Das Ringen um eigene Ultrafeinstaubmessungen in Mainz geht weiter, die Forderungen, auch Mainz möge messen, was an giftigen Rußpartikeln aus Flugzeugtriebwerken am Boden ankommt, reißen nicht ab. Trotzdem lehnte der Mainzer Stadtrat in seiner Sitzung kurz vor Weihnachten einen Antrag der Freien Wähler ab, die Stadt möge eigene Messgeräte dafür anschaffen und betreiben. Die Stadt sei schlicht nicht zuständig, das sei Aufgabe des Landes, sagte Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). Im Mainz&-Gespräch betonte die Dezernentin zugleich: „Ich will weiter, dass die messen.“ Gemeint ist das Land Rheinland-Pfalz, Eder hatte im September die Landesregierung aufgefordert, auch in Mainz Ultrafeinstäune zu messen, wie in Hessen auch. Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) hatte das aber abgelehnt – und tat dies jetzt erneut als Reaktion auf eine Untätigkeitsbeschwerde der Mainzer Initiative gegen Fluglärm.

Die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) fordert weiter Ultrafeinstaubmessungen auch in Mainz. - Foto: Stadt Mainz
Die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) fordert weiter Ultrafeinstaubmessungen auch in Mainz. – Foto: Stadt Mainz

Ultrafeinstaub gilt als hochgiftig, die winzigen Rußpartikel im Nanobereich werden bei Verbrennungsvorgängen von Motoren, Kaminen und Fabriken produziert – und eben auch in Flugzeugtriebwerken. Im August hatte das hessische Landesamt für Umwelt einen Bericht veröffentlicht, in dem das Land Hessen erstmals einräumte: Die giftigen Rußpartikel werden von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen, und das auch beim Starten und Landen, und zwar in erheblichen Mengen. Hessens Verkehrsminister Tarek Alk-Wazir (Grüne) sprach gar von einer „Wolke“ von Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen, und kündigte an messen zu wollen, wie weit die Wolke reiche und in welcher Konzentration Ultrafeinstaub am Boden auftreffe.

Die Mainzer Umweltdezernentin Eder hatte daraufhin im September am Rande einer Expertentagung zum Thema Ultrafeinstaub gefordert, auch Rheinland-Pfalz müsse messen, „was in Mainz ankommt“ – ihre Parteikollegin, Umweltministerin Höfken verweigert das jedoch bis heute. Die Freien Wähler hatten daraufhin einen Antrag im Stadtrat gestellt, die Stadt Mainz solle selbst mehrere geeignete Ultrafeinstaub-Messinstrumente beschaffen und die erhobenen Daten dauerhaft auswerten, veröffentlichen und archivieren.

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Das Grundgesetz schütze das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, im Umweltrecht gebe es ein Vorsorgeprinzip, argumentierte Antragsteller Erwin Stufler. Mainz werde bei Ostwind im Minutentakt von bis zu 1.000 landenden Flugzeugen täglich überflogen, die aber stießen giftigen Ultrafeinstaub aus, der Auswirkungen auf Herz und Kreislauf habe und Atemwegserkrankungen und Lungenkrebs auslösen könne. „Man kann Ultrafeinstaub messen, die Geräte kosten zwischen 5.000 bis 10.00 Euro“, betonte Stufler: „Der Stadtrat könnte damit ein Zeichen setzen, wie wichtig ihm die Gesundheit der Bürger ist.“

Luftmessstation des hessischen Umweltamtes in Raunheim, hier wird auch Ultrafeinstaub gemessen. - Foto: gik
Luftmessstation des hessischen Umweltamtes in Raunheim, hier wird auch Ultrafeinstaub gemessen. – Foto: gik

Die Messungen seien nicht Aufgabe der Stadt, die zudem gar keine Ressourcen an Geld und Personal dafür habe, konterten die Grünen – die Kommunalaufsicht ADD werde die Gelder dafür gleich wieder streichen. „Dass Ultrafeinstaub schädlich ist und überall eindringt, das ist Tatsache“, sagte auch der Mainzer Mediziner und FDP-Stadtrat Wolfgang Klee: „Wir haben genügend Messstationen, die Feinstaub messen und Stickoxide, aber nicht für Ultrafeinstaub – das ist sinnvoll.“ Zuständig für Emissionen sei aber das Landesamt für Umwelt.

