Rund 580 unterschiedliche Wildbienenarten gibt es derzeit in Deutschland – noch: Mehr als die Hälfte von ihnen steht bereits jetzt auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. 60 Prozent aller Wildbienenarten und 65 Prozent der Schmetterlinge sind akut im Bestand gefährdet, sagen Experten. Das aber hat nicht nur Folgen für Blüten und Honig: Bienen sind wichtige Bestäuber, ohne sie gäbe es kein Obst und auch so manches Gemüse nicht mehr. Hauptgründe für den Bienenschwund: Flächenversiegelung, Neubaugebiete und Steingärten – als der Hauptverursacher nennen Experten aber die Landwirtschaft. Die großen Monokulturen, vor allem im Norden und Osten der Republik, lassen einer Biene keine Chance. Aber auch bei uns pflügen Bauern bis an den Weg, einen Wegesrand gibt es kaum noch – und da blüht schon lange nichts mehr. Auf einer Bienen-Tagung diskutierten Experten Mitte April über Ursachen und Lösungen – und gehandelt wird auch schon.

Winzer Marco Becker aus Mainz-Ebersheim hat eine Kampagne für mehr Blühstreifen an Äckern gestartet.
Winzer Marco Becker aus Mainz-Ebersheim hat eine Kampagne für mehr Blühstreifen an Äckern gestartet.

„Für 5 Euro stellen wir drei Quadratmeter Ackerflächen zur Verfügung und sähen dort für Euch Blühstreifen“, schrieb der Mainz-Ebersheimer Winzer Marco Becker Ende 2018 auf seiner Facebook-Seite. Binnen Minuten meldeten sich rund zwei Dutzend Interessierte, die alle blühende Ackerstreifen finanzieren wollten, 600 Quadratmeter wird Becker in diesem Frühjahr mit bunten Blühmischungen einsäen. „Ich will die Leute wachrütteln“, sagt Becker zur Erklärung, „die Leute müssen über den Umgang mit der Natur mehr nachdenken.“

Becker hat seine Felder und Weinberge am Rande von Mainz, seit Jahren erlebt er, wie die Großstadt immer mehr Natur verschlingt. Neubaugebiete, Flächenversiegelung durch Gewerbe, dazu der gruselige Trend zu Steingärten vor dem Haus, Landwirtschaft und Natur seien auf dem Rückzug, sagt Becker.

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Eine Wildbiene nascht auf einer lila Blüte - es ist eine Gelbbindige Furchenbiene. - Foto BUND Heike Struecker
Eine Wildbiene nascht auf einer lila Blüte – es ist eine Gelbbindige Furchenbiene. – Foto BUND Heike Struecker

„Mit der Zukunft der Landwirtschaft wird auch die Zukunft unserer Gesellschaft entschieden“, sagt der Agrarwissenschaftler Clemens Wollny, Dekan an der Technischen Hochschule Bingen. Dort trafen sich Mitte April rund 120 Interessierte zu einer „Bienen-Tagung“, um über den Verlust der Agrobiodiversität und über Maßnahmen gegen das Artensterben zu diskutieren. „Wir brauchen Veränderung“, forderte Wollny, Probleme seien Flächenverlust, Bodenversiegelung, aber auch die landwirtschaftliche Nutzung, sowie eine Umweltbelastung insgesamt durch synthetische Pestizide.

80 Prozent unsere Kulturpflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen, heißt es beim Mainzer Umweltministerium, doch genau für sie ist die Lage ernst. 60 Prozent aller Wildbienenarten und 65 Prozent der Schmetterlinge seien akut im Bestand gefährdet. Das aber hat nicht nur Konsequenzen für Pflanzen, Blüten und Obst, auch die Hälfte der Brutvogelarten im Land seien durch ihre schwindende Nahrungsgrundlage gefährdet, warnt Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne).

