Nach den heftigen Angriffen auf Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) stellen sich die Grünen schützend vor ihre Dezernentin. „Wir übernehmen Verantwortung für diese Stadt“, sagte Kreischefin Ann Kristin Pfeifer, 2.000 Baustellen in der Stadt ließen sich nicht so koordinieren, dass nichts gleichzeitig stattfinde. „Volle Unterstützung“ bekommt Eder auch von der Grünen Jugend. Im Rathaus mag man sich unterdessen zur Forderung, Eder das Verkehrsressort zu entziehen nicht äußern. Die Stadt vergab jetzt aber den Auftrag für eine externe Beratung für ein besseres Infrastrukturmanagement. Kritik an Eder kommt aber immer deutlicher auch vom Koalitionspartner FDP.

Die Mainzer sind zutiefst von den Baustellen in der Stadt genervt, nun soll ein externes Büro bei der Koordinierung helfen. – Foto: gik

„Das Management und die Kommunikation der Baustellen waren weder optimal, noch sonderlich professionell“, sagte FDP-Kreischef David Dietz am Donnerstag. Auch habe das Umschwenken auf externe Expertise zu lange gedauert. Die täglichen Staus seien zwar „ein massives Ärgernis und nerven fürchterlich“, gleichwohl seien die Baumaßnahmen aber auch dringend notwendig, sagte Dietz weiter: „Viel zu lange wurden diese Maßnahmen in die Infrastruktur auf die lange Bank geschoben, daher muss jetzt auch dementsprechend gehandelt werden.“

Die CDU hatte am Dienstag aufgrund des dritten Jahres anhaltenden Baustellenchaosses in Mainz sogar vorgeschlagen, Dezernentin Eder das Verkehrsressort zu entziehen. Der Dezernentin sprang umgehend die Grüne Jugend bei: „Seit wir Grüne in Mainz Verantwortung übernommen haben, hat sich die Mobilitätspolitik auf den Weg in die Zukunft gemacht“, erklärte die Jugendorganisation der Grünen. Keine andere Partei engagiere sich so offensiv für den ÖPNV, die Belange von Radfahrern oder für die Luftqualität. Man trete für einen moderneren öffentlichen Nahverkehr ein und arbeite auch an mehr Platz für Fußgänger.

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„Häufig wird uns Grünen vorgeworfen, wir würden wichtige Bauvorhaben blockieren“, betont die Grüne Jugend weiter. In Mainz jedoch investieren gerade die Grünen mit Bauprojekten in die Zukunft der Stadt. „Auch wenn die aktuelle Situation im Moment für viele Menschen vorübergehende Einschränkungen bedeutet, ist der eingeschlagene Weg der richtige“, heißt es weiter: „Für diesen Weg bekommt Katrin Eder unsere volle Unterstützung.“

Die anderen Fraktionen der Ampel-Koalition meldeten sich zur Verteidigung ihrer Dezernentin indes nicht zu Wort, im Rathaus heißt es zur Forderung, Eder das Verkehrsressort zu entziehen, lediglich: „Dazu äußern wir uns nicht.“

Grüne: „Erbärmlich, wie sich nun alle wegducken“

Die Grünen-Stadtratsfraktion hingegen meldete sich zu Wort – allerdings in einer Pressemitteilung, in der die Dezernentin Katrin Eder überhaupt nicht vorkommt. „Die Baumaßnahmen dienen dem Wohle der Bevölkerung und sind kein Selbstzweck“, schreibt darin Fraktionssprecherin Sylvia Köbler-Gross und betont: „Ich sage auch ganz klar, unsere Vorstellung von Verkehr ist ein fließender, für alle Verkehrsteilnehmer, aber manchmal muss man Abstriche machen.“ Mainz habe jetzt die Chance, mit Förderprogrammen von Bund und Land wichtige Infrastrukturprojekte in Mainz umzusetzen, 40 Jahre lang sei viel zu wenig in die Instandhaltung der Stadt investiert worden. „Mit den aktuell niedrigen Zinsen und den Fördermitteln hat Mainz die einmalige Chance diese Versäumnisse abzuarbeiten“, sagte Köbler-Gross, „wir dürfen nämlich eins nicht vergessen: Mainz ist hoch verschuldet.“

