Die Zeichen in Mainz stehen nun doch wieder auf eine Neuauflage der Ampel-Koalition: Die Grünen kündigten am Montag an, man habe SPD und FDP zu einem 3er-Sondierungsgespräch eingeladen. Nach den ersten Gesprächsrunden mit CDU, SPD, FDP und den Linken habe man festgestellt, dass es „eine stabile und inhaltlich fruchtbare Konstellation nur in Form eines Dreierbündnisses geben kann“, sagten die Grünen-Chefs Katharina Binz und Christian Viering. Gleichzeitig betonten sie, so ein Dreierbündnis hätten sich die Grünen auch gut mit der Linken vorstellen können – doch es sei die SPD gewesen, die Gesprächen in der Konstellation mit der Linken eine klare Absage erteilt habe. Das bedauere man. Die SPD widerspricht – und schießt ihrerseits gegen die Grünen.

Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat nach der Kommunalwahl im Mai 2019. - Grafik: Stadt Mainz
Sitzverteilung im neuen Mainzer Stadtrat nach der Kommunalwahl im Mai 2019. – Grafik: Stadt Mainz

Bei der Kommunalwahl am 26. Mai waren die Grünen als klarer Wahlsieger aus dem Abend hervorgegangen: mit 17 Sitzen wurden sie erstmals stärkste Fraktion im Mainzer Stadtrat – vor der CDU mit 14 Sitzen. Die SPD rutschte auf 12 Sitze ab, die FDP hält nun vier Sitze, ebenfalls vier Sitze aber haben auch die Linken. Damit fällt nun erstmals auch den Grünen die Rolle als Verhandlungsführer bei der Suche nach einer Regierungskoalition zu, weitere 14 Sitze sind für eine Mehrheit im 60 Sitze fassenden Stadtrat nötig.

Die Grünen kündigten nach der Wahl an, mit allen größeren Fraktionen Gespräche führen zu wollen, nun teilten sie mit, das sei auch geschehen. Bei der CDU fehle für eine feste Zusammenarbeit „die aus unserer Sicht nötigen inhaltlichen Übereinstimmungen“, teilten Binz und Viering mit. Anders bei den bisherigen Koalitionspartnern: „Die Gespräche mit den bisherigen Partnern SPD und FDP verliefen in konstruktiver und freundschaftlicher Atmosphäre“, hieß es, „hier sehen wir auf jeden Fall eine Grundlage für weitere Gespräche.“

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Positiv verlief aber ebenfalls das Gespräch mit der Linken: „Hier konnten inhaltliche Übereinstimmungen ausgemacht werden, das Gespräch verlief in einer guten, konstruktiven Atmosphäre“, betonten die beiden Grünen-Chefs. Eine Zusammenarbeit könne man sich deshalb sowohl in einem Dreierbündnis mit SPD und FDP, aber eben auch mit SPD und Linken vorstellen. „Auf dieser Basis hätten wir nun gerne zu „3er-Sondierungsgesprächen“ eingeladen“, heißt es in der Mitteilung weiter – doch dem habe sich die SPD verweigert.

Die Zeichen in Mainz stehen klar auf eine Fortführung der Ampel-Koalition. - Foto: gik
Die Zeichen in Mainz stehen klar auf eine Fortführung der Ampel-Koalition. – Foto: gik

Die Sozialdemokraten erklärten offenbar auch nur einem Sondierungsgespräch mit der Linken eine klare Absage. Schon am Wahlabend hatte sich SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers praktisch auf eine Fortsetzung der Ampel-Koalition mit der FDP festgelegt, obwohl Koalitionsoptionen eigentlich erst auf einem Parteitag nach der Wahl erörtert werden sollten.

In den Wochen danach forderten SPD-Mitglieder gar eine Arbeit im Stadtrat ohne feste Koalitionen: „Eine SPD, die sich erneuert, muss nicht automatisch feste Koalitionen eingehen“, sagte etwa Ilona Mende-Daum, stellvertretende Vorsitzende der Altstadt-SPD, und SPD-Stadtrat Andreas Behringer betonte, wechselnde Mehrheiten könnten im Stadtrat Chancen eröffnen, guten Anträgen zuzustimmen, auch wenn sie von der CDU oder der Linkspartei kämen. „Koalitionszwänge, die dieses Recht einschränken wollen, sind undemokratisch“, betonte Behringer.

Grün-Rot-Rot wird es in Mainz erst einmal nicht geben - die Mainzelmännchen bleiben rot, grün und gelb. - Foto: gik
Grün-Rot-Rot wird es in Mainz erst einmal nicht geben – die Mainzelmännchen bleiben rot, grün und gelb. – Foto: gik

Durchsetzen konnten sich die Reformer in der SPD aber offenbar nicht, die SPD-Spitze beharrte auf einer Absage jeglicher Gespräche mit der Linken. Die hatten zuvor von „großen inhaltlichen Schnittmengen“ mit SPD und Grünen geredet und gefordert, wenn es Mehrheiten gebe, um den Mietenwahnsinn zu stoppen, gute Klima- und Umweltpolitik zu machen und soziale Teilhabe für Alle zu ermöglichen, sollten diese genutzt werden.

„Wir bedauern sehr, dass die SPD jetzt keine Gespräche über eine mögliche sozialökologische Mehrheit im Rat führen möchte“, betonten auch Binz und Viering. Man  respektiere aber die Entscheidung der SPD, da gerade Dreierbündnisse nur dann funktionsfähig seien, wenn alle Partner voll hinter der Zusammenarbeit stehen könnten. Man habe nun SPD und FDP zu einem 3er-Sondierungsgespräch eingeladen. Über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheide danach eine Grüne Mitgliederversammlung.

