Mainz ist eine wunderschöne Stadt, Mainz ist beliebt und lebenswert – aber Mainz braucht dringend ein strategisches Gesamtkonzept für seine weitere Entwicklung. So ließe sich – in aller Kürze – ein Appell von elf Mainzer Bürgern zusammenfassen, die am Dienstag „Sieben Wünsche für eine gute Zukunft unserer Stadt“ veröffentlichten. Man wolle mit dem „Mainzer Appell“ einen Debattenbeitrag zur Entwicklung der Stadt leisten, betonten die Initiatoren. „Mainz benötigt ein strategisches Gesamtkonzept“, sagte der Geschichtsprofessor Andreas Rödder bei der Vorstellung: „Nennen wir es ‚Master Mainz‘.“ Sieben erste Handlungsfelder hat die Gruppe ausgemacht, als „Ohrfeige“ für die Stadtspitze wollen sie es explizit nicht verstanden wissen.

Sieben der elf Initiatoren des "Mainzer Appells" für ein attraktiveres Mainz. - Foto: gik
Sieben der elf Initiatoren des „Mainzer Appells“ für ein attraktiveres Mainz. – Foto: gik

Zu den elf Initiatoren gehören neben Rödder der Mainzer Kunsthistorik-Professor Gregor Wedekind, Stadtplanerin Elena Wiezorek, die Hauptgeschäftsführerin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz ist, Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Mainz, Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mainz, der frühere Chef von Boehringer Ingelheim, Andreas Barner, Kabarettist Lars Reichow, Ex-SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen, der Publizist Henning von Vieregge sowie die Architekten Thomas Dang und Jürgen Hill.

Der Appell solle als Impuls für die Diskussionen in der Stadt wirken, sagte Stadtplanerin Wiezorek: „Wir sind überzeugt, dass es einen strategischen Plan geben muss, in den alle Projekte eingebunden sind, dass man spürt: hier gibt es ein Gesamtkonzept.“ Das Ziel sei, eine Debatte über die Zukunft der Stadt zu führen, betonte von Vieregge – der Anlass dazu sei aus der Debatte um den Bibelturm entstanden. „Wir haben uns gefragt, ob es bei der Abstimmung nur um den Entwurf des Turms ging, der nicht gefiel“, sagte von Vieregge. Letztlich habe sich die Debatte um den Turm als Katalysator für andere Themen erwiesen.

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Die konsequente Frage daraus sei: „Gibt es eine Kluft zwischen der Liebe zur Stadt, die hier in Mainz sehr ausgeprägt ist, und dem Misstrauen gegen die Stadtspitze – und damit letztlich gegen die demokratische Verfasstheit der Stadt“, sagte von Vieregge. Das aber fordere geradezu zum Diskurs über die Zukunft der Stadt heraus, und genau hier wolle sich die Gruppe einbringen: Das vorliegende Papier sei keine volle Vision, sondern „ein Einstieg“, ein „im besten Sinne bürgerschaftliches Angebot für Bürger, Stadtpolitik und Verwaltung.“ Der Beitrag wolle zudem nicht durch Originalität wirken, sondern durch seine Geschlossenheit. „Dieser konstruktive, aber gleichzeitig kritische Geist ist angetan, das Klima in der Stadt zu verändern“, sagte von Vieregge.

Great Wine Capital Wegweiser am Mainzer Rheinufer. Foto: gik
Quo vadis Mainz? Mit der Präsentation als Great Wine Capital – hier der Wegweiser am Rheinufer – ist die Gruppe ebenso unzufrieden wie mit der Gestaltung des Mainzer Rheinufers selbst. – Foto: gik

Inhaltlich konzentriert sich der „Mainzer Appell“ denn auch auf sieben konkrete Handlungsfelder: Rheinufer, Medienstadt Mainz, Sanierung des Mainzer Rathauses, die Profilierung als Great Wine Capital, ein Entwicklungsplatz für die Plätze der Stadt, ein saubereres Mainz und ein schuldenfreies Mainz – hier formuliert die Gruppe zentrale Anliegen.

Das Rheinufer müsse erlebbarer, grüner und besser zugänglich werden, fordert die Gruppe als erstes: „Rhein in die Stadt“ könne die Devise lauten. „Für uns ist die Leitidee: der Rhein sollte das Entrée für die Stadt sein, das erfordert eine Sichtbarkeit“, sagte Wiezorek. Diue Zugänge zum Rhein müssten offener und attraktiver gestaltet werden, das Mobiliar aus Beleuchtung, Bänken und Bäumen an Attraktivität gewinnen. „Die Gestaltung sollte die Wertschätzung für diesen Raum widerspiegeln“, betonte die Stadtplanerin.

