Die Corona-Soforthilfen verfehlen immer mehr Berufsgruppen, nun wenden sich Mainzer Honorarlehrkräfte von Deutsch- und Integrationskursen mit einem verzweifelten Hilferuf an die Politik: „Ich bitte Sie dringlich um Hilfe in der aktuellen Krisensituation“, appelliert Verfasser Jochen Herzog in einem Brief, den ein Bündnis von Dozenten an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) sowie Ministerien und Ämter geschickt hat. Die Verfasser sind Kursleiter für Integrationskurse oder für „Deutsch als Fremdsprache“, durch die Schließung aller Bildungseinrichtungen wurden die meisten von ihnen in Existenznot gestürzt. Die Soforthilfen greifen bei ihnen nicht, andere Zuschussprogramme gibt es in Rheinland-Pfalz nicht – den Verweis auf Hartz IV bezeichnen sie als „zynisch.“ Unterstützung kommt von den Linken und der Gewerkschaft GEW.

Dozent Jochen Herzog in seinem Video-Hilferuf an die Politik für Unterstützung in der Coronakrise. - Foto: gik
Dozent Jochen Herzog in seinem Video-Hilferuf an die Politik für Unterstützung in der Coronakrise. – Foto: gik

„Seit mehr als 15 Jahren bin ich als freiberuflicher Kursleiter in Integrationskursen tätig“, berichtet Initiator Jochen Herzog in seiner Videobotschaft auf Youtube: „Es ist ein toller Beruf, der mir sehr viel zurückgibt, und den ich mit Herzblut ausübe.“ Herzog gehört zu den zahlreichen Dozenten, die auf Honorarbasis Integrationskurs oder Deutschkurse in der Mainzer Volkshochschule oder anderen Bildungseinrichtungen gibt. Sein Beruf trage „einen wesentlichen Teil zur Eingliederung in die Gesellschaft bei, auch durch die Vermittlung von kulturellen Werten und Bewegen in der Arbeitswelt“, betont Herzog: „In normalen Zeiten ist unser Beruf systemrelevant, man hat das in Form von Sonntagsreden viel Wert geschätzt.“

Nun aber stürze der Shutdown in der Coronakrise die Kursleiter in existenzielle Not: Festanstellungen gebe es praktisch gar keine, ein langfristige berufliche Sicherheit schon gar nicht. „Als Selbstständige bezahlen wir unsere Steuern, Rente und Krankenkasse selbst, die Auftraggeber übernehmen null Kosten, eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt es nicht“, erklärt Herzog. Müsse ein Kurs abgesagt werden, erfolge keine Entlohnung – bezahlt werden ausschließlich geleistete Unterrichtsstunden. Der Stundensatz liege in seinem Fall bei 35 Euro für einen 45-Minuten-Kurs – wohlgemerkt vor Steuern und Abgaben. Rücklagen davon zu bilden, sei unmöglich.

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„Es handelt sich dabei um ein unterfinanziertes System größtmöglicher Flexibilität und minimaler Ausgaben, das von den politischen Entscheidungsträgern seit Jahrzehnten mitgestaltet und mitgetragen wird“, kritisieren die Dozenten in ihrem Brief. Nun drohten den Honorarlehrkräften unverschuldete Privatinsolvenzen. „Am 16. März wurden alle Kurse eingestellt, Volkshochschule und andere Träger haben bisher keine Lösung“, kritisiert Herzog. Die Fixkosten wie Wohnungsmiete, Steuern oder Krankenversicherung liefen aber weiter.

