Es war bewegend und berührend, aber es wurde auch geschmunzelt und ein wenig gelacht: Mitten im Leben, mitten zwischen den Menschen, so ist der Mainzer Altbischof Kardinal Karl Lehmann am Mittwoch in Mainz zu Grabe getragen worden. 8.000 Menschen säumten die Straßen in der Altstadt, begleiteten den Trauerzug zum Dom und wohnten dem zweistündigen Requiem bei. Zur Beerdigung Lehmanns waren auch der Bundespräsident sowie mehrere Ministerpräsidenten, Bischöfe der katholischen Kirche und Vertreter aller Konfessionen gekommen. Seine letzte Ruhe fand der Kardinal in der Bischofsgruft des Mainzer Doms. Bewegender Höhepunkt: Die Fahrt des Kardinals im Leichenwagen durch die Altstadt zum Mainzer Dom.

Bewegender Abschied von Kardinal Karl Lehmann: Zu seinem Trauergottesdienst im Mainzer Dom erinnerten Porträts an den Verstorbenen. – Foto: gik

Als die große Martinusglocke des Doms ertönt, wird es schlagartig still in der Mainzer Altstadt. Wo eben noch normaler Alltagstrubel herrschte, senkt sich Stille hernieder. Mitten in Mainz, mitten an einem Wochentag, kann man eine Stecknadel fallen hören. 8.000 Menschen sind gekommen, um Abschied zu nehmen von ihrem Bischof, von Kardinal Karl Lehmann.

„Er war ein Guter“, sagt die Mainzerin, die sich einen Platz ganz vorne gesichert hat. Richtig wichtig ist ihr Abschied von dem geliebten Mainzer Bischof zu nehmen, ihm auf seinem letzten Weg zum Grab die letzte Ehre zu erweisen. „Er hat jeden genommen, wie er ist“, sagt sie, „er war das Licht in der Amtskirche.“

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„Er war ein Mensch“, sagt ihre Nachbarin, „er hat mit beiden Beinen auf der Erde gestanden.“ Und so säumen sie zu Tausenden die Straße, durch die der Trauerzug gleich ziehen wird. „Ihm Anerkennung, Ehre und Achtung zollen“, sagt eine Zuschauerin. Vor elf Tagen, am 11. März in aller Frühe, starb Kardinal Karl Lehmann mit nur 81 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts, seither hat Mainz mit einer ungeheuren Anteilnahme Abschied genommen. In der Altstadt schmückten Geschäfte ihre Schaufenster mit Fotos des Kardinals, Kondolenzbücher wurden gefüllt, Internetforen quollen über.

In einem weißen Leichenwagen fuhr Lehmanns Sarg am Mainzer Dom vorbei. – Foto: gik

„“Mancher Kommentar spricht davon, viele berichten, wie nah dieser Kardinal, diese große Persönlichkeit Ihnen war“, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf bei seiner Predigt im Trauergottesdienst. Viele berichteten, „wie sehr sie den Eindruck hatten, er ist jetzt ganz für Dich da.“ Von anderen wisse er, dass der Kardinal ihnen ein echter Seelsorger und Wegbegleiter auf der Suche nach einem persönlichen Glauben gewesen sei. „Nicht umsonst nennen die Menschen ihn ‚unseren Karl'“, sagte Kohlgraf, „er konnte wirklich mit allen umgehen.“

Eine Woche lang war Lehmanns Leichnam in der Augustinerkirche aufgebahrt gewesen, Tausende nahmen hier Abschied von ihrem Kardinal, Tausende pro Tag. „Beim Kardinal gewesen und Adieu gesagt“, vermerkte so mancher diese Woche in den sozialen Netzwerken. Um Punkt 14.00 Uhr am Mittwoch formierte sich der Trauerzug, rund 350 Personen geleiteten den Kardinal auf seinem allerletzten Weg zum Dom. Fahnenabordnungen, Ritter vom Heiligen Grab und dem Malteserorden, Vertreter aller Religionen und schließlich die Bischöfe der katholischen Kirche schritten vor dem Sarg. In absoluter Stille rollte der weiße Leichenwagen durch die Menge, viele Zuschauer verneigten sich. Dahinter die engsten Angehörigen des verstorbenen Kardinals, viele Zuschauer reihten sich ein. Niemand hielt sie auf, niemand drängte sie hinter Absperrungen – mitten zwischen den Menschen fuhr der Kardinal zu seiner letzten Ruhe.

