Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus hat Deutschland inzwischen bundesweit Restaurants und Läden geschlossen – doch das hat unerwartete Nebenwirkungen: Die Lkw-Fahrer stehen auf den Raststätten quer im Land auf einmal vor geschlossenen Toiletten, versperrten Duschen und dunklen Gaststätten. „Wir finden praktisch keine vernünftigen Toiletten mehr auf den Autobahnen“, erzählt Lkw-Fahrer Carsten Bremer aus Nickenich bei Andernach: „Bei Raststätten ist alles dunkel – und die Duschen: alles dicht.“

Ein Truck in einem Autocorso in Mainz anlässlich einer Demo. - Foto: gik
Ein Truck in einem Autocorso in Mainz anlässlich einer Demo. – Foto: gik

Dabei sind die Lkw-Fahrer in der Coronkrise auf einmal zu einer wahrhaft systemrelevanten Berufsgruppe geworden: die Panik trieb viele in den vergangenen Tagen zu Hamsterkäufen in die Supermärkte, nun herrscht dort bei Toilettenpapier, Nudeln und Hygienemitteln gähnende Leere. Zwar verspricht der Handel, seine Lager wären voll, es herrsche kein Mangel, doch in den Läden kommt einfach nicht genug Ware an. „Viele von uns sind den ganzen Tag über von früh bis spät unterwegs, um die Bevölkerung mit Gütern zu versorgen“, berichtet die bekannte Truckerin Katrin Oschmann auf ihrem Facebookprofil: „Wir bringen Euer Toilettenpapier in die Märkte, Hygieneartikel, Handseifen, Desinfektionsmittel, Lebensmittel.“

Doch wenn  die Truckern dann Feierabend haben oder ihre vorgeschriebenen Pausen von den Lenkzeiten machen müssen, stehen sie immer öfter vor verschlossenen Türen: „Wir kommen nach einem 13, 14 oder 15 Stunden-Tag endlich zum Feierabend, freuen uns auf was zu Essen und Bäääm.. Nix da!“, schreibt Oschmann. „Wir sind fast die einzigen, die da draußen noch unterwegs sind und die Toiletten nutzen“, berichtet auch Lkw-Fahrer Bremer im Gespräch mit Mainz&, „es sind ja keine Reisebusse mehr unterwegs, kaum noch Pkw.“

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Leeres Regal in einem Mainzer Supermarkt am Montag - die Nachschublieferungen stocken. - Foto: gik
Leeres Regal in einem Mainzer Supermarkt am Montag – die Nachschublieferungen stocken. – Foto: gik

Doch seit mit den Restaurants auch die Raststätten dicht machen, stehen die Lastwagenfahrer vor großen Problemen: „Vorne die Tankstelle hat noch offen, aber bei den Raststätten ist alles dunkel“, berichtet Bremer, das Problem dabei: Er findet keine sauberen Toiletten mehr. „Gerade irgendwo hinter Würzburg erlebt: drei Kabinen, aber in zweien davon die Toiletten verstopft, das Wasser stand auf dem Boden“, erzählt er – die dritte Kabine sei in äußerst dreckigem Zustand gewesen.

Vergangene Woche gab der Betreiber Sanifair bekannt, man werde seine Sanitäranlagen auf den Raststätten ab sofort allen Besuchern kostenlos zugänglich machen, um Reisenden ein problemloses Händewaschen zu ermöglichen. „Seitdem werden die Anlagen aber auch nicht mehr geputzt“, berichtet Bremer, „man sieht, ob da gerade mal nicht geputzt wurde oder länger.“ Viele Orte seien in einem grauenhaften Zustand, separate Toilettenhäuschen oft gleich ganz zu. Beim Kunden sei der Toilettenbesuch auch nicht mehr gerne gesehen, von wegen „social distancing“ und so. „Muss ich denn echt ins Gebüsch gehen“, fragt sich Bremer.

Beim Unternehmen Tank & Rast heißt es auf Anfrage, man werde die Tankstellen weiter offenhalten: „Lediglich auf unseren sogenannten abgesetzten Anlagen, bei denen durch eine vorgelagerte Tankstelle die Grundversorgung sichergestellt wird, werden die abgesetzt stehenden Raststätten weitgehend geschlossen“, teilte das Unternehmen auf Mainz&-Anfrage mit. Bei den Tankstellen gebe es ein Angebot in den Bereichen Backshop, Snacks und Retail, damit sei „eine Grundversorgung für alle Reisenden sichergestellt.“ Auch die Fernfahrerduschen seien „frei zugänglich.“

Lkw-Fahrer Carsten Bremer ärgert sich über die wegbrechende Infrastruktur auf den Autobahnen. - Foto: Privat
Lkw-Fahrer Carsten Bremer ärgert sich über die wegbrechende Infrastruktur auf den Autobahnen. – Foto: Privat

Bremer widerspricht: Seine Fernfahrerkollegen berichteten, die Duschen würden alle „nach und nach zugemacht.“ Seit 20 Jahren fährt er jetzt Lkw durch Deutschland, derzeit Baustoffe für das Zementwerk bei Andernach. „Ich fahre Touren im Umkreis von 250 Kilometern, auch nachts, da muss man unterwegs mal auf Toilette“ sagt Bremer, und betont: „Alle, die ähnliche Touren fahren, erzählen das gleiche.“

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten fordert inzwischen, es brauche direkte Hilfen für die Tank- und Raststättenbetreiber, damit diese die für die Grundversorgung so wichtigen Einrichtungen geöffnet halten könnten. Die Versorgung mit Waren erfolge „zu einem großen und nicht verzichtbaren Teil über LKW“, von der angeordneten Schließung der Gastronomie seien auch Toiletten und Sanitäranlagen betroffen. „In vielen anderen Fällen droht in kurzer Zeit eine Schließung der kompletten Tankstelle, weil das Offenhalten für den Betreiber wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist“, warnt Weingarten.

Die Klagen, dass Fahrern Toilettengänge oder Duschen verwehrt würden oder dass sie weder einen Kaffee noch etwas zu essen bekämen, häuften sich, weiß man beim Branchenblatt „Deutsche Verkehrszeitung“: „Es ist ein Unding, dass dem Fahrpersonal keine menschenwürdigen sanitären Bedingungen zur Verfügung gestellt werden“, schreibt Redakteur Sven Bennühr in einem Kommentar: „Die Versorger der Nation müssen ebenfalls versorgt werden, damit der Laden läuft! Unter diesen Umständen ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Fahrer die Brocken hinschmeißen.“

Bremer bestätigt das: „Das ist jetzt so der Punkt, wo jeder sagt: es reicht“, warnt der 42 Jahre alte Familienvater: „Wir sollen jetzt auch noch länger fahren, nach 9 bis 10 Stunden ist man auch mal durch.“ Gerade die osteuropäischen Kollegen seien oft eine ganze Woche unterwegs, „die wohnen in ihrem Auto, das hält man irgendwann nicht mehr durch“, sagt Bremer: „Irgendwann wird man auch zum Sicherheitsrisiko.“

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