Die Suche nach einer neuen Koalition im Mainzer Stadtrat für die kommenden fünf Jahre scheint zunehmend spannend zu werden: Eine Wiederauflage der Koalition aus SPD, Grünen und FDP – der „Ampel“ – scheint nicht mehr so selbstverständlich zu sein, wie das noch rund um die Wahl kolportiert wurde. Klar ist: Grüne und SPD wollen auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten, das erfuhr Mainz& am Sonntagabend. Die spannende Frage ist nur: mit wem? Denn außer mit der FDP wäre auch eine Koalition mit den Linken möglich. Und es gäbe eine weitere Option: Eine grün-rote Zusammenarbeit, die sich für ihre Themen wechselnde Mehrheiten im Stadtrat sucht. Das stößt zumindest in der SPD auf Sympathien: Der Mainzer Stadtrat brauche „eine neue politische Kultur“, sagte Stadtrat Andreas Behringer – Koalitionszwänge seien durchaus auch „undemokratisch.“

Ein grünes Wahlplakat neben einem Wahlplakat der Mainzer SPD - die beiden Parteien wollen auch künftig im Mainezr Stadtrat zusammenarbeiten - Foto: gik
Grüne und SPD scheinen sich grundsätzlich einig sein, miteinander weiter im Mainzer Stadtrat zusammenarbeiten zu wollen – aber wer wird der dritte Partner? – Fotos: gik

Bei den Wahlen am 26. Mai hatte nicht nur Mainz ein neues Stadtparlament gewählt – in Bremen wurden bei der Bürgerschaftswahl die bisherigen Mehrheiten durcheinander gewirbelt. Die Grünen entschieden sich dort gerade dafür, anstatt dem Wahlsieger CDU in den Sattel zu verhelfen, Koalitionsverhandlungen mit SPD und Linken aufzunehmen. Es wäre die erste rot-grün-rote Koalition in einem westdeutschen Bundesland – und es löste reflexartige Warnungen der CDU vor einem solchen Linksbündnis aus.

Doch die Bremer Mischung richtete den Blick auch auf eine mögliche ähnliche Koalition im Mainzer Stadtrat: Die Grünen brauchen mit ihren jetzt 17 Sitzen weitere 13 Sitze für eine Mehrheit im 60 Sitze fassenden Stadtrat – die SPD stellt nach ihrem Absturz aber nur noch 12 Sitze. Der alte Koalitionspartner FDP stellt nun vier Sitze – doch auch die am 26. Mai erstarkte Mainzer Linke kommt auf vier Sitze. Prompt kündigten die Grünen nach der Wahl an, nicht etwa nur mit den alten Koalitionspartnern erste Sondierungsgespräche führen zu wollen – sondern auch mit CDU und Linken. Und dabei könnten Grüne und Linke einiges an Gemeinsamkeiten entdecken.

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Für eine solche Konstellation spricht, dass die Linke in ihrem Wahlprogramm stark Akzente auf einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs setzte, Autos aus der Innenstadt verbannen will sowie ein 365-Euro-Ticket sowie ein echtes Sozialticket für Mainz fordert – alles Punkte, für die die Grünen mit Sicherheit Sympathien hegen. Zudem forderte die Linke 2018 einen Masterplan für Wohnraum und legten ein umfassendes wohnungspolitisches Handlungskonzept zur Eindämmung der Mietenexplosion vor, mit dem sie zumindest in großen Teilen bei Grünen und SPD offene Türen einrennen dürfte.

Header der Mainzer Linken auf ihrer Homepage mit roten Luftballons im blauen Himmel. - Screenshot: gik
Kommen die Linken Ideen-Luftballons am Ende im grün-roten Koalitionshimmel an? – Foto: linke, Screenshot: gik

„Für viele soziale Projekte hätte es eine Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und Linken gegeben, doch SPD und GRÜNE haben sich lieber hinter der FDP versteckt um ihr Wahlprogramm aus dem Jahre 2014 nicht umsetzen zu müssen“, kritisiert das linke Spitzenduo im Wahlkampf – womöglich deutet sich nun eine Wende in dieser bisherigen Politik an.  Die Grünen betonten nach der Wahl ausdrücklich, bei ihnen stünden die Inhalte im Vordergrund, man werde diejenigen Parteien zu Gesprächen einladen, „mit denen langfristig eine stabile und handlungsfähige Mehrheit zur Umsetzung unserer Inhalte möglich ist“, sagte Grünen-Kreischef Christian Viering.

