Die Mainzer Ampel-Koalition will bei ihrer dritten Auflage das Straßenbahnnetz in Mainz erheblich weiter ausbauen. Grüne, SPD und FDP wollen einen Weiterbau der Straßenbahn zum Heiligkreuzviertel und nach Weisenau, eine Prüfung eines Straßenbahn-Innenstadtrings mit Neustadterschließung sowie eine Weiterentwicklung ins rheinhessische Umland mit Anbindung von Mainz-Ebersheim. Grünen-Umweltpolitiker Marcel Kühle sprach am Mittwoch im Stadtrat von einer „historischen Weichenstellung“, einen Zeitplan für die Umsetzung der Pläne gibt es aber noch nicht. Die CDU-Opposition forderte denn auch, es brauche endliche einen Masterplan Verkehr für Mainz mit einer umfassenden Planung für alle Verkehrsträger im Einklang.

Die Ampel-Koalition in Mainz will das Straßenbahnnetz deutlich ausbauen. - Foto: gik
Die Ampel-Koalition in Mainz will das Straßenbahnnetz deutlich ausbauen. – Foto: gik

Grüne, SPD und FDP wollen damit bei ihrer dritten Koalitions-Auflage den Ausbau des Straßenbahnnetzes zu einem Schwerpunkt machen. Unumstritten ist ein solcher Ausbau nicht: Kritiker bemängelten schon beim Bau der Mainzelbahn, Straßenbahnen seien mit ihren festen Trassen zu inflexibel, elektrische Busse wesentlich günstiger einsetzbar und weniger störanfällig. Tatsächlich hatte es gerade in den vergangenen Monaten wiederholt erhebliche Störungen im Straßenbahnverkehr durch Unfälle, Weichenstörungen und andere Probleme gegeben – gerade weil es in Mainz praktisch keine Ausweichstrecken gibt. Die Linke schlug deshalb nun auch die Prüfung eines O-Bus-Systems vor – Sympathien fand sie dafür nur bei der CDU.

Grüne, SPD und FDP forderten in einem Antrag die Stadtverwaltung auf, „nach dem großen Erfolg der Mainzelbahn“ gemeinsam mit den Mainzer Stadtwerken und der Verkehrsgesellschaft das Straßenbahnnetz in Mainz weiter zu entwickeln. Den Koalitionären schweben dabei vor allem vier Schwerpunkte vor: eine schnelle Realisierung einer Spange von der Alicenbrücke zum Münsterplatz am Hauptbahnhof vorbei, diese Spange wäre gleichzeitig ein wichtiger Teil Teil einer Citybahn von Mainz nach Wiesbaden, die über die Große Bleiche Richtung Universitätscampus führen würde.

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Das neue Wohngebiet am Heiligkreuz-Areal wurde bislang ohne Straßenbahnanschluss geplant, das soll sich nun ändern. - Foto: gik
Das neue Wohngebiet am Heiligkreuz-Areal wurde bislang ohne Straßenbahnanschluss geplant, das soll sich nun ändern. – Foto: gik

Als zweiten Baustein sieht die Ampel-Koalition eine Anbindung des neue Heiligkreuz-Viertels mit Teilen von Oberstadt und Weisenau. Die Erschließung werde zur Stärkung des des ÖPNV in dem neuen Baugebiet führen und eine sehr attraktive ÖPNV-Anbindung auch für die angrenzenden Teile der Oberstadt und Weisenaus bieten, argumentieren die Fraktionen. Vor die Planungen solle eine Machbarkeitsstudie vorgeschaltet werden, heißt es weiter – und in einem Ergänzungsantrag fügten die Koalitionäre noch schnell hinzu: Die Trasse in der Oberstadt müsse natürlich „so geführt werden, dass weder Grünzonen zerstört noch in ihrer Funktion als Erholungsräume gestört werden.“ In einem ersten Vorstoß hatten Grünen-Politiker eine Straßenbahntrasse mitten durch die Schrebergartensiedlungen vorgeschlagen, das war auf heftige Proteste gestoßen.

In einem dritten Punkt will die Koalition sogar einen Innenstadtring mit Neustadterschließung prüfen. Das wäre „eine Attraktivitätszuwachs des gesamten Straßenbahnnetzes in Mainz durch eine heute fehlende zentrale Erschließung der Innenstadt und eine attraktive Erschließung des einwohnerstärksten Stadtteiles Neustadt“, argumentiert der Antrag. Eine Machbarkeitsstudie zu einem Innenstadtring gebe es bisher nicht, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) im Mainzer Stadtrat, es gebe aber sehr wohl freigehaltene Flächen in der Bauplanung für genau so einen Innenstadtring.

Eine Straßenbahnlinie entlang der Rheinhessenstraße nach Ebersheim ist seit langem in der Diskussion, doch bislang rechnet sie sich nicht. - Foto: gik
Eine Straßenbahnlinie entlang der Rheinhessenstraße nach Ebersheim ist seit langem in der Diskussion, doch bislang rechnet sie sich nicht. – Foto: gik

Als vierten Punkt will die Ampel „eine Studie für die längerfristige Weiterentwicklung des Straßenbahnnetzes, auch mit möglichen Anbindungen des rheinhessischen Umlandes“, dazu gehöre auch eine Anbindung des Mainzer Vorortes Ebersheim. Verkehrsdezernentin Eder räumte allerdings auf Anfrage der ÖDP auch ein, dass eine offizielle Nutzen-Kosten-Betrachtung im Jahr 1996 ergeben hatte, dass eine Straßenbahnverbindung nach Ebersheim weit von einem förderfähigen Quotienten für Zuschüsse des Bundes entfernt sei. „Auch eine erneute überschlägliche Betrachtung im Jahr 2018 ergab diesbezüglich keine günstigeren Rahmenbedingungen“, heißt es in der Antwort weiter.

