Die CityBahn wird offenbar deutlich teurer als bisher prognostiziert: Statt bisher 305 Millionen Euro würde die CityBahn zwischen Mainz und Wiesbaden nun wohl eher 426 Millionen Euro kosten. Das besagt die neueste Kostenschätzung, wie die Wiesbadener ESWE Verkehr am Dienstag bekanntgab. Schlimm sei das nicht, befanden die Planer gleichwohl, denn gleichzeitig hätten sich auch die Fördersätze von 60 auf 75 Prozent erhöht. Kurz vor dem Bürgerentscheid über das Projekt am 1. November fahren ESWE und Stadt Wiesbaden eine großangelegte Werbekampagne für die Bahn – am Samstag wird zum Bürgerforum geladen.

Visualisierung der Citybahn an der Wiesbadener Ringkirche. - Grafik: Citybahn
Visualisierung der Citybahn an der Wiesbadener Ringkirche. – Grafik: Citybahn

Die CityBahn sollte eigentlich schon ab 2022 die beiden Landeshauptstädte verbinden, vor allem Wiesbaden will die Bahn, um damit steigende Verkehrsprobleme zu lösen. Am 1. November sollen die Wiesbadener in einem Bürgerentscheid abstimmen, ob das Großprojekt gebaut wird – im Vorfeld des lange angekündigten und mehrfach verschobenen Bürgervotums läuft derzeit eine groß angelegte Werbekampagne der CityBahn-Planungsgesellschaft für das Projekt: Alle 14 Tage werden neue Themenseiten auf der Internet-Homepage vorgestellt, es finden Online-Foren und am Samstag ein großes Townhall-Meeting zur Bürgerinformation statt.

„Die CityBahn ist ein Jahrhundertprojekt und ebenso eine Jahrhundertchance für eine menschengerechte Stadt“, betonte der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) kürzlich in einer Pressekonferenz: Die CityBahn sei „zentraler und notwendiger Bestandteil der Lösung unserer unbestreitbaren Verkehrsprobleme.“ Wiesbaden habe jetzt „die einmalige Chance, die Region Wiesbaden-Mainz-Rheingau-Taunus nachhaltig zu vernetzen und dabei auf massive Förderungen durch Bund und Land zurückgreifen zu können“, betonte Mende. Die CityBahn sei identitätsstiftend für den ganzen Raum, weil sie Wiesbaden in zwei wichtige Richtungen anbinde, nach Mainz und in den Rheingau-Taunus-Kreis.

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Die Citybahn soll von Wiesbaden aus auch in den Taunus nach Taunussstein und Bad Schwalbach fahren. - Grafik: CityBahn
Die Citybahn soll von Wiesbaden aus auch in den Taunus nach Taunussstein und Bad Schwalbach fahren. – Grafik: CityBahn

Damit sei die CityBahn „mehr als eine Wiesbadener Straßenbahn, sie ist eine Achse für Stadt- und Regionalentwicklung“, warb Mende weiter. Die Investitionen in die CityBahn seien zudem ein zusätzliches Konjunkturprogramm für die regionale Wirtschaft. Die Stadt betonte bisher wieder und wieder, nur mit einer schienengebundenen Bahn lasse sich der Verkehrsströme in Wiesbaden in Zukunft noch Herr werden, die Stadt brauche eine leistungsfähige Bahn, die zudem auch gut für die Umwelt sei. „Die Leistungsfähigkeit des Straßennetzes ist heute schon überschritten“, betonte am Dienstag Uwe Conrad vom Tiefbau- und Vermessungsamt der Stadt Wiesbaden in einem Online-Forum zum Thema Straßenaufteilung.

Am Dienstag mussten Verkehrsgesellschaft ESWE und Stadt Wiesbaden aber vor allem einräumen: Die Bahn wird deutlich teurer als bislang errechnet. Ende 2017 hatte die Stadt eine Nutzen-Kosten-Analyse vorgelegt, bei der Kosten von 305 Millionen Euro für die rund 40 Kilometer lange Strecke zwischen Mainz, Wiesbaden und Bad Schwalbach veranschlagt wurden. Fünf Jahre nach der ersten Machbarkeitsstudie für die CityBahn von 2016 habe man nun im Rahmen einer Fortschreibung eine neue Kostenschätzung durchgeführt, hieß es am Dienstag, dabei seien die Änderungen durch das Bürgerbeteiligungsverfahren eingerechnet worden.