Bei der Linken klingt das inzwischen ganz ähnlich: „Für Die Linke hat die Umsetzung des Wahlprogramms und die Einleitung eines Politikwechsels Priorität“, sagte Kreischef Tupac Orellana auf Mainz&-Anfrage: „Wir prüfen ergebnisoffen, mit welchen Mitteln eine sozialere Politik erkämpft werden kann. Wenn es Mehrheiten um gibt, um den Mietenwahnsinn zu stoppen, gute Klima- und Umweltpolitik zu machen und soziale Teilhabe für Alle zu ermöglichen, sollten diese genutzt werden.“ Man habe „in einigen Bereichen große inhaltliche Schnittmengen“ mit SPD und Grünen, sagte Orellana noch – nach Ablehnung klingt das nicht. Der Ball liege aber aktuell bei Grünen und SPD.

Die Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat. - Grafik: Stadt Mainz
Die Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat – das Pokerspiel um die Mehrheit hat begonnen. – Grafik: Stadt Mainz

Und da hat offenbar gerade bei der SPD ein Nachdenken begonnen. Zwar hatte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers direkt nach der Wahl große Sympathien für eine Fortsetzung der Ampel erkennen lassen, am Sonntag äußerte sie sich vorsichtiger: „Klar ist, dass die Grünen und wir gerne zusammenarbeiten wollen“, sagte sie der Internetzeitung Mainz&, und fügte hinzu: „Ob das mit wechselnden Mehrheiten geht oder konkret mit einer Partei, das ist noch offen.“ Die SPD habe auf ihrem Parteitag im April festgelegt, dass man nach der Wahl auf einem Parteitag besprechen wolle, ob die SPD mit festen Koalitionen weiterarbeiten wolle oder nicht.

Genau darauf wies nun auch noch einmal die Altstadt-SPD hin: Ilona Mende-Daum, stellvertretende Vorsitzende der Altstadt-SPD, forderte „Mut zu neuen Wegen“ und betonte, „eine SPD, die sich erneuert, muss nicht automatisch feste Koalitionen eingehen.“ Die Ideen und Argumente der SPD seien „so stark, dass wir auch ohne Koalitionszwänge Mehrheiten dafür finden.“ Das schließe eine punktuelle Zusammenarbeit etwa mit den Grünen keineswegs aus.

SPD-Stadtrat Andreas Behringer mit seiner AnsprechBar im Ortsvorsteher-Wahlkampf. - Foto: Behringer
SPD-Stadtrat Andreas Behringer fordert ein Nachdenken über den Umgang im Stadtrat miteinander und die Frage von Koalitionen – hier mit seiner AnsprechBar im Ortsvorsteher-Wahlkampf. – Foto: Behringer

SPD-Stadtrat Andreas Behringer forderte gleich noch weitergehende Reformen: „Der Mainzer Stadtrat braucht eine neue politische Kultur“, sagte er, das „unversöhnliche Gegeneinander von Koalition und Opposition“ müsse ein Ende finden. „Keine Koalitionen zu haben, das war eigentlich auf kommunaler Ebene normal“, sagte Behringer auf Mainz&-Nachfrage. In Mainz sei das politische Farbenspiel mit den Koalitionen aber „leider eingerissen.“ Es könne aber „doch nicht sein, dass wir sinnvolle Anträge der Opposition ablehnen, aber jeden Schwachsinn des Koalitionspartners mitmachen“, sagte er weiter. Stattdessen könnten wechselnde Mehrheiten eine Option sein – und Chancen eröffnen, etwa auch guten Anträgen zustimmen, auch wenn sie von der CDU oder der Linkspartei kämen. „Koalitionszwänge, die dieses Recht einschränken wollen, sind undemokratisch“, betonte Behringer.

Auch bei der Linken kann man sich so ein Modell offenbar vorstellen: „Wichtig ist, dass wir eine sozialökologische Wende in Mainz herbeiführen“, sagte Orellana, „in welcher Form diese Mehrheiten genutzt werden, ist zweitrangig.“ Klar ist zumindest eines: Eine schnelle Lösung wird es erst einmal nicht geben. Zwar laden die Grünen bereits für diesen Dienstag zu einem Parteitag ein, doch das Thema Koalitionsverhandlungen steht erst einmal nicht auf der Tagesordnung – auch wenn die Frage der Koalitionsbildung sicher eine Rolle spielen wird. Doch bei der SPD heißt es: „Unser Parteitag wird sicher nicht mehr vor der Sommerpause sein“, sagte Gill-Gers. Damit könnte sich die Koalitionsbildung sogar noch bis Jahresende hinziehen – aber der Sommerpause herrscht nämlich schon wieder Wahlkampf in Mainz: Am 27. Oktober wählte Mainz einen neuen Oberbürgermeister.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Frage der Ampel 3.0 lest Ihr hier bei Mainz&, was wir über die Linke und ihr Wahlprogramm vor der Wahl geschrieben haben, könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.

 

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