„Dennoch verfolgt die Verwaltung diesen Gedanken weiter und hat diesen im Rahmen des Verkehrskonzeptes Rheinhessen thematisiert“, betonte Eder zugleich. Man wolle das Bundesverkehrsministerium bitten, die Bewertungskriterien für die standardisierte Bewertung kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Sowohl für den Innenstadtring als auch für eine Trasse zu einer Anbindung des Heiligkreuz-Viertels mit einer Straßenbahn gebe es „bisher erste Überlegungen, aber keine Festlegungen“, teilte Eder weiter mit. Es seien Voruntersuchungen eingeleitet worden, dadurch sollten grundlegende Fragestellungen für eine Nutzen-Kosten-Untersuchung geklärt werden. Ziel sei, die Aussichten für eine Förderfähigkeit der in Frage kommenden Streckenführungen zu klären und Punkte, die grundsätzlich einer Machbarkeit entgegenstehen könnten, zu identifizieren.

Eine Straßenbahnspange von der Binger Straße zum Münsterplatz ist eine Voraussetzung für eine Citybahn über die Große Bleiche, wie in dieser Animation. - Foto: Citybahn GmbH
Eine Straßenbahnspange von der Binger Straße zum Münsterplatz ist eine Voraussetzung für eine Citybahn über die Große Bleiche, wie in dieser Animation. – Foto: Citybahn GmbH

Zeitperspektiven für weitere Planungsschritte oder die neuen Korridore gebe es noch nicht, sagte Eder weiter, die Dezernentin sprach aber auch von einem „Straßenbahnnetz 2030“. Schneller soll es aber für die Spange von der Alicenbrücke über die Binger Straße zum Münsterplatz gehen: Hierfür habe die MVG im Mai 2020 eine Leistungsfähigkeitsbetrachtung in Auftrag gegeben, um die Auswirkungen des Streckenabschnitts auf den Individualverkehr zu untersuchen, informierte Eder. Dabei würden unter Anderem verschiedene Optionen für eine Haltestellenanordnung untersucht:  Neben einem Bahnsteig in Mittellage stehe auch eine so genannte „dynamische Haltestelle“ zur Debatte – eine sogenannte Insel auf Zeit in der Straßenmitte. Mit ersten Ergebnissen sei nach der Sommerpause zu rechnen.

Die CDU lehnte eine solche „Zeitinsel“-Haltestelle in der Mitte der Binger Straße indes ab: Eine Haltestelle in Straßenmitte werde zu erheblichen Behinderungen für den Autoverkehr führen, dieser dann komplett in die Parcusstraße Richtung Kaiserstraße abgedrängt, kritisierte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster. Das aber werde in der Parcusstraße zu erheblichen Rückstaus und zu einem „verkehrstechnischen Desaster“ führen. „Die Streckenführung durch die Binger Straße ist werde durchdacht noch derzeit notwendig“, betonte Gerster, die CDU fordere deshalb die Verwaltung auf, diese Streckenplanung bis zur Realisierung einer Citybahn zurückzustellen.

Der Bahnhofsvorplatz in Mainz ist schon jetzt rappelvoll mit Bussen und Bahnen. - Foto: gik
Der Bahnhofsvorplatz in Mainz ist schon jetzt rappelvoll mit Bussen und Bahnen. – Foto: gik

Grünen-Umweltexperte Marcel Kühle betonte hingegen, die Spange von der Alicenbrücke zum Münsterplatz sei notwendig zur Entlastung des Hauptbahnhofs. Der Bahnhofsvorplatz sei schon jetzt „ein echtes Nadelöhr“, wer den öffentlichen Nahverkehr ausbauen wolle, müsse deshalb Alternativen schaffen. „Wir wollen die Straßenbahn stärken, das heißt auch, dass wir den Raum neu verteilten“, betonte Kühle. Das Auto sei in Mainz „stark privilegiert“, ihm müsse Platz im Straßenraum genommen werden, sagte Kühle explizit.

Eine Variante mit O-Bussen, wie sie die Linke vorschlug, lehnten die Grünen ab. Straßenbahnen seien umweltfreundlich und böten hohen Fahrkomfort, derzeit seien aber viele Bereiche der neueren Altstadt ebensowenig durch die Straßenbahn angeschlossen wie der Dom oder Teile der Neustadt rund um die Hindenburgstraße. „Wir stehen zur Straßenbahn“, betonte Kühle, mit ihrem Antrag stelle die Ampel-Koalition „eine historische Weiche, welche die Verkehrswende in der Stadt weiter voranbringen wird.“

CDU-Verkehrsexperte Gerster kritisierte hingegen, „auch im 12. Jahr der Ampel gibt es keinen Masterplan Verkehr in Mainz.“ Die Ampel setze weiter nur auf Stückwerk, anstatt einen grundlegenden Plan für einen umweltgerechten und gleichberechtigten Ausbau aller Verkehrsträger in Mainz.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Schwerpunkten der Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zu den Kosten der Mainzelbahn und der noch immer nicht vorgelegten Kostenabrechnung lest Ihr hier bei Mainz&.

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