Deutschland macht dicht, die Bevölkerung ist aufgerufen, zuhause zu bleiben – aber was machen Menschen, die gar kein Zuhause haben? Obdachlose sind der derzeitigen Situation besonders schutzlos ausgeliefert, warnt der Verein Armut und Gesundheit in Mainz. „Wir haben derzeit 150 bis 200 Menschen, die in Mainz ohne festen Wohnsitz unterwegs sind“, schätzt der Mainzer Obdachlosenarzt Gerhard Trabert: „Wie sollen die sich schützen? Das ist absolut ungeklärt.“ Auch im Mainzer Thaddäusheim rüsten sie sich für die Corona-Pandemie, mit einem mulmigen Gefühl.

Der Mainzer Obdachlosenarzt Gerhard Trabert mit seinem Arztmobil. - Foto: gik
Der Mainzer Obdachlosenarzt Gerhard Trabert mit seinem Arztmobil. – Foto: gik

Trabert rief vor 25 Jahren die erste rollende Ambulanz für Obdachlose ins Leben, auch in der aktuellen Situation ist er weiter mit seinem Arztmobil in den Straßen von Mainz unterwegs, unter Wahrung von Schutzmaßnahmen natürlich. „Unsere Obdachlose sind meistens Hochrisikopatienten, viele sind chronisch krank und haben mehrere Krankheiten gleichzeitig“, berichtet Trabert im Gespräch mit dieser Zeitung: „Es braucht dringend Schutz und Isoliermöglichkeiten.“

Die Obdachlosenheime in Mainz haben zwar weiter geöffnet, im Mainzer Thaddäusheim heißt es aber: „Wir sind voll.“ 80 Plätze hat Thomas Stadtfeld, Leiter der Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes in Mainz, zur Verfügung, am Montag frei: noch genau einer. „Wir schaffen derzeit Einzelzimmer, so gut es geht“, sagt Stadtfeld, gerade haben sie das Billiardzimmer auch noch zu einem Schlafraum umgewandelt. Doch in den Notunterkünften gebe es immer noch Sechsbettzimmer, sagte Stadtfeld – in der derzeitigen Pandemie eigentlich ein Unding. „Es geht ja jetzt darum, die Infektionsketten zu unterbrechen“, sagt Stadtfeld besorgt, „was passiert, wenn wir hier im Haus einen Infektionsfall haben – ich weiß es nicht.“

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Im Thaddäusheim haben sie jetzt schon die Regel gelockert, dass nicht registrierte Obdachlose eigentlich nach zwei Wochen weiterziehen müssen, Wohnsitzlose sollen nun nicht einfach auf die Straße geschickt werden. Hygiene, Händewaschen, Infektionen vermeiden – auf der Straße ist das kaum möglich. „Je mehr der Virus ankommt in der Gesellschaft, umso mehr werden unsere Leute gefährdet“, sagt Stadtfeld.

Gerhard Trabert und eine Helferin versorgen im Dezember 2019 einen Obdachlosen in Mainz. - Foto: gik
Gerhard Trabert und eine Helferin versorgen im Dezember 2019 einen Obdachlosen in Mainz. – Foto: gik

Doch auch in Mainz gibt es nicht für alle Obdachlose ein Einzelbett in den Einrichtungen. „Die Container in Mainz für den Winter sollen diese Woche geschlossen werden, das geht natürlich gar nicht“, berichtet Trabert, und schlägt vor: „Man müsste Hotels oder Jugendherbergen zur Verfügung stellen.“ In Spanien geschieht das bereits, in Madrid öffneten bereits Hotels und Pensionen ihre Pforten für wohnsitzlose Menschen. Auf dem Madrider Messegelände Ifema wurden 150 Feldbetten für Obdachlose aufgestellt, die keine Covid-19-Symptome haben. Die Regierung kündigte an, im ganzen Land täglich an bestimmten Punkten Kits mit Hygieneartikeln, Lebensmitteln und Getränken zu verteilen.

Frankreich will ebenfalls nun landesweit Notunterkünfte in Turnhallen für Obdachlose zur Verfügung stellen. Trabert fordert, es brauche auch für Deutschland ein sofortiges, bundesweites Versorgungskonzept in den Kommunen. „Wir brauchen kommunale Telefonkonferenzen mit allen Akteuren, organisiert von den Sozialdezernaten“, betont der Arzt. Es brauche medizinische Anlaufstellen und Infektionssprechstunden, wie der Verein Armut und Gesundheit sie anbietet, und niedrigschwellige Informationen über die Pandemie und wie man sich gegen das Coronavirus schützen kann.

Der Mainzer Arzt Trabert versorgt seit 25 Jahre Obdachlose mit seinem Arztmobil. - Foto: Armut und Gesundheit
Der Mainzer Arzt Trabert versorgt seit 25 Jahre Obdachlose mit seinem Arztmobil. – Foto: Armut und Gesundheit

Auch die Versorgung ist ein Problem: „Es gibt nur noch ganz wenige Stellen, wo es etwas zu essen gibt“, sagt Trabert, die meisten Essensausgaben und Tafeln seien bereits geschlossen. „Die Einnahmen aus dem Betteln fallen jetzt ja auch weg“, sagt der Arzt, er selbst hat in seinem Arztmobil jetzt auch Essen und Getränke dabei. In Mainz arbeitet die Teestube der Pfarrer-Landvogt-Hilfe zwar weiter, doch eigentlich sei die Teestube viel zu voll, auch weil Einrichtungen in Wiesbaden geschlossen wurden.

Auch Stadtfeld berichtet, die Enge könne schnell zum Problem werden. „Wir versuchen, eine Entspannung hinzukriegen, dass sich nicht alles bei Essenszeiten ballt“, sagt der Heimleiter, die Menschen auseinander zu halten, das sei „im Moment noch eine Herausforderung.“ Auch die Tafeln mit ihren Lebensmittelspenden für Bedürftige wurden gleich zu Beginn der Coronakrise geschlossen, auch weil viele der ehrentlichen Helfer dort selbst zur Risikogruppe gehören.

Tafeln zu, Essensspenden bleiben aus, Betteln vergeblich - Obdachlose haben in der Coronakrise große Probleme. - Foto: gik
Tafeln zu, Essensspenden bleiben aus, Betteln vergeblich – Obdachlose haben in der Coronakrise große Probleme. – Foto: gik

„Den Ärmsten in unserer Gesellschaft wird die Grundversorgung und die Existenzgrundlage genommen, da kaum noch Lebensmittel oder sogar keine warmen Mahlzeiten mehr verteilt werden“, warnt Michael Schierstein vom Verein „Foodfighters“, auch seien durch „Hamsterkäufe“ für die sozial Schwachen kaum oder keine Lebensmittel mehr übriggeblieben. Wohnsitzlose könnten sich damit „nur noch sehr bedingt mit den Lebensmitteln für ihr tägliches Überleben versorgen“, schreibt Schieferstein auf seinem Facebookprofil – und sucht nun nach Wegen, den Bedürftigen zu helfen.

Dabei seien die Gaben für die Tafeln etwa aus Supermärkten ja weiterhin da, nur brauche es neue Konzepte, wie man sie zu den Obdachlosen hin bekomme, sagt Stadtfeld: „Wie man die Menschen verpflegt, wenn das alles wegbricht, auf die Frage habe ich noch keine Antwort gefunden.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu Gerhard Trabert und seinem Arztmobil für Obdachlose könnt Ihr hier in dieser Mainz&-Reportage nachlesen. Den Verein Foodfighters und seine Projekte findet Ihr hier im Internet. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&

 

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein