Übergriffe gegen Rettungskräfte und Polizeibeamte haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, und die Aggressionen machen auch vor Mitarbeitern des städtischen  Ordnungsamtes nicht Halt. Die Oberbürgermeister von fünf rheinland-pfälzischen Städten hatten deshalb im Frühjahr Innenminister Roger Lewentz (SPD) aufgefordert, den Kommunen den Einsatz sogenannter Taser zu erlauben – darunter war auch die Stadt Mainz. Lewentz lehnte ab, sein Nein kritisiert nun die Mainzer Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU): „Die Entscheidung des Ministeriums, bei dieser Frage beim Nein zu bleiben, finde ich bedauerlich und nicht nachvollziehbar“, sagte Matz, und kündigte an: Die Stadt werde nun JPX-Pfefferspraypistolen für die städtischen Mitarbeiter anschaffen.

Polizisten beim Streifeneinsatz auf dem Mainzer Weihnachtsmarkt. - Foto: gik
Polizisten bei der Streife auf dem Mainzer Weihnachtsmarkt – seit einem Jahr sind die Polizeiinspektionen auch mit Tasern zur Abwehr aggressiver Angreifer ausgestattet. – Foto: gik

Die fünf großen Städte im Land sind mit ihrer Forderung nicht allein, auch der Städtetag forderte jüngst, den Einsatz von Tasern auch in den Kommunen zu erlauben. Doch die Elektroschockpistolen sind umstritten: In Frankfurt starb Ende April ein zuckerkranker Mann, nachdem die Frankfurter Polizei gegen ihn mit einem Taser kampfunfähig gemacht hatte.

Kritiker warnen schon lange, jeder Tasereinsatz sei mit einem medizinischen Risiko verbunden, die Elektroschocker seien alles andere als harmlos. Auch die grüne OB-Kandidatin Tabea Rößner lehnte Ende Januar den Einsatz von Tasern im Ordnungsdienst der Stadt ab: „Der Taser ist eine Waffe, und die Anwendung kann erhebliche medizinische Folgen haben“, sagte Rößner: „Der Einsatz des Tasers gegen Ruhestörung oder Kampfradler steht in keinem Verhältnis.“ Sinnvoller sei es, die Zusammenarbeit und den Austausch mit der Polizei zu intensivieren.

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Rheinland-Pfalz hatte nach einem Pilotprojekt im April 2018 als erstes Bundesland beschlossen, die „Distanz-Elektroimpulsgeräte“(DEIG) im Streifendienst in den Oberzentren einzusetzen, seit Anfang 2019 in allen Polizeiinspektionen im Land. Innenminister Roger Lewentz (SPD) zog im Februar eine positive Bilanz des ersten Einsatzjahres: In zwei von drei Fällen habe allein schon die Androhung des Taser-Einsatzes genügt, um Übergriffe auf Dritte oder Einsatzkräfte der Polizei abzuwenden, betonte Lewentz. Von den landesweit 38 Einsätzen des Tasers geschahen drei in Mainz, in praktisch allen Fällen hätten Störer mit hoher Aggressivität reagiert oder Polizeibeamte sogar bedroht. Allerdings starb auch in Pirmasens ein 56-Jähriger nach dem Einsatz eines Tasers an einem Herzinfarkt.

Ein Distanz-Elektroimpulsgerät, ein Taser, im Holster am Gürtel eines Polizisten. - Foto Polizei RLP
Ein Distanz-Elektroimpulsgerät, ein Taser, im Holster am Gürtel eines Polizisten. – Foto Polizei RLP

Das Ministerium betonte dennoch, aus Sicht von rund 90 Prozent der Polizeibeamten, die das DEIG bislang einsetzt hätten , schließe das neue Einsatzmittel die bislang bestehende Lücke zwischen Pfefferspray, Schlagstock und dem Einsatz der Schusswaffe. „Der Taser ist demnach ein geeignetes Mittel, um von Gewalt und Aggression geprägte Einsatzlagen ohne die Herbeiführung schwerer Verletzungen zu bewältigen“, heißt es weiter. Und genau das weckt nun auch Begehrlichkeiten der Städte: Bei der täglichen Arbeit sei festgestellt worden, dass Pfefferspray alleine nicht ausreiche, um sich angemessen zu verteidigen und Angriffe abzuwehren, betont die Mainzer Dezernentin Matz. „Die Entscheidung des Ministeriums, bei dieser Frage beim Nein zu bleiben, finde ich bedauerlich und nicht nachvollziehbar.“