„Dieses Leben hatte Bedeutung“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bei der Trauerfeier im Dom. Lehmann habe eine Kirche gelebt, „die menschenfreundlich sein will, dem Menschen zugewandt“, immer wieder habe er Brücken gebaut, sagte Marx und fügte hinzu: „Als sein Nachfolger im Vorsitz der Bischofskonferenz fange ich an zu ahnen, was das bedeutet.“

Lehmanns Sarg vor dem Chorraum im Mainzer Dom, geschmückt mit Bischofsmütze und Bischofsstab. – Foto:gik

Da wanderte zum ersten Mal ein leises Schmunzeln durch den Dom, es sollte nicht das letzte bleiben. Auch als Marx an die ungeheure Bibliothek des Büchernarren Lehmann erinnerte, an seine unglaubliche Belesenheit, seine unstillbaren Hunger auf Gedrucktes. „Gedruckt sein und von Karl Lehmann gelesen zu sein ist dasselbe“, habe ihm einmal ein Autor gesagt, berichtete Marx, es gebe „viele Phantasien, was mit seiner Bibliothek geschieht.“ Frei redete der oberste Bischofshüter der katholischen Kirche in Deutschland, frei und voller Erinnerungen an den Menschenfreund Lehmann.

Lehmann habe den Mut gehabt, sein Leben in seinen Glauben einzubringen und deutlich gemacht, „dass wir in tiefer Liebe mit den Menschen verbunden sind“, sagte Marx. Lehmanns Wahlspruch als Bischof, „Steht fest im Glauben“ wurde oft zitiert an diesem Tag, auch in der ganzen Länge: „Steht fest im Glauben, seid mutig, seid treu – und was Ihr tut, tut in Liebe!“

Und noch eines wurde am Mittwoch veröffentlicht: Das geistliche Testament des Kardinals. Gefunden habe man es am Morgen seines Todes in seinem Tresor, berichtete Kohlgraf. Unter zwei Dingen habe er immer wieder gelitten, schrieb Lehmann persönlich: Unter dem tiefen Zwiespalt der wunderbaren Schönheit des menschlichen Lebens und ihrer „zerstörerischen und schrecklichen“ Seite: „Die Unheimlichkeit der Macht, und wie der Mensch mit ihr umgeht“, sei ihm immer mehr aufgegangen, schrieb der Kardinal: „Das brutale Denken und rücksichtsloses Machtstreben gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksformen des Unglaubens und der Sünde. Wehret den Anfängen!“

Lehmanns Sarg auf dem Weg in die Bischofsgruft. – Foto: gik

Lehmann habe nie gewollt, dass die Brücken zwischen Kirche und Welt eingerissen würden, habe nie die Kirche „auf einer Insel“ gesehen, sagte Kohlgraf: „Nein, die Kirche muss sich auf die Menschen zu bewegen.“ Das habe Lehmann getan, auf vielen Ebenen, mit seinem Geist und mit seinem Humor. „Klare Position im Glauben, Offenheit im Denken und Reden“, das sei das Vermächtnis Lehmanns, sagte Kohlgraf.

Das brach sich auch während des ganzen zweistündigen Gottesdienstes Bahn: Ein strahlendes Licht erhellte den Dom, zur Kommunion mischten sich Prominente und normale Mainzer ganz selbstverständlich im Mittelgang, direkt vorne am Sarg des Kardinals. Und als der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, an Lehmanns befreites Lachen, an Fastnacht und Mainz 05 erinnerte, da wanderte erneut ein leises Lachen durch die Trauergemeinde. Am Ende des Gottesdienstes geleitete der feierliche Trauerzug den Sarg zur Krypta, die Beisetzung in der Bischofsgruft fand aus Platzgründen im kleinsten Kreise statt. Dort liegt Lehmann in einem Wandgrab gleich über seinem Vorgänger, Kardinal Volk. „Sein Testament“, sagte Kohlgraf noch, „endet mit dem Zuruf „Auf Wiedersehen!“ Ja, lieber Kardinal Karl, ich glaube, dass wir uns wiedersehen.“

Info& auf Mainz&: Mehr Informationen zur Beisetzung von Kardinal Karl Lehmann könnt Ihr hier auf der Internetseite des Mainzer Bistums nachlesen. Wir dachetn, wir fänden dort auch das geistliche Testament von Kardinal Karl Lehmann, doch irgendwie ist uns das nicht gelungen. Deshalb dokumentieren wir hier für Euch den genauen Wortlaut des geistlichen Testaments. Unseren Nachruf auf Kardinal Karl lehmann findet Ihr hier: Wächter von Humanismus, Toleranz, Menschlichkeit. Ein Portrait des Menschenfreunds, Büchernarren und Brückenbauers Lehmann gibt es hier.

 

 

 

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