Das Gutenberg-Museum harrt weiter seiner Sanierung. - Foto: gik
Das Gutenberg-Museum harrt weiter seiner Sanierung. – Foto: gik

Ferner brauche Mainz ein Sanierungskonzept für das Gutenberg-Museum und die Stadtbibliothek sowie für ein stadthistorisches Museum. „Wir sind der Überzeugung, dass Mainz seine 2000-jährige Geschichte nicht entsprechend würdigt“, sagte Wiezorek. Die Sanierung des Mainzer Rathauses sei überfällig und müsse jetzt dringend begonnen werden, das Thema „Great Wine Capital“ viel stärker herausgestellt und im Stadtbild präsent gemacht werden. „Man sollte daran arbeiten, dass dies nicht nur auf Schildern am Stadtrand steht“, sagte Wiezorek: „Wo ist ein repräsentatives Weinkontor in zentraler Lage? Wo der Ort, an dem Touristen Weine aus Rheinhessen und Mainz entdecken, wo Weinpräsentationen, Weinproben, Weinseminare stattfinden können?“

Punkt fünf der Wunschliste lautet: Mainz braucht ein Entwicklungskonzept für seine Plätze. „Die Plätze sind die gute Stube einer Stadt, aber die Stadt geht mit ihrer guten Stube noch nicht mit guter Aufmerksamkeit um“, erläuterte Wiezorek. Das „goldene Mainz“ habe leider viele Schmuddelecken. Es brauche einen sektoralen Entwicklungsplan mit Entwicklungsprioritäten und konkreten Maßnahmen für die Gestaltung der öffentlichen Räume. Zentrale Bedeutung komme auch hier dem Mobiliar, der Beleuchtung und den Bodenbelägen sowie einer nachhaltigen Pflege zu. Den Mainzern seien ihre Plätze ausgesprochen wichtig, „Mainz lebt auf seinen Plätzen“, sagte Wiezorek: „Wir glauben, dass die Entwicklung der Plätze ein Beitrag dazu ist, das Gemeinwesen in der Stadt zu stärken.“

Schmuddelecke Ernst-Ludwig-Platz: Die Gruppe fordert auch ein Entwicklungskonzept für die Mainzer Plätze. – Foto: gik

Als sechstes müsse Mainz dringender sauberer werden, die starke Nutzung der Plätze trage leider auch zu ihrer Verschmutzung bei. Die Gruppe schlage deshalb vor, sich mit einer PR-Kampagne an die Mainzer zu wenden, um den Entsorgungsbetrieb zu unterstützen. Die Voraussetzung für alle diese Themen sei aber, dass Mainz aus den Schulden herauskomme. Die Vorgaben der Kommunalaufsicht ADD verhinderten so Manches, Mainz müsse deshalb mit einer viel offensiveren Ansiedlungs- und Genehmigungspolitik das Gewerbe stärken und die Steuereinnahmen erhöhen. Auch solle parteiübergreifend das Gespräch mit Bund und Land für Kofinanzierungen gesucht werden.

Die Themenpalette erhebe „keinen Anspruch auf kommunalpolitische Vollständigkeit“, betonte Wiezorek, „wir haben uns auf Themen fokussiert, wo die Stadtentwicklung einen langen Atem, eine Orientierung und ein Leitbild braucht.“

Impulse für ein schöneres Mainz am Rhein will die Gruppe geben. – Foto: gik

Die Anliegen richteten sich an den neu gewählten Mainzer Stadtrat, die Dezernenten der Stadt sowie die Oberbürgermeisterkandidaten und sollten ein Impuls für eine strategische Grundsatzdebatte sein. „Wir brauchen einen fruchtbaren Streit um die großen Linien der Stadtentwicklung“, sagte Elena Wiezorek zur Zielsetzung. „Unser Ziel ist es, einen Diskussionsanstoß zu leisten“, betonte Rödder, „Mainz hat große Chancen, aber es muss sie deutlich besser nutzen.“ Der Appell beinhalte die Bitte, es als konstruktiven Beitrag zur Entwicklung der Stadt zu verstehen, die allen am Herzen liege. „Wir verstehen das als Unterstützung, als unterstützenden Supportbeitrag, nicht als Ohrfeige“, betonte Rödder.

Mit der Veröffentlichung habe man bewusst bis nach der Kommunalwahl gewartet, um nicht in den Wahlkampf hineingezogen zu werden sagte Rödder zudem. Gleichzeitig wolle man aber einen Impuls für die nun beginnenden Koalitionsverhandlungen im Mainzer Stadtrat liefern. „Vielleicht schafft es so ein Gesamtkonzept ja in den Koalitionsvertrag“, sagte Wiezorek. „Wir wollen keine Bürgerinitiative werden und keine politische Partei gründen“, betonte Wedekind, „wir verstehen uns als Reflexionsinstanz und werfen das Gewicht unserer Personen in die Waagschale.“ Man verstehe sich als Impulsgeber auf Zeit und werde sich auch wieder auflösen, wenn die Mission erfüllt sei, sagte von Vieregge.

„Es geht nicht darum, wieder neuen Streit zu erzeugen“, betonte auch Kabarettist Lars Reichow: „Wenn wir jetzt anfangen, die Gräben neu aufzuziehen, zieht sich jeder wieder neu in seine Gräben zurück“, sagte er mit Blick auf die heftigen Debatten rund um den Bibelturm. Es gebe „sehr viel Unzufriedenheit“ in der Stadt, die sei aber auch eine Chance, durch Zorn einen gewissen Druck zu erzeugen – es gehe darum, einen Masterplan für Mainz zu schaffen. Ein solcher Masterplan könne „wie ein Katalysator wirken, das verändert die Sichtweise auf die Dinge“, fügte Andreas Barner hinzu.

Info& auf Mainz&: Den „Mainzer Appell“ kann man noch einmal ganz ausführlich auf dieser Internetseite nachlesen, die Initiatoren wünschen sich auch, dass ihm viele Mainzer beitreten – egal welcher Partei oder Couleur. Zur Diskussion um das Mainzer Rheinufer hatten wir jüngst schon einmal berichtet – den Artikel dazu findet Ihr hier.

 

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