Die Stadt Mainz bekommt vom Land Rheinland-Pfalz eine Million Euro Soforthilfe zur Vermeidung von Diesel-Fahrverboten in der Stadt. Die Stadt wolle damit ihre Busflotte auf den neuesten Stand der Euro 6-Norm bringen, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) nach einem Treffen von Land, Kommunen und Umweltverbänden am Mittwoch in der Staatskanzlei. Ebling forderte bei dem Diesel-Gipfel Rheinland-Pfalz vor allem umfangreiche Fördergelder von der Bundesregierung und stellte die Idee von Integrierten Mobilitätsstationen vor, an denen man E-Autos, Fahrräder und Elektroscooter ausleihen könnte. Für die Anschaffung von rund 100 Elektrorollern brauche es etwa eine Million Euro. Das Land fordert von der Stadt aber weiter konkrete Konzepte, bevor Fördergelder fließen.

Die Parcusstraße, Sorgenkind in Mainz in Sachen Schadstoffemissionen. – Foto: gik

Anfang August hatte ein Gericht in Stuttgart Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Aussicht gestellt, wenn die Stadt nicht sehr schnell etwas gegen die hohen Stickoxidemissionen tut – seither sucht die Politik in Bund und Ländern hektisch nach Maßnahmen, Diesel-Fahrverbote abzuwenden. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte Mainz bereits 2013 wegen der anhaltend hohen Stickoxidemissionen verklagt und diese Klage Ende 2016 wieder aufgenommen – wegen „Untätigkeit der Stadt“, wie die DUH klagt. Derzeit ruht das Klageverfahren aber erneut, weil eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu Fahrverboten erwartet wird. Die Entscheidung sollte eigentlich noch in diesem Herbst fallen, wird sich aber wohl auf Frühjahr 2018 verzögern.

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der nahenden Bundestagswahl hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch Kommunen und Umweltverbände zu einem Diesel-Gipfel Rheinland-Pfalz in die Staatskanzlei geladen, darunter vor allem die drei am meisten im Land betroffenen Kommunen Mainz, Koblenz und Ludwigshafen. Nach dem Treffen kündigte Dreyer eine Soforthilfe in Höhe von drei Millionen Euro für diese drei Städte an: „Es ist ein Sofortprogramm, um die Kommunen darin zu unterstützten, sehr sehr schnell agieren zu können“, sagte Dreyer. Mit der Sofortmaßnahme solle den Gerichten dargelegt werden, „dass Fahrverbote nicht nötig sind.“

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Die Stadt Mainz will nun ihre Busflotte auf emissionsarme Diesel umrüsten. – Foto: gik

Die drei Millionen Euro sollen zu gleichen Teilen an die Städte Mainz, Koblenz und Ludwigshafen gehen, aus den Städten gebe es Berechnungen, „dass die Umstellung ihrer alten Busse genau solche Summen erfordern“, sagte Dreyer. Koblenz und Mainz wollten mit dem Geld ihre Busflotten so umrüsten, dass sie weniger Schadstoffemissionen hätten. Ebling sagte, mit dem Geld solle die Mainzer Busflotte auf die beste Abgasnorm gebracht werden, die Gelder vom Land seien „schon ein Wort, das hilft.“ Nach Angaben eines Stadtsprechers bräuchte Mainz allerdings rund 1,3 Millionen Euro für die Umrüstung des aktuellen Fuhrparks auf die Euro 6-Norm.

Einfach so wird es die Finanzspritze vom Land zudem nicht geben: Eine Schnellarbeitsgruppe soll mit den drei Städten effektive Maßnahmen zur Senkung der Schadstoffemissionen erarbeiten. Er werde dazu „sehr kurzfristig“ einladen, kündigte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) an – der Minister erwartet von den Städten konkrete Maßnahmenpläne, die die Emissionen effektiv senken. Danach soll es eine weitere Runde zur Erarbeitung von mittel- und langfristigen Maßnahmen zur Luftreinheit geben. Dabei gehe es auch um bessere Steuerung von Verkehrsfluss in den Städten, etwa durch Grüne Wellen, sowie um die Förderung des Radverkehrs und des ÖPNV, kündigte Wissing an.

