Die Bürgerinitiative Ludwigsstraße fordert die Stadt Mainz auf, die Entscheidung im Stadtrat über die Architektur des geplanten neuen Einkaufszentrums „Boulevard LU“ zu verschieben. Bereits am 1. Juli solle der Stadtrat dem Entwurf der Architekten der Firma Gemünden
seine Zustimmung geben, das dürfe aber nicht geschehen, forderte die BI am Donnerstag in Mainz: Der Wettbewerb sei nicht regelkonform gewesen, weil weder die Modelle der Wettbewerbsbeiträge noch die Protokolle des Wettbewerbs veröffentlicht worden seien. Den Mainzern, aber auch den Stadtratsmitgliedern sei damit die Chance genommen worden, sich fundiert zu den Entwürfen zu äußern – Änderungen sollten so „offenbar unterbunden werden.“ Auch einen „Offenen Brief“ an die Stadt gibt es.

Geschäftsführer Graf von Pfeil mit den Entwürfen des Architektenwettbewerbs bei der Vorstellung im Mainzer Staatstheater. - Foto: gik
Geschäftsführer Graf von Pfeil mit den Entwürfen des Architektenwettbewerbs bei der Vorstellung im Mainzer Staatstheater. – Foto: gik

Die Stadt Mainz hatte gemeinsam mit der Investorfirma Molitor, die der Familie Gemünden gehört, am 16. Mai die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs zur Realisierung des neuen Einkaufszentrums auf der Ludwigsstraße vorgestellt. Der Siegerentwurf einer Mainzer Architekten-Arbeitsgemeinschaft sieht einen Architekturmix aus modernen, würfelförmigen Vorbauten, einem hochmodernen Hotel auf dem heutigen Parkhaus, sowie eine Gestaltung aus rotem Sichtbeton mit Glas und Baubronze-Elementen vor. Auf dem Dach des Komplexes soll zudem ein großer Weingarten sowie ein Restaurant mit Blick auf den Dom entstehen – mehr zu dem Entwurf sowie dem Wettbewerb lest Ihr hier bei Mainz&.

Die Bürgerinitiative Ludwigsstraße kritisiert nun aber, der Wettbewerb sei womöglich nicht regelkonform verlaufen, der Grund: Eine mangelhafte Offenlegung der Wettbewerbsunterlagen. Die Firma „Boulevard LU“ hatte alle Entwürfe in den Schaufenstern des Pavillons an der Deutschen Bank zwei Wochen lang öffentlich ausgehängt, die BI kritisiert, das reiche nicht aus. Die Gemünden-Firma „Boulevard LU“ hätte als „Auslober“ des Wettbewerbs nicht nur die Unterlagen, sondern auch die 3D-Modelle der Wettbewerbsentwürfe sowie die Protokolle der Preisgerichtssitzung öffentlich präsentieren müssen, betont die BI – so sähen es die Bestimmungen des Bundesbauministeriums zur korrekten Durchführung von Wettbewerben vor.

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Siegerentwurf für den "Boulevard LU" einer Mainzer Architektengemeinschaft. - Grafik: Färber Jestaedt Bierbaum.Aichele
Siegerentwurf für den „Boulevard LU“ einer Mainzer Architektengemeinschaft. – Grafik: Färber Jestaedt Bierbaum.Aichele

Diese Offenlegung sei wichtig, weil sich die Mainzer nur so in angemessener Form ein Bild davon machen könnten, wie sich der zentrale Gutenbergplatz und die Ludwigsstraße bis zum Schillerplatz bei der Umsetzung einer der Entwürfe verändern würden, argumentiert die BI. Die Bürger, aber auch die Mitglieder des Stadtrats „hätten so die Chance gehabt, sich zu den Plänen qualifiziert zu äußern.“ Das sei aber nicht geschehen: Weder seien die Modelle der Wettbewerbsteilnehmer ausgestellt, noch die Protokolle des Preisgerichts veröffentlicht worden. Die Ausstellung der Modelle und die Einsicht in die Protokolle seien zur Urteilsbildung aber unverzichtbar, die Poster im Fenster ließen hingegen nur unzureichend Rückschlüsse auf die Planungen und ihre Auswirkungen auf die Innenstadt zu, betonte die BI.