„Um zu wissen, wie schädlich Ultrafeinstaub ist, muss man messen – sonst ist es wie mit der Henne und dem Ei“, sagte der SPD-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Johannes Klomann, der sich erst kürzlich vehement für Messungen in Mainz ausgesprochen hatte. Die Messungen seien aber Aufgabe des Landes – und um hier den Druck zu erhöhen, sei man „froh über den Änderungsantrag der CDU“. Die Oppositionspartei hatte flugs einen Änderungsantrag zu dem Antrag der Freien Wähler eingebracht, um das Thema nicht an der Nicht-Zuständigkeit der Stadt sterben zu lassen – prompt wurde der CDU-Antrag mit großer Mehrheit angenommen

 

In dem Antrag wird die Verwaltung nun „gebeten in Gespräche mit dem Land einzutreten, um die Frage zu klären, wer für die Errichtung und die Betreuung der Messstationen von Ultrafeinstaub sowie für die Auswertung der gesammelten Daten verantwortlich ist.“ Ferner solle die Stadt „darauf hinwirken, dass das Land diese Aufgabe übernimmt“. Ultrafeinstäube seien „ein unsichtbarer Krankmacher“, betonte CDU-Stadtrat Norbert Solbach, und klagt: „Aber das Umweltministerium tut nichts“.

Offizielles Messgerät für Ultrafeinstaub an der Buber-Schule in Frankfurt-Sachsenhausen. Foto: Alt
Offizielles Messgerät für Ultrafeinstaub an der Buber-Schule in Frankfurt-Sachsenhausen. Foto: Alt

Tatsächlich hat Umweltministerin Höfken nun mehrfach abgelehnt, eigene Ultrafeinstaubmessungen anzustrengen – und das, obwohl das Ministerium Ende 2017 eigenen Angaben zufolge damals sogar die Anschaffung eines eigenen Messgerätes geplant und die Gelder dafür bereits genehmigt hatte. Die Mainzer Fluglärm-Initiative Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr e.V. („IKUL“) riss deshalb im Herbst der Geduldsfaden: Am 27. November 2019 erhob die IKUL eine Untätigkeitsbeschwerde gegen die Ministerin bei der Landesregierung.

Höfken verweigere wider besseres Wissens seit mindestens zwei Jahren Messungen, obwohl der Ministerin seit 2012 die Gefahren von Ultrafeinstaub sowie Messungen der IKUL zu erheblichen Ultrafeinstaubmengen in Mainz bekannt seien. Trotzdem unterlasse die Ministerin Ermittlungen über das Ausmaß der Immissionsbelastung und entziehe sich so ihrer gesetzlichen Pflicht zur Vorsorge im Sinne der Bürger, argumentierte die Bürgerinitiative: „Die Bürger in Rheinhessen und in Mainz werden bei Ostwind von landenden Flugzeugen überflogen“, mehr als 110.000 Landeanflüge habe es 2018 in dieser Region gegeben. In der Umgebung des Flughafens seien bereits Spitzenwerte von einer Million UFP-Partikel gemessen worden, „die Besorgnis von Gesundheitsgefahren durch die Einwirkung von UFP ist groß“ – nur Messungen könnten Klarheit über das Ausmaß geben.

 

Das Umweltministerium wies im Dezember die Vorwürfe zurück: Der Vorwurf der angeblichen Untätigkeit des Umweltministeriums sei „absurd“, heißt es in der Antwort, die Mainz& vorliegt. Gleichzeitig lehnte das Ministerium erneut Messungen ab – und verwies wieder einmal auf die EU: „Nicht aussagekräftige Messungen alleine stellen keine Vorsorgemaßnahmen dar, dazu brauchen wir als Land die Rechtsgrundlagen der
Europäischen Kommission und die des Bundes“ – die Verantwortung dazu trage Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Messung der Ultrafeinstaubbelastung in Raunheim vom 15. September 2016. - Foto: gik
Messung der Ultrafeinstaubbelastung in Raunheim vom 15. September 2016: Oben der Fluglärm, unten die UFP-Werte. – Foto: gik

