Die Stickoxid-Belastung in deutschen Städten sinkt – allerdings nur extrem langsam. Dieses Fazit zog am Montag das Umweltbundesamt bei seiner Veröffentlichung der Jahreswerte 2018. Danach wurden bundesweit noch immer in 57 Städten der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten, 2017 waren es noch 65 Städte gewesen. Die bislang getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus, die Werte dauerhaft unter den Grenzwert zu bringen, kritisiert das Umweltbundesamt. Und auch Mainz riss 2018 den Grenzwert mit 47 Mikrogramm noch immer deutlich. Bliebe das so, müsste die Stadt in der zweiten Jahreshälfte ein Dieselfahrverbot verhängen.

Die Messstation des Landes Rheinland-Pfalz in der Mainzer Parcusstraße. - Foto: gik
Die Messstation des Landes Rheinland-Pfalz in der Mainzer Parcusstraße. – Foto: gik

Das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht jedes Jahr die Luftmesswerte in den bundesdeutschen Städten, es sind Jahresmittelwerte, was bedeutet: Die konkreten Werte für Tage und Stunden können deutlich darüber liegen. In Mainz gab es 2018 an der Messstation in der Parcusstraße denn auch insgesamt vier Stunden, an denen die Messwerte über 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft lagen, an den anderen Messstationen kam das überhaupt nicht vor. Insgesamt sank der Mainzer Jahresmittelwert für die als giftig und gesundheitsschädlich geltenden Stickoxide in der Mainzer Parcusstraße lediglich von 48 Mikrogramm in 2017 auf 47 Mikrogramm in 2018.

Insgesamt stellte das Bundesumweltamt eine leicht sinkende Tendenz für Stickoxidwerte fest: Im Mittel hätten die NO2-Jahresmittelwerte an verkehrsnahen Messstationen um rund 1,5 Mikrogramm unter denen des Jahres 2017 gelegen. In 13 Städten wurde der Grenzwert nicht mehr überschritten, gleichzeitig aber lagen fünf Städte jetzt wieder geringfügig über dem Wert: Leipzig, Ulm, Koblenz, Eschweiler und Sindelfingen. Insgesamt setze sich der Rückgang der Stickoxidbelastung in den Städten fort – aber nur langsam.

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„Die Luft in den Städten wird besser und der Trend geht in die richtige Richtung“, sagte die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger. Doch die bislang beschlossenen Maßnahmen reichten eben nicht aus, damit der EU-Grenzwert zum Schutz der Gesundheit wirklich überall eingehalten werde. „Neben den angelaufenen Software-Updates brauchen wir insbesondere eine schnelle Nachrüstung älterer Diesel-Pkw mit wirksamen Katalysatoren zur deutlichen Reduzierung des Stickoxidausstoßes“, forderte Krautzberger.

Luftmessstation des Landes Rheinland-Pfalz Nummer zwei in Mainz: die auf der Zitadelle. - Foto: gik
Luftmessstation des Landes Rheinland-Pfalz Nummer zwei in Mainz: die auf der Zitadelle. – Foto: gik

Um die Hardware-Nachrüstungen für Dieselfahrzeuge ist es auffallend ruhig geworden, Experten und Politiker fordern schon lange, dass nur mit diesen Nachrüstungen eine wirksame und schnelle Senkung der Werte zu erreichen seien. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat diese Nachrüstungen zulasten der Autoindustrie stets blockiert, zuletzt sprach er davon, dass die Industrie gar keine Anträge für die Genehmigung der notwendigen Hardware stelle. Krautzberger widersprach dem nun: „Die rechtlichen Voraussetzungen zur Zulassung solche Katalysatoren liegen vor, und Nachrüstunternehmen haben erste Anträge auch für Pkw gestellt“, sagte sie. Nun müsse der Genehmigungsprozess rasch durchlaufen werden – und die Automobilhersteller die Kunden beim Kauf der Systeme finanziell unterstützen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte am Montag Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Hersteller als Sofort-Maßnahme für saubere Luft. Die neuen Jahresmittelwerte seien „erschreckend hoch“ und zeigten „das Scheitern der automobilindustrie-freundlichen Diesel-Förderpolitik“ der Bundesregierung. „Anstatt der betrügerisch agierenden Autoindustrie aufzuerlegen, die Fahrzeuge zu reparieren, wurden unwirksame Micky-Maus-Software Updates erlaubt, die im Winterhalbjahr keine Verbesserung der Abgaswerte bringen“, schimpfte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Die Bundesregierung müsse die Hersteller endlich zu einer Hardware-Nachrüstung aller Schmutz-Diesel auf deren Kosten verpflichten.

Dichter Verkehr auf der Mainzer Rheinallee in den Abendstunden. - Foto: gik
Dieselfahrzeuge gelten als Hauptverursacher der giftigen Stickoxide. – Foto: gik

Sogenannte „Citizen-Science“-Messungen der DUH hätten zudem weitere 272 Stickstoffdioxid-Hot-Spots mit einer Belastung von 40 Mikrogramm und darüber aufgedeckt, heißt es von der DUH weiter. Daher fordere man eine Ausweitung des amtlichen Messnetzes zur Überwachung der Luftqualität an weiteren Hot-Spots. Man rechne zudem mit einer Verschärfung der Grenzwerte für NO2 und PM10 durch die EU auf Basis der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Interessanterweise nämlich konzentriert sich der Bericht des Bundesumweltamtes nicht allein auf das Stickoxid-Problem: Das Amt warnte explizit auch vor einer steigenden Gefahr durch Feinstaub. Die Belastung insbesondere mit den Feinstaubpartikeln der Größe PM10 sei insgesamt „zu hoch und ein Risiko für die Gesundheit“, warnte das UBA. Laut Empfehlung der WHO solle es an einem Ort maximal drei Tage mit Werten oberhalb von 50 Mikrogramm geben, das sei aber 2018 an 78 Prozent aller 374 Messstellen überschritten worden. Der Grenzwert  für PM10 – nicht mehr als 35 Tage mit Tagesmittelwerten über 50 Mikrogramm sei 2018 allerdings nur an einer industrienahen Messstation überschritten worden – das sei aber keineswegs ein Grund für Entwarnung, betont das UBA.

