Rund 17.600 Mainzer können vermutlich nicht richtig schreiben und lesen – zumindest legen das Studien über „funktionale Analphabeten“ nahe. Das sind Erwachsene, die trotz Schule nie richtig Lesen und Schreiben gelernt – oder die es wieder verlernt haben. Tatsächlich gibt es davon mehr Menschen als man denkt, in unserer Mediengesellschaft aber stehen diese Menschen vor großen Problemen. Die öffentliche Bücherei Anna Seghers macht deshalb nun ab morgen ein besonderes Angebot: Eine eigene Ecke mit leicht zu lesender Literatur und spezielle Führungen für diese Menschen.

Goethe und Suleika - Foto gik
Hohe Literatur mit Goethe, das Schreiben – funktionalen Analphabeten ist das verschlossen – Foto: gik

„Funktionale Analphabeten“, das sind Menschen, die schon mit dem Lesen einer Speisekarte oder eines Busfahrplans Probleme haben – geschweige denn mit einem Brief oder dem Internet. Oft sind dies übrigens ältere Erwachsene, die nach dem Krieg arbeiten mussten statt länger die Schule zu besuchen. Oder es sind Kinder, die bildungsfern aufwachsen, vielleicht auf der Sonderschule landen.

Aber es gibt auch – man glaubt es kaum – Jugendliche, die von der Hauptschule abgehen, ohne anständig einen Text lesen und ihn verstehen zu können. Ein Unding in unserer Bildungsgesellschaft, doch tatsächlich schleppen manche Lehrer solche Jugendliche einfach durch, um sie irgendwann los zu werden. Oft verlassen sie die Schule ohne jeden Abschluss.

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In unserer Mediengesellschaft, in der das Internet immer bestimmender wird und der Computer sowieso, stehen diese Menschen vor unlösbaren Aufgaben. Dabei kann man durchaus auch noch als Erwachsener Lesen und Schreiben lernen – und sie öffnen das Tor zu soooo vielen wunderbaren Welten! Rund sieben Millionen Erwachsene sollen in Deutschland nicht richtig mit Lesen und Schreiben warm geworden sein – so errechnen sich dann auch die 17.600 Mainzer.

Auch in Mainz gibt es aber umfassende Hilfen für unzureichend alphabetisierte Menschen, also wenn Ihr so jemanden kennt, macht ihn oder ihr Mut! Unter alpha.rlp.de findet Ihr das Inforportal der Landesregierung zu diesem Thema mit wirklich umfassenden Informationen.

Die Öffentliche Mainzer Bücherei Anna Seghers, die in den Boniufaziustürmen gleich neben dem Hauptbahnhof sitzt, hält nun ein ganz besonderes Angebot bereit: Ein eigenes Regal mit leicht zu lesenden Büchern. Hier finden sich Fotoromane, Comics sowie textreduzierte Klassiker und aktuelle Romane in einfacher Sprache.

Offene Bücherei Lessingplatz - Foto: gik
In diesen Kästen gibt es Bücher umsonst: die Bücherschränke, wie hier auf dem Lessingplatz – Foto: gik

Da gibt es etwa einen Comic über die Lebensgeschichte des amerikanischen Präsidenten Barack Obama, „Das Wunder von Bern“ in einfacher Sprache oder ein Buch über die Widerstandskämpferin Sophie Scholl, dessen einfache Sprache an das Drehbuch von Fred Beimersdorf angelehnt ist. Aber auch kurze Krimis gibt es hier, ein Buch über das Leben als Topmodell oder die berühmte Geschichte des unglücklichen Liebespaars Tristan und Isolde aus dem Mittelalter, ebenfalls erzählt in einfacher Sprache.

Unter dem Obertitel „Leicht lesen“ finden sich außerdem Zeitschriften und Magazine mit hohem Bildanteil sowie Lektüre für Erwachsene und Jugendliche, die Deutsch als Fremdsprache lernen. Ihr müsst Euch also nicht schämen – im Gegenteil. Wer sich trotz vieler Hindernisse aufmacht, doch noch Lesen und Schreiben so richtig zu lernen, dem gebührt Respekt.

Natürlich ist für solche „Leseneulinge“ die Angst vor einem Besuch in einer Bücherei groß, aber das muss nicht sein: Von Dienstag an bietet die Anna-Seghers-Bibliothek auch speziell konzipierte Führungen für Menschen in Alphabetisierungskursen an, in denen sie die Bücherei kennen lernen können.

Info& auf Mainz: Alle Informationen rund um „Leicht Lesen“ ab Dienstag, 3. März, findet Ihr auf dieser Internetseite der Stadt Mainz. Über Angebote für leseschwache Jugendliche und Erwachsene, Nutzungsmöglichkeiten der Bücherei, Öffnungszeiten und so weiter informiert ein Piktogramm-Faltblatt in einfacher Sprache. Eine Literaturliste mit den Medien für Menschen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, könnt Ihr Euch ebenfalls dort Downloaden. Führungstermine für Alphabetisierungskurse gibt es nach Absprache, Ansprechpartner ist Daniel Moosmann, Telefon 06131 – 12 24 73 oder Email daniel.moosmann@stadt.mainz.de.

Ansprechpartnerin in Mainz für Menschen, die unsicher im Schreiben, Lesen oder Rechnen sind: Isa Mann, Fachstelle Bildung im Evangelischen Dekanat Main, Telefon 06131 – 96 00 421 oder post@eeb.de. Noch viel mehr Informationen gibt es beim Alfa Telefon: 0800 53 33 4455 oder www.alpha.rlp.de.

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