Es war der 14. November 2011, als erstmals Hunderte von Menschen das Terminal 1 des Frankfurter Flughafens bevölkerten, und lautstark gegen den Lärm am Himmel protestierten. Sechs Jahre und mehr als sechs Monate später sind sie immer noch da: Kommenden Montag, am 11. Juni 2018, laden die Fluglärmgegner zur 250. Montagsdemo an den Frankfurter Flughafen. Es ist ein beispielloser Protest: Die Kämpfer gegen den Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet haben längst Demonstrationsgeschichte geschrieben. „Ruhe jetzt!“ lautet das Motto der 250. Kundgebung, die Forderung ist aktuell wie nie: Billigflieger sorgen für neue Belastungen, gerade in den Nachtstunden, im Mai verzeichnete das hessische Verkehrsministerium einen Negativrekord bei Verspätungslandungen. Das Nachtflugverbot ist unter Druck wie nie zuvor, und damit das wichtigste Bollwerk gegen Fluglärm.

Demonstrantenmenge bei der 100. Montagsdemo im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens. – Foto: gik

Es war die Einweihung der neuen Nordwestlandebahn am Frankfurter Flughafen am 21. Oktober 2011, die das Leben in der Region für immer veränderte – und das nicht nur in Hessen. Seither dröhnen Flugzeuge in doppelter Reihe bei Ostwind-Wetterlagen im Tiefflug über Mainz, ganze Stadtteile, die früher nie von Fluglärm betroffen waren, leiden seither unter dem dröhnenden Lärm von oben. Litten zuvor „nur“ die südlichen Stadteile von Mainz unter dem Landeanflug, tauchten nun landende Flieger auch über der Oberstadt und Bretzenheim, über der Neustadt und gar dem Mainzer Dom auf. Auch das rheinhessische Umland ist betroffen, die Südumfliegung brachte die Maschinen auch über rheinhessische Weindörfer, bis in die Naheregion reichen inzwischen die Anflugschleifen.

Und die Wut der Bürger ist bis heute nicht weniger geworden: Unverdrossen tragen bis heute Ärzte, Angestellte, Architekten, Lehrer, Hausfrauen und andere jeden Montag um 18.00 Uhr ihren Protest mitten in den Flugbetrieb des größten deutschen Airports. Mitten zwischen Reisenden und Koffern entfalten sich dann Transparente, ziehen Demonstranten mit Trillerpfeifen im Terminal an Geschäften, Restaurants und verblüfften ausländischen Reisenden vorbei – und kurz danach ist der Spuk schon wieder vorbei. „… und kein bisschen leise!“ lautete denn auch das Motto der 150. Montagsdemo im September 2015, im Januar 2017 kamen rund 1.500 Teilnehmer zur 200. Montagsdemo – gemeinsam mit reihenweise Prominenz aus der Politik.

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„Wir wissen: Ihr Einsatz gegen Fluglärm und seine Folgen ist ein Einsatz für unsere Region. Für unsere Heimat“, würdigten gar die drei Oberbürgermeister von Frankfurt, Mainz und Offenbach zur 200. Montagsdemo die Protestierenden. „Wir erinnern Politik und Flughafenbetreiber Fraport jeden Montag daran, dass dieser Flughafen raumunverträglich und der Ausbau ein Fehler ist“, sagte der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, Thomas Scheffler, nicht ohne Stolz zum 200. Jubiläum. Mehr als 80 Initiativen gehören heute dem Bündnis an, es ist auch ihrer Arbeit zu verdanken, dass wissenschaftliche Studien und Gutachten in Auftrag gegeben wurden. An der Universität Mainz startete der Kardiologe Thomas Münzel gar eine komplette Lärmwirkungsforschung – aus Ärger über die Flieger, die seit Oktober 2011 die Mainzer Herzklinik in niedrigster Höhe überfliegen. Neustes Projekt: Forschungen über die Auswirkungen von Ultrafeinstaub, auch die Verschmutzung durch den Flugverkehr wird zunehmend ein Thema.

Der Protest reicht quer durch die Rhein-Main-Region und durch alle Schichten. – Foto: gik

Dass die Proteste nie verstummten, brachte die Politik gehörig unter Zugzwang: Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) installierte deshalb die Lärmobergrenze und experimentierte mit Lärmpausen. Genutzt hat es wenig: „Ruhe jetzt!“ lautet die Forderung zur 250. Montagsdemonstration, und sie ist aktueller denn je: „Es ist beängstigend wie die Belastungen der Flughafenanrainer durch Lärm und Schadstoffe dramatisch zunehmen“, sagt Scheffler. Die erschreckenden Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung würden von den Verantwortlichen des Luftverkehrs und in der Politik nur mit mäßigem Interesse zur Kenntnis genommen, ernsthafte Konsequenzen blieben einfach aus.

