In Mainz jagt ja eine Großbaustelle die andere: Der Umbau der Bahnhofstraße sorgte monatelang für erhebliche Staus, Sperrungen und Busumleitungen, es folgte der Tag der Deutschen Einheit – und nun stehen die nächsten Großbaustellen vor der Tür: Die Große Langgasse soll deutlich aufgewertet werden, die Schillerstraße und die Große Bleiche umgebaut werden, und all das soll nahtlos aufeinander folgen. Die Mainzer CDU fordert nun eine Baupause von einem Jahr: Die Umbauarbeiten für die Große Langgasse sollten keinesfalls vor dem Jahr 2019 beginnen, fordert die CDU-Kreischefin Sabine Flegel. Das solle zum einen den Mainzern einmal ein Jahr ohne Verkehrschaos ermöglichen, aber auch den Geschäftsleuten rund um Große Langgasse, Große Bleiche und Schillerplatz ein Jahr normalen Geschäftsbetrieb – viele von ihnen seien durch die ständigen Baustellen in ihrer Existenz bedroht.

Die Große Langgasse in Mainz – hier bei der Weihnachtstruck-Parade – soll deutlich schöner werden, der Umbau 2018 starten. – Foto: gik

Die vergangenen Wochen und Monate „haben bewiesen, wie fragil das Mainzer Straßennetz ist“, betonen Flegel und der CDU-Verkehrsexperte im Mainzer Stadtrat, Thomas Gerster. Schließe man nur eine Durchgangstangente, breche sofort Verkehrschaos auf den anderen Durchfahrtstraßen aus. „Nach den Chaosjahren 2015 bis 2017 haben es die Geschäftsleute und die Bürger der Stadt verdient, einmal ein Jahr ohne Verkehrschaos zu erleben“, fordert Gerster. Dazu komme die prekäre Situation im Handel: Im Bereich der Großen Langgasse sowie der Schillerstraße würden viele Geschäftsleute „durch die weiteren Belastungen in ihrer Existenz bedroht“, warnte Flegel.

Die CDU fordert deshalb ein Moratorium zur Großen Langgasse und fordert die Stadt auf, die Umbaumaßnahmen um ein Jahr zu verschieben. Die Stadt will ab 2018 mit dem groß angelegten Umbau der Großen Langgasse beginnen. Ab Februar 2018 – Start nach Fastnacht – würde die Große Langgasse für drei Monate erst einmal zur Einbahnstraße von der Großen Bleiche in Richtung Ludwigsstraße werden, eine große Zahl Parkplätze wegfallen. Insgesamt soll die Große Langgasse deutlich als Einkaufsstraße und Boulevard aufgewertet werden, allerdings wird auch der Verkehr neu geordnet werden.

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Verkehrssimulation am Computer zum Verkehrsfluss nach Bau des Kreisels an der Großen Langgasse Ecke Kleine Langgasse. – Foto: gik

So sollen zwei Verkehrskreisel entstehen, einer davon an der Kreuzung zur Kleinen Langgasse und einer an der Emmeranstraße, obwohl hier Busse und große Lastwagen durch müssen. Eine vom Stadtplanungsamt vorgelegte Verkehrssimulation am Computer zeigte, dass durch einen Kreisel an der Kleinen Langgasse in Stoßzeiten erheblicher Rückstau entstehen würde. Auch kritisieren Geschäftsleute, dass in der Kleinen Langgasse dann wohl keine Lieferfahrzeuge mehr stehen dürfen – wie aber sollten dann die dort liegenden Geschäfte und Kneipen beliefert werden?

Die CDU kritisiert bereits seit Wochen die sogenannte Vissim-Simulation: Diese beruhe auf der Annahme, dass sich ein Teil der Fahrzeuge künftig statt auf der Großen Langgasse auf das übrige Straßennetz verteilen würde. „Wer heute durch die Mainzer Innenstadt fährt, sieht, dass auch das übrige Straßennetz vollständig überlastet ist“, kritisiert Flegel. „Sollten weitere Fahrzeuge in die Kaiserstraße oder Rheinstraße drängen, ist ein Infarkt auch dieser Verkehrswege die Folge.“ Gerster betont sogar, die Simulation entspreche „nicht ansatzweise der Realität“, das zeige ein Vergleich zwischen der Simulation mit der tatsächlichen Verkehrssituation.

Die CDU fordert daher einen Testlauf in der Realität mit Absperrungen und Markierungen, bevor der Umbau starte. „Bevor nun irreparable Schäden durch den Umbau der Langgasse verursacht werden, gebietet es die Sorgfalt den Bürgern gegenüber, dass alle machbaren Tests durchgeführt werden“, betonten die Oppositionspolitiker. Es könne nicht sein, dass man sich nur auf eine Computersimulation verlasse, „wenn man mit ein paar Eimern Farbe und ein paar Metern Absperrband einen echten Testlauf durchführen kann.“ Gleichzeitig müsse die Stadt Verhandlungen mit den Geldgebern aufnehmen, um das Verfallen von Zuschüssen zu vermeiden. Die Stadt drückt nämlich unter anderem deshalb so aufs Tempo, weil die Gelder für die Umbaumaßnahmen zum Großteil vom Land Rheinland-Pfalz und dessen Förderprogramm „Aktive Stadtzentren“ kommen. Die Fördergelder sind aber an Fristen gebunden, die Stadt betont, diese müssten eingehalten werden, sonst gingen die Fördergelder verloren.

