Ein halbes Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie fiebert die Welt vor allem einer Lösung entgegen: Ein Impfstoff wird wohl die einzige dauerhafte Lösung im Kampf gegen das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 sein. Und dafür stehen die Chancen alles andere als schlecht: Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech will bereits Ende Oktober einen Antrag auf Zulassung des Impfstoffs einreichen – Ende Oktober dieses Jahres, wohlgemerkt. Die Mainzer haben im Rennen um den ersten Impfstoff die Nase ganz weit vorn, vergangene Woche rüsteten sie sich dafür mit dem Kauf einer Produktionsstätte in Marburg – am traditionsreichen Standort der alten Behringwerke.

Heiß begehrt und intensiv gesucht: Ein Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus rückt mit großen Schritten näher. - Foto: Bundesregierung
Heiß begehrt und intensiv gesucht: Ein Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus rückt mit großen Schritten näher. – Foto: Bundesregierung

Das neue Coronavirus Sars-CoV-2 hält die Welt weiter in Atem, die Zahl der mit dem Virus Infizierten stieg am Wochenende weltweit auf über 30 Millionen an, fast 956.000 Menschen sind an den Folgen der Viruserkrankung gestorben. In Deutschland zählte die John Hopkins Universität am Sonntagmorgen insgesamt 272.900 Infektionsfälle, 9.388 Menschen sind an den Folgen der durch das Virus ausgelösten Multi-Organ-Krankheit Covid-19 gestorben.

Nach einer Entspannungsphase im Sommer rollt inzwischen die zweite Welle durch Europa: Frankreich meldete am Wochenende mehr als 13.000 Neuinfektionen an einem einzigen Tag, so viele wie nie zuvor – in Spanien waren es sogar mehr als 14.000 binnen eines Tages. Das Robert-Koch-Institut meldete derweil am Wochenende mehr als 2.300 Neuinfektionen in Deutschland pro Tag – ein neuer Höchstwert seit dem Sommer. Damit baut sich auch in Deutschland langsam wieder eine höhere Infektionswelle auf – die zweite Welle der Coronainfektionen rollt.

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Das Coronavirus Sars-CoV-2 ist weiter hochaktiv und hält die Welt in Atem. - Foto via Wikipedia
Das Coronavirus Sars-CoV-2 ist weiter hochaktiv und hält die Welt in Atem. – Foto via Wikipedia

In Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Infizierten am Wochenende erstmals über die 10.000er-Marke, aktuell sind hier im Land 942 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, in Mainz starb vergangene Woche erstmals wieder eine Patientin an den Folgen der Krankheit. Noch sind unter den Infizierten meist jüngere Menschen und damit viele leichte Fälle, Experten wie der Virologe Christian Drosten gehen aber davon aus, dass sich das Muster vom Beginn der Pandemie wiederholen kann: Im März folgten den ersten Infektionen unter Skifahrern mit vielen leichten Fällen nach einigen Wochen eine Welle schwerer Erkrankungen, die auch zu Todesfällen führten.

Eine echte Entspannung der Pandemielage kann deshalb nur eines geben: ein Impfstoff gegen das Coronavirus. Und da sieht die Lage gar nicht mal schlecht aus, weltweit werden derzeit bereits mehrere Impfstoffe erprobt, erste klinische Studien an Patienten laufen – es wäre die wohl schnellste Entwicklung eines Impfstoffs in der Geschichte der Menschheit. Die rasante Geschwindigkeit ist indes nicht überraschend: Den Entwicklern des ersten funktionierenden Impfstoffs winken nicht nur hoher Forscherruhm – und vielleicht sogar der Nobelpreis -, sondern auch enorme Einnahmen und Gewinne: Der Covid-19-Impfstofff ist derzeit der Jackpot der Pharmaforschung.

Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech liegt beim Rennen um einen Corona-Impfstoff ganz weit vorne. - Foto: gik
Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech liegt beim Rennen um einen Corona-Impfstoff ganz weit vorne. – Foto: gik

Ganz vorne mit dabei im Rennen ist das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech, die bislang auf Krebsmedikamente spezialisierte Firma war die erste in Deutschland, die eine Impfstoffstudie mit Patienten in Sachen Covid-19 anmeldete und genehmigt bekam. Das war im April, am 27. Juli wurde der erste Patient mit dem Impfstoff behandelt. Inzwischen läuft die Studie weltweit mit 29.000 Probanden in 129 Studienzentren, Biontech arbeitet dafür mit dem US-Pharmakonzern Pfizer zusammen, der auch bei der Produktion des Impfstoffs sowie vor allem beim weltweiten Vertrieb helfen soll.

