Umzäunte Tische und Stühle, viel Abstand, Maskenpflicht – am Mittwoch öffneten die ersten Restaurants in Mainz wieder ihre Türen für die Besucher. Der Andrang: verhalten, am Mittag nutzten vor allem viele Kunden das Angebot, ihr Mittagessen im Freien einzunehmen. Die Gastronome selbst sahen es mit gemischten Gefühlen: Für die allermeisten dürfte sich die Öffnung unter Corona-Bedingungen nicht rechnen. „Geld werden wir damit nicht verdienen“, heißt es skeptisch. Mainzer OB Michael Ebling (SPD) sieht derweil ein Stück Rückkehr zur Normalität als „Gebot der Stunde“.

Maß nehmen beim Weinhaus Spiegel in der Altstadt, Wirt Mathias Gintz muss seine Gästezahl strikt begrenzen. - Foto: gik
Maß nehmen beim Weinhaus Spiegel in der Altstadt, Wirt Mathias Gintz muss seine Gästezahl strikt begrenzen. – Foto: gik

Die Tische und Stühle sind eingezäunt, rot-weißes Flatterband weht allerorten. Die Gäste stört das nicht: Am Tag eins der Öffnung der Gastronomie nach dem Corona-Shutdown ist die Außenbestuhlung der Cafés auf dem Mainzer Markt fast schon wieder so voll wie vor der Schließung. Doch der Schein trügt: Jeder zweite Tisch muss frei bleiben, dazu rigide Hygienevorschriften: „Die Auflagen sind enorm“, sagt Mathias Gintz, Inhaber des Weinhauses Spiegel in der Mainzer Altstadt: „Es ist ganz vieles unrealistisch.“

Acht Wochen lang mussten wegen der Corona-Pandemie Restaurants und Weinstuben in Mainz ihre Tore geschlossen halten, manch ein Besitzer spricht von Einbußen von bis zu 300.000 Euro. Der Druck auf die Politik, Restaurants und Gaststätten wieder zu öffnen, war enorm: „Wir haben darum gekämpft und Hygieneregeln entwickelt, wir wollen der Gastronomie helfen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen, Günter Jertz, dieser Zeitung: „Ich glaube schon, dass es ihnen hilft“, beteuerte Jertz, räumte aber auch ein, das sei „ein erster Step, noch keine Normalität.“

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Maskenpflicht bis zum Tisch, nur jeder zweite Tisch darf besetzt werden - es ist eng in den Mainzer Gaststätten wie hier bei L'Angelo. - Foto: gik
Maskenpflicht bis zum Tisch, nur jeder zweite Tisch darf besetzt werden – es ist eng in den Mainzer Gaststätten wie hier bei L’Angelo in der Augustinerstraße. Mit IHK-Chef Günter Jertz (Links) und OB Michael Ebling (SPD). – Foto: gik

„Die Leute trauen sich noch gar nicht richtig rein“, sagt Costa Biagio vom Bistro L’Angelo in der Mainzer Augustinerstraße. Kellner und Chef tragen alle Mundschutz, ihre Tische und Stühle vor der Tür sind vorschriftsmäßig im Abstand von 1,50 Metern aufgebaut und mit Flatterband umzäunt. Die ersten Gäste genießen das Mittagsessen vor der Tür, sie sehen deutlich glücklicher aus als der Kellner. „Wir haben innen nicht einmal zehn Plätze“, sagt Biagio betrübt, „das ist weniger als die Hälfte.“

Die Öffnung der Gastronomie nach der Corona-Schließung, sie ist eine mit Hindernissen, es gelten rigide Auflagen bei Abstand und der Einhaltung von Hygienevorschriften, Die Gäste müssen sich am Eingang die Hände desinfizieren, die Tische nach jedem Besuch gereinigt werden, die Zahl der Gäste ist beschränkt. Auch die Benutzungsregeln für die Toiletten machen vielen Restaurantinhabern Kopfschmerzen: Wie begrenzt man den Toilettenbesuch in den engen Altstadtstuben? Wie trennt man die Gäste im Inneren voneinander?

Große Trennwände lassen beim Weinhaus Michel die Gäste wie im Wingert sitzen. - Foto: Michel
Große Trennwände lassen beim Weinhaus Michel die Gäste wie im Wingert sitzen. – Foto: Michel

Im Weinhaus Michel haben sie die Nischen im Inneren mit Plexiglas abgetrennt, damit die Viren nicht mit den Aerosolen, den Luftteilchen, beim Sprechen von Gast zu Gast fliegen. „Wir haben nach ein paar schlaflosen Nächten die Vorgaben kreativ umgesetzt und hoffen, dass es euch gefällt“, schrieb Wirtin Astrid Michel auf der Facebookseite. Und so sitzt man nun vor der Tür in durch große Trennwände entstandenen neuen Nischen, die großen Stellwände sind mit Fotos aus den Weinbergen der Michels bezogen. „Bei uns sitzt ihr gemütlich im Wingert“, freut sich Michel.