In Mainz lag der Jahresmittelwert für PM10 in der Parcusstraße bei 24 Mikrogramm, allerdings wurden hier an neun Tagen mehr als 50 Mikrogramm gemessen, deutlich mehr als die empfohlenen drei Tage.  In Mainz-Mombach und auf der Zitadelle waren es jeweils sechs Tage bei einem Jahresmittelwert von 18 Mikrogramm in Mombach und von 20 Mikrogramm auf der Zitadelle.

Die Feinstaubbelastung in Deutschland zu Jahresanfang 2019 nach der Silvesternacht. - Grafik: Bundesumweltamt
Die Feinstaubbelastung in Deutschland zu Jahresanfang 2019 nach der Silvesternacht. – Grafik: Bundesumweltamt

„Es bedarf weiterer Anstrengungen, um das Gesundheitsrisiko durch Feinstaub zu verringern“, betont das UBA, und forderter, besonderes Augenmerk müsse dabei auf die Emissionen aus der Holzverbrennung in Privathaushalten sowie auf Partikel aus dem Abrieb von Bremsen, Kupplungen und Reifen gelegt werden. Auch die Landwirtschaft, die vor allem mit Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung zur sekundären Feinstaubbildung beitrage, müsse in die Reduzierungsanstrengungen einbezogen werden.

Forscher warnten just in diesem Jahr noch einmal eindringlich vor den Gesundheitsgefahren durch Feinstaub und Stickoxide: Luftverschmutzung sei das Gesundheitsrisiko Nummer eins, sagte der Atmosphärenchemiker Jos Lelieveld vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie im März dieses Jahres auf einer Tagung. Alleine durch Feinstaub gebe es in Deutschland mehr als 120.000 Todesfälle im Jahr. Und auch Stickoxide, so weitere Experten auf der Tagung, seien ein höchst schädliches Reizgas, die Gesundheitsgefahren gut dokumentiert  – Deutschland habe in Westeuropa die schlechteste Rate an verlorenen Lebensjahren. 20 Prozent der schädlichen Luftemissionen würden durch Verkehr verursacht, 8 Prozent durch lokale Energieanlagen und 45 Prozent durch Ausdünstungen der Agrarindustrie. „Luftverschmutzung“, betonte Lelieveld, „ist ein echtes Gesundheitsproblem.“

Verkehrsschild Diesel-Fahrverbot. - Foto: gik
Kommt das Diesel-Fahrverbot in Mainz oder kommt es nicht? Die Entscheidung fällt wohl im Juli. – Foto: gik

Die Deutsche Umwelthilfe forderte denn auch die Städte und Länder zu mehr Engagement bei der Nachrüstung von Bussen, Handwerkerfahrzeugen und Kommunalfahrzeugen aus – Mainz hat dies inzwischen zumindest bei seiner Busflotte in großem Stil getan: 100 Dieselbusse wurden seit Ende 2018 mit neuen Abgasfiltern umgerüstet, im Februar 2019 verkündete die Mainzer Verkehrsgesellschaft stolz: die Maßnahme wirke. „Durch die Umrüstung unserer Dieselbusse erreichen wir 94 bis 97 Prozent Minderungswerte bei Stickoxiden“, sagte Geschäftsführer Jochen Erlhof.

Die Frage ist aber immer noch: Reicht das, um den Stickoxidgrenzwert dauerhaft auf 40 Mikrogramm und darunter zu bringen? Nach dem Gerichtsurteil von 2018 muss die Stadt Mainz genau dies tun, und zwar bis Ende Juni 2019 – sonst muss sie zum 1. September ein Fahrverbot für ältere Diesel für die Mainzer Innenstadt verhängen. Nach Zahlen des Landesamtes für Umwelt lagen die Stickoxidwerte in der Mainzer Parcusstraße im Januar bei 39 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, im Februar aber bei 50 Mikrogramm. Im März wurden 40 Mikrogramm gemessen und im April 39 Mikrogramm – im Schnitt wären das 42 Mikrogramm. Ob das zur Vermeidung eines Dieselfahrverbotes reicht, ist unklar – die DUH pochte bislang strikt auf die Einhaltung der 40 Mikrogramm.

Info& auf Mainz&: Die detaillierten Daten zur Luftqualität in Deutschland findet Ihr hier auf der Internetseite des Bundesumweltamtes. Mehr zu den Gefahren dreckiger Luft lest Ihr hier bei Mainz&, die Bilanz zur Umrüstung der Mainzer Dieselbusflotte genau hier. Übrigens: Aktuelle Luftmesswerte könnt Ihr beim Landesamt für Umwelt unter der bisherigen Webseite Luft-rlp.de nicht mehr abrufen – das Land hat das System gestoppt. Stattdessen werden die Daten nun über das Umweltbundesamt verbreitet, das ist allerdings deutlich unübsichtlicher, Wochenwerte sind kaum noch zu ermitteln, Vergleiche nur noch schwer zu ziehen – transparent ist das nicht. Den Link dazu findet Ihr hier beim UBA.

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