Auch die von der Stadt Mainz ins Internet gestellten Unterlagen seien für eine fundierte Urteilsbildung nur begrenzt hilfreich, da sie die Modelle und Protokolle nicht ersetzen könnten. Auch seien die Unterlagen nur solchen Mainzern zugänglich, die über einen Internetzugang verfügten. „Von Modifikationen an diesen Entwürfen, wie sie sich aus einer öffentlichen und fachlichen Diskussion ergeben würden und ergeben müssen, ist keine Rede“, kritisierte die BI weiter. Genau eine solche öffentliche Debatte über die Entwürfe solle „offenbar unterbunden werden – wir fragen uns warum?“ Damit sei aber das gesamte Vorgehen aus Sicht der BI „nicht zustimmungsfähig – weder durch den Stadtrat noch durch die Mainzer.“

Präsentation der Wettbewerbsentwürfe zur Architektur der LU - der BI LU reicht das so nicht. - Foto: gik
Präsentation der Wettbewerbsentwürfe zur Architektur der LU im Mainzer Stadttheater – der BI LU reicht das so nicht. – Foto: gik

Die BI fordert deshalb nun, die bereits am 1. Juli im Mainzer Stadtrat anstehende Entscheidung über die Entwürfe zu verschieben. „Die dramatische, kaum berechenbare Entwicklung in Einzelhandel und Hotellerie würde jeden vorschnellen Schritt zur Umsetzung des Bauvorhabens an der Ludwigsstraße zu einem politischen Blindflug werden lassen, der nicht mehr rückgängig zu machen wäre, und für den der Stadtvorstand verantwortlich wäre“, warnt die Bürgerinitiative.

Die BI hatte von Anfang an die Pläne des Investors Dirk Gemünden für das Einkaufszentrum scharf kritisiert: Die BI lehnt eine Nachverdichtung auf der Ludwigsstraße ab und befürchtet dadurch auch klimaschädliche Nachteile. Angesichts der unsicheren Zukunft der Filialen von Karstadt und Kaufhof, dem boomenden Internethandel sowie der derzeitigen Wirtschaftskrise sei für ein weiteres großes Einkaufszentrum in der Mainzer Innenstadt kein Bedarf, betonte die BI nun zudem – es müsse nun „darum gehen, eine drohende Verödung zu verhindern und den Mainzer Einzelhändlern durch die Krise zu helfen.“

Die BI fordert zudem in einem „Offenen Brief“ Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) auf, von Amts wegen zu interventieren und eine transparente Offenlegung aller Unterlagen zu veranlassen. Die Frist dafür laufe bereits am 15. Juni ab, „daher ist eine amtliche Intervention ihrerseits dringend erforderlich“, schreibt die BI in dem Offenen Brief, der auch an Oberbürgermeister Michael Ebling (CDU) sowie Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) ging.

Der neue "Boulevard LU" soll anstelle des alten Karstadt-Komplexes an der LU entstehen. - Foto: gik
Der neue „Boulevard LU“ soll anstelle des alten Karstadt-Komplexes an der LU entstehen. – Foto: gik

„Wir sind über den offenbar gewollt intransparenten Ablauf des Wettbewerbs überrascht“, schreibt die BI weiter, und fordert Grosse auf: „Auch wenn Sie das Verfahren unverständlicherweise aus der Hand gegeben haben, sehen wir Sie nun als Kultur- und Baudezernentin der Stadt Mainz in der Verantwortung, für Transparenz zu sorgen.“ Die BI habe deshalb zusätzlich einen Antrag auf Offenlegung der Unterlagen nach dem Landestransparenzgesetz gestellt.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs zum „Boulevard LU“ sowie dem Siegerentwurf lest Ihr hier bei Mainz&. Was die Familie Gemünden zu einem möglichen Aus einer Karstadt-Filiale für ihre Pläne sagt, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.

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