Jetzt ist es auch in Mainz so weit: Massenunterkunft, mehr als 40 Betten in einem Raum, unabgeteilt. Die Stadt stellte am Montag eine neue Notunterkunft für Flüchtlinge vor: In der Alten Portland, dem früheren Casino am Steinbruch, werden ab dieser Woche Flüchtlinge untergebracht. Dienstag sollen die ersten 20 kommen, die nächsten 36 stehen schon auf der Liste. Bisher hatte die Stadt es immer geschafft, die vom Land zugewiesenen Flüchtlinge in Quartieren zumindest mit ein wenig Privatsphäre unterzubringen. Jetzt aber ist Ende der Kapazitäten – in der Stadt leben mittlerweile mehr als 1.700 Flüchtlinge.

Casinosaal Alte Portland als Flüchtlingsunterkunft - kleiner
DSer wunderschöne alte Casinosaal in der Alten Portland wurde nun zur Flüchtlingsunterkunft – Foto: gik

Grund für die neue Notunterkunft ist ein neuer Höchststand bei den Zuweisungen vom Land: 450 Flüchtlinge kamen im Dezember aus den Erstaufnahmeeinrichtungen nach Mainz – das Land versuchte offenbar, vor dem echten Winter noch so viele Flüchtlinge wie möglich auf die Kommunen zu verteilen. „Wir sind nach wie vor im Unterbringungsmodus“, sagte der Leiter des Mainzer Sozialamtes, Claus Hensel, am Montag, „es geht nach wie vor in erster Linie um das Dach über’m Kopf.“

Rund ein halbes Dutzend Flüchtlingsunterkünfte hat die Stadt im Jahr 2015 aus dem Boden gestampft. Zwerchallee, Elly-Beinhorn-Straße, Wormser Straße, Bretzenheim, dazu die Gonsenheimer Housing Area mit bis jetzt 300 Menschen – und noch immer kommen die Verantwortlichen kaum hinterher. 90 Menschen kamen mal pro Woche, das war im Januar 2015. Im Dezember kamen allein auf einen Schlag 450 Flüchtlinge – das ist kaum noch zu handeln.

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Blick in den Casinosaal Alte Portland - kleiner
Nur Spinde trennen die Betten in der Alten Portland ab – Foto: gik

Dabei hat es Mainz bisher geschafft, keine Schulturnhallen zu besetzen und keine Zelte oder Schiffe zu nutzen. Einzige Ausnahme: Eine Wochenendbelegung der Draiser Turnhalle, die aber nur drei Tage währte – und die Turnhalle der ehemaligen Peter-Jordan-Schule. Diese war eigentlich nur als Notquartier gedacht, die Stadt hatte die Halle sogar Mitte 2015 für kurze Zeit mal leer bekommen. Jetzt ist sowohl die Turnhalle wieder voll belegt wie auch die neue Unterkunft nebenan, in der ehemaligen Schule selbst – die Lage ist eng.

In der Peter-Jordan-Schule konnte die Stadt zudem kleine Kabinen mit Türen bauen, so dass die Menschen dort ein wenig Privatsphäre haben. In der Alten Portland war das nicht möglich – das Gebäude von der Jahrhundertwende ist denkmalgeschützt, an Boden und Wänden durfte nichts verändert werden. Und so stehen die Doppelstockbetten nun lediglich von Spinden getrennt im Raum verteilt – zum ersten Mal in Mainz.

Nebenraum Alte Portland mit mehr als 40 Betten - kleiner
Selbst im Nebenraum in der Alten Portland stehen mehr als 40 Betten auf engstem Raum – Foto: gik

„Wir haben uns deshalb entschieden, hier eine 24-Stunden-Betreuung einzurichten“, sagte Hensel. Auch nachts werde ständig ein Ansprechpartner vor Ort sein – die Stadt will unter allen Umständen verhindern, dass es in der Unterkunft Schlägereien wie kürzlich in einer hessischen Unterkunft in Mainz-Kastel geben könnte.

Wie kurzfristig die neue Unterkunft realisiert werden musste, zeigt auch der Bauzeitplan: Am 15. Dezember begann die Wohnbau mit dem Umbau, am 21. Dezember war schon fast alles fertig. Elektroinstallationen, Brandschutzanlage, Brandschutztüren, alles musste sehr schnell gehen. Für die sanitären Anlagen wurden fünf Container mit Duschen und WCs – für Geschlechter getrennt – vor der Tür installiert.

