E-Zigaretten galten seit ihrer Einführung vor rund zehn Jahren als kluge Alternative zur Entwöhnung des Zigarettenrauchens, nun warnt der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel: „E-Zigaretten sind eine Einstiegsdroge, es gibt keinen Evidenzbeleg dafür, dass E-Zigaretten weniger schädlich sind oder beim Aufhören von Rauchen helfen.“ Im Gegenteil: Die Daten legten nahe, dass E-Zigaretten sogar abhängiger machten als Zigaretten, und dass E-Zigaretten Gefäße schädigen, oxidativen Stress auslösen und langfristig Herzinfarkte und Schlaganfälle verursachen können. Münzel legte am Mittwoch zwei Studien vor, die in Zusammenarbeit mit der renommierten amerikanische Harvard University entstanden und vor drei und zwei Jahren gestartet wurden.

Raucher dampft mit E-Zigarette. - Peter Pulkowski Unimedizin Mainz
Der Rauch aus E-Zigaretten ist beileibe nicht so unschädlich wie bisher propagiert. – Peter Pulkowski Unimedizin Mainz

In den Studien erforschte ein Team unter der Leitung Münzels die Auswirkungen der elektronischen Nikotinverdampfer auf menschliche Gefäße. E-Zigaretten gibt es seit etwa zehn Jahren, bei den sogenannten Vaporizern werden Stoffe wie Nikotin zum Verdampfen gebracht, der Verbrennungsprozess entfällt. In den vergangenen Jahren wurden E-Zigaretten deshalb als weniger schädlich angepriesen als das reguläre Zigarettenrauchen, Ärzte empfahlen das Dampfen sogar als Entwöhnungsstrategie gegen das Rauchen.

Der Mainzer Kardiologe Münzel widerspricht nun vehement: Studien zeigten, dass gerade Jugendliche vermehrt zu E-Zigaretten griffen, wer aber vorher gedampft habe, werde dreimal häufiger zum Raucher als Nicht-Dampfer. Eine jüngste Studie habe sogar gezeigt, dass E-Zigaretten sogar abhängiger machten als Zigaretten, das belegten auch eigene Untersuchungen, sagte Münzel. Grund sei der konzentrierte Nikotingehalt in den E-Zigaretten. „Der Suchtgehalt des Nikotin ist so hoch, sie kommen kaum davon los“, sagte Münzel.

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Eine Studie habe klar gezeigt: „Nach einem Jahr dampfen noch 80 Prozent derjenigen, die sich mit den E-Zigaretten das Rauchen abgewöhnen wollten“, sagte Münzel, „aber nur neun Prozent klebten an Nikotinpflastern.“ Die Daten legten gar nahe, dass Raucher, die auf E-Zigaretten umstiegen, langfristig abhängig blieben.

Erforschten das Dampfen mit E-Zigaretten: Der Mainzer Kardiologe, Professor, Thomas Münzel, und der Leiter der molekularen Kardiologie in Mainz, Professor Andreas Daiber. - Foto: gik
Erforschten das Dampfen mit E-Zigaretten: Der Mainzer Kardiologe, Professor, Thomas Münzel, und der Leiter der molekularen Kardiologie in Mainz, Professor Andreas Daiber. – Foto: gik

Das sogenannte Dampfen liegt voll im Trend: 3,7 Millionen Menschen nutzten 2017 in Deutschland E-Zigaretten, das waren bereits zwölfmal so viele wie 2010. Bei einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gaben 2018 insgesamt 4,2 Prozent der 12- bis 17-Jährigen an, in den vergangenen 30 Tagen E-Zigaretten geraucht zu haben, bei jungen Erwachsenen waren es 6,6 Prozent. 2012 waren es noch 2,6 Prozent der Jugendlichen beziehungsweise 3,9 Prozent der jungen Erwachsenen gewesen.