„Die Interessen der Luftverkehrswirtschaft gewinnen durch viel Investition in Lobbyismus weiter die Oberhand“, klagt Scheffler. Der Flughafen werde „nur noch als Instrument zur Steigerung der Prosperität der Region gesehen – egal, ob die Grenzen der Wachstums längst überschritten sind.“ Geändert habe daran auch die Regierungsbeteiligung der Grünen nichts: Der Lärm werde lediglich umverteilt, die Lärmobergrenze erlaube sogar noch weiteres Wachstum.

Und das steht bereits vor der Tür: Mit der neuen Billigfliegerstrategie der Fraport soll das bislang weitgehend ausgebliebene Wachstum des Rhein-Main-Airports doch noch generiert werden. Tatsache ist: der Lärm in den Nachtrandstunden vor Einsetzen des Nachtflugverbots um 23.00 Uhr hat dadurch bereits zugenommen – und selbst die eigentlich eherne Grenze des Nachtflugverbots wird immer öfter gebrochen: Im Mai gab es 185 Verspätungslandungen nach 23.00 Uhr, das war ein neuer Negativrekord. 58 Fälle gingen dabei auf das Konto der irischen Billigfluglinie Ryanair, für 55 Verspätungen zeitigt Condor verantwortlich.

Aufruf zur 250. Montagsdemo am 11. Juni 2018. Foto: BBI

Eine derartige Häufung sei „nicht akzeptabel“, betonte Verkehrsminister Al-Wazir, und musste bekennen: „Die Nachtflugbestimmungen am Frankfurter Flughafen sind noch nie in dieser Form auf die Probe gestellt worden.“ Seit Monaten warnt, appelliert und schimpft der Minister, Abhilfe gebracht hat es bisher nicht. Die Opposition spottet vom „zahnlosen Tiger“ und fordert Flugverbote für Verspätungssünder, bislang vergeblich. Trotzdem betonte Al-Wazir nun erneut, man setze darauf, „dass unsere Maßnahmen genügend Druck aufbauen, damit sich die Situation im Juni bessert.“ Sollte das nicht der Fall sein, müsse „eine Anpassung der Vorschriften geprüft werden“, drohte er. Was genau er damit meinte, sagte der Minister nicht.

Die Montagsprotestler stünden denn auch „stellvertretend für all jene, die den Glauben an die Gerechtigkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Politik bereits verloren und deshalb den sichtbaren Widerstand aufgegeben haben“, heißt es bei der Mainzer Initiative gegen Fluglärm. Die 250. Demo sei eine gute Gelegenheit, der Politik zu zeigen, dass man nicht aufgebe: „Die eigentlich ernüchternde Bilanz des sechseinhalbjährigen Protestes entmutigt uns nicht, wir setzen unseren Kampf unverdrossen fort“, betont Scheffler. Noch immer gelte, der Bau der Nordwestbahn müsse rückgängig gemacht, ein echtes Nachtflugverbot zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr installiert werden. Ende Oktober sind Landtagswahlen in Hessen, die Montagsprotestler werden mit Sicherheit bis dahin nicht aufgeben. „Der Mut und die Ausdauer der Demonstranten“, sagte Scheffler noch, „ist beeindruckend.“

Info& auf Mainz&: 250. Montagsdemo gegen Fluglärm am Montag, den 11. Juni 2018 ab 18.00 Uhr im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens. Die Kundgebung wird etwa 90 Minuten dauern, als Redner werden unter anderem Vertreter des BUND Hamburg und von Bürgerinitiativen zum Thema Fluglärmschutz in Hamburg erwartet. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom Absinto Orkestra und Steve Collins. Mehr zur 250. Montagsdemo findet Ihr auch hier bei der Mainzer Initiative gegen Fluglärm. Zur hessischen Landtagswahl im Herbst 2018 hat das Bündnis der Bürgerinitiativen einen Politikbrief als Abrechnung und mit Forderungen erstellt, den Brief findet Ihr hier im Internet. Unseren Bericht von der 200. Montagsdemo findet Ihr hier, den von der 100. Montagsdemo könnt Ihr hier nachlesen.

 

 

 

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