Dreyer sagte, das Land wolle einen „Zukunftsfonds Mobilität“ einrichten, der moderne Mobilitätskonzepte, den Ausbau der E-Ladestationen und der Verknüpfung von Verkehrsträgern mit digitaler Technik voranbringen könne. Zudem will das Land wieder in die Busförderung einsteigen – 2011 hatte Rheinland-Pfalz die Förderung von Bus-Neubeschaffungen mit alternativen Antrieben beendet. Als Folge fahre im Land nun die älteste Busflotte Deutschlands, kritisierte CDU-Landeschefin Julia Klöckner. Gerade diese alten Busse trügen aber „massiv zur Schadstoffbelastung der Luft in unseren Innenstädten bei“, sagte Klöckner, das Land müsse das Förderprogramm nun zügig wieder aufnehmen.

Diesel-Busse gelten als Verursacher von rund einem Viertel der giftigen Stickoxidwerte in Mainz. – Foto: gik

Das sieht auch der Koalitionsvertrag der rot-gelb-grünen Ampel-Koalition im Land vom März 2016 vor, geschehen ist bislang aber nichts. Dreyer sagte zum Ausstieg aus der Förderung am Mittwoch, es habe „beihilferechtliche Probleme“ gegeben, aber auch Haushaltsgründe. Im Klartext: Rheinland-Pfalz hatte an der Busförderung gespart, das rächt sich nun. „Die Umstellung auf Wasserstoff oder E-Busse kostet sehr, sehr viel Geld, das wird nicht möglich sein, wenn der Bund nicht mit einsteigt“, betonte Dreyer. Zurzeit werde eine Förderung von 80 Prozent bei der Neuanschaffung moderner Elektro- oder Wasserstoffbusse durch den Bund geprüft.

Beim Nationalen Dieselgipfel Anfang August hatten Bund und Automobilhersteller zudem die Einrichtung eines Fonds von 500 Millionen Euro verabredet, das Land erhebe Anspruch auf mindestens 25 Millionen Euro aus dem Bundesfonds, betonte Dreyer. Das Treffen am Mittwoch in Mainz nannte sie „Städteforum Saubere Mobilität“ – zu einem Diesel-Gipfel müsse die Automobilindustrie mit am Tisch sitzen, das sei aber Aufgabe des Bundes.

Auch Ebling forderte, es brauche vom Bund „einen erheblichen Beitrag, um die Flotten sukzessive zu erneuern.“ Würde Mainz etwa bei den nächsten, bis 2020 zur Beschaffung anstehenden 26 Bussen statt Dieselfahrzeugen je zur Hälfte Elektro- und Wasserstoffbusse anschaffen, kämen auf die Stadt Mehrkosten zwischen 12 und 17 Millionen Euro zu. „Ich erwarte vom Bund deutliche Hilfen für die Anschaffung“, sagte Ebling. In Mainz fahren derzeit rund 140 Busse, im Rahmen eines EU-Modellprojektes sollen in Kürze acht Wasserstoffbusse in Mainz und Wiesbaden gemeinsam getestet werden. Ein Wasserstoffbus kostet nach Angaben der Stadt zwischen 650.000 Euro und 900.000 Euro.

Der Austausch der gesamten Busflotte würde Modellrechnungen zufolge in Mainz eine Senkung um 10 Mikrogramm Stickstoffdioxid bringen, sagte Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne). 2016 wurde in Mainz in der Parcusstraße im Schnitt eine Stickstoffdioxidbelastung von 53 Mikrogramm gemessen, der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. In der Großen Langgasse lag der Jahresmittelwert bei 42 Mikrogramm, in der Rheinallee bei 39 Mikrogramm. Werte für 2017 liegen noch nicht vor. Die Werte sänken, betonte Ebling, er sei deshalb „optimistisch“, dass sich Fahrverbote vermeiden ließen: „Fahrverbote wären fürchterlich für die Kommunen“, sagte Ebling, es gebe „erheblichen Zeitdruck“, diese zu vermeiden. Kommenden Montag hat auch der Bund besonders betroffene Kommunen nach Berlin zu einer Runde eingeladen, in der ebenfalls kurzfristige Maßnahmen gegen Fahrverbote erörtert werden sollen.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) fordert von den Städten konkrete Maßnahmenpakete, bevor Landesgeld fließt. – Foto: gik

