Heute Abend hat zumindest ein Mainzer in Berlin heftiges Herzklopfen: Marcel Becker, Pfleger von der Mainzer Universitätsklinik wird heute Abend als „Pfleger des Jahres“ 2019 ausgezeichnet. Eine bundesweite Jury aus Pflegeexperten wählte den gerade einmal 24 Jahre jungen Krankenpfleger aus Mainz zum besten Pfleger mit „Herz & Mut“ des Jahres 2019. Die Kampagne des badischen Firma Jobtour medical will besondere Pflegeleistungen herausheben und für eine bessere Wertschätzung des Pflegeberufes werben. Mit Becker haben sie einen herausragenden Vertreter der Berufssparte gefunden: Der 24-Jährige leitet zwei Stationen der Mainzer Urologie als Pflegeleiter, entwickelte Standards und moderne Arbeitsmethoden und wird von seinem Team hoch geschätzt als kompetenter und mitfühlender Chef und Pfleger. Mainz& hat Marcel Becker vor seiner Auszeichnung diese Woche besucht.

Marcel Becker beim Aufziehen einer Infusion auf seiner Urologie-Station in der Mainzer Uniklinik. Der 24 Jahre alte Stationsleiter wurde heute mit dem Titel „Pfleger des Jahres“ ausgezeichnet. – Foto: gik

„Im Bett liegen, das macht Angst“, sagt Marcel Becker, man fühle sich ausgeliefert, hilflos. Und genau deshalb, sagt er, „lachen wir hier viel, wir machen viel Spaß mit den Patienten, bis vor die Schleuse in den OP.“ Denn, sagte Becker, „wer lachend in den OP hineingeht, der kommt auch lachend hinaus.“ Marcel Becker ist Krankenpfleger an der Mainzer Universitätsklinik, mit ganzen 24 Jahren leitet er bereits zwei Stationen der Urologie, hat zwölf Mitarbeiter unter sich. Und trotzdem strahlt Becker Ruhe und Gelassenheit aus – und Freude an seinem Beruf. Genau dafür wird der Mainzer am Samstag in Berlin mit dem Titel „Pfleger des Jahres“ ausgezeichnet, der Preis wird seit drei Jahren von dem Pflegeunternehmen Jobtour Medical aus Baden-Baden verliehen.

Die Pflege ist in aller Munde, sie gilt als Problemberuf unserer Zeit: Viel zu wenig Personal, hohe Anforderungen, geringe Bezahlung, überbordende Bürokratie, nicht genug Zeit für die Patienten – die Liste der Mängel ist lang. 2017 rief Jobtour medical deshalb die Kampagne „Herz & Mut“ ins Leben, das Ziel: Die gesellschaftlich wichtige Bedeutung der Pflege mehr ins Bewusstsein zu rücken und für eine höhere Wertschätzung der Pflegekräfte werben.

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Mehr als 2.000 Pflegekräfte wurden in diesem Jahr aus dem ganzen Bundesgebiet für den Titel „Pfleger des Jahres“ vorgeschlagen, die Auswahl traf eine Jury, in der unter anderem Pflegekräfte aus der Praxis bundesweit vertreten sind. Auf den ersten Platz wählte die Jury den Mainzer Marcel Becker, auf ihn wartet der Titel und ein Preisgeld von 5.000 Euro.

Mitten im Urlaub erreichte den jungen Mann die Nachricht vom Sieg. „Nee, Quatsch, du veralberst mich!“ war seine erste Reaktion, erzählt er lächelnd. Geboren wurde Becker in einem kleinen Ort bei Bad Hersfeld, mit 17 Jahren beschloss er, der Schule adé zu sagen und Krankenpfleger zu werden. „Ich habe immer schon gerne mit Menschen gearbeitet“, sagt Becker, „und ich wollte einen Beruf, wo man sich beruflich entwickeln kann.“

Noch immer werden die Patientenakten in Krankenhäusern auf Papier geführt – umständlich und zeitraubend, findet Marcel Becker. Der 24-Jährige hat viele Verbesserungsideen – ein Grund für seine Auszeichnung als „Pfleger des Jahres“. – Foto: gik