„Es ist richtig, dass gelockert wird, die Infektionslage gibt das her“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) beim mittäglichen Streifzug durch die Mainzer Innenstadt – aktuell gebe es kaum neue Infektionen in Mainz. „Das Gebot der Stunde ist schon, wieder ein Stück zur Normalität zurückzukommen“, sagte Ebling dieser Zeitung. Und es sei doch auch einfach schön, Tische und Stühle und überhaupt Leben in die Altstadt zurückkehren zu sehen, sagte der OB, der selbst am Abend direkt wieder essen gehen wollte. Die Auflagen seien „lästig“ und auch kompliziert, räumte Ebling ein, aber es sei „die Möglichkeit, auf die Gäste zuzugehen, Umsatz zu generieren und zu überleben.“

Amir Ghassemi bereitet am Liebfrauenplatz die Tische und Stühle seines Burgerladen Jamy's vor. - Foto: gik
Amir Ghassemi bereitet am Liebfrauenplatz die Tische und Stühle seines Burgerladen Jamy’s vor. – Foto: gik

Wie kompliziert die neuen Regelungen sind, zeigt sich vor allem bei engen Kneipen und Weinstuben. 65 Gäste gehen normalerweise in das traditionsreiche Weinhaus Spiegel, mit den neuen Regeln geht höchstens noch ein Drittel: „Wenn ich 20 bis 25 Leute reinkriege, bin ich schon gut aufgestellt“, seufzt Wirt Mathias Gintz. Die Stadt Mainz hat den Wirten versprochen, großzügig zusätzliche Flächen für die Außengastronomie zu genehmigen, Gintz hilft das wenig: Wegen der Rettungswege für die Feuerwehr „wird das nicht viel größer als meine reguläre Terrasse“, sagt er.

„Wenn wir kalkulieren würden, müssten wir nicht aufmachen“, sagt auch Giuseppe Dato, Inhaber des Incontro wenige Meter weiter: „Ich komme auf 16 Plätze, habe aber eine Mannschaft von neun Leuten“ – er stehe hier, weil er seinen Beruf liebe, sagt der Italiener. Nur ein einziger Tisch ist an diesem Mittag bei ihm besetzt, „wir haben es so vermisst“, sagt die Kundin, acht Wochen ohne, das gehe ja gar nicht.

Kreative Biergartenlösung zur Umsetzung der Zugangsbeschränkungen bei der Zeitungsente. - Foto: gik
Kreative Biergartenlösung zur Umsetzung der Zugangsbeschränkungen bei der Zeitungsente. – Foto: gik

„Wir müssen unseren Freund Giuseppe unterstützen, das ist doch wichtig“, sagt ihr Begleiter. Klaus Staaden war selbst Jahrzehnte lang Gastronomiebetreiber in Mainz, seine Läden gab er vergangenes Jahr ab und ging in den Ruhestand – gerade rechtzeitig, sagt er: „Für viele wird es sich nicht rechnen“, befürchtet er, „man kann nur hoffen, dass viele nicht zumachen müssen.“

Wie schwierig die Lage ist, zeigte sich just am Mittwoch bei der „Andau“: „Wir werden schließen müssen“, schrieb Wirtin Janine Geibel-Emden am Mittag erst auf ihrem Facebookprofil, und kündigte schon einen Abverkauf von Bier und Mobiliar an. Die Gewerbeaufsicht habe ihre eigens eingebauten Trennwände am Morgen nicht genehmigt, die Hochstühle als Barhocker gestrichen – es gehe nicht mehr. Am Nachmittag dann die Entwarnung: Die Stadt habe zugesagt, einen größeren Außenbereich zur Verfügung zu stellen, sagte Wirt Burkhard Geibel-Emden, „dann können wir doch nächsten Montag öffnen.“

Inhaber Mike Krämer weist am Empfang der Zeitungsente die Gäste ein. - Foto: gik
Inhaber Mike Krämer weist am Empfang der Zeitungsente die Gäste ein. – Foto: gik

Beim „Da Bruno“ in der Neubrunnenstraße bleiben die Läden hingegen unten, das legendäre italienische Restaurant setzt lieber weiter auf den Straßenverkauf, bis die richtige kulinarische Gastfreundschaft wieder stattfinden kann. Nebenan in der „Zeitungsente“ haben sie kreative Lösungen für die Vorgaben gefunden: Der Außenbereich ist mit bepflanzten Holzpaletten hübsch eingezäunt, am Eingang zum so entstandenen Biergarten nimmt Inhaber Mike Krämer direkt die Kontaktdaten der Gäste auf und weist sie den Tischen zu.

In seine enge Bierkneipe gehen für gewöhnlich 60 Gäste, „an Rosenmontag auch mal 150“, lacht Krämer – jetzt bringt er gerade noch 15 Gäste unter. Den Weg zur Toilette regelt eine Ampel über der Tür, sie zeigt mit Rot oder Grün an, ob besetzt ist oder frei – möglich mache das ein richtungsgebundener Bewegungsmelder, verrät der Wirt. „Ich glaube nicht, dass wir Geld verdienen“, sagt Krämer. Warum macht er es trotzdem? „Aktionismus“, sagt Krämer, und fügt noch hinzu: „Zuhause sitzen ist auch keine Lösung.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Wirten, die nicht öffnen wollen, lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zu den Turbulenzen um die Andau könnt Ihr hier nachlesen. Mehr zu den strengen Regeln für die Gastronomie könnt Ihr hier nachlesen. Alles zur Corona-Pandemie, zu den Schließungen und jetzt zu den Lockerungen sowie zu den wissenschaftlichen Hintergründen der Krankheit, der Maskenpflicht, der Todeszahlen und der Berechnungsmethoden findet Ihr hier in unserem großen Corona-Dossier bei Mainz& – Achtung: Durch die inzwischen mehr als zehn Seiten könnt Ihr Euch am Ende der ersten Seite durchklicken.

 

 

 

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