Das schöne Wetter am Wochenende lockte viele Menschen entlang des Rheins nach draußen – verständlich und ja auch keineswegs verboten. Doch offenbar schleicht sich schon nach nur einer Woche Kontaktverbot bei manchem Leichtsinn ein: Fünf bis sechs Parties mussten Polizei und Ordnungsamt in Mainz am Wochenende auflösen, immer wieder treffen sich vor allem Jüngere zum Basketballspielen oder auf Spielplätzen. Am Rheinufer herrschte mancherorts gar Ausflugsrummel mit Wien und Picknick – die Stadt Eltville sperrte deshalb inzwischen wie viele andere Orte im Rheingau auch die Parkplätze an beliebten Ausflugszielen.

Reger Betrieb auch am Montagnachmittag am Mainzer Rheinufer - nicht immer mit dem gebotenen Abstand. - Foto: gik
Reger Betrieb auch am Montagnachmittag am Mainzer Rheinufer – nicht immer mit dem gebotenen Abstand. – Foto: gik

„Die Leute kamen zum Hinsetzen und Wein trinken – als sei nichts gewesen“, schimpfte der Eltviller Bürgermeister Patrick Kunkel (CDU) am Montag im Gespräch mit Mainz&. „Es ist ja wichtig, dass die Leute rausgehen, aber es muss hier doch keiner von Offenbach und dem Rhein-Main-Gebiet herkommen“, schimpfte Kunkel, alle seine Kollegen entlang des Rheins hätten dasselbe berichtet: Ausflugsstimmung, Weintreffs. „Wir können hier das Kontaktverbot schlichtweg nicht einhalten, wenn wir mit Besucherströmen aus dem Rhein-Main-Gebiet umgehen müssen“, sagte Kunkel.

Eltville sperrte deshalb wie viele andere Gemeinden entlang des Rheins am Wochenende seine öffentlichen Parkplätze an beliebten Ausflugszielen. „Wir müssen die Hotspots dichtmachen“, betonte Kunkel: „Das ist hier ja keine Spaßveranstaltung!“ Überall entlang des Rheins und in den Parkanlagen herrschte am Samstag Hochbetrieb: „99 Prozent verhalten sich korrekt“, schätzt man bei der Mainzer Polizei, doch immer wieder werde die Polizei zu Spielplätzen oder Trimmdichplätzen in Parks gerufen.

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Überfüllter Mülleimer am Samstag am Rheinufer in Eltville. - Foto: Patrick Kunkel via Twitter
Überfüllter Mülleimer am Samstag am Rheinufer in Eltville. – Foto: Patrick Kunkel via Twitter

20 Ordnungswidrigkeitsverfahren musste die Stadt Mainz zwischen Freitag und Sonntag im Stadtgebiet wegen Verstößen gegen die Regeln zum Schutz gegen die Coronapandemie einleiten. „Im Großen und Ganzen werden die Regelungen eingehalten, aber es gibt immer wieder Einzelfälle, wo das nicht der Fall ist“, sagte Stadtsprecher Marc André Glöckner auf Mainz&-Anfrage. „Samstag war extrem viel los in der Innenstadt, am Rheinufer und in den Grünanlagen“, berichtete der Sprecher der Mainzer Polizei, Rinaldo Roberto, gegenüber Mainz&. Zum „allergrößten Teil“ hätten sich die Menschen dabei an die Abstands- und Gruppenregeln gehalten.

Seit einer Woche gilt deutschlandweit ein Kontakt- und Versammlungsverbot, Gruppen von mehr als zwei Personen dürfen sich weder im öffentlichen noch im privaten Raum gleichzeitig versammeln – ausgenommen sind nur Familien. Mit den Regelungen soll die aggressive Ausbreitung des neuen Coronavirus eingedämmt werden um zu verhindern, dass auch in Deutschland Tausende von Toten zu beklagen sind, weil Intensivbetten und Beatmungsgeräte in den Kliniken nicht ausreichend. Die Kurve der Neuinfektionen blieb am Wochenende unverändert hoch: Am Sonntag stieg die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus laut Johns Hopkins Universität in Deutschland auf mehr als 62.000, die Zahl der Toten stieg auf 541 – das waren rund 80 mehr als am Vortag. Am Montag erreichte die Zahl der Infizierten in Deutschland bereits die Grenze von 64.000, am Nachmittag waren 560 Tote registriert.