Becker tat das im Turbotempo: Nach seiner dreijährigen Ausbildung als Krankenpfleger kam er im Oktober 2015 nach Mainz in die Notaufnahme am Universitätsklinikum. Mitte 2017 wurde er mit nur 22 Jahren Stationsleiter der Urologie, bekam schnell eine zweite Abteilung hinzu. „Das ist schon ungewöhnlich“, sagt er ruhig, „umso schöner ist es, dass das Team mich so akzeptiert hat.“

Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen ist Becker inzwischen auch noch, die Zusatzausbildung machte er berufsbegleitend. Auf seiner Station entwarf er Pflegestandards und führte ein EDV-Bettenmanagementsystem ein. „Ich mache das aus meiner Erfahrung heraus“, sagt Becker, „ich arbeite jeden Tag da draußen.“ Im Büro sitze er höchsten einmal im Monat, seine Ideen entwickelt er aus der praktischen Arbeit heraus.

So hat jeder Mitarbeiter auf seiner Station eine eigene Aufgabe, einer betreut den Notfallwagen, die andere die Küche. „So fühlt sich jeder gebraucht“, sagt Becker. Ohne sein Team „wäre ich nichts“, betont er, auch seine Auszeichnung jetzt sieht er als Teamleistung. Es ist diese Aufmerksamkeit für den Anderen, die hier, auf der Urologie, die Atmosphäre prägen – und es sind diese Kleinigkeiten, an denen Becker schraubt. Zehn Tage lang betreut ein Pfleger dieselben Patienten, so entstehe eine Bindung und ein Vertrauensverhältnis. Auch wenn wenig Zeit sei, „Freundlichkeit, kleine Unterhaltungen, das kostet keine Zeit, aber der Patient fühlt sich wohl“, sagt Becker. Die Patienten würden ermutigt, sich selbst Wasser zu holen, zum Stationszimmer zu kommen, aktiv zu sein. „Das entlastet einen, auch weil die Patienten selbstständiger sind“, sagt Becker.

Personalmangel, das haben sie auch hier, nachts ist ein Pfleger für 26 Betten zuständig. Zwei bräuchten sie eigentlich, sagt Becker, und wenn er Gesundheitsminister wäre, er würde sofort Mindeststandards für alle Bereiche einführen. Für die Urologie sollen die nicht kommen, für Becker unverständlich: „Wir fahren hier High End-Medizin“, sagt er, die Prozesse würden immer komplexer, die meisten Patienten hätten mehrere Krankheiten. Zwei Pfleger haben sie tagsüber zur Verfügung, drei bräuchten sie eigentlich, mindestens.

Digitale Akten wären eine wichtige Arbeitserleichterung, „wir schreiben noch auf Papier, das ist umständlich und kostet viel Zeit“, sagt Becker. Doch das digitale Bettensystem, das er erfolgreich einführte, scheiterte auf anderen Stationen – und wird nun wieder abgeschafft. „Die Mitarbeiter haben wenig Bezug zu Medien, das ist in der Pflege ein Problem“, sagt Becker. Digitalisierung brauche Schulung und Übung, „und da haben wir in Deutschland echt gepennt von Regierungsseite aus.“

Attraktiv, oh ja, das sei sein Beruf, sagt Becker noch, aber die Rahmenbedingungen, die müssten sich dringend ändern. Mehr Leute, ein angemessenes Gehalt, bessere Rahmenbedingungen, zuverlässigere Dienstpläne, „dann läuft das“, sagt Becker. „Der einzige Grund, warum das System noch nicht zusammengebrochen ist, ist weil bei uns der Patient im Vordergrund steht“, betont der junge Chef noch: „Ich gehe erst, wenn ich weiß, ich kann beruhigt dem Nächsten den Dienst überlassen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Initiative „Herz & Mut“ in der Pflege und den „Pfleger des Jahres“ findet Ihr hier im Internet. Über die „Pflege in Not“ hat Mainz& schon berichtet – etwa als der Nieder-Olmer Pfleger Stefan Heyde im Sommer 2018 seine Pflegepetition im Berliner Gesundheitsministerium übergab.

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