Wow, ist das ein Andrang in diesem Jahr! Das Open Ohr auf der Zitadelle in Mainz ist so gut wie ausverkauft, schon am Freitagabend stoppte die Organisation den Verkauf von Dauerkarten-Bändchen. Krass. Das Ohr am ersten Aben schon überrannt – das gab’s noch nie. Vorerst gibt’s deshalb nur Tageskarten zu erwerben. Die gute Nachricht: Wer eine Vorverkaufskarte hat, kommt auf jeden Falls aufs Gelände. Das Thema Flüchtlinge bewegt die Menschen offenbar – gut so! Und die Musik dürfte natürlich auch ein paar Leute anziehen.

Open Ohr - Hauptwiese mit Leuchtturm
Volles Haus schon mittags auf der Zitadelle beim Open Ohr – Foto: gik

„Sorry, wir sind ausverkauft!“ hieß es am späten Samstagnachmittag von der Zitadelle. Unglaublich. „Unser Problem ist zurzeit, dass wir nicht wissen, was die Leute machen, die Vorverkaufskarten haben“, sagte der städtische Open Ohr-Verantwortliche Markus Hansen Mainz&. Rund 3.500 Karten gingen im Vorverkauf über die Theken, so viel wie nie zuvor. Das Problem dabei: Die Open Ohr-Organisatoren müssen warten, ob Dauerkarten-Besitzer auch Zelten wollen – denn dafür gab’s noch freie Plätze.

Freitagskarten könnt Ihr Upgraden, 1.200 Tagestickets für Sonntag

Wollen die Leute zelten, werden wieder Dauerkarten für den Verkauf frei – mehr als 9.100 Menschen dürfen einfach nicht zeitgleich auf das Zitadellen-Gelände. Deshalb wurden auch am Freitag die Leute erst einmal vertröstet, die eine Dauerkarten kaufen wollten: Die mussten erst mal ein Tagesticket erwerben, das können sie aber jetzt zu einer Dauerkarte upgraden.

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Ansonsten gibt es erst einmal nur Tagestickets fürs Festival. 1.200 Karten waren es am Samstag, die gingen weg wie die sprichwörtigen warmen Semmeln. Für Sonntag gibt es nun noch einmal 1.200 Tagestickets – wenn Ihr eines wollt, empfiehlt es sich, sich zu beeilen…. Denn Sonntagabend kommt Punkrockerin Nina Hagen, wetten, dass die auch noch viele sehen wollen?

Open Ohr - Volles Haus beim Podium Auf der Mauer
Andrang bei einem Podium Auf der Mauer – Foto: gik

Thema Flüchtlinge zieht Leute an

Doch es ist liegt auch am Thema: Flüchtlinge, Asylpolitik und die Flüchtlingspolitik von Deutschland und der EU stehen im Zentrum des Open Ohr. „Das Thema hat zusätzlich Leute angezogen“, sagte uns Festivaldezernent Kurt Merkator (SPD), und fügte zufrieden hinzu: „Das spricht für uns.“ In der Tat, auch wenn das Thema und seine Zusammensetzung natürlich die Freie Projektgruppe auswählen.

Und die haben eine tollen Job gemacht: Auf den Podien wurde bereits über die EU-Flüchtlingspolitik diskutiert – mit heftigen Wortgefechten zwischen dem EU-Politiker Elmar Brok (CDU) und der Menge -, die Informationsveranstaltung über Asylpolitik im kleinen Zelt war völlig überlaufen. Eine Erkenntnis des ersten Tages lautet deshalb: Es sind eigentlich zu wenig Podien, der Gesprächs-, Informations- und Diskussionsbedarf ist einfach enorm.

Deportation Cast: Beklemmendes Drama über Abschiebung

Toll, wie er wartet, sind natürlich auch die Kulturbeiträge: Beklemmend, eindringlich und schonungslos zeichnete die Landesbühne Niedersachesen bei „Deportation Cast“ alle Facetten einer Abschiebung nach. Die vier Schauspieler schlüpften permanent in wechselnde Rollen, verkörperten abgeschobenen Roma-Vater, Pilot, oder Arzt, waren die abgeschobene Tochter, Lehrerin oder Frau vom Amt.

Open Ohr - Spiel mit blauem Faden und Barriere
Spiel mit blauem Faden und Begrenzungen – Foto: gik

„Morgen schreiben sie Mathe – und ich kann nicht dabei sein“, wütet Elvira, die Tochter der abgeschobenen Familie, und schreit den Vater an: „Warum sind wir hier? Hier im Kosovo?“ – „Weil wir aus dem Flugzeug ausgestiegen sind“, sagt der Vater dumpf. „Ich stelle mir das nicht besonders schön vor“, sagte die Frau vom Amt lächelnd, und fügt hinzu: „Ich sage immer, ich mache die Gesetze nicht, ich wende sie nur an.“

Verantwortung, Schuld – und verstellte Wege

Wer trägt die Verantwortung? Wer hat Schuld? Könnte der Pilot sich weigern, die Maschine zu fliegen? Kann die Lehrerein mehr tun, als ihre verstörte Klasse zu beruhigen? „Deportation Cast“ stellt beklemmende Fragen, unangenheme Fragen. Schade, dass während des gesamten Stückes oben die Flieger Richtung Frankfurt drüber dröhnen….

Open Ohr - Weg versperrt mit Laken und Mülltonne
Weg nach vorne versperrt – Live Act auf dem Open Ohr – Foto: gik

Auf dem Weg zum nächsten Podium ist auf einmal der Weg versperrt. Gestalten in Weiß haben eine Stoffbarriere aufgespannt. Der Weg vorwärts – versperrt. Die Gäste müssen sich schließlich unter einer Mülltonne ihren Weg durch suchen. Ein Erlebnis, wenn der Weg voran auf einmal abrupt eine Barriere bekommt. Es sind diese kleinen Walking Acts, die das Open Ohr so spannend machen – Grenzen erlebbar machen.

„Das System kommt an seine Grenzen“

Auf der Mauer wurde dann andächtig dem vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland geflüchteten Somalier Abdulkadir Qayad Omar gelauscht, der als Jugendlicher über Frankfurt nach Wiesbaden kam. „Die Deutschen Leute waren sehr nett“, sagte Abdulkadir ein bisschen verlegen, und gefragt, was sein sehnlichster Wunsch sei, sagte er nur: „Eine Lehrstelle als Kfz-Mechaniker.“ Kann dem Jungen nicht jemand helfen?

„Wir erleben derzeit, dass pro Woche zehn Jugendliche an unsere Tür klopfen“, berichtete Raphael Ott, Betreuer für Jugendliche unter 18 Jahren bei der Stadt Wiesbaden. „Es kommen viel mehr Leute, als wir gedacht haben“, sagte Ott: „Das ganze System kommt an seine Grenzen.“ Und Ott sagte den bisher beeindruckendsten Satz des Festivals: „Ich kann jedem nur raten, einen Flüchtling persönlich kennen zu lernen“, sagte der Betreuer, „dann verwischen sich die anonymen Mediengeschichten, dann ändert sich die Wahrnehmung – und man merkt, dass die Geflüchteten vor allem eines brauchen: Wertschätzung.“

Info& auf Mainz&: Das 41. Open Ohr findet noch bis einschließlich Pfingstmontag auf der Zitadelle in Mainz statt. Mehr zum Thema Flüchtlinge findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel, eine ausführliche Programmvorschau hier. Die Seite des Open Ohr mit allen Infos über Eintrittskarten, Programm und mehr findet Ihr hier.

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