Die Grünen-Kreisvorstandssprecherin Pfeifer griff zudem die CDU an: Die Großbaumaßnahmen seien gemeinsam im Stadtrat beschlossen worden – mit der CDU. „Es ist geradezu erbärmlich, wie sich nun alle wegducken und die Verantwortung für die gemeinsam beschlossenen Maßnahmen von sich weisen“, kritisierte Pfeifer. „Schlichtweg grotesk“ sei zudem der Vorwurf, es würden aus politischen oder ideologischen Gründen Straßen aufgerissen.

Hindernislauf Baustellen in Mainz – die Grünen verteidigen ihre Dezernentin. – Foto: gik

„Keiner wünscht sich Baustellen, aber jeder will Straßen in gutem Zustand, ohne Schlaglöcher und eine zuverlässige Strom-, Wasser- und Gasversorgung“, sagte Pfeifer. Über 2.000 Baustellen ließen sich aber nicht so koordinieren, dass sie nicht auch gleichzeitig oder überschneidend stattfänden. Zudem wisse auch die CDU sehr genau, dass auch Leitungen von Telekommunikationsunternehmen oder das Legen von Hausanschlüssen durch Private genehmigt werden müssten, ohne dass die Stadt hier Spielraum habe.

Grüne werfen CDU jahrelange Vernachlässigung vor – Leser fordern „Edertalsperre“

„Die CDU zeigt heute mit dem Finger auf diejenigen, die sich endlich einmal um diese Stadt kümmern“, schimpfte Pfeifer, sie selbst habe „jahrzehntelang die Verantwortung in dieser Stadt getragen und die Infrastruktur, Bürgerhäuser, Rathaus und Straßen, langsam vor sich hin verfallen lassen.“ Pfeifer verweist vermutlich damit auf den langjährigen CDU-Bürgermeister und Dezernent für Planung und Bauen, Norbert Schüler, der im November 2009 aus dem Amt schied. Heute gebe es ein Investitionshoch in Mainz, betonte Pfeifer und fügte hinzu: „Wir alle werden noch Geduld brauchen, denn neue Straßen und Leitungen fallen nicht über Nacht geräuschlos vom Himmel.“

Doch die Geduld kommt den Mainzern immer mehr abhanden. „Wir brauchen eine ‚Edertalsperre'“, schimpfte etwa eine Leserin auf Facebook – viele lasten der Dezernentin persönlich die Verkehrsprobleme auf den Straßen an, auch weil Eder eben in ihrer Politik stark auf ÖPNV und Fahradverkehr setzt. Die Dezernentin handele aus „ideologischen Gründen“ und wolle den Autoverkehr aus der Stadt vertreiben – die Baustellen kämen da gerade Recht, so die Vorwürfe. Von anderen kommt aber auch Verteidigung: Es brauche ein Umdenken weg vom Auto, fordern durchaus auch viele Leser, der Platz in der Stadt sei nun einmal endlich. „Wir müssen endlich schaffen, intelligente Verkehrssysteme zu entwickeln“, fordert ein Leser. Wenn mehr Leute auf Bus und Rad umsteigen würde, wäre auch genug Platz für die, die mit dem Auto fahren müssten.

