Vergangene Woche stellte der Mainzer Landtag ja das Ergebnis des Wettbewerbs „Kunst am Bau“ für die Wiese am umgebauten Mainzer Deutschhaus vor, das Ergebnis: drei Metallrahmen, in denen je eine der drei Farben Schwarz, Rot und Gold als Stück Stoff flattern soll. Das Kunstwerk „Drei Farben“ des Berline Künstlers Michael Sailstorfer setzte sich gegen 170 weitere Wettbewerbsbeiträge durch, die Jury schwärmte in höchsten Tönen von dem Kunstwerk, dass die Geschichte der Hambacher Fahne aufgreife und die Nationalfahne „neu erlebbar“ mache. Mainz& hat interessiert: was waren eigentlich die anderen Entwürfe? Und siehe da, die hätten dem Platz zwischen Landtag und Großer Bleiche womöglich noch ganz andere Impulse gegeben: Andere Künstler nämlich entwarfen ein Plenarrund unter freiem Himmel, Plätze zum Sich-Treffen und Debattieren und sogar einen ganzen „Garten der Welt“ für Mainz.

Kunstwerk mit grünem Dach auf Säulen – ein Vorschlag im Wettbewerb „Kunst am Bau“ des Mainzer Landtags. – Foto: gik

228.000 Euro stehen am Landtag für das Thema „Kunst am Bau“ zur Verfügung, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Seit Ende 2015 wird das altehrwürdige Deutschhaus, ein altes Barockpalais grundlegend entkernt, saniert und mit einem modernen Innenleben versehen, in Richtung Große Bleiche erhält das Haus einen neuen Anbau in Rottönen für Besuchergruppen und eine Kantine. Bis 2020 soll der neue Parlamentssitz fertig sein, mit der „Kunst am Bau“ will der Landtag „seiner Wertschätzung für die Bildende Kunst im öffentlichen Raum an prominenter Stelle sichtbar Ausdruck verleihen“, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering.

Also schrieb der Landtag einen Wettbewerb aus, die Aufgabe lautete, den rheinland-pfälzischen Landtag als besondere Stätte der Demokratie künstlerisch darzustellen. Gewünscht war zudem, dass das Kunstwerk Anlaufstelle für die vielen Landtagsbesucher sein und sich sensibel in die städtebauliche Situation einfügen sollte. Der Zuspruch zum Wettbewerb war enorm, 171 Beiträge wurden von Künstlern aus ganz Europa eingeschickt. Zehn Künstler wurden in einer zweiten Stufe nach Sichtung durch ein Auswahlgremium eingeladen, ein Modell für ihr Kunstwerk zu entwerfen und zu präsentieren – diese zehn Modelle sind noch bis Mittwoch in der Lobby des derzeitigen Interimsplenarsaals im Landesmuseum zu sehen.

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Unter den neun anderen Entwürfen sind klassische Skulpturen ebenso wie ein großer, transparenter Umriss eines Kopfes oder aber ein schiefes grünes Dach auf Stelzen. „En toute sérénité“, „in aller Ruhe“ hat der Künstler die Skulptur getauft und betont auf dem dabei liegenden Konzeptpapier: Die Stelzen nähmen die Bauform der Säulen aus dem Landtagsbau auf, das grüne Dach zitiere eine barocke Gartenanlage. Zu dem Kunstwerk sollten strahlenförmige Wege den Besucher in eine Mitte hinführen, wo man auf einem grauen Mäuerchen zum Verweilen unter den Stelzen eingeladen worden wäre.

Der „Plenairsaal“, ein nachgebildetes Plenarrund, hätte ebenfalls als „Kunst am Bau“ am Mainzer Landtag entstehen können. – Foto: gik

Überhaupt setzten die meisten Künstler in dieser Endauswahl auf Kunstwerke, die den Mainzern auch eine Gelegenheit zum Sitzen, Verweilen und gar debattieren gegeben hätten. Da war etwa eine Installation aus 51 podestartigen, runden Metallobjekten, die scheinbar zufällig auf der Wiese neben dem Landtag verstreut gelegen hätten. Die Besucher hätten sich zwischen den leicht spiegelnden Objekten bewegen oder sich auf ihnen niederlassen können, fand der Künstler, die 51 Podeste wiederum stünden stellvertretend für die 51 Wahlkreise im Land. Eine App hätte dazu die Hintergrundinformationen liefern können.

Einen Bezug zum Geschehen in dem Landtagsgebäude wollte auch das Werk der Künstlerin Lucia Dellefant herstellen: Ihre Skulptur „In der Vielfalt liegt unser Gelingen“ hätte genau diesen Schriftzug aus Buchstaben kreisförmig in einem Rund angeordnet, das genau das Rund des Plenarsaals abgebildet hätte. Die hellgrauen Buchstaben auf lavagrauem Basalt sollten die Bürger zu einem Forum des politischen Diskurses anregen, die Buchstabenwürfel wären mit Zitaten von Rheinland-Pfälzern versehen worden, die sich bereits für die Demokratie engagieren.