15.000 Patienten wurden bislang mit dem neuen Biontech-Impfstoff behandelt, weitere 15.000 Probanden mit einem Placebo als Kontrollgruppe. Dabei handelt es sich um einen sogenannten RNA-Impfstoff, den menschlichen Zellen wird dabei eine Art Bauplan zur Bildung eines Abwehrproteins eingeimpft. Erregerbestandteil sind in diesem Fall die Krönchen-artigen Erweiterungen des Coronavirus-Erregers, die dem Virus seinen Namen – „Corona“ – gegeben haben. Dank des Bauplans des Impfstoffs baut der Körper die Krönchen nach und lernt so den Erreger erkennen und bekämpfen: Es wird eine schützende Immunantwort gegen den Erreger aufgebaut, die im Falle einer Infektion die Erkrankung verhindert oder ihren Verlauf zumindest abmildert.

Erst ein Impfstoff wird die Corona-Pandemie wirksam stoppen, hier das Testlabor in Ingelheim. - Foto: gik
Erst ein Impfstoff wird die Corona-Pandemie wirksam stoppen, hier das Testlabor in Ingelheim. – Foto: gik

Der Impfstoff werde dabei zwei Mal intramuskulär verabreicht, erklärte Biontech-Chef Ugur Sahin vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Mainz: am Tag eins, und drei Wochen später noch einmal. Erprobt wird dabei die Wirksamkeit, aber ebenso mögliche Nebenwirkungen, die häufigsten sind dabei bisher Müdigkeit und Kopfschmerzen, teilte Biontech nun mit. So entwickelten 38 Prozent der Probanden im Alter zwischen 18 und 64 Jahren nach der Impfung Müdigkeitssymptome, 35 Prozent Kopfschmerzen, 15 Prozent Muskelschmerzen und 9 Prozent Schüttelfrost.

Sahin betonte, damit weise der Impfstoff „ein gutes Verträglichkeitsprofil auf“, die Nebenwirkungen seien in dieser Form erwartet worden. In der Gruppe der 65- bis 85-jährigen Probanden fielen die Nebenwirkungen sogar geringer aus als bei den jüngeren Patienten. Sahin betonte zudem, die Nebenwirkungen seien vorübergehend, der Impfstoff in der Lage, die Bildung von spezifischen Antikörpern und für die Immunabwehr wichtigen T-Zellen zu fördern. Biontech will nun weitere 14.000 Patienten in die Studie aufnehmen, darunter sollen dann auch Jüngere zwischen 14 und 18 Jahren sein sowie Patienten mit Vorerkrankungen.

Laborproduktion bei Biontech. - Foto: Biontech
Laborproduktion bei Biontech. – Foto: Biontech

Trotzdem rechnet das Unternehmen damit, bereits Ende Oktober einen Antrag auf Zulassung des Impfstoffs einreichen zu können – Biontech will noch in diesem Jahr gemeinsam mit Pfizer bis zu 100 Millionen Dosen produzieren und im Genehmigungsfall auch ausliefern. Lieferverträge bestünden mit der EU, den USA, Japan und Großbritannien, sagte Sahin. Für die zu erwartende Großproduktion verstärkt sich Biontech nun mit dem neuen Werk in Marburg: Bisher wurden dort am traditionsreichen Standort der alten Behringwerke hochmoderne Biopharmazeutika sowie Zell- und Gentherapeutika hergestellt.

Vergangenen Mittwoch unterzeichnete Biontech die Verträge für den Kauf eines Werks der Schweizer Novartis AG in Marburg, alle 300 Mitarbeiter sollen übernommen, die Produktionsstätte bis 2021 für den neuen Impfstoff umgerüstet werden. Das neue Werk passe gut zu Biontech, und werde die Kapazitäten bei der Herstellung von Impfstoffen erheblich erweitern, sagte Biontech-Finanzvorstand Sierk Poetting. Mit dem Zukauf unterstreiche Biontech seine Ambitionen, eine weltweite Versorgung mit einem potentiellen Impfstoff nach der Marktzulassung zu ermöglichen.

Das Marburger Werk soll schon im ersten Halbjahr 2021 in der Lage sein, bis zu 250 Millionen Dosen des Covid-19-Impfstoffs herzustellen, langfristig sollen hier pro Jahr 750 Millionen Dosen produziert werden können. Der neue Impfstoff könnte dann in Marburg, Mainz und Idar-Oberstein produziert werden – geplant sind 1,3 Milliarden Dosen im Jahr 2021.

Info& auf Mainz&: Mehr zu der Impfstoff-Entwicklung bei Biontech in Mainz haben wir hier berichtet, alle Informationen, Dossiers und Entwicklungen zur Corona-Pandemie könnt Ihr hier in unserem großen Corona-Dossier nachlesen. Mehr zur sogenannten „Zweiten Welle“ der Coronainfektionen, was das ist, und was sie mit Tests und Reiserückkehrern zu tun hat, lest Ihr hier bei Mainz&.

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