Stadt Mainz: Beratungsauftrag an externe Firma vergeben – 94.000 Euro Kosten

Guter Rat ist teuer: Eine externe Firma soll nun die Arbeitsabläufe in der Mainzer Stadtverwaltung durchforsten. – Karikatur: Bianca Wagner

Allerdings ist auch Oberbürgermeister Ebling offensichtlich mit dem Management der notwendigen Baustellen unzufrieden. Baumaßnahmen müssten in Zukunft besser kommuniziert und öffentlich vorgestellt werden, auch beim Management wolle man besser werden, sagte Ebling vergangene Woche. Und kündigte an, die seit einem Jahr angekündigte Beratungsfirma werde nun „baldmöglichst“ die Arbeit aufnehmen. Prompt verkündete die Stadt an diesem Donnerstag: Der Beratungsauftrag sei jetzt vergeben, und zwar an das BWV Beratungsinstitut für Wirtschaft und Verwaltung aus Darmstadt.

Die Firma solle „das bisherige Infrastrukturmanagement untersuchen und nicht die Baustellen koordinieren“, betonte Ebling zudem. Die Darmstädter würden zunächst eine Ist-Analyse vornehmen und dafür die stadtverwaltungsinternen Abläufe in den betroffenen Abteilungen untersuchen sowie Gespräche mit den Mitarbeitern führen. Daraus solle dann ein Soll-Zustand in Form einer Konzeption der künftigen Abläufe und Organisation entwickelt werden. Die Baustellen zu koordinieren, sei nach wie vor Aufgabe der städtischen Mitarbeiter in den zuständigen Abteilungen, betonte Ebling.

Schon Anfang Juli soll die Beratungsgesellschaft ihre Arbeit aufnehmen, geplant seien rund 70 Projekttage verteilt auf etwa sechs Monate, hieß es weiter. Die Kosten für die Beratung belaufen sich auf 94.000 Euro. An den zahlreichen Baustellen und Grabungen im Stadtgebiet seien zunehmend mehr Firmen und städtische Ämter beteiligt, deren Anliegen und Arbeitsschritte koordiniert und aufeinander abgestimmt werden müssten, hieß es zur Begründung noch einmal. Ebling verwies zudem darauf,  dass die Stadt bereits die Schaffung einer zusätzlichen Stelle im Stadtplanungsamt als „Koordinierungsstelle Tiefbau“ in der Abteilung Straßenbetrieb beschlossen hat. Die Stelle soll 2018 kommen – auch um die Ergebnisse der Analyse umzusetzen.

So sahen es schon vor zwei Jahren die Narren – Motivwagen zum Baustellen-Chaos in Mainz im Frühjahr 2015. – Foto: gik

FDP: Zusätzliche Rheinbrücke zwischen Bingen und Rüdesheim zur Entlastung

Die FDP hatte indes noch einen weiteren Vorschlag: Um „langfristig und nachhaltig die Situation zu entspannen“, müsse nun endlich der Bau einer weiteren Rheinquerung zwischen Bingen und dem Rheingau realisiert werden, forderte Dietz. Der von der FDP favorisierte Standort liege auf Höhe Ingelheim – Oestrich-Winkel. „An der Stelle ist die Situation mit den Zubringerstraßen ideal und der Eingriff in die Naturflächen am geringsten durchführbar“, meinte Dietz. Zeitgleich zur Bundestagswahl sei nun endlich ein Bürgerentscheid angesetzt, bei dem die Bürger im Kreis Mainz-Bingen abstimmen sollen, ob der Kreis eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gibt.

„Nach langem Hin und Her dürfen nun endlich die Bürger sprechen, ob sie das elende Verkehrsgewürge weiter ertragen wollen oder die Region als Teil des prosperierenden Rhein-Main-Gebiets weiterentwickeln wollen“, sagte Dietz. Das Vorhaben ist allerdings stark umstritten, die Hessen fürchten mehr Verkehr im Rheingau, die Grünen lehnen das Projekt aus Umweltschutzgründen komplett ab – und sie stellen in Hessen den Verkehrsminister.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Kritik am Baustellenchaos in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&, die Kritik der CDU an Dezernentin Eder findet Ihr hier. Und auch unsere Karikaturistin hat sich so ihre Gedanken zum Thema Baustellen in Mainz gemacht – Biancas Blick auf Mainz findet Ihr hier.

 

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