Einkaufsstraße in der Mainzer Innenstadt am Montag: Läden zu, Jugendliche in Gruppen unterwegs. - Foto: gik
Einkaufsstraße in der Mainzer Innenstadt am Montag: Läden zu, Jugendliche in Gruppen unterwegs. – Foto: gik

In Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Infektionen über das Wochenende auf 2.686 Fälle, das waren über 500 mehr als am Freitag. Zum Vergleich: Damit hat allein Rheinland-Pfalz jetzt so viele bestätigte Covid-19-Fälle wie ganz Dänemark zusammen. Insgesamt gibt es im Bundesland inzwischen 19 Todesfälle, darunter bislang weiter keinen im Raum Mainz. In Mainz stieg die Zahl der Infizierten über das Wochenenden auf 182, im Kreis Mainz-Bingen auf 115, wie viele Patienten davon schwere Fälle sind, ist nicht bekannt. Rheinland-Pfalz habe inzwischen zehn Beatmungspatienten aus der hochbetroffenen Region Grande Est in Frankreich übernommen, teilte das Gesundheitsministerium in Mainz mit, einer dieser Patienten sei am Wochenende in Trier gestorben. In Hessen gibt es inzwischen nach Angaben des Gesundheitsministeriums 2.943 Infektionen und elf Todesfälle

Forscher der Universität Mainz warnten deshalb am Montag, die Coronapandemie in Deutschland stehe womöglich noch „weit vor dem Höhepunkt“. Der Höhepunkt der Erkrankungen werde womöglich erst im Mai erreicht, kalkulierte ein interdisziplinäres Forscherteam der Johannes Gutenberg Universität anhand von Rechenmodellen. Die Rechnungen seien mit Vorsicht zu genießen, betonten die Forscher selbst: „Es gab bisher keine vergleichbare Epidemie, sodass wir keinen sicheren Wert für die langfristige Infektionsrate haben“, sagte der Volkswirtschaftsprofessor Klaus Wälde, der die Studie leitet.

 Auf der Grundlage von Daten des Robert-Koch-Instituts sowie aus China könnten bis Anfang Juni rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland gleichzeitig an Covid-19 erkrankt sein, errechneten die Forscher. Im besten Fall sei mit 120.000 bis 200.000 gleichzeitig Erkrankten im Mai zu rechnen. „Auch das Zutreffen dieses optimistischen Szenarios würde unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen stellen“, betonte Wälde, und warnte: „Wir befinden uns noch am Anfang der Epidemie.“

Geschlossener Spielplatz auf dem Ernst-Ludwig-Platz am Mainzer Schloss. - Foto: gik
Geschlossener Spielplatz auf dem Ernst-Ludwig-Platz am Mainzer Schloss. – Foto: gik

Doch offenbar gibt es noch immer Menschen, die das nicht verstanden haben: Auch am Montagnachmittag schlenderten Jugendliche in Dreiergruppen durch die Stadt oder spielten gar Basketball am Rheinufer – die Polizei musste die Gruppe erst auflösen. Auch am Wochenende musste die Polizei immer wieder eingreifen: Da hätten etwa Menschen in einer Gruppe vor einem Imbiss gesessen, mancher auch im Garten gegrillt – „mit sechs, sieben, acht Leuten, die nicht alle auf dem Haus stammten“, berichtete Polizeisprecher Roberto, und betont: Die Rechtsverordnung verbiete auch solche Ansammlungen im privaten Raum.

