Es ist ja ein geniales Thema, das die Freie Projektgruppe da für das Open Ohr dieses Jahr gesetzt hat: „Heimat – was zum Kuckuck?“ fragt das politische Jugendkulturfestival in seiner 42. Ausgabe, und knüpft damit nahtlos an das Festivalthema 2015 „Kein Land in Sicht?!“ an. Am Freitag beginnt das letzte politische Jugendkulturfestival Deutschlands wieder einmal, mehr als 100 Programmpunkte drehen sich dann rund um die Frage, was ist Heimat denn heute?  Wo findet man Heimat, und: gibt es ein Recht auf Heimat? Vom 13. bis 16. Mai wird es an Pfingsten auf der Zitadelle wieder spannend – getanzt und gefeiert wird natürlich auch.

Plakat 42. Open Ohr HeimatIm vergangenen Jahr erstickte das Open Ohr ja an seinem eigenen Erfolg: Schon am Freitagabend ging nichts mehr, musste das Festivalgelände wegen drohender Überfüllung geschlossen werden. 9.100 Menschen dürfen sich gleichzeitig auf der Zitadelle tummeln, das Problem: Die Organisatoren müssen das anhand der verkauften Karten bemessen – egal, wie viele Menschen tatsächlich gerade auf dem Gelände sind. So gab es 2015 manchen Engpass, und gerade Besucher, die mit Tageskarten zum „Ohr“ kommen wollten, hatten das Nachsehen.

Dauerkarten werden beim Zutritt bevorzugt

Abhilfe ist für dieses Jahr nicht wirklich in Sicht: „Die Gesamtkarten werden bevorzugt“, sagt Marcus Hansen vom Jugendamt der Stadt Mainz: „Wir wollen erst einmal die Besucher befriedigen, die die vier Tage mit uns erleben wollen.“ Heißt im Klartext: Sind die Kapazitäten erschöpft, werden keine Tageskarten mehr verkauft. „Wir gehen davon aus, dass wir ein Restkontingent haben, aber wir können es nicht versprechen“, sagt Hansen. Denn schon jetzt sind 2.000 Dauerkarten im Vorverkauf vergeben.

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„Das Open Ohr ist erfolgreicher denn je“, sagt auch der Mainzer Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD), „es ist einzigartig und mittlerweile sogar bei der Politik beliebt.“ Inzwischen ließen sich ja sogar Politiker aller Couleur „sehen, ohne gleich eine Herzattacke zu kriegen“, merkte er süffisant an – es ist ein Seitenhieb auf die früher jährlich wiederkehrenden Bestrebungen von konservativer Seite, das Open Ohr abzuschaffen. Diese Stimmen sind verstummt – zum Open Ohr 2016 kommt sogar CDU-Landeschefin Julia Klöckner höchstpersönlich.

Open Ohr - Theaterstück Flucht im Container 1
Open Ohr 2015: Theaterstück zur Flucht per Container, beklemmend, lehrreich – Foto: gik

Dass das Open Ohr so beliebt ist, liegt sicher an seinem einzigartigen Mix aus politischen Diskussionen, Musik, Theater, Kabarett, aber eben auch toller Festivalatmosphäre auf dem grandiosen Zitadellengelände in Mainz. Hier trifft sich Mainz, Alt wie Jung, Fans von früher, Jugend von heute – mehr Mix geht nicht. Dazu befriedigt das Open Ohr als letzter Überlebender seiner Art ein (wieder) steigendes Bedürfnis nach politischer Diskussion: gerade die Flüchtlingssituation heizt Ängste an und wirft Fragen nach der Zukunft der Gesellschaft auf. Foren, um genau solche Themen zu reden, sind aber rar geworden.

Was ist „Heimat“? Gibt es ein Recht darauf, eine Angst um die Heimat?

So knüpft das Open Ohr mit dem Thema 2016 genau an den aktuellen Events an: Nach Flucht & Vertreibung 2015, geht es dieses Jahr um die Frage: Was ist eigentlich Heimat? Welche Definition haben wir davon – und welche wollen wir haben? Gibt es ein Recht auf Heimat, fragt das Open Ohr – und kann Deutschland fremden Menschen eine Heimat bieten? „Viele Menschen machen sich Gedanken, wie unsere Heimat wird durch die vielen Menschen, die zu uns kommen“, sagt Merkator, „viele haben da Angst.“

Freie Projektgruppe Open Ohr mit Plakat 2016
Vorfreude aufs Open Ohr: Freie Projektgruppe mti Sozialderzernent Kurt Merkator (SPD) in der Mitte – Foto: gik

Aber welche Heimat versuchen eigentlich rechte Agitatoren wie Pegida zu schützen? Nicht umsonst ziert provokativ das diesjährige Open Ohr-Plakat der röhrende Hirsch am Bergsee – Inbegriff des spießig-konservativen Heimatbegriffs à la Heimatfilm.

„Heimat ist nicht nur ein zeitloses Thema, es ändert sich auch ständig“, sagt die Freie Projektgruppe, die das Festival organisiert. Viele junge Menschen hätten gar keine Definition von „Heimat“ – und fänden diese am ehesten in der digitalen Welt des Internets. Was aber macht das dann mit dem Heimweh? Und kann man im Netz überhaupt eine Heimat finden? Globalisierung, Auslandspraktika, häufige Umzüge – „ist diese Generation wurzellos, heimatlos, dadurch dass sie dauernd hin und her gerissen wird?“, fragt die Projektgruppe.