Kahle Felder zwischen Bretzenheim und dem Lerchenberg in Mainz, Blumen wachsen hier keine.
Kein Blühstreifen, nirgends: Felder zwischen Mainz-Bretzenheim und dem Lerchenberg. – Foto: gik

„Wir brauchen mehr Blüten in der Landwirtschaft“, sagt auch Klaus Wallner von der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim. Das große Problem der Landwirtschaft seien die durch den Strukturwandel entstandenen riesigen Monokulturen, „blütenfreie grüne Wüsten über Quadratmeter hinweg“. Auf diesen Flächen „haben wir die Blühgrundlage verloren, da finden die Bienen keine Nahrung mehr“, sagt Wallner. 50 Meter weit fliege eine Wildbiene in der Regel, um Nahrung zu finden, auf diesen Riesenflächen habe sie keine Chance.

Dazu kommt die Bewirtschaftung: „Ackerrandstreifen, Wegstreifen, das haben wir alles verloren“, sagt Wallner. Der Landwirt pflüge bis an den Feldweg heran, da könne sich kein Blumenstreifen und kein Nistplatz für Wildbienen entwickeln. Sandwege, Hecken, alte Bäume mit Totholz, eine Böschung, solche Plätze bräuchten Wildbienen zum Nisten. Die

„Den Honigbienen geht es eigentlich gut“, sagt derweil Christoph Otten vom Mayener Fachzentrum für Bienen und Imkerei in Mayen. Es war im Herbst 2002, als die Nachricht vor einem großen Bienensterben die Republik aufschreckte. Fast 30 Prozent der Bienenvölker überlebten den Winter nicht, „das war der Ausgangspunkt, dass die Biene wieder in den Fokus rückte“, berichtet Otten.

Eine als Bienen verkleidete Gruppe zieht beim Jugendmaskenzug 2018 durch die Straßen von Mainz. - Foto: gik
Den Schwund der Bienen machte diese Gruppe schon beim Jugendmaskenzug 2018 zum Thema. – Foto: gik

In Mayen erheben sie mit dem Bienenmonitoring in regelmäßigen Umfragen die Sterblichkeit und den Gesundheitszustand der Bienenvölker, eine Patientenakte für 1.100 Bienenvölker haben sie hier, 30.000 Imker werden inzwischen regelmäßig befragt. In diesem Winter überlebten rund 15 Prozent den Winter nicht, „der Wert liegt im mittleren Bereich“, sagt Otten, „das ist kein Trend zum Schlechteren, aber auch nicht zum Besseren.“

Als Hauptfaktor für das Bienensterben machten die Forscher schließlich die Varroamilbe aus, einen Parasiten, der Bienenstöcke schädigt, seither ist das Bienensterben weitgehend eingedämmt. „Den Honigbienen geht es gut, weil sie jemanden haben, der sich um sie kümmert – den Menschen“, sagt Otten. Durch den Imker würden „die Bienen ins Paradies getragen, wo es noch Nahrung gibt“, die Wildbiene habe das nicht.

Eine verwilderte Wiese in der Mainzer Oberstadt mit viel Gras, aber wenig Blütenblumen. - Foto: gik
Schön grün ist diese Wiese in der Mainzer Oberstadt ja – ein Paradies für Bienen und Insekten dürfte sie dennoch nicht sein: Es fehlt die Blütenvielfalt einer echten Wiese. – Foto: gik

Die Mehrzahl der Wildbienen nistet in der Erde oder in Hohlräumen in Holzstängeln, sie nutzen Spalten in der Erde oder an Steinen, um darin Brutkammern anzulegen, erklären die Experten. Das Ergebnis: Die Wildbiene liebt Hohlwege mit Böschungen oder Gehölz am Wegesrand, „verwilderte“ Ecken und Orte zum Verstecken. Natursteinmauern und Kräuterspiralen, Totholzbereiche und Insektenhotels schaffen wichtigen Lebensraum für Insekten und Kleinsttiere, rät das Mainzer Umweltministerium. Kräuterrasen oder wilde Ecken mit Kräutern und Klee seien für viele Insekten überlebensnotwendig.

