Es ist eines der spannendsten Theaterfestivals, die es so gibt: Bei Grenzenlos Kultur stehen behinderte und nicht-behinderte Menschen gemeinsam auf der Bühne, und immer wieder gelingen dabei intensive und berührende Momente, die ein ganz eigenes Licht auf unsere Gesellschaft werfen. Am Donnerstag startet die 18. Ausgabe des Theaterfestivals, und das verneigt sich vor der ältesten aller Avantgarde-Strömungen: Dada, die Kunst des Unsinns, wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Zu sehen sind dabei Bühnenmagier, Puppenshows, eine Dada-Diven-Revue – und einen Tanzschwerpunkt.

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Dada hält Einzug bei Grenzenlos Kultur im 18. Jahr – Foto: Iskender Koekce

„Das ‚grenzenlos‘ in Grenzenlos Kultur galt immer schon für die Kunst- und Theatersparten, wie auch in diesem Jahr die fließenden Übergänge zu Musik und Bildender Kunst beweisen“, schreiben die Organisatoren der Lebenshilfe gGmbH Kunst und Kultur in ihrer Ankündigung. Die Disziplin Tanz war von Anfang an dabei und habe „mit der Unsinnfrage reichlich Erfahrung: Der tanzende Körper sucht ständig nach neuen Formen, er gebiert unmittelbar Sinn und löst ihn ebenso unmittelbar wieder auf.“

2016 gibt es deshalb bei Grenzenlos Kultur einen Tanzschwerpunkt: Panaibra Gabriel Canda lotet in einem Doppelabend die Sprache der Körper aus – und auch noch andere Grenzen: „Während sich in „Metamorphoses“ Zuschreibungen wie „behindert“ und „nicht behindert“ auflösen, wird Candas Körper in den „Marrabenta Solos“ zum Gradmesser gesellschaftlicher Umbrüche in Mosambik.“ Michael Turinsky wiederum choreografiert in „my body, your pleasure“ den Tänzern die Spasmen des eigenen Körpers auf den Leib. Danza Mobile aus Spanien fragt mit ihrer inklusiven Compagnie „Where is down?“ Und Jeremy Wade untersucht in „Together Forever“ zusammen mit dem Publikum, wie es um unsere Hilfs- und Fürsorgebereitschaft steht.

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Der gute Mensch von Downtown – Foto: Melanie Bühnemann

Grenzenlos Kultur hat von Anfang genau diesen Spagat erfüllt: Die gerade in Deutschland so hohen Grenzen zwischen behinderten und Nicht-Behinderten aufzulösen und die Frage zu stellen, wie unsere Gesellschaft mit ihren Benachteiligten umgeht. Und so eröffnet denn auch das Berliner Ensemble „Ramba Zamba“ mit Gisela Höhnes Inszenierung „Der gute Mensch von Downtown“ das Festival – der Abend mit Bühnenlegende und Tatort-Kommissarin Eva Mattes steht einerseits in der Dada-Tradition, die Verrücktheit der Welt mit Verrücktheit zu kontern. „Andererseits stellt er mit Bertolt Brecht die Frage, ob ein gerechtes Leben in einer ungerechten Gesellschaft möglich ist“, heißt es da.

Das berührt natürlich auch die Frage nach unserem Umgang mit Flüchtlingen: „Dada wurde von Menschen erfunden, die in Zürich Zuflucht vor dem Ersten Weltkrieg suchten“, erinnern die Festivalmacher, „100 Jahre später sieht es nicht besser aus in der Welt, beschäftigt uns das Thema Flucht und die Reaktion Europas darauf jeden Tag.“ Das Festival aber widmet sich dem Thema auf komisch-schräge Weise – auf Dada eben. Wie den Bühnenmagier Thom Luz, der in „When I die“ von einer älteren Dame erzählt, die sich von verstorbenen Komponisten wie Liszt und Beethoven ungeschriebene Werke diktieren lässt. „Dabei zerlegt er das Theater in seine Einzelteile – und setzt sie leicht verschoben wieder zusammen“, heißt es in der Ankündigung.

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Grenzenlos Kultur vol. 18: Die letzte Lockerung von Das Helmi – Foto: Das Helmi

Einen schrägen Blick auf die Welt gibt es auch von der Kult-Puppentruppe „Das Helmi“, die mit ihrer Dada-Revue „Die letzte Lockerung“ dem anarchistischen Geist des Dadaismus huldigen. Und das Berliner Theater Thikwa kombiniert in seiner Theaterperformance „Hindernisse auf der Fahrbahn“ Texte von Ernst Herbeck mit Musik und Bildern „zu einem intensiven Abend, der sanft an den Festen der Welt rüttelt.“ Ähnlich verschoben und verschroben: die Alltagsgespräche von Martin Clausen und Kollegen in „Come Together“, die den Wortsinn bis zur Satzmelodie entkleiden und mit absurden Choreografien den Witz kitzeln, „dann umarmen sich Dada und gaga herzhaft.“

„Who cares?“ heißt es beim parallel stattfindenden internationalen Symposium, wenn Wissenschaftler und Experten über Fürsorge und die Möglichkeiten und Grenzen eines selbstbestimmten Lebens und (Kultur-)Arbeitens mit Behinderung diskutieren. In Workshops, Lectures und Performances stellen Theoretiker, Aktivisten und Künstler aus Wirtschaft, Kunst und Sexarbeit ihre kritischen Positionen zu Fragen der Für-Sorge zur Debatte.

21 Veranstaltungen warten bis zum 1. Oktober auf Euch, los geht’s am Donnerstag, den 22. September, mit der Premiere von „Der gute Mensch von Downtown“ – die übrigens ebenso wie die Vorstellung am Freitag schon ausverkauft ist. Insgesamt könnt Ihr rund 150 Künstler mit und ohne Behinderungen aus England, Mosambik, Österreich, der Schweiz, Spanien, USA, Deutschland und anderen Ländern erleben. Alles auf den verschiedenen Bühnen des Staatstheaters Mainz.

Info& auf Mainz&: Grenzenlos Kultur Vol. 18, das integrative Theaterfestival, vom 22. September bis 1. Oktober 2016 in Mainz. Das komplette Programm gibt’s unter www.grenzenloskultur.de. Tickets kosten zwischen 14,- Euro und 35,50 Euro und gibt’s im Mainzer Staatstheater, Online genau hier.

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