Die Weigerung der Mainzer SPD kommt indes ausgerechnet zu einer Zeit, wo sich die starren Fronten der SPD in Richtung Linkspartei langsam lockern: In Bremen wurde nach der dortigen Bürgerschaftswahl am 26. Mai eine rot-grün-rote Regierungskoalition gebildet, die erste in einem westdeutschen Bundesland. Und just am Donnerstag bekräftigte die rheinland-pfälzische SPD-Chefin Malu Dreyer, es müssten „auch Koalitionen links der Mitte vorstellbar sein.“ In Rheinland-Pfalz regiere die SPD mit der FDP in einer Ampel, „genauso kann man sich aber auch, eine Koalition wie in Bremen vorstellen“, sagte Dreyer im Südwestrundfunk.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Chefin Malu Dreyer im Juli 2016 bei einem Statement vor Journalisten im Mainzer Landtag. - Foto: gik
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und SPD-Chefin Malu Dreyer im Juli 2016 bei einem Statement vor Journalisten im Mainzer Landtag. – Foto: gik

Dreyer lasse „ihre bürgerliche Fassade fallen“ und sei „bereit, sich von Linksaußen den Steigbügel halten zu lassen“, schimpfte prompt CDU-Generalsekretär Gerd Schreiner, und stichelte, „das würde ich mir als FDP nicht gefallen lassen.“ Doch der Politikwissenschaftler Uwe Jun widersprach: Dreyer habe sich als derzeitige kommissarische Bundeschefin der SPD geäußert und habe wohl „aufzeigen wollen, wohin es im Bund gehen könnte“, sagte Jun im SWR. Die SPD habe zudem schon länger beschlossen, sich linken Koalitionen zu öffnen, zugleich aber immer auch betont, dass es viel Trennendes gebe.

Tatsache ist indes: Auf der Suche nach Koalitionsoptionen jenseits der Großen Koalition muss die SPD Zusammenarbeiten mit den Linken ausloten. In Mainz wäre das vergleichsweise einfach gewesen: Die Linksfraktion im Mainzer Stadtrat hat in der Vergangenheit keine Extrempositionen vertreten, ihre Vertreter setzen sich explizit für soziale Politik, bezahlbaren Wohnraum, Umweltschutz, Ausbau des ÖPNV und Solidarität mit Flüchtlingen ein – Positionen, die mit denen der SPD alles andere als unvereinbar sind. Mehr Klima- und Umweltschutz, Mobilitätswende und soziale Gerechtigkeit haben sich auch die Grünen auf die Fahnen geschrieben: Das sei Auftrag der Wähler, und dafür werde man sich „in den Gesprächen einsetzen“, sagten Binz und Viering.

SPD-Fraktionschefin Alexandra-Gill-Gers und SPD-Chef Marc Bleicher am Abend der Kommunalwahl 2019. - Foto: gik
Die Mainzer SPD-Spitze legte sich praktisch schon am Wahlabend auf eine Fortsetzung der Ampel-Koalition fest. Gespräche mit der Linken habe man aber nicht abgelehnt, behauptet der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher (rechts) – die Grünen behaupten das Gegenteil. – Foto: gik

Die SPD widerspricht unterdessen dem Eindruck, man habe ein Zusammenkommen mit der Linken abgelehnt: Es gebe einen Vorstandsbeschluss der Mainzer SPD, der „eine Präferenz für Gespräche zur erneuten Bildung einer Ampelkoalition“ beinhalte, sagte der Mainzer SPD-Chef Marc Bleicher auf Mainz&-Anfrage – einen Ausschluss oder gar eine Weigerung zu einem Gespräch mit der Linken beinhalte der Beschluss „explizit nicht“.

Der SPD-Vorstand habe sich vielmehr „nach intensiver Debatte mit großer Mehrheit für die Präferenz der Ampel ausgesprochen“, weil man in einer Ampelkoalition am ehesten die Möglichkeit sehe, „weiter eine sehr breite gesellschaftliche Mehrheit der Mainzer Bevölkerung im politischen Meinungsbildungsprozess einzubeziehen“, sagte Bleicher. Die Zusammenarbeit mit Grünen und FDP sei zudem in den vergangenen Jahren „vertrauensvoll und zuverlässig“ gewesen und habe stabile Verhältnisse ermöglicht – das sei „ein Wert, der in bewegten Zeiten sicher auch nicht zu vernachlässigen sein dürfte.“

Gleichzeitig betonte Bleicher, die SPD bedauere es, dass die Grünen wiederum signalisiert hätten, keine Koalitionsverhandlungen vor der OB-Wahl ermöglichen zu können. „Wir glauben, dass die Mainzer und auch die drängenden Themen in der Stadt wie bezahlbares Wohnen, Klimaschutz & Mobilität aber auch Gewerbeflächen es durchaus verdient hätten, dass wir hier schneller zu klaren Verhältnissen kommen“, fügte Bleicher hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Gesprächen in Sachen Koalitionsbildung lest Ihr hier bei Mainz&, einen Text zur Frage Ampel oder Grün-Rot-Rot lest Ihr hier. Die Positionen der Mainzer Linken im Kommunalwahlkampf könnt Ihr hier nachlesen.

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