In fünf bis sechs Fällen mussten Polizei oder Ordnungsamt gar richtige Parties auflösen: In der Mainzer Oberstadt feierten neun Personen in einem Haus, in der Mainzer Neustadt auf einer Party fünf Personen. Auch in Hartenberg-Münchfeld und in Mombach mussten Menschengruppen aufgelöst werden, in der ehemaligen Kneipe „Viva Moguntia“ wurde gar eine regelrechte „Coronaparty“ gefeiert. „Das geht gar nicht“, schimpfte die Mainzer Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) im Gespräch mit Mainz&: „Das ist ein sehr egoistisches Verhalten, man macht einfach weiter ohne Rücksicht auf Verluste.“

Reger Betrieb in der Mainzer Innenstadt am Höfchen am Montagnachmittag. - Foto: gik
Reger Betrieb in der Mainzer Innenstadt am Höfchen am Montagnachmittag. – Foto: gik

Den Organisator der Party erwarten nun 1000 Euro Bußgeld, die Teilnehmer 400 Euro pro Person, machte Matz klar: „Das ist fahrlässig und schlichtweg gefährlich und dämlich.“ Die Stadt werde ihre Fußstreifen und Kontrollen nun ausdehnen, kündigte Matz an.  Unmittelbar vor dem Wochenende hatten Politik und Experten noch einmal deutlich gewarnt, die Situation in der Coronapandemie nicht zu unterschätzen. „Wir dürfen in der Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen nun nicht nachlassen“, warnte die Stadtspitze in einem Appell an die Mainzer: „Bitte ziehen Sie aus fragwürdigen Prognosen, die Pandemie ‚flache sich bereits ab‘ keine falschen Schlüsse!“

Matz betonte, es müsse sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein – und sie kritisierte: Auch gut gemeinte Aktionen wie Musik vom Balkon für die Nachbarschaft könnten kontraproduktiv sein. Tatsächlich wurden am Wochenende in den sozialen Netzwerken Videos von organisierten Balkonkonzerten geteilt, die auf der Straße nicht unerhebliche Mengen von Menschen anzogen. Meistens wurde dabei Abstand voneinander gehalten. „Jemand, der sich singend auf den Balkon stellt, hat auch Verantwortung für die Menschen, die sich dann unten auf der Straße versammeln“, mahnte Matz, so etwas dürfe nicht dazu führen, dass die Maßnahmen mit Abstand und Kontaktverbot konterkariert würden. „Wir haben das Kontaktverbot gerade einmal seit einer Woche, wir haben noch eine gewisse Durststrecke vor uns“, warnte Matz: „Die Anzahl von Toten wie in Italien wollte ich nicht auf meine Kappe nehmen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu der derzeitigen Coronapandemie-Lage, und warum dies wahrscheinlich nur „die Ruhe vor dem Sturm“ ist, lest Ihr hier in unserer Mainz&-Analyse. Den Bußgeldkatalog des Landes Rheinland-Pfalz könnt Ihr Euch hier herunterladen. Welche Regeln aktuell gelten in Sachen Abstand und Kontaktverbot könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Warum das Kappen persönlicher Kontakte derzeit (noch immer) so wichtig ist, erklären wir in diesem Mainz&-Artikel: #flattenthecurve. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&.

Die Stadt Mainz richtete inzwischen ein zentrales Bürgertelefon zum Thema Coronavirus ein: Bürger können sich von Montag bis Freitag zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr unter der Nummer 0 61 31 – 12 44 99 mit allen Fragen rund um die aktuell gültige Rechtsverordnung des Landes an die Verwaltung wenden. Dies betrifft konkret etwa die Themen Kontaktverbot, Veranstaltungen, Regelungen für den Handel und die Gastronomie und vieles mehr. Für alle gesundheitlichen Fragen rund um das Coronavirus und Covid-19 wendet Ihr Euch bitte aber weiter an die Hotline des Landes Rheinland-Pfalz mit den Nummern 0800 – 99 00 400 und 0800 – 575 81 00 oder das Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums mit der Nummer 030 – 346 465 100. Soforthilfe gibt es auch beim ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117 (ohne Vorwahl!).

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