„Wir wären nicht in dieser Situation, wenn der Bund seiner Kontrollpflicht bei der Einhaltung der Diesel-Grenzwerte nachgekommen wäre“, kritisierte Verkehrsminister Wissing. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass die Diesel-Fahrzeuge auch den vorgeschriebenen Umweltstandards genügten, und zwar schnellstmöglich. Es könne nicht sein, dass die Länder für die Kontrollfehler gerade stehen müssten. Die Autoindustrie habe bestimmte Emissionswerte zugesagt, dann müsse sie auch dafür sorgen, dass die eingehalten würden – notfalls eben mit kostspieligen Nachrüstungen.

Auch Dreyer forderte, der Bund müsse klären, wie es mit dem Diesel in Zukunft weitergehe. Das Angebot der Automobilbranche mit dem Software-Update „reicht uns nicht aus“, betonte die Ministerpräsidentin – tatsächlich hatte das Umweltbundesamt errechnet, dass ein entsprechendes Update für die Schadstoffwerte kaum etwas bringen würde. „Wir haben die Erwartung, dass bei einem zweiten echten Dieselgipfel geklärt wird: Was liefert die Automobilbranche“, forderte Dreyer. Es könne „nicht sein, dass der Verbraucher, der Kunde der Leidtragende ist, erst recht nicht die Menschen, die in den Städten wohnen.“

Das Land ist allerdings selbst ziemlich zurückhaltend: Zu weiteren Fördersummen aus der Landeskasse wollte am Mittwoch niemand etwas sagen. In einem Papier heißt es aber, man wolle die E-Mobilität voran bringen und dafür 186 Schnellladepunkte für E-Autos bauen. Zudem sollen noch mehr Dienstwagen der Landesregierung auf alternative Antriebsarten umgestellt werden – aktuell seien 23 Prozent der Flotte mit einem elektrischen oder Plug-in-Hybridantrieb ausgestattet.

Auch Mainz will in Sachen E-Mobilität weiter aufrüsten: Der OB stellte auf dem Treffen in der Staatskanzlei ein Konzept für integrierte Mobilitätsstationen in Mainz vor. An den Stationen könnte man sich dann ein Fahrrad leihen, ein Elektroauto – oder einen Elektroroller. 100 Stück dieser Elektroscooter würde Mainz gerne anschaffen, „dafür bräuchten wir rund eine Million Euro an Unterstützung“, sagte Stadtsprecher Marc-André Glöckner Mainz&. Die Scooter könnten „relativ schnell im nächsten Jahr als Modellprojekt starten.“

Info& auf Mainz&: Mainz& berichtete bereits seit 2016 intensiv über das Problem der Diesel-Abgase, die Klage der Deutschen Umwelthilfe sowie den Streit um Fahrverbote – gebt einfach mal „Diesel“ in die Suchmaske oben auf der Seite ein! Mehr zu den Absichten der Deutschen Umwelthilfe lest Ihr beispielsweise in diesem Mainz&-Artikel – wir haben übrigens mit der DUH persönlich gesprochen. Interessant auch: das radikale Null-Emissions-Programm der Stadt Wiesbaden, die bis 2022 ihre Busflotte komplett auf E-Busse umstellen will. Mehr über die Landeshilfen für die Kommunen sowie die Vorstellung der Parteien zu einem Diesel-Ausstieg lest Ihr hier bei Mainz&. Alle Infos zu den Modellberechnungen des Umweltbundesamtes in Sachen Diesel-Nachrüstung findet Ihr hier.

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