Warum Hessen gleichzeitig aussagekräftige Messungen vornehmen kann – und das bereits seit Jahren -, diese Frage beantwortetet das Umweltministerium nicht. Im September hatten zudem hochkarätige Experten berichtet, es gebe schon lange geeignete Messgeräte sowie standardisierte und anerkannte Messverfahren in Sachen ultrafeine Partikel (UFP) – allein Rheinland-Pfalz sei bis heute kein Mitglied des Messnetzwerkes. Der renommierte Leipziger Messtechnik-Experte Professor Alfred Wiedensohler vom Institut für Troposphärenforschung betonte: „Wir haben Erfahrung aus zehn Jahren, es gibt etablierte Messtechnik und ein großes Messnetzwerk.“ In der Schweiz wurden bereits 2008 valide Messverfahren zu Ultrafeinstaub entwickelt, auch in anderen Ländern wie Holland und Großbritannien wird Ultrafeinstaub rund um Flughäfen gemessen, die Ergebnisse gelten als wichtige Grundlage für die Forschung.

Im Mainzer Umweltministerium verweigert man sich indes dieser Erkenntnis und behauptet weiter, es brauche erst einen EU-weiten Grenzwert für Ultrafeinstaub, bevor gemessen werden könne – die Dauer für die Entwicklung eines solchen Grenzwertes schätzen Experten auf zehn bis zwanzig Jahre. Der Bund müsse „die dringend erforderliche Grundlagenforschung“ ausbauen, das Ziel müsse „zunächst sein, gesicherte Bewertungskriterien zu erhalten“, teilte hingegen das Mainzer Ministerium mit: „Aufgrund dessen ist die Entscheidung hinsichtlich eigener Messungen in Rheinland-Pfalz auch noch nicht gefallen.“ Wegen fehlender EU-rechtlicher Vorgaben bei Ultrafeinstaub-Messungen könne es zudem „zu keinerlei Maßnahmen und Konsequenzen kommen.“

Flieger über der Mainzer Oberstadt. - Video: Thomas Münzel, Screenshot: gik
Flieger über der Mainzer Oberstadt. – Video: Thomas Münzel, Screenshot: gik

Die Mainzer Fluglärm-Initiative sieht „ein Versagen grüner Regierungspolitik“ und kritisiert:  „Vollmundige Ankündigungen und Forderungen der Grünen in der Opposition münden regelmäßig in einer ausschließlich an den Interessen der Industrie ausgerichteten Wirtschaftspolitik.“ Die hohe Ultrafeinstaubbelastung durch den Flugbetrieb in Frankfurt sei „jahrelang durch Hessens grüne Umweltministerin abgestritten, hinter ‚Jahresmittelwerten‘ versteckt und durch untaugliche Messgeräte und – standorte zu verschleiern versucht“, kritisiert IKUL-Vorstand Lars Nevian. Die rheinland-pfälzischen Grünen schauten derweil „diesem Treiben seit Jahren tatenlos zu und reagieren auf entsprechende Vorwürfe gereizt und beleidigt“, sagte IKUL-Vorstandsmitglied Anselm Einsiedel.

Gefragt sei nun Ministerpräsidentin Malu Dreyer(SPD), betonte  Nevain – sie müsse über die Untätigkeitsbeschwerde entscheiden. Dreyer selbst habe sich ebenso wie die SPD-Landtagsfraktion beim Thema Fluglärm und Ultrafeinstaub jüngst erst „weit aus dem Fenster gelehnt“, die Ministerpräsidentin gar die Forderung erhoben, das Nachtflugverbot auf 6.00 Uhr morgens auszuweiten. Mehrere SPD-Landtagsabgeordnete wiederum hätten sich mit ihrer Forderung von UFP-Messungen gegen ihren grünen Koalitionspartner gestellt.

„An diesen Forderungen müssen sich Malu Dreyer und die SPD-Landtagsfraktion jetzt messen lassen“, betonte Lars Nevian. Dreyer müsse über die Untätigkeitsbeschwerde entscheiden und damit faktisch über die Frage, ob die Umweltministerin UFP-Messungen durchführen müsse. „Wir sind gespannt, ob Malu Dreyer und die SPD ihren Worten auch Taten folgen lassen“, fügte Nevian hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zum hessischen Zwischenbericht in Sachen Ultrafeinstaub im August lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zu der Ultrafeinstaub-Tagung sowie Eders Forderung nach Messungen genau hier. Die Untätigkeitsbeschwerde gegen Ministerin Höfken haben wir ausführlich hier erläutert.

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