Das Gebäude gehört der Entsorgungsfirma Meinhardt, die suche schon länger nach einer Alternativnutzung, sagte Hensel. Die gute Nachricht: Vereine oder Fastnachtssitzungen mussten nicht für die neue Unterkunft weichen. Doch die Stadt arbeitet schon mit Hochdruck an den nächsten Unterbringungen – 2016 werden noch einmal rund 2.000 Flüchtlinge erwartet.

Notunterkunft Turnhalle Abteile von oben
So sehen die Wohnkabinen in der Turnhalle der Peter-Jordan-Schule aus – Foto: gik

So sollen weitere 120 Flüchtlinge im Portland-Verwaltungsgebäude unterkommen, weitere 300 Menschen in der Erweiterung der Gonsenheimer Housing Area. Doch beide neuen Quartiere werden erst zum 1. April fertig – „für Februar und März haben wir noch ein Delta“, räumte der Mainzer Flüchtlingskoordinator Andreas Au ein. Die Alte Portland ist erst einmal für ein Jahr gemietet – sie wird wohl gebraucht werden.

In den Spinden übrigens wird auf die Flüchtlinge auch das deutsche Grundgesetz warten – auf arabisch und Farsi, den Sprachen, die die meisten Flüchtlinge sprechen. „Uns ist es ganz wichtig, unsere Werte zu vermitteln und wie man sich verhält“, betonte Behrouz Asadi für die Malteser, zuständig für die Betreuung der Flüchtlinge in der Alten Portland. Rolle der Familie, Informationsfreiheit, Frauenrechte, auf all das würden die Flüchtlinge hingewiesen, betonte Asadi mit Blick auf die Vorfälle in Köln: „Es ist ganz wichtig, den Leuten von Anfang an zu vermitteln, wo sie sich befinden.“

Die Flüchtlinge müssten die Hausordnung unterschreiben, betonte auch Shideh Daghooghi, bei den Maltesern für die psychosoziale Betreuung der Flüchtlinge zuständig. Ja, sagt sie, manche Männer, die kommen, hätten ein anderes Frauenbild. „Wenn da bei uns junge Mädchen im Büro sitzen, schauen die einfach vorbei“, berichtete Daghooghi im Gespräch mit Mainz&. Aber denen werde schnell klar gemacht: Das geht nicht. „Wenn man das vom ersten Tag an klar macht, wird das auch akzeptiert“, sagt die resolute Diplom-Psychologin, die selbst einst aus Teheran nach Deutschland einwanderte.

Empore Casino Alte Portland - kleiner
Auch die Bühne im Casino der Alten Portland wird nun Flüchtlinge beherbergen – Foto: gik

Silvester übrigens sei mit den Flüchtlingen in den Unterkünften gefeiert worden, Feuerwerk im Hof inklusive, berichtete Daghooghi weiter. In Nordrhein-Westfalen hingegen sei das gemeinsame Feiern in den Unterkünften verboten worden, deshalb seien so viele Flüchtlinge nach Köln zum Hauptbahnhof gefahren, so habe sie gehört. In Köln hatten in der Silvesternacht vermutlich Hunderte von jungen Männern vorwiegend aus dem nordafrikanischen Raum Frauen gejagt, ausgeraubt und sexuell belästigt. In Mainz hatte es solche Vorfälle nicht gegeben.

In Mainz verteilten am Montagmittag Flüchtlinge Blumen am Hauptbahnhof an die Reisenden – Zeichen des Dankeschöns. „Die sind am Anfang total geschockt, wenn sie in solche Gemeinschaftsunterkünfte kommen“, sagte Daghooghi. In den Erstaufnahmeeinrichtungen werde erzählt, in den Kommunen bekomme jeder eine eigene Wohnung… Wichtig sei deshalb, die Flüchtlinge von Anfang an einzubinden in die Verantwortung für die Unterkunft, Putzdienst, Sicherheit, solche Dinge.“Wer aus dem Krieg kommt, muss dankbar sein, hier in Frieden leben zu können“, betont Daghooghi, „die Willkommenskultur kommt später.“

 

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