Auch Eisbären und Pinguine waren gekommen, dazu Bienen, Känguruhs und Koalas. „Die Uhr tickt“ lautete das Motto der Großdemonstration der Klimabewegung „Fridays for Future“ am Freitag in Mainz. Ein Jahr nach dem Start der Bewegung waren erneut Tausende zum Protest gegen die Untätigkeit der Politik und für schnellen Klimaschutz gekommen. Die Mainzer Polizei zählte 9.000 Teilnehmer, die Organisatoren sprachen gar voin rund 12.000. Das große Verkehrschaos in der Innenstadt blieb aber aus – gerade wegen der Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke. So konnte auch ein Korso von mehreren Dutzend Traktoren hessischer Landwirte weitgehend problemlos durch die Stadt rollen.

9.000 Protestierende zogen am Freitag bei der Großdemo von Fridays for Future an der Mainzer Staatskanzlei vorbei. - Foto: gik
9.000 Protestierende zogen am Freitag bei der Großdemo von Fridays for Future an der Mainzer Staatskanzlei vorbei. – Foto: gik

Gleich zwei Großdemonstrationen hielten am Freitag Mainz in Atem, zu Chaos in der Innenstadt führten sie indes nicht. „Die Innenstadt ist zurzeit leer, weil der ganze Durchgangsverkehr fehlt“, sagte am späten Nachmittag Polizeisprecher Rinaldo Roberto gegenüber Mainz&: „Das war heute eher ein Vorteil für Fridays for Future.“ Überhaupt habe sich an diesem Freitag die Verkehrslage rund um Mainz in weiten Teilen entspannt. Seit Sonntag ist die Theodor-Heuss-Brücke für den Individualverkehr voll gesperrt, am Montag hatte das zu Staus auf einer Länge von 45 Kilkometern rund um Mainz geführt.

„Wir haben heute Morgen ein Level erreicht, das man als Normalniveau bezeichnen kann“, sagte Roberto am Freitag, es habe sich die Prognose bewahrheitet, dass sich ab Wochenmitte der Verkehr einpendeln würde. Lange Staus auf den Autobahnen bildeten sich immer noch, das sei aber eine „Normallage“ gewesen, betonte Roberto. So konnte ab kurz nach 14.00 Uhr auch der Korso von Traktoren hessischer Landwirte weitgehend störungsfrei über die Theodor-Heuss-Brücke und durch die Mainzer Innenstadt zum Lerchenberg rollen.

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Die Traktoren durften die eigentlich gesperrte Brücke passieren, weil die für Fahrzeuge, die langsamer als 60 kmh sind, grundsätzlich offen ist. Das muss so sein, da alle übrigens Brücken Autobahnbrücken sind – auf Autobahnen gilt aber eine Mindestgeschwindigkeit von 60 kmh. Von Mainz-Kastel aus starteten die Traktoren über die Brücke zur Rheinallee, die Polizei lenkte dann die Landwirte weiträumig über die Goethestraße zur Saarstraße um. So trafen die Landwirte nicht auf den großen Demonstration von „Fridays for Future“, der zeitgleich durch die Mainzer Innenstadt zog. Am Hauptbahnhof kam es gegen 15.00 Uhr kurzzeitig so zu einem kuriosen Aufeinandertreffen aus der Ferne: Hinten die Landwirte mit ihren Traktoren, vorne die Protestierenden der Klimabewegung.

Zwischen 9.000 und 12.000 kamen zur Großdemo "Die Uhr tickt" von "Fridays for Future" in die Mainzer Innenstadt. - Foto: gik
Zwischen 9.000 und 12.000 kamen zur Großdemo „Die Uhr tickt“ von „Fridays for Future“ in die Mainzer Innenstadt. – Foto: gik

Seit einem Jahr protestieren Kinder und Jugendliche von „Fridays for Future“ in Mainz für mehr und deutlich schnelleren Klimaschutz, zum Jahrestag an diesem Freitag brachte die Bewegung erneut Tausende auf die Straße. 9.000 Teilnehmer zählte die Mainzer Polizei gegen 14.00 Uhr auf der Rheinstraße, von 12.000 sprachen die Organisatoren. Gekommen waren Teilnehmer aus Hessen, dem Saarland und ganz Rheinland-Pfalz – und dazu auch diverse Eisbären, Pinguine, Bienen, Känguruhs und Koalas.