Pläne für den Umbau der Großen Langgasse mit zwei Verkehrskreiseln. – Plan: Stadt Mainz

Die Mainzer SPD warf der CDU deshalb vor, „Stillstand über die Stadt verhängen“ zu wollen. „Da bei einem Aufschub Fördergelder verloren gehen würden, käme eine Verschiebung einem dauerhaften Verzicht gleich, das ist unverantwortlich“, kritisierte der Mainzer SPD-Vize Marc Bleicher. Seit Jahren werde über die Aufwertung der Großen Langgasse diskutiert, jetzt, wo das das Projekt tatsächlich verwirklicht werden könne, „wirft sich die CDU vor die Maschinen.“ Die Sanierung der Großen Langgasse sei nach der gelungenen Umgestaltung der Bahnhofstraße zusammen mit anderen Projekten wie etwa dem Bau des Bibelturms ein wichtiger Schritt, um die Anziehungskraft der Innenstadt zu erhalten und die Lebensqualität zu verbessern, fügte Bleicher hinzu.

Doch die neuen Umbaumaßnahmen treiben den Geschäftsleuten im Areal in der Tat die Sorgenfalten auf die Stirn: 2017 sei für viele Händler und Gastronome rund um den Schillerplatz „das umsatzschwächste Jahr seit langem“ gewesen, sagte Jan Sebastian, Inhaber des Juweliergeschäfts Willenberg und Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz gegenüber Mainz&. Die Umsatzeinbußen lägen zwischen 10 Prozent und  25 Prozent, „das kann man nicht auffangen und das werden wir auch nicht mehr aufholen können“, betonte Sebastian. Für den einen oder anderen Geschäftsinhaber bedeute das ein Verlust in der Jahresbilanz, auch eine Insolvenz habe es gegeben.

Die Baustellen rund um Münsterplatz und Schillerstraße kosteten die Geschäftsleute nicht nur Nerven, sondern auch handfest Geld: sie melden Umsatzeinbußen von bis zu 25 Prozent. – Foto: gik

Die Geschäftsleute hätten aufgrund der Baustellen stark gelitten, „und das nach schwierigen Jahren durch die Baumaßnahmen der Mainzelbahn und dem Desaster der Schiersteiner Brücke“, sagte Sebastian weiter. Schon dadurch seien viele Menschen des Umlandes nicht mehr nach Mainz und in die Schillerstraße gekommen. „Die Händler, die nicht nur von der Mainzer Bevölkerung leben, haben diese Abschottung der Innenstadt schmerzlich gespürt“, betonte der Verbandschef. Und „die schweren Zeiten“ seien ja nicht vorbei: Mit Sorge schauen die Geschäftsleute auf den anstehenden Abriss des Residenz-Prinzess-Komplexes, die Umgestaltung der Großen Langgasse und den Umbau des Münsterplatzes im Frühjahr 2019.

„Dass sich die Maßnahmen kurzfristig negativ auswirken werden ist wohl augenfällig“, sagte Sebastian weiter, der zugleich betont, auch die Händler freuten sich auf eine neu gestaltete Große Langgasse: Das werde „den Lebens- und Einkaufsbereich verbessern.“ Und Sebastian hat auch ein Lob für die Stadtverwaltung: Nachdem in der Vergangenheit die Umbaumaßnahmen vor allem der Straßenbahngleise durch die Mainzer Verkehrsbetriebe großen Ärger verursacht hätten, „haben Stadtverwaltung und Verkehrsdezernentin daraus anscheinend ihre Schlüsse gezogen und diesmal eigentlich alles richtig gemacht“, lobt Sebastian. Die Baumaßnahme sei nicht nur frühzeitig kommuniziert, sondern auch mit den Einzelhändlern abgestimmt worden.

So sei auf Anregung der Anlieger die einseitige Verkehrsführung vor dem Finanzamt umgesetzt worden, die Bauarbeiten würden sehr zügig vorangetrieben, und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) kümmere sich persönlich um Informationsfluss zwischen MVG und den Anwohnern, berichtet Sebastian weiter. „Wir haben erstmals das Gefühl, dass man hat den Ernst der (finanziellen) Lage erkannt hat und sich wirklich bemüht.“ Doch der Stadtverwaltung und vor allem ihren Planern müsse klar sein, dass die künftigen Maßnahmen Anlieger, Gastronome und Einzelhändler massiv belasten werden, warnt Sebastian weiter. Für besondere Sorgenfalten sorgten dabei der geplante Wegfall von an die einhundert Kurzzeitparklätzen zwischen Münsterplatz und Großer Langgasse sowie die Planung, die Schillerstraße zur Einbahnstraße zu machen – über die vehementen Proteste dagegen hat Mainz& hier berichtet.

Info& auf Mainz&: Die Pläne zum Umbau der Großen Langgasse findet Ihr hier bei der Stadt Mainz, allerdings leider ohne größere Erläuterungen.

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