Flüchtlinge in Mainz studieren einen Informationsflyer im Jahr 2016, sie sind die Hauptzielgruppe der Deutsch- und Integrationskurse. - Foto: gik
Flüchtlinge in Mainz studieren einen Informationsflyer im Jahr 2016, sie sind die Hauptzielgruppe der Deutsch- und Integrationskurse. – Foto: gik

In den vergangenen Tagen habe sich nun aber herausgestellt, „dass Solo-Selbstständige ohne laufende Betriebskosten in den Corona-Soforthilfen nicht berücksichtigt werden“, betont Herzog: „Wir müssen leider erkennen, dass sich die Haltung der Sonntagsreden fortsetzt.“ Dass die Honorarkräfte nun nicht mehr Unterstützung von den Behörden erführen, als einen kurzen Hinweis auf eine mögliche Beantragung des Arbeitslosengeldes II, „das ist zynisch“, sagt Herzog.

Unterstützung bekommen die Honorarlehrkräfte durch die Stadtratsfraktion der Linken: „Wir unterstützen die Petition der Dozenten“, sagt Linken-Stadtrat Martin Malcherek, die Stadt Mainz müsse gewährleisten, dass finanzielle Hilfen an die Dozenten gezahlt würden. „Die Stadt Mainz profitiert von dieser Situation seit Jahren, sie ist maßgeblicher Geldgeber der VHS und spart durch das prekäre Vergütungssystem Aufwendungen“, betont Malcherek. Wegen der Coronakrise hätten die Dozenten nun ihr gesamtes Einkommen verloren und litten somit noch mehr unter der Krise als andere Arbeitnehmer, denen weiterhin Lohn oder Kurzarbeitergeld gezahlt werde. „Die Stadt muss dafür sorgen, dass die von ihr wirtschaftlich Abhängigen in der Krise nicht allein gelassen werden“, fordert Malcherek.

Der rheinland-pfälzische GEW-Landeschef Klaus-Peter Hammer fordert Coronahilfen für Honorarlehrkräfte. - Foto: GEW
Der rheinland-pfälzische GEW-Landeschef Klaus-Peter Hammer fordert Coronahilfen für Honorarlehrkräfte. – Foto: GEW

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert nun Nachbesserungen von der Landesregierung: Die Soforthilfen von Bund und Land ließen Honorarkräfte in der Weiterbildung außen vor, kritisiert auch der rheinland-pfälzische GEW-Chef Klaus-Peter Hammer. Weder gebe es Unterstützungsregelungen noch Lohnfortzahlung oder Kurzarbeitergeld für diese Berufsgruppe. Wegen der Corona-Pandemie hätten die Träger der Kurse den Unterrichtsbetrieb teilweise oder komplett einstellen müssen, damit sei aber für viele Lehrkräfte das vertraglich zugesicherte Einkommen weggebrochen.

„Honorarlehrkräfte werden in der Regel ausschließlich für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden bezahlt“, betonte Hammer, viele Dozenten seien nun in einer existenzbedrohenden Lage: „Der Ausfall ihrer Kurse hat dazu geführt, dass Honorarlehrkräfte unverschuldet in eine existenzgefähr­dende Notlage geraten sind.“ Die Einkommen dieser Berufsgruppe lägen „ohnehin im Bereich der Armutsgrenze“, Rücklagen hätten deshalb meist nicht gebildet werden können. Als letzte Möglichkeit bleibe diesen Dozenten derzeit nur das Arbeitslosengeld II, „das muss verhindert wer­den“, fordert Hammer. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz müsse hier finanzielle Hilfen ermöglichen.

Info& auf Mainz&: Den Video-Hilferuf der Dozenten könnt Ihr hier auf Youtube selbst ansehen. Die Honorarlehrkräfte sind nur ein Teil der großen Gruppe der Solo-Selbstständigen und Freiberufler, die derzeit durch das Hilfenetz von Bund und Land fallen – sie alle fühlen sich als „Unternehmer zweiter Klasse“ degradiert, wie Ihr hier nachlesen könnt. Welche Berufsgruppen noch alles betroffen sind, und warum sie durch die Netze der Coronahilfen durchfallen, haben wir außerdem hier bei Mainz& aufgeschrieben. Dort findet Ihr auch einen Kommentar zum Thema: „Aus Witz wird Wut.“

 

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