Neue Streckenführung CityBahn zwischen Wiesbaden und Mainz. - Grafik: CityBahn, Screenshot: gik
Neue Streckenführung CityBahn zwischen Wiesbaden und Mainz. – Grafik: CityBahn, Screenshot: gik

Die neue Berechnung der zu erwartenden Baukosten sei von den Gesellschaftern der Citybahn-Projektgesellschaft angeregt worden und solle diesen am 24. September 2020 vorgestellt werden. Die Neuberechnung sei „mit Blick auf die neuen, deutlich verbesserten Förderoptionen im Frühsommer angeregt worden“, hieß es weiter – allerdings ist das nicht der einzige Grund: Seit 2016 wurde die Linienführung für die Bahn mehrfach verändert, die heutige Variante hat mit der Ursprungsfassung nur noch wenig gemein.

Statt ursprünglich einmal vom Wiesbadener Hauptbahnhof über Wiesbaden Ost nach Mainz-Kastel, soll die Citybahn inzwischen über die Biebricher Allee nach Biebrich laufen, und von dort am Rhein entlang durch Amöneburg und Kastel zur Theodor-Heuss-Brücke fahren. Gerade erst veränderten die Planer die Strecke erneut: In Biebrich soll die Trasse nun von der Stettiner Straße im rechten Winkel nach links in die Adolf-Todt-Straße abbiegen und quer über das Gelände zwischen Hessischem Landeslabor und Hessischem Landesumweltamt durch zur Glarusstraße verlaufen, und erst dort zum Rhein hinunter geführt werden.

Neuer geplanter Streckenverlauf der Citybahn in Wiesbaden-Biebrich. - Grafik: CityBahn, Screenshot: gik
Neuer geplanter Streckenverlauf der Citybahn in Wiesbaden-Biebrich. – Grafik: CityBahn, Screenshot: gik

Conrad räumte am Dienstagabend in einem Online-Forum ein, der Übergang von der Stettiner Straße in die Adolf Todt-Straße werde wohl „ein enges Stück“ werden – hier werde die Citybahn nur eingleisig verlaufen können. Anwohner in Biebrich kritisieren deshalb inzwischen scharf die geplante Trassenführung: Das historisch gewachsene Biebrich sei viel zu eng für die Bahn, die Citrybahn in diesem Bereich zudem völlig unnötig – man habe derzeit schon hervorragende Busanbindungen nach Wiesbaden und Mainz.

Eine Citybahn, so befürchten Anwohner, werde hingegen deutlich längere Taktzeiten haben als die jetzigen Busse, die Anbindung werde sich dadurch de facto verschlechtern. Zudem weise die Planung deutlich weniger Haltestellen für die Bahn auf als derzeit für die Busse, die Folge: Die Strecken zwischen den Haltestellen würden deutlich länger, Fahrgäste müssten weitere Fußwege in Kauf nehmen.

Conrad räumte zudem am Dienstagabend auch ein, für die Citybahn würden notgedrungen Bäume weichen müssen, gerade im Bereich der Haltestellen. Die Zahl der Fällungen werde „im niedrigen zweistelligen Prozentbereich liegen“, sagte er – damit müssten mindestens zehn Prozent der Bäume auch in der in Wiesbaden sehr geliebten Biebricher Alle gefällt werden. Die Stadt verspricht Ausgleichspflanzungen, räumt aber auch ein: In derselben Straße werde es die nicht geben können.

Straßenraumaufteilung der Biebricher Allee mit der Citybahn. - Grafik: Citybahn
Straßenraumaufteilung der Biebricher Allee mit der Citybahn. – Grafik: Citybahn

Die Bahn war in Wiesbaden von Anfang an umstritten, Gegner betonten stets, dieselbe Steigerung des ÖPNV sei billiger und einfacher auch mit Bussen zu haben – die Stadt betont hingegen, dafür sei im engen Stadtzentrum nicht genug Platz. Die CityBahn biete nun „die einmalige Chance, den Straßenraum neu zu ordnen und adäquat aufzuteilen“, sagte der Leiter des Wiesbadener Stadtplanungsamtes Camillo Huber-Braun zudem – der Straßenraum soll zwischen Autos, Bahn und Radfahrern neu verteilt werden.

Fördermittel von Bund und Land gebe es zudem nur für die schienengebundene Citybahn, nicht für andere Mobilitätsprojekte, argumentiert die Stadt weiter – und die Fördersätze hätten sich gerade noch einmal deutlich erhöht: So habe der Bund seinen Fördersatz seit Anfang des Jahres von ursprünglich 60 Prozent auf bis zu 75 Prozent angehoben, zusammen mit dem Anteil der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz werde der bei den Kommunen verbleibende Anteil lediglich rund 10 Prozent betragen.

