Rund 250 Teilnehmer haben sich am Samstag auch in Mainz zu einer sogenannten Corona-Demo vor dem Staatstheater in Mainz zusammengefunden. Ab 15.00 Uhr tauchten immer mehr Menschen auf dem Gutenbergplatz vor dem Staatstheater auf. Da waren Impfgegner und Verschwörungstheoretiker, ein angeblicher „Deutscher Michel“ behauptete, das Volk „schlafe“, andere trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Gib Gates keine Chance“ – das T-Shirt wird von Verschwörungstheoretikern getragen, die hinter der Corona-Pandemie eine Verschwörung zur Übernahme der Weltherrschaft durch den US-Multimilliardär Bill Gates sehen. Die Versammlung war nicht angemeldet worden, auch auf mehrfache Aufforderung der Polizei, ließ sich kein Versammlungsleiter finden – die Polizei löste schließlich die illegale Versammlung friedlich auf.

Pärchen auf Corona-Demo in Mainz. - Foto: gik
Pärchen auf Corona-Demo in Mainz. – Foto: gik

„Wie blind die Menschen sind“, lamentiert eine junge Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „Wir sind Seelen, keine Sklaven“, trägt. Die Corona-Pandemie sei doch eine „spirituelle Krise, wir machen uns zu Sklaven des Systems“ sagt sie. Ihr Begleiter nickt, „Furchtlosigkeit, Selbstverantwortung, Wahrheit“ steht auf seinem Schild. Mund-Nasen-Schutzmasken tragen beide nicht, auch Abstand-Halten finden sie offenbar unnötig. Das Paar steht am Rande einer stetig wachsenden Menge von Menschen. Da ist ein Sturmtruppler aus „Krieg der Sterne“, ein Mann mit Stelzen auf Springfedern, ein „Deutscher Michel“ stürmt kreuz und quer über den Platz.

„Massive Änderung des Grundgesetzes, und der Deutsche Michel schläft“, steht auf einem Schild auf seinem Rücken, der „Michel“ trägt immerhin eine Gesichtsmaske – das tut hier fast kein anderer.  Von 15.00 Uhr an füllt sich der Platz vor dem Staatstheater immer mehr. Erst sind es nur einzelne Menschen, dann verdichtet sich das zu immer mehr Gruppen. Man kennt sich offenbar, Blumen werden verteilt, Frauen umarmen sich – von Distanz ist zunehmend keine Spur mehr. Eine Frau trägt einen Alubommel um den Hals, das sei das Zeichen, „dass ich selbst denken kann und nicht meine Meinung aus dem Fernsehen beziehe“, sagt sie. „Und wer frei ist, ist ein König“, singen zwei Damen mit Gitarre in Hippieoutfit. Ein Mann hat sich mit einem großen Pappkarton umgeben, „Pflicht = Zwang“ steht darauf, auf seine Gesichtsmaske hat er „Merkels Maulkorb“ gemalt.

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Ein "Deutscher Michel" behauptet, das Volk würde "schlafen" und sich seine Grundrechte nehmen lassen. - Foto: gik
Ein „Deutscher Michel“ behauptet, das Volk würde „schlafen“ und sich seine Grundrechte nehmen lassen. – Foto: gik

Wie in vielen anderen Städten auch, so trafen sich auch am Samstag in Mainz Menschen, um gegen die Coronamaßnahmen zu protestieren. Da wurde „Freiheit“ gerufen, mehrere tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Gib Gates keine Chance“. Das T-Shirt wird von Menschen getragen, die glauben, die Corona-Pandemie sei in Wirklichkeit eine Verschwörung zur Übernahme der Weltherrschaft durch den US-Mulitmilliardär Bill Gates, der alle Menschen „chippen“ wolle. Auch Angela Merkel wird gerne mit dieser angeblichen „Verschwörung“ in Verbindung gebracht, gerne wird der Bundeskanzlerin dabei auch gleich unterstellt, sie sei Jüdin – wie natürlich der bekannte Virologie Christian Drosten auch.

„Diese sogenannten Hygiene-Demos transportieren auch gerne das Bild vom „bösen Juden“, Rechtsextreme versuchen, ihren Antisemitismus auf diese Demos zu projizieren“, erklärte Arvid Irgens von der „Gutmenschlichen Aktion“, einer Mainzer Initiative gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in Mainz. Das sei gefährlich, weil ängstliche und sich bedroht fühlende Menschen offener für diese antisemitischen Verschwörungstheorien seien, sagte Irgens. Und der jüngste Anschlag in Halle auf eine Synagoge zeige ja, dass es auch für Gewaltbereitschaft einen Nährboden gebe.

Die Polizei begab sich in intensive Diskussionen mit den illegalen Protestlern, hier ein Mann mit einem Gates-Verschwörungs-T-Shirt. - Foto: gik
Die Polizei begab sich in intensive Diskussionen mit den illegalen Protestlern, hier ein Mann mit einem Gates-Verschwörungs-T-Shirt. – Foto: gik

Die „Gutmenschliche Aktion“ hatte vor einer Woche eine kleine, angemeldete Kundgebung zum Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai veranstaltet, dabei seien sie massiv von Demonstranten aus dem Spektrum der Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner und Rechten durch Pfiffe und verbale Angriffe gestört worden, berichtet Irgens gegenüber Mainz&: „Das war extremst aggressiv, so aggressiv, wie wir das nie in Mainz erlebt haben.“ Die Gutmenschliche Aktion hatte auch für diesen Samstag eine Kundgebung angemeldet, gegen wachsenden Antisemitismus. Die Aktion fand friedlich und mit viel Abstand ab 16.30 Uhr auf dem Gutenbergplatz statt, die genehmigten 30 Teilnehmer trugen Masken und befolgten die auferlegten Regeln minutiös.