„Wir haben uns heute als aussterbende Tierarten verkleidet“, sagte Jonathan von „Students for Future“, das sei als Warnzeichen an die Politik gemeint. „Die Uhr tickt“ lautete das Motto der Großdemonstration an diesem Freitag, die Bewegung wollte zeigen, dass sie auch nach einem Jahr keine Anstalten macht, ihren Protest einzustellen.“Vielleicht stehen hier heute fünf Mal so viele wie vor einem Jahr“, rief Maurice Conrad, einer der Sprecher der Bewegung und inzwischen Stadtrat in Mainz, „aber geändert hat sich nur dies: Wir haben noch ein Jahr weniger Zeit!“ Von anfangs rund 500 Teilnehmern sind die Zahlen des Klimaprotestes stetig gewachsen. Längst besteht die Klimabewegung auch aus „Students for Future“, „Parents for Future“ und „Scientists for Future“.

Libelle und Biene, bedroht durch massiven Pestizideinsatz und Umweltschäden, bei der Großdemo von Fridays for Future in Mainz. - Foto: gik
Libelle und Biene, bedroht durch massiven Pestizideinsatz und Umweltschäden, bei der Großdemo von Fridays for Future in Mainz. – Foto: gik

„Mich ärgert das jämmerliche Klimapaket der Bundesregierung“, sagt David Walter, der Physiker arbeitet am Mainzer Max-Planck-Institut im Bereich Luftchemie. „Die Ziele sind viel zu unambitioniert“, kritisiert Walter, „der Kohleausstieg viel zu langsam.“ Die Daten der Wissenschaft sprächen doch für sich, ergänzt seine Kollegin, Biologin Maria Praß: „Man macht das Wohlfühlprogramm, Fakten werden ignoriert.“ Der gerade am Vortag ausgehandelte Kompromiss zum Kohleausstieg, „das reicht einfach nicht“, findet auch Jonathan: „Physiker sagen, 2035 ist der letzte Zeitpunkt, wo man die Erderwärmung noch rückgängig machen kann, 2038 ist einfach zu spät.“

„Ich sag‘ Klima – Ihr sagt: Schutz“, ruft der Moderator von der Bühne. „Die Politik pennt, die Zeit rennt“, steht auf einem Transparent, das ein älterer Mann hochhält. „Save Koalas, not Kohle“, fordert ein anderes Plakat, „The Snow must go on“ ein weiteres. „Wir haben zusammen den Mond erreicht, lasst uns zusammen saubere Energie erreichen“, sagt ein Transparent. „Der Feind der Wälder ist nicht die Windernergie, der Feind sind Kohle und CO2“, ruft Conad, und kritisiert „die Absurdität der politischen Ignoranz“. Für Braunkohle würden ganze Landstriche, Seen und Wälder weggebaggert, „das ist kein Problem“, sagte Conrad: „Aber wenn so eine Windkraftanlage 0,0002 Prozent eines Waldes braucht, da hört der Spaß auf.“ Die Streikenden würden „verhöhnt“ mit einem winzigen Klimapaket, das gehe so nicht weiter.

Plakate bei der Großdemo von Fridays for Future am Freitag in Mainz. - Foto: gik
Plakate bei der Großdemo von Fridays for Future am Freitag in Mainz. – Foto: gik

Der Protest bisher sei zwar laut gewesen, „aber er war nicht laut genug“, lautete Conrads Fazit zu einem Jahr Fridays for Future: „Wir brauchen einen wirklich ohrenbetäubenden Weckruf, ein schrilles Warnsignal.“ Zu Protestieren sei kein Privileg, sondern „der schiere Kampf ums Überleben“, ruft Conrad. Dabei müsse die Politik doch nur „die Lösungen vom Tablett nehmen, das die Wissenschaft ihr seit Jahrzehnten präsentiert.“ Das Einzige, das sich Deutschland nicht leisten könne sei, nicht auf die Straße zu gehen, nichts zu tun, weiter den Kopf in den Sand zu stecken. Wer heute mit auf die Straße gehe, werde zumindest „morgen sagen können, ich habe nicht mitgemacht, als Bequemlichkeit über Erkenntnis gesiegt hat“, fügte Conrad hinzu.