Doch der Mythos von der unschädlichen E-Zigarette ist offenbar nicht mehr zu halten: Zwar stecke erst einmal in E-Zigaretten weniger Gift, der E-Zigarettendampf an sich ist nicht so schädlich wie der Rauch von Zigaretten. So entstehen in Verbrennungsmechanismus beim Zigarettenrauch etwa acht bis zehnfach höhere Giftkonzentrationen als im E-Dampf. Doch die neuesten Studien in Mainz zeigten: „Im Dampf ist weniger Gift, aber  dafür wird er besser resorbiert“, sagte Professor Andreas Daiber, Leiter der molekularen Kardiologie des Mainzer Zentrums für Kardiologie: „Das gleicht sich wahrscheinlich aus.“

Und so warnte Münzel nun: Auch E-Zigaretten seien durchaus gesundheitsgefährdend: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass E-Zigaretten keine gesunde Alternative sind.“ Der Kardiologe stellte am Mittwoch zwei Studien vor, die in Mainz in den vergangenen drei Jahren erstellt wurden und nun im renommierten European Heart Journal erschienen. Untersucht wurden dabei nur die regulärem Inhaltsstoffe von E-Zigaretten, also Propylengykoll und Glyzerin mit und ohne Nikotin, nicht aber die aromatischen Zusätze, die derzeit in den USA so stark in der Kritik sind: Als Auslöser für die dortigen Todesfälle sei klar das Vitamin E-Acetat identifiziert worden, sagte Münzel.

Nach Dampf von E-Zigaretten: Zelltod im Reagenzglas. Mainzer Studie. - Foto: gik
Nach Dampf von E-Zigaretten: Zelltod im Reagenzglas. Mainzer Studie. – Foto: gik

Bei den Mainzer Studien wurden nur die regulären Inhaltsstoffe der Dampfer untersucht, in Zusammenarbeit mit dem Mainzer Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie sowie der Bostoner Harvard Universität. Bei der 2016 gestarteten Studie wurde bei 20 gesunden Rauchern die Wirkung von E-Zigarettendämpfen auf die Durchblutung der Brachialarterie im Oberarm untersucht, und zwar kurz bevor sie eine E-Zigarette dampften und 15 Minuten danach. Ein entscheidendes Ergebnis: Schon der Konsum einer E-Zigarette war ausreichend, damit sich die Herzfrequenz erhöhte und die Arterien versteiften.

„Bei den Rauchern war die Endothelfunktion eingeschränkt – ein wichtiger Befund, der sich auf die Funktionalität der Blutgefäße auswirkt“, erklärte Münzel. Das Endothel kleidet die Arterien von innen aus, es ermöglicht, dass sich die Blutgefäße im gesunden Maß erweitern und verengen. Zudem schützt es durch die Auskleidung das Gewebe vor toxischen Substanzen, es reguliert Entzündungs- und Blutgerinnungsprozesse und verhindert den Prozess der Gefäßverkalkung – auch bekannt als Arteriosklerose (korrekt eigentlich: Atherosklerose). Ist das System gestört und liegt eine Endothel-Dysfunktion vor, kann sich eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickeln, betonte Münzel.

Bei einer zweiten, 2017 gestarteten Studie wurden 150 Mäuse sechsmal täglich 20 Minuten lang E-Zigarettendampf ausgesetzt, auch hier stellten die Forscher in Münzels Team fest: die Dämpfe lösten Schädigungen von Blutgefäßen sowie Schäden in Lunge und Gehirn aus. „Ein Kurzzeitgebrauch von E-Zigaretten kann den oxidativen Stress in Gefäßen, Lunge und Gehirn erhöhen“, betonte Münzel. Das könne langfristig zu Gefäßverkalkung, Herzinfarkt, und Schlaganfällen führen. „Wenn die Gefäße steifer werden, geht automatisch der Blutdruck nach“, erklärte Münzel die Wirkungen: „Wir glauben aufgrund unserer Untersuchung, dass es erhebliche Gesundheitsprobleme gibt.“ Weitere Langzeitstudien seien nun dringend erforderlich.

Münzel verwies auch darauf, dass weltweit inzwischen 20 Länder E-Zigaretten verboten haben, er selbst forderte indes kein Verbot der Dampfer: „Man kann nicht so weit gehen zu sagen, man muss die E-Zigarette verbieten“, sagte der Kardiologe: „Was für mich aber ein Skandal ist: dass Deutschland noch immer das einzige Land in Europa ist, wo man noch Zigarettenwerbung machen darf – das muss man wirklich überdenken.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Studie „Short-term e-cigarette vapour exposure causes vascular oxidative stress and dysfunction: evidence for a close connection to brain damage and a key role of the phagocytic NADPH oxidase (NOX-2)“ kann man im European Health Journal nachlesen, und zwar genau hier.