Lizenz CC BY-SA 3.0

Der Vorteil der neuen Technik: „Wir müssen nicht den Körper dem Implantat anpassen, sondern wir passen das Implantat an den Körper an„, sagt Schwabe. Die Medizin kehre so zurück zur Individualität des einzelnen Patienten, Implantate und andere „Ersatzteile“ für den Körper werden besser verträglich, weil sie direkt auf den Patienten angepasst werden können. „Die Massenproduktion wird durch Ressourcen sparende, individuelle Lösungen abgelöst“, sagt Schwabe.

Individuell, vielfältig, für den Menschen da – das ist auch das Prinzip, das Buchdruck-Erfinder Johannes Gutenberg mit seinem Buchdruck mit beweglichen Lettern auslöste. „Gutenberg läutete die Demokratisierung des Wissens ein“, sagt Petra Nikolic vom Gutenberg-Museum. Heute präsentiert das Gutenberg-Museum nicht nur eine Ausstellung zum 3D-Druck, bei der ein 3D-Drucker eine kleine Gutenberg-Figur ausdruckt. Das Museum spekuliert auch auf ganz praktischen Nutzen der neuen Technik: metallene Verschlüsse und andere notwendige Elemente zur Restaurierung von Büchern ausdrucken, das ist die nahe Zukunft.

Museen, Theater, wissenschaftliche Einrichtungen – für alle diese biete der 3D-Druck ganz neue Möglichkeiten, sagt auch Schwabe. So könnten etwa Naturhistorische Museen nachgebildete Dinosaurierknochen einfach ausdrucken, Architekturmodelle würden schon jetzt so hergestellt. „Ein Möbelhaus wie Ikea wird einfach einen 3D-Drucker aufstellen, an dem man sich wie eine Cola das richtige Ersatzteil ziehen kann“, prophezeit Schwabe. Schon jetzt drucken Künstler ganze Sessel oder Bars aus wabenartigen Strukturen aus 3D-Druckern aus – schöne neue Wohnwelten entstehen da am Computer.

In Mainz erforscht nun ein Landesforschungsschwerpunkt die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Technik noch stärker. Bei „BiomaTiCS“ arbeiten Chirurgen und Materialwissenschaftler gemeinsam an der Weiterentwicklung des 3D-Drucks in der Medizin, denn noch haben die Ärzte ein Problem: Knochen oder gar menschliche Zellen können sie noch nicht ausdrucken. „Mein Traum wäre ein Material zu haben, das im Körper des Menschen zu eigenen Knochen wird“, sagt Al-Nawas.

Carsten Kroll von DDD Printservice Wiesbaden designt ein Ersatzteil am Computer kleiner
Carsten Kroll von DDD-Printservice Wiesbaden designt beim Repair Café ein Ersatzteil für den 3D-Druck am Computer – Foto: gik

Weit weg ist so etwas nicht mehr: Forscher experimentieren bereits mit Materialkombinationen aus Gewebe und Polymeren, einer Art Zuckersubstanz als Bindemittel. Erste Tierversuche mit künstlichen Schilddrüsen laufen, die Tieren wirklich eingepflanzt wurden. Die Zukunft, in der die Ärzte ein Herz oder eine Niere am Computer speziell für einen Patienten erstellen und ausdrucken können – so weit weg ist das gar nicht mehr. Die Vorteile wären erheblich verringerte Infektionsgefahren, und die Körper würden die neuen Organe nicht mehr abstoßen – sie könnten ja aus eigenen Zellen hergestellt werden.

„Wir könnten uns als Uniklinik einen solchen Drucker kaufen, und ihn in einer eigenen Firma als Dienstleister für die Kliniken in der ganzen Region verwenden“, sagt Schwabe – natürlich ist damit noch keine Organ-Herstellung gemeint, sondern eher Knochenteile, Prothesen oder eben Zähne. „Es wird Zentren geben, die sich hochwertige Drucker anschaffen und mit verschiedenen Materialien arbeiten, also Keramik, Metall oder synthetischem Gewebe“, sagt Matthias Fink: „Die liefern dann sehr schnell die nötigen Elemente für die Operationen zu, das gewünschte Teil wird dann mit dem Paketdienst oder der Drohne zugeliefert.“

3D-Drucker von DDD Printservice beim Repair Cafe kleiner
3D-Drucker von DDD Printservice beim Repair Cafe – Foto: gik

Fink ist Chef des Instituts für Innovationen an der Universität Linz, der 3D-Druck fasziniert ihn als eine Entwicklung, die die Gesellschaft revolutionieren wird. Gerade in den vergangenen Jahren sei eine große Dynamik in der 3D-Druck-Branche entstanden, sagt er – dabei ist die Technik selbst schon 30 Jahre alt: 1984 stellte der amerikanische Erfinder Chuck Hull den ersten 3D-Drucker vor, danach aber verschwand die Technik weitgehend aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit.

Industrie, Luftfahrt, Formel 1 – „überall, wo sie hoch belastbare Stoffe mit geringem Gewicht brauchen, ist 3D-Druck längst Alltag“, sagt Fink. Inzwischen stehen 3D-Drucker zwar in Elektronikmärkten, doch über die Dimension kleiner Teile für den Modellbau sind sie nicht wirklich hinaus gekommen. In Zukunft werde es auch im privaten Bereich vermehrt Dienstleister geben, die ein gewünschtes Teil ausdrucken und schicken, sagt Fink – in der Erotikindustrie sei das schon jetzt ein großer Markt.

Wichtig wäre nun, meint Fink, dass die Politik die Akzeptanz der Technik in der Bevölkerung unterstütze: „Wir müssen die Potenziale der neuen Technik noch besser erklären – es ist eine Technik, die helfen kann.“

Info& auf Mainz&: Die Präsentation „Von Gutenberg zum 3D-Druck“ im Gutenberg-Museum mit medizinischen Exponaten und einem echten 3D-Drucker in Aktion ist noch bis Ende Mai zu sehen. Informationen zum Gutenberg-Museum findet Ihr hier. Einen kleinen 3D-Drucker in Aktion könnt Ihr aber auch beim Mainzer Repair Café bestaunen: Carsten Kroll vom DDD Druckservice Wiesbaden stellt dort ein Gerät zur Verfügung und erklärt auch gerne die Anwendungsmöglichkeiten. Mehr zum Repair Café findet Ihr hier. Wenn Ihr mal schauen wollt, was Forschung, Medizin und 3D-Druck derzeit alles so anstellen: schaut mal bei 3d-grenzenlos.de vorbei – das medizinische Dossier gibt’s hier.

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