Nicht so die Corona-Demonstranten gut anderthalb Stunden zuvor: Aufforderungen zu Abstand wurden missachtet, Masken trug praktisch keiner, die Versammlung zunehmend zum Happening. Rund 400 Menschen versammelten sich im Laufe einer Stunde auf dem Gutenbergplatz, schätzte die Polizei, mehr als 100 davon waren Zuschauer, Einkaufsbummler und Beobachter am Rande, doch etwas mehr als 250 dürften zu den Corona-Demonstranten gehört haben. Die mischten sich immer wieder unter die Schaulustigen am Rande, so war schwer zu differenzieren, wer hier wer war – das sah vielfach aus wie gezielte und gesteuerte Absicht.

Immer mehr Menschen versammelten sich auf dem Mainzer Gutenbergplatz bei der unangemeldeten Corona-Demo. - Foto: gik
Immer mehr Menschen versammelten sich auf dem Mainzer Gutenbergplatz bei der unangemeldeten Corona-Demo. – Foto: gik

Polizei und Ordnungsamt beobachteten das Geschehen genau – die Versammlung war nicht angemeldet worden und deshalb illegal. Die Stadt Mainz hatte im Vorfeld angekündigt, solche rechtswidrigen Aufmärsche nicht dulden zu wollen: „Bei offenkundiger und willentlicher Missachtung grundlegender Prinzipien des Versammlungsrechts“ sowie den Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung würden die Behörden „künftig vor Ort weniger duldsam agieren“, kündigte Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) an.

Zu den Corona-Demos wird in sozialen Netzwerken und Messengerdiensten gezielt aufgerufen, die Versammlungen werden aber nicht angemeldet, ein Verantwortlicher ist dann vor Ort nicht zu finden. So auch an diesem Samstag: Ab etwa 15.18 Uhr begann die Polizei die Versammelten mit Lautsprecherdurchsagen darauf aufmerksam zu machen, dass die Versammlung illegal sei: „Wir sehen dies als eine verbotene Versammlung“, teilte die Polizei mit, und appellierte: „Wir bitten aus Ihrer Gruppe einen Versammlungsleiter zum Lautsprecherwagen der Polizei.“

Teilnehmer an der Kundgebung der "Gutmenschlichen Aktion" später auf dem Platz. - Foto: gik
Teilnehmer an der Kundgebung der „Gutmenschlichen Aktion“ später auf dem Platz. – Foto: gik

Drei Mal appellierte die Polizei lautstark, es möge sich ein Verantwortlicher melden – aus der Gruppe kam keine Reaktion. Schließlich boten die Beamten sogar einem Mann, der sichtlich eine Art Organisator-Rolle spielte an, er solle sich doch als Verantwortlicher benennen, dann könne die Versammlung als Spontandemo angemeldet werden – und bekomme alle Rechte einer Demonstration, Polizeischutz eingeschlossen. Doch Verantwortung wollte dieser Mann ebensowenig übernehmen wie andere Teilnehmer, die die Polizei ansprach.

Nach mehr als einer halben Stunde teilte die Polizei dann mit, man erkläre die Versammlung nun für verboten und fordere die Menschen auf, sich zu entfernen. Auch das geschah nur äußerst zögerlich, mindestens eine weitere halbe Stunde dauerte es, bis sich der Platz spürbar leerte. Die Polizei ließ sich derweil geduldig in zahlreiche Diskussionen verwickeln. „Es gibt kein Recht auf Gesundheit, aber es gibt ein Recht auf soziale  Interaktion“, schimpft ein ältere Mann lautstark. Ein junge Polizist widerspricht leise, aber nachdrücklich und verweist den Mann auf das Grundgesetz.

Gegendemonstranten mit einem Plakat. - Foto: gik
Gegendemonstranten mit einem Plakat. – Foto: gik

„Wir haben bewusst auf deeskalierende Maßnahmen gesetzt“, betonte der Leiter des Mainzer Rechts- und Ordnungsamtes, Ulrich Helleberg, gegenüber Mainz&. Zunehmend aggressiver wurde hingegen die Stimmung auf Seiten der Protestler. Ein gut gekleideter Mann in weißem Hemd und Businesshose beschimpft lautstark ein Kamerateam des Senders Sat.1: „Wenn Sie das senden, kriegen Sie Post von mir“, droht er. Während ihrer Arbeit auf dem Platz seien sie wiederholt beschimpft worden, es habe „Lügenpresse“-Rufe gegeben, berichten die Journalisten gegenüber Mainz&. Die Polizei begann schließlich, Personalien von denen aufzunehmen, die sich weigerten, den Platz zu verlassen.

Der Stelzenmann vom Anfang verweigert sich der Personalienaufnahme beharrlich und provoziert so lange, bis die Beamten zugreifen und ihn zu Boden zwingen. „Hilfe, Hilfe“ ruft der Mann ostentativ und deutlich vernehmbar über den ganzen Platz, er wird weder geschlagen noch brutal misshandelt und schließlich abgeführt. Schließlich löst sich die Versammlung auf, die Protestler versuchen aber noch, auf einem weiteren Platz ihren verbotenen Protest fortzuführen. Vor dem Theater halten derweil die linken Demonstranten friedlich ihre Plakate hoch. „Bei Corona und der Klimakrise hört auf die Wissenschaft“ steht auf einem.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Begründung der Stadt Mainz zu ihrem Vorgehen gegen die unangemeldeten Corona-Demos lest Ihr hier bei Mainz&. Wie die Proteste unterwandert und instrumentalisiert werden, und wie Verschwörungstheorien von Rechtsextremen sowie von ausländischen Geheimdiensten befeuert werden, haben wir hier aufgeschrieben.

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