„Weniger ‚Ordnung‘ im Garten, mehr Mut zur Wildnis“, rät auch Bienenexperte Otten: Ein Meer an Blüten zieht Biene und Schmetterlinge an und helfe den bedrohten Insekten beim Überleben. Vielfältig gestaltete Naturgärten mit Staudenbeeten und Blühmischungen wünschen sich die Experten – die Rückkehr zur alten Blumenwiese, die es kaum noch gibt. Und auch die Kommunen könnten viel mehr tun: Brachflächen in der Stadt, Verkehrsinseln oder die Wiese vor der eigenen Haustür – auch auf diesen „sogenannten „Eh-Da“-Flächen könnte statt hässlichen Gestrüpps oder Einheitsgras gut blühende Vielfalt entstehen.

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und seine jahrelanger bedenkenloser Einsatz in Gärten und Landwirtschaft gilt als eine der Ursachen für das Sterben von Bienen und Insekten. Der BUND startete deshalb 2018 die Aktion „Gemeinsam gegen Glyphosat“. – Foto: BUND

Bienenexperte Otten wünscht sich aber auch mehr Sensibilität bei den Landwirten und weniger Pestizideinsatz: „Wir wissen, dass es negative Wechselwirkungen zwischen Pflanzenschutzmitteln und Bienenvölkern gibt“, sagt Otten. Landwirte kalkulierten zum Beispiel oft die Abdrift beim Verspritzen nicht ein. Im Weinbau würden Steillagen verstärkt mit dem Hubschrauber gespritzt, der Nebel wehe dann „voll in die Steinakazie rein“, ärgerte sich ein Imker auf der Tagung. Öffentlich darüber reden könne er nicht, „dann kann ich meinen Honig nicht mehr verkaufen“, sagt er. Bei Untersuchungen stellten sie beim Bienenmonitoring fest: 96 Prozent der Pollen in den Bienenwaben sind mit Pestiziden belastet, manchmal bis zu 36 Mitteln gleichzeitig.

Dabei geht es auch anders: „Wir gehen über Bodengesundheit statt Pestizide“, sagt Armin Meitzler, Landwirt und Winzer aus Spiesheim bei Alzey. Seit 2012 arbeitet Meitzler komplett biologisch, und das auf 230 Hektar Ackerflächen, sein Geheimnis: die Fruchtfolgegestaltung. Mit 20 verschiedenen Kulturen jongliert Meitzler, auf seinen Äckern wachsen Kleearten und Phacelie als Untersaaten und Zwischenfrüchte, Wicken und Senf als Stickstoffsammler.

Maschinen statt Chemie, lautet Meitzlers Devise, „wir sind sehr gut mechanisiert und sehr schlagkräftig, wir können zum richtigen Zeitpunkt eingreifen“, sagt er. Das Ergebnis: „Der Boden federt und lebt“, sagt Meitzler – und seine Erträge seien auch ohne Chemie genauso gut wie die der Nachbarn. Meitzler ist inzwischen Leitbetrieb für Rheinland-Pfalz, „wir müssen umdenken“, sagt er: „Wir zerstören sonst die Natur.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Blühstreifen des Weinguts Becker findet Ihr hier bei Mainz&, und Beckers sind beileibe auch nicht die einzigen: Auch Winzer Florian Eckert meldete jüngst das Anlegen einer Honig- und Blumenwiese von satten 2.700 Quadratmetern. Das Mainzer Umweltministerium informiert mit der „Aktion Grün“ über Artenvielfalt und Diversität und gibt Tipps zur Umsetzung für Verbraucher, Landwirte, Schulen und Kommunen für Blühstreifen und mehr Vielfalt im Garten und auf dem Balkon – mehr dazu hier im Internet. Und unseren Bericht über die Warnungen des Direktors der Frankfurter Senckenberg-Gesellschaft vor einem massenhaften Artensterben findet Ihr hier bei Mainz&. Über die Probleme mit Glyphosat haben wir übrigens hier berichtet – auch weil die Mainzer Mobilität nach wie vor das Gift auf den Gleisen der Mainzer Straßenbahn einsetzt.

 

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