Im Innenministerium widerspricht man: Der kommunale Vollzugsdienst sei „keine kommunale Vollzugspolizei und soll es auch nicht werden“, sagte eine Sprecherin auf Mainz&-Anfrage – und nur die Polizei verfüge über Einsatzmittel wie Schusswaffen oder Taser. Das habe gute Gründe, denn deren Einsatz könne „mit einem erheblichen Grundrechtseingriff verbunden sein.“ Polizeibeamte aber hätten ein dreijähriges Studium durchlaufen, in dem sie intensiv auf Gefahrenlagen und den Umgang mit kritischen Situationen vorbereitet würden.

Präsentation eines Tasers. - Foto: MdI RLP
Eine solche Elektro-Distanzwaffe, kurz Taser genannt, hätten die Kommunen zum Schutz ihrer Mitarbeiter im Ordnungsdienst auch gerner. – Foto: MdI RLP

Natürlich gebe es zwischen dem kommunalen und dem polizeilichen Vollzugsdienst Unterschiede, gerade hinsichtlich der Aufgabenbereiche, sagte Matz. „Fest steht aber auch, dass beide Gruppen bei ihrer täglichen Arbeit Gefahren ausgesetzt sind“, betont die Dezernentin weiter – es sei die Pflicht der Stadt, ihre Mitarbeiter „bestmöglich zu schützen und so auszustatten, dass sie Angreifer auf Distanz halten können.“

Dafür sollen nun in Mainz JPX-Pfefferspraypistolen angeschafft werden, um für einen effektiven Schutz sorgen zu können. Auch für deren Anwendung sollten die Mitarbeiter umfassend geschult werden, kündigte Matz an, derzeit befinde man sich im Beschaffungsprozess. „In den vergangenen Monaten ist es regelmäßig zu gefährlichen bzw. brenzligen Situationen gekommen, bei denen Kollegen auch verletzt wurden“, unterstricht auch der Leiter des Mainzer Ordnungsamtes, Burhard Hofmann, aggressives Verhalten habe eben „leider in letzter Zeit zugenommen.“ Die Mitarbeiter des kommunalen Vollzugsdienstes müssten sich angemessen verteidigen und tätliche Angriffe abwehren können.

Polizeibeamte am Tag der Deutschen Einheit in Mainz. - Foto: gik
Polizeibeamte sind im Umgang mit Waffen geschult, so begründet der Mainzer Innenminister sein Nein zu Tasern bei Ordnungsämtern. – Foto: gik

Die Pfefferspraypistolen seien zielgerichteter als ein Pfefferspray und hätten eine höhere Reichweite, sagte ein Sprecher der Stadt weiter. Die Geräte ähnelten von der Anmutung her einer Pistole, sie seien treffgenauer und streuten nicht so breitflächig. Ziel sei in jedem Fall, die Geräte nicht als Waffe einzusetzen, sondern rein zur Verteidigung. Im Herbst sollen die neuen Pfefferspraypistolen vorgestellt werden.

Im Innenministerium betont man derweil, Innenminister Lewentz sei „gerne bereit, sachlich begründete Optimierungsvorschläge der Oberbürgermeister anzunehmen und diese aufzugreifen.“ Das habe er den Oberbürgermeistern gegenüber auch bereits deutlich gemacht – und sie zu einem Gespräch nach der Sommerpause eingeladen. „Im Anschluss an das Gespräch erfolgt eine erneute Bewertung“, sagte eine Sprecherin auf Mainz&-Anfrage.

Info& auf Mainz&: Was das Mainzer Ordnungsamt alles so kontrolliert, könnt Ihr in diesem Artikel vom Januar 2016 nachlesen.

 

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