Mainz und seinem rheinhessischen Umland droht womöglich neuer Ärger in Sachen Diesel-Fahrverbote. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte am Donnerstag neue Messungen in Sachen Stickoxide und teilte mit: Man habe deutschlandweit 67 neue Hot Spots identifiziert, an denen der derzeitige EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten werde. Betroffen davon: Budenheim bei Mainz und Stadecken-Elsheim in Rheinhessen. Man habe vom 1. Februar bis 1. März 2018 an 559 Messorten in Deutschland die Belastung der Atemluft durch Stickstoffdioxid mithilfe von Passivsammlern gemessen, heißt es bei der DUH weiter. Damit habe man mehr als doppelt so viele verkehrsnahe neue Messorte untersucht, wie das behördliche Messnetz insgesamt aufweise.

Dieselfahrzeuge in der Stadt verursachen weiter erhebliche Probleme in Sachen Stickoxiden, vor allem hier in der Mainzer Parcusstraße. – Foto: gik

„Die Ergebnisse zeigen eine erschreckend hohe NO2-Belastung der Atemluft“, betonte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. An 67 neuen Stellen seien die 40 Mikrogramm überschritten worden, an 181 Standorten seien zwischen 30 und 40 Mikrogramm gemessen worden, an 251 Standorte 20 bis 30 Mikrogramm. Nur an 60 Standorten hätten die NO2-Werte unter 20 Mikrogramm gelegen. Die DUH fordere die betroffenen Städte auf, umgehend wirksame Minderungsmaßnahmen einzuleiten – und die Bundesregierung, diese Orte dabei zu unterstützen.

Die DUH geht zudem davon aus, dass die realen Werte noch höher liegen: Wegen des starken Kälteeinbruchs im März liege der von den Passivsammlern ermittelte Wert etwa zehn Prozent unter dem tatsächlichen Wert, das hätten Referenzmessungen an den offiziellen Messstationen von Umweltbundesamt und einem Labor in der Schweiz ergeben. An 58 Messstellen, bei denen die NO2-Werte zwischen 35 und 40 Mikrogramm gelegen hätten, wolle man deshalb jetzt zeitnah Nachmessungen durchführen.

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Damit könnten noch mehr Klagen der DUH gegen Städte und Gemeinden in Sachen Fahrverbote drohen. Von den 67 neuen Hot Spots der DUH sind in Rheinland-Pfalz außerdem Trier, Landau und Kaiserslautern betroffen, bisher hatten nach offiziellen Messergebnissen „nur“ Mainz, Koblenz und Ludwigshafen den Grenzwert von 40 Mikrogramm dauert überschritten.

Offizielle Messstelle der Luftüberwachung Rheinland-Pfalz in der Mainzer Parcusstraße. – Foto: gik

„Wir haben in Deutschland ganz offensichtlich ein flächendeckendes Problem mit giftigem Stickstoffdioxid in unserer Atemluft“, betonte Resch am Donnerstag. Ursache dafür seien vor allem die ungefilterten Abgase aus Dieselmotoren. Die neue Bundesregierung müsse ihre Hilfe auf alle Städte und Gemeinden ausdehnen, die unter gesundheitlich bedenklichen NO2-Werten litten, „und nicht nur die wenigen Dutzend Städte mit amtlichen Messpunkten finanziell unterstützen“, forderte Resch.

 

Die DUH habe gerade auch in kleinen und mittelgroßen Gemeinden gesundheitlich bedenkliche Werte und Grenzwertüberschreitungen gemessen, „die vergleichbar und im Einzelfall gar höher ausfallen als an bekannten Hot Spots der schmutzigen Metropolen Deutschlands.“ In den kleinen Städten gibt es vielfach gar keine Messstationen. „Kleinkinder, Asthmatiker, Lungenvorgeschädigte, Alte und Kranke werden hier buchstäblich im Dieseldunst alleingelassen“, kritisierte Resch. Die Behörden müssten nun überall handeln „und notfalls mit Diesel-Fahrverboten die ‚Saubere Luft‘ für ihre Bürger durchsetzen.“

Die DUH fordert zudem inzwischen die Senkung des Grenzwertes von 40 Mikrogramm auf 20 Mikrogramm, damit würden Städte und Gemeinden flächendeckend zu Stickoxid-Sündern werden. Aktuelle Studien verschiedener Behörden und von der Industrie unabhängiger Institute zeigten, dass bedenkliche Gesundheitsschäden bereits ab einer Belastung von 20 Mikrogramm aufträten, betonte Resch: „Besonders für Kinder, Schwangere sowie ältere Menschen ist diese Belastung gesundheitsgefährdend.“ Selbst die Schweiz habe mit 30 Mikrogramm bereits seit 1986 einen strengeren Luftqualitätswert als die EU.

Die neue interaktive Karte der Deutschen Umwelthilfe mit Messergebnissen zu Stickoxiden. – Screenshot: gik

Die Europäische Umweltagentur EEA habe in ihrem Jahresbericht über die Luftqualität in Europa schon im Herbst 2017 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung allein in Deutschland auf jährlich 12.860 vorzeitige Todesfälle beziffert, betont die DUH weiter. Auch das Umweltbundesamt habe mit seiner am 8. März 2018 veröffentlichten Studie zu den Gesundheitsfolgen der NO2-Belastung unserer Atemluft davor gewarnt, dass schon bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes jährlich über 800.000 Atemwegs-, Herz-Kreislauferkrankungen und Diabetes sowie 6.000 vorzeitige Todesfälle zu verzeichnen seien.

Die DUH hat zudem eine neue Karte im Internet ins Leben gerufen, auf der sie eigenen Angaben zufolge alle öffentlich zugänglichen Messungen zum Thema einspeist: Messungen des Umweltbundesamt ebenso wie vom Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Rundfunkanstalten rbb und SWR sowie des Vereins Green City aus München. 1.111 Messstellen in 426 Städten und Gemeinden, so die Interpretation der DUH, zeigten dabei gesundheitlich bedenkliche NO2-Belastungen der Atemluft mit Werten von über 20 Mikrogramm. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm werde hier an 350 Messstellen in 121 Städten und Gemeinden überschritten.

Info& auf Mainz&: Die interaktive Karte haben wir uns natürlich gleich angeschaut, hier könnt Ihr sie einsehen. Sie scheint uns aber noch nicht aller oben vorgestellten Ergebnisse zu enthalten, vielleicht kommt das noch. Die Messstelle in Budenheim scheint an der großen Mülldeponie zu liegen. Zum Vergleich könnt Ihr die aktuellen Messstellen des Landesumweltamtes Rheinland-Pfalz samt stündlicher Messwerte hier auf http://www.luft-rlp.de/aktuell/stationswerte/stickstoffdioxid/index.php einsehen – übrigens auch für viele andere Stoffe wie Ozon und Feinstaub. Die komplette Meldung der DUH samt Tabellen zu den neuen Messungen seht Ihr hier im Internet. Wie sich die Messwerte zuletzt in Mainz entwickelten, und warum selbst Experten vom Landesumweltamt keine Entwarnung sehen, les Ihr hier bei Mainz&.

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