Mehr als eine Stunde lang zogen die Protestierenden im Anschluss durch die Mainzer Innenstadt. Zu einem größeren Verkehrschaos kam es dabei nicht, in der Innenstadt herrschte gähnende Leere. Die wenigen Autofahrer, die im Stau standen, nahmen es gelassen. „Wir wussten ja, was los ist“, sagte eine Frau. Um kurz nach 14.00 Uhr konnte denn auch ungestört ein Korso aus mehrere Dutzend Traktoren hessischer Landwirte über die Theodor-Heuss-Brücke rollen. Die Bewegung „Land schafft Verbindung“ hatte dazu aufgerufen, vom Mainzer Lerchenberg aus die längste Traktorenkette der Welt von 60 Kilometern Länge bis in die Pfalz zu bilden, als Protest gegen die geplante Düngemittelverordnung.

Traktorenkette hessischer Landwirte am Freitag auf der Theodor-Heuss-Brücke. - Foto: gik
Traktorenkette hessischer Landwirte am Freitag auf der Theodor-Heuss-Brücke. – Foto: gik

„20 Prozent weniger Düngung, das ist reine Willkür, reiner Populismus“, schimpfte ein Landwirt. Die Ursache für die hohen Nitratwerte im Grundwasser sei doch gar nicht die Landwirtschaft, sagen die Bauern, die aus Flörsheim, Hochheim oder Liederbach kamen. Undichte Kanäle, Kläranlagen und Starkregenereignisse, das seien doch die Ursachen, „das müsste man mal klären“, sagt einer. Am Erbenheimer Airfield gebe es einen Trinkwasserbrunnen, „da wissen wir doch gar nicht, was die Amis damit gemacht haben“, erregt sich einer. Andere Messstellen für Nitratwerte lägen mitten in Wohngebieten, „wie kann das für die Landwirtschaft repräsentativ sein“, fragt ein anderer. An die EU würden die falschen Messwerte weiter geleitet, die gar nicht repräsentativ seien, schimpfen sie.

Traktorenkette auf Theodor-Heuss-Brücke. - Foto: gik
Traktorenkette auf Theodor-Heuss-Brücke. – Foto: gik

„Der Düngeverbrauch geht zurück, seit Jahren“, behauptet einer der Landwirte, die Auswirkungen der Düngeverordnung von 2017 seien doch noch gar nicht im Trinkwasser messbar. Ihnen aber würden die Folgen aufgebrummt, und das pauschal, schimpfen sie. „Wir Deutschen machen unsere eigene Landwirtschaft kaputt“, sagt einer. Das gelte auch beim Thema Pestizide und Glyphosat: „Wir brauchen bei Glyphosat kein Anwendungsverbot, so dern ein Verbot von Lebensmitteln, die mithilfe von Glyphosat produziert wurden“, sagt Landwirt Michael Mitter aus Hochheim.

„Wir können mit Glyphosat billiger produzieren“, räumt sein Kollege ein, der Druck dafür liege an der Billigkonkurrenz aus dem Ausland, die eben mit dem Totalherbizid arbeite. „Wir in Deutschland kriegen Landwirtschaft hin ohne Glyphosat, wir haben das Knowhow“, sagt Mitter, „aber dann brauchen wir ein Verbot für Lebensmittel, die mit Hilfe von Glyphosat produziert wurden, sonst können wir nicht überleben.“ Und so protestieren sie hier zugleich auch gegen Billig-Lebensmittel und verlangen ein Verbot von Werbung für billiges Fleisch, Obst, Gemüse und Milch.

Plakat bei der Fridays for Future Großdemo im Januar 2020: "The Snow must go on!" - Foto: gik
Protest mit Freddy Mercury, Plakat bei der Fridays for Future Großdemo im Januar 2020: „The Snow must go on!“ – Foto: gik

Mit lautem Hupen zogen die Landwirte dann über die Brücke nach Mainz, auf dem Lerchenberg wollten sie sich zu der Traktorenkette bis hinunter in die Pfalz formieren. „Verordnung und Verbot sind der Bauern Tod“, lauteten bei ihnen die Plakate. Mit „Fridays for Future“ mochte man sich nicht solidarisieren – dabei forderten dort die Demonstranten auch bessere Qualität beim Essen, mehr Tierschutz und mehr Biolebensmittel. Und bei den Landwirten konnte man auf Plakaten an den Traktoren lesen: „Tausche Fakten gegen Ideologie.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Nitrat im Trinkwasser sowie den Haltungen von „Land schafft Verbindung“ lest Ihr hier bei Mainz&. Das ganze Fazit von ein Jahr Fridays for Future haben wir bereits im Vorfeld berichtet, hier könnt Ihr es noch einmal nachlesen. Zwei kurze Videos zum Tage findet Ihr übrigens hier auf unserer Mainz&-Facebookseite.

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