Dies ist der Siegerentwurf „Drei Farben“, in den drei neun Meter hohen Metallrahmen sollen Fahnen flattern. – Foto: Landtag/ Andreas Linsenmann

Alexander Laner wiederum hätte gleich den Plenarsaal in seiner Gänze als Modell auf die Wiese neben der Landtagskantine gestellt: ein formal vereinfachtes Parlamentsrund, angelehnt an den Mainzer Plenarsaal aus den 1980er Jahren, der damals bundesweit der erste Plenarsaal in Rundform war. „Durch die künstlerische Geste ins Freie versetzt, wird der Plenarsaal zum „Pleinairsaal“, zum Plenum unter freiem Himmel“, schreibt der Künstler dazu. Entstehen könne so eine Arena oder gar eine Art römisches Amphitheater in der freien Natur, ein Außenparlament, das zugleich Demokratie, Transparenz und Bürgernähe symbolisiere – und sogar für reale Sitzungen genutzt werden könnte.

So hätte der Parlamentsgarten am Mainzer Landtag aussehen können. – Foto: gik

Besonders gut aber gefiel uns der „Garten der Welt“, ein ebenfalls kreisrundes Gebilde, das maßstabsgetreu das Plenarrund im Landtagsgebäude nachgebildet hätte. An die Stelle der Sitze für die Parlamentarier aber wären Gartenparzellen getreten, 188 Minigärten – und diese hätten stellvertretend für die 188 verschiedenen Nationalitäten gestanden, die Ende 2017 in Rheinland-Pfalz lebten. „Jede Parzelle ist einem der Herkunftsländer gewidmet“ und werde mit Pflanzen aus dem jeweiligen Land bestückt, so der Künstler in seiner Beschreibung. So entstehe ein biologisch ausdifferenzierter „Weltgarten, ein Garten von und für Menschen aus aller Welt“, ein interkultureller Garten direkt vor dem Parlament.

In die Mitte hätte der Künstler schließlich noch einen großen, runden, vier Meter messenden Tisch gestellt, dessen Oberfläche mit einem Sattelitenbild von Rheinland-Pfalz versehen worden wäre – auf dem Tisch hätte man sitzen, picknicken oder spielen können: „Treffpunkt und praktisches, multifunktionales Zentrum des kleinen Parks und der Weltgärten“, wie der Künstler in seiner beiliegenden Beschreibung notiert. Direkt an der Großen Bleiche und in unmittelbarer Rheinnähe hätte so eine grüne Oase für die Mainzer entstehen können – für die einzelnen Parzellen hätte es Patenschaften geben sollen, so wäre eine World Community entstanden, ein Ort der Begegnung, aber auch des Handelns und der Kommunikation.

Visualisierung des künstlerischen Rundes „Vielfalt“ für den Mainzer Landtag. – Foto: gik

Die Jury hingegen entschied sich für die drei neun Meter hohen Metallrahmen mit den drei Farben Schwarz, Rot und Gold darin, und bergründete dies so: Die Form der drei Fahnen in drei separaten Metallrahmen stehe für Offenheit, durch die Trennung der drei Farben könne „die Fahne neu erlebt werden.“ Das Werk nehme „in herausragender Weise Bezug“ auf die Geschichte des Platzes und leiste eine „künstlerische Transformation“ des Themas der Hambacher Fahne, aus der die deutsche Nationalflagge wurde. „Drei Farben“ erinnere so auch an den Mut der damaligen Freiheitskämpfer, die ungeachtet aller Gefahren für ihr Leib und Leben die deutsche Einheit, Freiheit und Demokratie forderten.

Sailstorfer selbst hatte in seiner Bewerbung geschrieben, er wolle mit seinem Kunstwerk dazu beitragen, einen Ort zu entwickeln, an dem Demokratie aktiv erlebt und gestaltet wird. Der Besucher solle eingeladen werden, über den Ort und seine Bedeutung zu reflektieren. Die Jury meinte dazu, durch das Kunstwerk bleibe der Ort begehbar, nahbar und lade Passanten ein. Die Mainzer reagierten dagegen eher mit Kopfschütteln: die ersten Reaktionen von Mainz&-Lesern lauteten „drei Wäscheleinen“ oder schlicht „bescheuert“.

Info& auf Mainz&: Alle zehn Modelle der Finalrunde des Wettbewerbs „Kunst am Bau“ könnt Ihr im Mainzer Landesmuseum, in der Lobby des Plenarsaals, der alten Steinhalle, ansehen – allerdings nur noch bis diesen Mittwoch. Dann waren die Vorschläge, die vor der Bekanntgabe des Siegers weder mitgeteilt noch gezeigt wurden, genau eine Woche lang ausgestellt. Mehr zum Siegerentwurf „Drei Farben“ lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zur Sanierung und Umbau des Deutschhauses genau hier. Zu den Vorschlägen und der Entscheidung in Sachen „Kunst am Bau“ am Mainzer Landtag lest Ihr hier unseren Leitartikel: „Abgehobene Fahnenbahnen statt Treffpunkt und Kommunikation – Die Kunst am Mainzer Landtag haut den Mainzern die Demokratie um die Ohren.“

 

 

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