Die Citybahn soll von Wiesbaden aus bis zur Mainzer Universität rollen. - Grafik: CityBahn
Die Citybahn soll von Wiesbaden aus bis zur Mainzer Universität rollen. – Grafik: CityBahn

Die neue Kostenschätzung auf der Grundlage der neuen Streckenführung geht nun inzwischen von Baukosten von 426 Millionen Euro für die insgesamt 40 Kilometer lange Strecke aus – das wären ein Drittel mehr als vor vier Jahren errechnet. Durch die erhöhten Fördersätze werde aber der Anteil der Stadt Wiesbaden von bisher 36,38 Millionen Euro auf 28,75 Millionen Euro sinken, betonen die Planer weiter – diese Summe könne darüber hinaus auf Jahrzehnte hinweg abgeschrieben werden.

Die Kostenfortschreibung berücksichtige neben veränderten Streckenführungen und Ausstattungsoptionen außerdem den allgemeinen Baukostenindex und die Entwicklung der Bodenpreise, heißt es weiter. Laut Statistischem Bundesamt seien allein die Baupreise seit 2016 um rund 15 Prozent gestiegen. Es sei also „damit zu rechnen gewesen, dass eine aktuelle Kostenermittlung auf deutlich höhere Werte kommen wird, als dies vor rund fünf Jahren im Rahmen der Machbarkeitsstudie der Fall war.“

Online-Forum zur Citybahn mit Uwe Conrad (Mitte) und Stadtplaner Camillo Huber-Braun (rechts). - Screenshot: gik
Online-Forum zur Citybahn mit Uwe Conrad (Mitte) und Stadtplaner Camillo Huber-Braun (rechts). – Screenshot: gik

Welche Auswirkungen die neue Kostenschätzung aber auf die Berechnung der Nutzen-Kosten-Analyse hat, das teilten ESWE und Stadt nicht mit. Diese Analyse ist der entscheidende Faktor für eine Förderung mit öffentlichen Geldern: Bei der Abwägung zwischen den Kosten und dem Nutzen für Umwelt, Verkehr und Gesellschaft muss der Endfaktor deutlich über 1,0 liegen, damit das Projekt überhaupt förderfähig ist. In der Machbarkeitsstudie 2016 waren die Planer auf einen Quotienten von 1,2 gekommen, für die Nutzen-Kosten-Untersuchung kam die Variante über Wiesbaden-Ost nur auf eine 1,1 – die Variante über Biebrich hingegen auf einen Wert von 1,35.

Bei der Vorstellung der Analyse im Dezember 2017 hieß es dann, man habe „die Vorschlagsvariante Biebrich weiter bearbeitet“ und die technischen Planungen so vertieft, dass man „ein aktuelles Ergebnis von 1,5 habe.“ Wie sich aber die jetzt erneut veränderte Strecke sowie die neue Kostenschätzung auf diese Nutzen-Kosten-Analyse auswirkt, ist unklar. „Oberstes Ziel bleibt allerdings, den sogenannten Nutzen-Kosten-Faktor (NKU) immer im Blick zu haben,“ sagte der Projektleiter für die CityBahn-Planungen, Kai Mumme, lediglich.

Info& auf Mainz&: Offizielle Informationen zur CityBahn findet Ihr auf dieser Internetseite der CityBahn GmbH, einen ausführlichen Bericht über die Nutzen-Kosten-Analyse (die hießt wirklich so) aus dem Dezember 2017 lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr über den Bürgerentscheid einschließlich der Fragestellung haben wir hier berichtet.

Am kommenden Samstag, dem 5. September, findet von 18.00 Uhr bis 19.30 Uhr im Kulturforum in der Friedrichstraße in Wiesbaden ein großes Bürgerforum zur Citybahn statt, dann wollen unter anderem OB Mende, Stadtentwicklungsdezernent Hans-Martin Kessler, Verkehrsdezernent Andreas Kowol sowie Planer der Citybahn Rede und Antwort stehen. Die Zahl der erlaubten Teilnehmer vor Ort ist allerdings auf nur 50 Personen begrenzt, eine Anmeldung unbedingt erforderlich – das könnt Ihr hier im Internet erledigen. Die Veranstaltung wird aber auch im LiveStream auf der Internetseite citybahn-verbindet.de sowie auf der Facebookseite der Citybahn übertragen. Fragen sollen dann über ein Online-Dialog-Tool im Web und über Facebook-Postings eingebracht werden können.

 

 

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