Foren & Theater zu Heimatstolz und Heimat to Go

Silhouette Mainzer Dom
Der Dom, für viele Mainzer DER Inbegriff für Heimat – Foto: gik

In 13 Podien, Wortveranstaltungen und Diskussionen will das Open Ohr diese Themen vom 13. bis 16. Mai auf der Zitadelle erörtern. Zu den Themen Heimatstolz, Recht auf Heimat, Angst um die Heimat und Heimat to Go diskutieren Flüchtlinge, Migranten, Ethnologen, digitale Nomaden, aber auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley. Die Organisation Save me Mainz ist ebenso vertreten wie die islamische Gemeinde Mainz oder das Jugendhaus Don Bosco.

Auch die sieben Theaterproduktionen beleuchten das Thema Heimat, das Theaterlabor Bielefeld bespielt gleich am Freitagabend das gesamte Festivalgelände mit einer großflächigen Umsetzung der Odyssee. Das Westfälische Landestheater greift mit seiner Produktion „Schmerzliche Heimat“ die Geschichte des vom rechtsextremen NSU ermordeten türkischen Blumenhändler Enver Simsek auf. Im Kabarettzelt um Mitternacht geben sich das Lumpenpack, Onkel Fisch, Moritz Neumeier und der Belgier Olivier Sanrey die Ehre – und bringen ihre jeweilige „Heimat“ mit auf die Bühne.

Heimat Mainz mit Mundartführung und Weinprobe

Auch die Heimat Mainz wird beleuchtet: Es gibt Mundartführungen durch Mainz und durch die Unterwelt der Zitadelle, im Stadthistorischen Museum – auf der Zitadelle am Aufgang zum Drususstein – dreht sich alles um die Ausstellung „Es wird schon wieder gut…?“, die die zerstörte Heimat Mainz und ihren Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg beleuchtet. Und am Sonntag gibt es um 13.00 Uhr eine Weinprobe rhoihessisch mit dem Weingut Huster aus Großwinternheim – auch ein Stück Heimat. Im Filmkeller geht es um das urdeutscheste aller Stücke, den Faust, und es ist Edgar Reitz‘ legendäre Saga „Heimat“ zu sehen.

Party am Drususstein bei Stereo Dynamite - Foto: gik
Heimat auf dem Drususstein: das Open Ohr auf der Zitadelle – Foto: gik

Die Stadt Mainz selbst übrigens ist inzwischen mächtig stolz darauf, dass das Open Ohr seine Heimat ausgerechnet hier hat. „Wir sind stolz, dass wir dieses Festival in unserer Mauern haben, dass wir überlebt haben“, betont Merkator und versichert: „Die Stadt steht hinter dem Open Ohr.“ Das gilt auch finanziell: Rund 400.000 Euro kostet das Festival inzwischen, 360.000 Euro kommen von der Stadt als Bürgschaft. Der Betrag werde immer größer, sagte Merkator nun – was vor allem auch daran liege, dass das Festival den Vorschuss schon seit einigen Jahren problemlos zurückzahlen könne. „Das Festival finanziert sich seit sieben, acht Jahren selbst – mit Überschuss“, versichert Merkator.

Musik mit Balthazar, Ohrbooten und Get Well Soon

Aber natürlich gibt es auch wieder richtig viel Musik von 25 Newcomern und bekannten Größen. Zu den Headlinern gehören die Belgier Balthazar mit ihrem bluesig-fröhlichen Sound und das Bosnische Septett Ducioza Kolektiv mit einer Mischung aus Hip-Hop, Reggae, Dub, Punk und Ska, die auf Youtube längst Stars sind. El Mago Masin kommt nach seinem Soloauftritt vor zwei Jahren nun mit seiner Band Wildcamping, mit Parcels kommt eine Elektro-Pop-Band aus Australien, und am Montag heizt die Indie-Mambo-Band Orkesta Mendoza ein. Sonntagabend geben sich auf der Hauptbühne erst Raggabund, dann die Ohrbooten und schließlich Get Well Soon die Mikros in die Hand.

Open Ohr - Go Go Berlin 2
Es wird auch wieder gefeiert und abgetanzt auf dem Open Ohr 2016 – wie hier bei Go Go Berlin 2015 – Foto: gik

Ein besonderes Projekt ist Farbigbunt: Seit Sommer 2015 erarbeiten bei dem Projekt verschiedene Musiker im Internet Musikstücke – es entsteht ein spannender Mix aus Weltmusik und elektronischen Klängen. Auf dem Open Ohr tritt Farbigbunt erstmals analog auf und präsentiert die entstandenen Stücke, dabei sind Musiker aus Mainz, aber auch das junge Orchestre du Montplaisant aus Frankreich.

Abtanzen, abhängen und die eigene Heimat mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten – das 42. Open Ohr wird in jedem Fall wieder spannend.

Info& auf Mainz&: Das 42. Open Ohr findet vom 13. bis 16. Mai 2016 auf der Zitadelle in Mainz statt, Thema: „Heimat – was zum Kuckuck?“ Dauerkarten kosten im Vorverkauf 36,20 Euro, an der Tageskasse 40,- Euro, die Tageskarten kosten 23,- Euro. Sichert Euch mal lieber die Dauerkarten… Dieses Jahr könnt Ihr übrigens auch erstmals gleich Dauerkarten mit Zeltplatzticket in einem kaufen, Kosten: 56,- Euro im Vorverkauf, 58,- Euro an der Tageskasse. Kinder bis einschließlich 13 Jahren haben übrigens freien Eintritt. Das Eintrittsbändchen ist auch gleichzeitig Fahrkarte für den ÖPNV im Bereich Mainz-Wiesbaden sowie im RNN. Mitbringen dürft Ihr übrigens Wasser und Essen, von allen Getränken außer Wasser nur maximal einen Liter. Alle Infos unter www.openohr.de. Wie das Open Ohr 2015 war, lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel.

 

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